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Politik

Das Pro-Argument „Dagegen Partei“ [Update]

Als ich auf die Seite www.die-dagegen-partei.de stieß, war zunächst unsicher. Ist das nun ein genialer Schachzug der Grünen das angebliche Image als Blockierer und Verhinderer für sich zu nutzen, oder steckt dahinter eine ausgebuffte Kampagne der politische Gegner? Und es wird einem ja auch nicht ganz einfach gemacht; bei Google erscheint die Seite so:

Die Dagegen-Partei bei Google

Auch die Kampagnenseite an sich erscheint in der namensgebenden Signalfarbe der Partei. Auf einer übersichtlichen Landkarte sieht man, gegen welche lokalen Projekte Bündnis 90/ Die Grünen sich aktuell engagieren. Erst am Fuße dann der Hinweis:

CDU Aktion

Die CDU versucht sich also im „negative campaigning“, und die Schwesterpartei CSU sprang ihr jetzt noch mit einem Video bei:

Für eben dieses hagelt es jetzt Kritik, das Video hat bei 80.000 Views fast 3.000 mag ich nicht kassiert und dabei ist davon auszugehen, das die Meisten dem Video eingebettet auf eine Webseite begegnet sind, wo es diese Abstimmungsmöglichkeit nicht gibt. Gut fanden das Video knapp über 300 Menschen. Doch auch darüber hinaus schlägt das Video Wellen: Die Kommentarfunktion auf den Unionswebseiten werden genutzt. Die meisten lesen sich so: „Peinlich, Niveaulos.“ Die Medien werten das Video ebenfalls zum großen Teil als Verzweiflungstat. Und auch innerhalb der Partei regt sich Kritik. Ortsvorstand Peter Strauch zitiert die sueddeutsche wie folgt:

„So eine Kampagne kann doch nicht Euer ernst sein.“ Als Ortsvorsitzender komme er vor der Presse in Erklärungsnot und müsse sich für so eine Kampagne bei den politischen Gegnern fast schon entschuldigen“. Dann sein Appell: „Bitte stoppt die Kampagne!“

„Negative Campainging“ ist aber auch eine wirklich eine, nun sagen wir „gewagte“ Idee. Nicht umsonst gibt es zahlreiche Studien, die den erhofften Effekt von „negative campaigning anzweifeln oder ganz widerlegen. Oft fällt der negative Effekt nämlich direkt auf den Empfänger zurück. Wählerumfragen belegen, dass gerade in Deutschland die Akzeptanz von Negativkampagnen besonders gering ist.

Dabei hätte man doch lernen können. Der letzte Versuch ist noch gar nicht so lange her, dass war die SPD im Europawahlkampf mit diesem Spot:

Die SPD versuchte die Gegner in den Dreck zu ziehen und scheiterte grandios. 20,8% lautete das Ergebnis der ehemals stolzen Volkspartei. Der Werbemann Bernd M. Michael analysierte hinterher die Kampagne im Interview mit dem Westen und findet klare Worte:

Hat eine Negativ-Kampagne wie diese überhaupt jemals funktioniert?

Michael: So etwas hat noch nie auf der Welt funktioniert. Das Schlechtmachen anderer Leute führt nicht dazu, dass man selbst besser dasteht. Viel besser ist es, wenn Sie ein Vermissen-Erlebnis provozieren, wenn Sie sagen: Aus dem und dem Grund bin ich für Dich viel besser; wenn ich permanent sage, ich kann Dir bieten, was Dir der andere nicht bieten kann. Das ist die zweite große Regel: Rede davon, was der andere Dir nutzt, gib ihm einen Grund, weshalb er mit Dir besser dasteht. Menschen sind alle Ich-bezogen.

Aber steigen wir nochmal hinter das theoretische, hinein in das inhaltliche. Aus welcher Position heraus agrumentiert die Union?

Im August letzten Jahres zeigten sich 81% der Wahlberechtigten nicht zufrieden mit der Arbeit der Koalition aus CDU, CSU & FDP. ((Das bezieht sich auf Bundesebene und aktuell befinden wir uns natürlich in einem Landtagswahlkampf)) Welches Signal ist es da, die andere Partei mit „Dagegen-Partei“ als die wirksame Alternative hinzustellen? In einer Zeit, in der sich viele mit dem momentanen Verlauf unbefriedigt zeigen, bewirbt die Union also den politischen Gegner als wirksame Alternative. Was machen die Grünen? Das einzig Richtige, sie greifen die Argumentation auf und zeigen, warum sie wo gegen sind. Da wird hinterher ein fetter Scheck an die CSU fällig als Dank für die Wahlkampfhilfe und den Verantwortlichen sollte man vielleicht gleich fürs eigene Lager verpflichten.

Netzpoltik.org hat übrigens zu einem Remix des Spots aufgerufen, die ersten Ergebnisse sind schon da Und auch über netzpolitik, habe ich gerade auch noch dieses Video entdeckt: „Inside CDU – Wie der Anti-Grünen Werbespot enntstand“ und ich musste sehr schmunzeln, gerade wegen des hervorragenden Featurings von „Das Leben des Brian“.

Update: Die „heute show“ hat ausserdem noch einen Spot über die CSU gemacht:

Disclosure: Wer sich die Mühe macht, meinen Namen zu googlen wird wahrscheinlich irgendwann auf Hinweise stoßen, dass ich irgendwann einmal Mitglied der GJ Ravensburg war. In der letzten Wahl gehörte meine Stimme dennoch einer anderen Partei.

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Musik Wort

Sido, Bushido & Savas rezitieren

Wer noch daran gezweifelt hat, dass Rap die neue Form der Lyrik ist, wird nun endgültig eines Besseren belehrt. Anständig Rezitiert entfalten die frauenfeindlichen, sexistischen und gewaltverherrlichenden Texte von Bushido, Sido, Kool Savas und B-Tight nämlich durchaus eine ganz neue Ebene, der man es zutrauen könnte, dass sie von Hellmuth Karasek oder Reich-Ranicki diskutiert würde. Ja, wer weiß, am Ende würde sich sogar ein Feuilletonist finden, der darin endlich eine neue Jugendkultur entdeckt, die schonungslos und offen benennt was sie umtreibt. Eine neue Hegemann eben… Aber, bevor ich mich ganz vergaloppieren, überzeugt euch selbst:

[via electru]

Und all diese Ausführungen erinnern uns daran: Deutschlehrer, ihr hättet Bushido verhindern können!

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Flimmern & Sehen Großes Kino

Regisseur Park Chan-wook dreht Film mit dem iPhone

Das die Kamera des iPhone 4 nicht von schlechten Eltern ist, war bekannt; der Regisseur Park Chan-wook („Oldboy“) geht nun aber noch einen Schritt weiter: Er drehte seinen nächsten Kinofilm allein mit der Kamera des Apple Smartphones.

Par Chan-wook betont die Vorteile der kleinen Kamera gerade im Vergleich mit den schweren Geschützen: „Sie ist leicht und jeder kann sie verwenden.“ Und sein jüngerer Bruder Park Chan-kyong füngt hinzu, dass man eine viel größere Auswahl an Einstellungen hat, weil man viel mehr Kameras auf einmal verwenden kann. Allerdings benutzen sie wohl auch zusätzliche Linsen, die sie an das Handtelefon anschlossen.

Der Film, den Park Chan-wook da in der Mache hat nennt sich „Paranmanjang“, was koreanisch ist und so viel bedeutet, wie „Höhen und Tiefen“. Darin durchschreitet ein Mann sein aktuelles und vorherige Leben. In Südkorea soll der 30-minütige Film ab dem 27. Januar in den Kinos zu sehen sein. Beworben hatte Park den Film bereits seit Oktober, mit einem Werbespot, der ebenfalls auf dem iPhone geschossen wurde. “Is there anything I can do that greatest directors haven’t done yet?”, fragt er sich darin selbst: “Ah! Making a film with the iPhone!”

Park Chan-wook wurde vor allem durch seine Rache Trilogie bekannt, bestehend aus „Sympathy for Mr. Vengance“, „Oldboy“ und „Sympathy for Lady Vengance“. Als letztens im Kino zu sehen, war der Film „Thirst„.

Update: Inzwischen gibt es einen Trailer zum Film und ein „Behind the Secenes“-Video, dass zeigt wie mit dem iPhone gearbeitet wurde. Hier entlang.

Bild unter CC von Cien de Cine | via

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Bewegen & Beschäftigen Gesellschaft

Es gibt so viele Themen, aber was soll ich von ihnen halten?

Gestern Nacht sind Pell und ich uns in einem dieser zahlreichen Instant-Messenger über den Weg gelaufen und es gab so viele Themen zu besprechen. Wichtige Themen. Oder sind sie das gar nicht? Was soll man von all diesen Themen halten, die uns tagtäglich umschwirren? Ein Gesprächsauszug:

Pell: Es gibt so viele Themen, zu denen ich sehr energische Meinungen pflege und doch habe ich keines davon so öffentlich verteidigt/attackiert. Vielleicht sollte ich das ändern. Wie geht es Dir damit?

Jannis: Bei mir scheitert es meinst an der Prokrastination oder daran, dass ich denke andere haben das schon besser gesagt oder gar, dass ich mir selbst nicht die Zeit gebe genug nachzudenken, mich in ein Thema ein zu finden. Das sehe ich aber  als Teil dieser schnelllebigen Medienlandschaft: Bevor ich mir zu einem Thema eine umfassende Meinung bilden kann, ist es schon wieder durch.

Dabei sind es letztlich ja diese Leute, die für diese Themen stehen, die sie in die Medien bringen. Man muss wohl idealistisch genug für ein Thema sein. Ich weiß nicht, wie es vor dem Internet war, ob ich auch so sehr prokrastinierte wie heute. Als ich dieses Jahr gesundheitlich eine Zeit lang vom Internet schied, war mein Kopf sehr viel ruhiger und das Denken, das bilden fiel mir einfacher, ich fühlte mich oben wohler, aber die Lücke an Wissen war riesig.

Ja, es ist ein wahnsinniger Konflikt in einem Selbst zwischen alles mitbekommen müssen, dem Gefühl möglichst viel Wissen aufzusaugen und dem wirklich etwas zu begreifen. Auch ich genoß meine Zeit in Indien mit wenig Internetzugang: Ich kam dazu 6 Bücher zu lesen. Wahnsinn. Für mich selbst hat das sicher mehr gebracht, als sich 3 Stunden durch TED Talks zu klicken

Geht es also letztlich nicht so sehr um Wissen, sondern um Anerkennung bzw. sozialen Austausch?

Ja, mit Sicherheit. Man möchte mitreden können. Denn seien wir ehrlich, die meisten alltäglich konsumierten Wissensschnipsel betreffen einen im eigenen, persönlichen Leben überhaupt nicht

Ich habe oft den Eindruck, dass Themen aber gar nicht wirklich in ihrer absoluten Breite behandelt werden wollen, oft weil sie dann zu komplex werden. Mich stört das natürlich, wenn ich über etwas bestimmtes ganz viel zu wissen glaube, gleichzeitig sind meine Meinungen zum Dioxin-Skandal auch dürftig. Vielleicht ist das große Problem, dass jeder glaubt, eine Meinung zu allem haben zu müssen.

Aber nach was für einer Meinung verlangt denn der Dioxin-Skandal überhaupt?

Ist diese Frage nicht der Ausruf vieler Menschen? „Was soll ich hiervon halten?“

Sicherlich, und ich beobachte für mich, dass immer mehr Menschen damit allein gelassen werden. Keiner bietet mehr die Antworten, weil Themen so schnell, so intensiv durch gekaut werden, dass nach 2 Wochen jeder sagt: „Geh mir weg mit Dioxin!“, gleichzeitig ist man aber noch nicht einmal annähernd zum Grund des Problems vorgestoßen.

Werden sie tatsächlich alleine gelassen? Manchmal weiß ich nicht, wieso man an Medien irgendwelche Ansprüche stellt. Man könnte sie boykottieren und sie müssten sich bessern. Aber so ein Ausruf wäre bereits medial. Alles ist medial. Ich glaube, der Hunger ist vielseitig, immer mehr Fotos von Assanges Verhaftung, immer mehr Details zum Dioxin-Skandal – kurze Schnipsel, aber keine Ausarbeitung zu beiden. Vielleicht möchte niemand einen Essay lesen, selbst wenn er polemisch unterhaltend ist. Vielleicht aber sind diese ganzen vielleichts nur existent, weil es derzeit kein Format gibt, das tatsächlich geliebt wird. Es gibt nichts, das richtig funktioniert.

Oder die Formen erfülle nicht die Anforderungen, die unsere Zeit an sie stellt. Bis jemand so einen Dioxin-Skandal zu Ende recherchiert hätte, in einen guten Artikel gepackt und veröffentlicht hätte, dauert es wahrscheinlcih 2 Monate. Bis dahin weiß schon niemand mehr wie man Dioxin eigentlich schreibt.

Pell: Was würdest Du denn gerne für Journalismus lesen?

Jannis: Guten.

Was sagt ihr? Fühlt ihr euch auch von Themen überschwemmt? Wie bildet ihr euch eine Meinung? Steigt ein in unser Gespräch.

Das Foto hab ich über sxc.hu gefunden und stammt vom User Mattox.

Update: Angeregt durch Alex in den Kommentaren, werde ich einige der hier angerissenen Thesen noch weiterspinnen. Bei einem „Öffentlichen Diskurs über öffentlichen Diskurs„. Statt findet dieser am Montag, den 31.01.2010 um 18.00 Uhr im Pengland. Rahmengebend ist die Ausstellung „The very Best of the Internet“. Auch da sind alle herzlich eingeladen in das Gespräch einzusteigen.

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Bewegen & Beschäftigen Netz & Politik

Wikileaks – Hinter den Kulissen der Netzaktivisten [Update]

Die Causa Wikileaks mit all ihren Facetten belagert nach wie vor alle Kanäle. Noch sind nicht alle Dokumente veröffentlicht, aber vor allem die Verhaftung – Freilassung – Hausarrest von Julian Assange halten das Thema oben.  Dabei wird immer mehr über die Arbeitsweise der Organisation bekannt, Wikileaks selbst rückt in den Fokus. Das muss man großteils begrüßen, denn eine Organisation, die so viel Macht hat muss auch selbst transparent. Schließlich ist das ihr eigenes Motto: Transparenz der mächtigen Machenschaften. Diese Kritik an Wikileaks vertritt nicht nur der ehemalige Spreche Daniel Domscheit-Berg, der im Januar ein Buch mit eben dem Titel „Inside Wikielaks“ veröffentlichen möchte.  Gleichzeitig sehen sie sich natürlich einer Vielzahl von Gegnern gegenüber, wie die Schmierenkomödie vor den Gerichten dieser Welt beweist und diese profitieren von jeder Information über diese Organisation, die gleichzeitig geheim Arbeiten muss. Allerdings sind CIA und Co wahrscheinlich an ganz anderen Details interesiert und bereiten ganz andere Aktionen vor, als die, die ich mit euch hier teilen möchte. Es gibt nun sogar eine extra Task Force speziell für Wikileaks. Die Abkürzung lautet schenkelklopfender Weise W.T.F. (Wikileaks Task Force).

Als erstes gibt es da eine  Dokumentation der schwedischen Journalisten Bosse Lindquist und Jesper Huor. Diese haben Julian Assange und sein Team für 6 Monate begleitet und zeigen so noch einmal die Geschichte und die wichtigsten Enthüllungen der Whistleblower-Plattform. Netzpolitik.org hat die deutsche Version dankenswerter Weise online gestellt:

WikiLeaks – Rebellen im Netz from netzpolitik on Vimeo.

Wer sich für die Medienkooperationen von Wikileaks interessiert (ein weiterer Kritikpunkt von Daniel Domscheit-Berg und nun auch ein Fall für den Presserat), dem sei diese hochspannende Folge des Medienradios empfohlen. Darin spricht Philip Banse mit Holger Stark vom Spiegel, der die Recherchen betreut hat. Auch er plant übrigens Ende Januar ein Buch zu Wikileaks.

Sowohl in der Dokumentation, als auch im Medienradio-Interview wird deutlich, wie wichtig die eingegangenen Medienkooperationen sind. Wikileaks ersetzt eben nicht den Journalismus, sondern ergänzt ihn und umgekehrt. Wikileaks hat die Dokumente, der Journalismus das Know-How und die Recherchekapazitäten. Wikileaks war die wohl wichtigste Organisation dieses Jahr und wird uns sicher und hoffentlich noch weit bis ins nächste hinein begleiten. Umso unverständlicher, dass das TIME-Magazin Mark Zuckerberg anstatt Julian Assange zur „Person of the Year“ ernannt hat. Doch auch dazu hat sich Assange geäußert, wenn auch vertreten durch das Saturday Night Live Team:

Update: Ergänzend noch das Interview von AlJazeera mit Julian Assange bei „Frost over the World„:

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Bücher

Malte Welding & die Generation Lieblos

Als ich hörte, Malte Welding schreibt ein Buch, habe ich mich gefreut. Als ich hörte es wird ein Ratgeber, dachte ich: „Ach, du Scheiße!“. Als ich dann noch hörte einer über Liebe, dachte ich weiter: „Grundgütiger, nicht noch einer! Warum nimmt man nicht lieber die wunderbaren Geschichten des Liebestöters Paul und versucht sie zwischen zwei Buchdeckel zu pressen?“ Als er dann seine Rubrik in der Berliner Zeitung über eben dieses Thema startete, freute ich mich wieder auf das Buch, schrieb einen fanzigen Kommentar auf Facebook, woraufhin Malte Welding so nett war, mir das Buch zu schicken zu lassen.

„Frauen und Männer passen nicht zusammen – auch nicht in der Mitte.“

Welding zerpflückt in seinem Debüt „Frauen und Männer passen nicht zusammen – auch nicht in der Mitte.“ gekonnt das Liebesleben oder -sterben. Dabei gelingt es ihm nicht in Ratgebersprech zu verfallen, sondern er hat sich den Blogger beibehalten. Die Kapitel hängen lose zusammen, erzählen und erörtern anekdotisch verschiedene Aspekte. Im Buch begegnen uns verschiedene Schicksale: Karsten, der schwule Nerd, der hübsche Thomas, der eigentlich Sex ohne Ende hat – Dank seines raffinierten Kakaotricks – aber trotzdem nie eine Beziehung, der weniger hübsche Jonas, die alleinerziehende Clara und Terminchen, die nichtmal Zeit hat sich von ihrem Freund zu trennen, aber Zeit ihn permanent zu betrügen, aber auch das macht ihr nicht richtig Spaß. Das ist die Stärke des Buches, anstatt auf  amerikanische-Wissenschaftler-haben-herausgefunden-Fakten zu setzen oder der peaseischen Evolutionstheorie anzuhängen, folgt er einer genauen Beobachtungsgabe. Viele dieser Beobachtungen kommen einem dabei bekannt vor, gibt es sie wirklich oder sind das Klischees?

„Manchmal gibt es Sachen, die sind so sehr Klischee, dass ich sie lieber nicht schreiben würde. Aber vielleicht sind sie nur Klischee, weil sie so oft vorkommen.“

Doch es geht längst nicht nur um diese Einzelschicksale, Welding zeichnet viel mehr ein Bild einer gesamten Generation bzw. Gesellschaft, die es verlernt hat zu lieben und der Liebe ihren Platz zu schenken. Feierten die Großeltern noch goldene Hochzeiten bis zum Umfallen, ist die Elterngeneration geschieden und die jungen bekommen es anscheinend gar nicht mehr hin. Warum? Welding identifiziert den grassierenden Narzissmus und Bindungsängste als Ursache. So sind wir beispielsweise allzeit bereit für den Job umzuziehen, für die Liebe? Wer weiß wie lange das hält. In einer dauergestressten Gesellschaft hat jeder sein Päckchen zu tragen, will aber seine Last nicht teilen, schließlich steckt da die ganze mühselig zum Schutz aufgebaute kaputte Persönlichkeit drin. Zwischen diese Gesellschaftsanalysen gesellen sich die kurzen Ratgeberabschnitte, amüsant geschrieben und teilweise durchaus denkanregend. Als Zielgruppe scheint Malte Welding dabei durchaus auch jene Twitterer im Kopf zu haben, die pausenlos twittern, dass sie keinen Sex haben (was vielleicht damit zusammenhängt, dass sie pausenlos twittern, dass sie keinen Sex haben). Erst gegen Ende driften seine Ratschläge und Betrachtungen etwas in Richtung Gesamtlebenshilfe ab. Das ist gleichzeitig aber wieder Weldings Stärke, dass er die Liebe nicht beschränkt aufs Bett betrachtet, sondern eingebettet in jenes soziale Gefüge, mit dem wir uns herumschlagen. Am Ende schafft es aber Welding tatsächlich, dass man sagt: irgendwie muss es doch gehen. Oder um es mit den Worten von Maxim Biller zu sagen: „Wenn Malte Welding über die Liebe schreibt wirkt sie auf einmal ganz leicht.“ Eigentlich müsste man nur weniger Arschloch Narzisst sein und sich Zeit nehmen für dieses Liebesding. Vielleicht fang ich gleich mal an, in dem ich eines von Weldings Büchern verschenke. An euch. Und wenn ihr noch ein last Minute Geschenk sucht, dann tut es mir doch gleich, Menschen mit Liebesproblemen hat sicher jeder genug im Bekanntenkreis.

Wer sich noch nicht sicher ist, schaut bei Malte Welding im Blog vorbei, da gibt es Lese- und Hörproben vom Buch, Outtakes (1,2,3) und noch mehr Stimmen.

Verlosung

Pünktlich zu Weihnachten, dem Fest der Liebe, sollt ihr nicht leer ausgehen. Deshalb verlosen wir eines von Malte Weldings Büchern „Frauen und Männer passen nicht zusammen – auch nicht in der Mitte“. Was ihr dafür tun müsst? Wir wollen euern besten Liebestipp hören. Wie klappt das mit Mann und Frau?

Diesen Tipp postet ihr dann hier in den Kommentaren, auf Twitter mit dem Hinweis auf diesen Text (Link: http://netzf.eu/MaltesLiebe) oder ihr hängt ihn an unsere Facebook-Wand. Oder ihr macht alles 3 und verbessert so eure Chancen. Schluss damit ist am 24.12 um 18.00 Uhr. Danach ist Bescherung. Ausgeschlossen sind der Weihnachtsmann, Netzfeuilletonverbandelte und der Rechtsweg.

Viel Glück.

Update: Der Zufall hat gesprochen und gewonnen hat Hirsch Nadja. Herzlichen Glückwunsch, das Buch ist unterwegs! Auch allen anderen vielen Dank fürs Mitmachen!

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Flimmern & Sehen Kleines Fernsehen TV Tipp

Stuckrad Late Night – Verschollene Piloten II

Diesen Sommer gab es einen weiteren Piloten, der Fernsehgeschichte schrieb, ganz ohne Fernsehen. Das ganze Land steckte irgendwo in einem Sommerlochsumpf in dem es von grauhaarigen Monstern mit runden Brillen wimmelte, die wie wild Schwarz-Rot-Weiße Bücher und provokative Äußerung um sich warfen. Und als sich alle fragten, wer jetzt dümmer sei die Muslime, Thilo Sarrazin oder die Journalisten die es einfach nicht schafften ein Ersatznessi für die Titelseiten zu finden, tauchte ein Ausschnitt auf Youtube auf, der die Diskussion noch weiter anheizte:

Thilo Sarrazin, der Linksausleger der NPD Rechtsausleger der SPD, spricht über Joseph Goebbels: „Der Man war sehr gut mit Worten, er war ein Menschenverführer.“ Jackpot. Was brauchte es noch mehr aus dem Mund dieses Mannes, der schon so viel Grütze verzapfte? Der Ausschnitt machte die Runde. Es war die Pilotsendung von „Stuckrad Late Night„, die im Juni für ZDFneo aufgezeichnet, aber noch nicht ausgestrahlt wurde. Als Reaktion auf die Leaks einzelner Ausschnitte stellte ZDFneo dann schließlich die komplette Folge auf Youtube und strahlte sie am 15. September auch im Fernsehen aus. Die Show wurde alleine über Youtube mehr als 100.000 mal abgerufen. Die Presse umjubelte den barreschen Zettelmoment, Stuckrads Subtilität und seine perfide beiläufige Art zu Fragen.

Der zweite Pilot ist schon abgedreht, noch nicht auf Youtube zu sehen, aber heute Abend im Fernsehen. Um 22.30 Uhr auf ZDFneo wird sich zeigen ob Benjamin von Stuckrad-Barre das Niveau halten kann. Mitentscheidend sind sicherlich die Gäste, Gregor Gysi und Guido Westerwelle ((na ob der sich noch traut?)) sind bereits eingeladen. Ab dem 6. Januar soll es wöchentlich weiter gehen. Stuckrad Barre ist dabei nicht allein, im Hintergrund steht als Produzent Christian Ulmen, vorne steht er als Uwe Wöllner. Oben auf dem Balkon sitzen  Hajo „Waldorf“ Schuhmacher und Jörg „Statler“ Schönbohm und rufen dazwischen. Ich bin gespannt, ob sich hier eine weitere Late Night Hoffnung für Deutschland etabliert.

Hier die komplette Pilotfolge auf Youtube oder in der ZDF Mediathek.

Foto unter CC-BY-Lizenz von LAC-BAC

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Kleines Fernsehen

Charlotte Roches „Wahrheit oder Pflicht“ – Verschollene Piloten

Das Fernsehprogramm, ewig das gleiche, nie was neues. Copycats auf allen Sendern. Doch einige hören nicht auf Widerstand zu leisten und produzieren immer wieder Pilotsendungen mit durchaus unterhaltsamen Konzepten. Diese versenden sich oft, sind entweder erfolgreich oder schnell vergessen. Ihnen wird eine Chance gegeben oder nicht genug Zeit gelassen. Oder sie bekommen eine Chance, werden dann aber so umgebaut, dass nichts von dem Charme der ursprünglichen Debütsendung übrig bleibt.

Ein Glück gibt es Youtube, das Fernsehen der Gegenwart. Dort kann man, zwischen all den tanzenden Babys auf jene Juwelen finden die nur einmal oder gar nie über den Äther flimmerten. Zwei davon habe ich gefunden, einer ist die von Charlotte Roche selbst produzierte Sendung „Wahrheit oder Pflicht“. Zu Gast sind Roger Willemsen, Ferris MC, Mieze (MIA.) und Kim Fischer. Was eine irre Mischung. Diese 5 treffen sich also in Charlotte Roches WG und spielen das beliebte Partyspiel „Wahrheit oder Pflicht“.

Für mich ist dieses Stück Fernsehen, dass es nie ins Fernsehen schaffte ein Beleg, dass in Sendungen mehr Alkohol getrunken werden sollte. Ich erinnere mich noch eine TV Total Silvester Sendung mit Bully und ich glaube Elton, schon vor 12 fingen die Gäste und der Moderator an Sekt zu tringen und siehe da, sie wurden richtig lustig. Nun stelle man sich mal vor bei Anne Will würde statt Wasser, Wein asugeschenkt. Würde das nicht manche Diskussion auflockern? Die Politiker aus ihrer sturen Rolle fallen lassen. Dass das funktioniert hat uns Gerhard Schröder in der historischen Elefantenrunde bewiesen.
Gleichzeitig würde es natürlich nicht auf Dauer funktionieren und so ist es vielleicht auch gut, dass „Wahrheit oder Pflicht“ zwar trotz seiner youtubeonly Veröffentlichung mediales Feedback erzeugt aber nie einen Sender gefunden hat. Denn mal ehrlich, wäre in der Lage und bereit gewesen Roger & Roches Gemeinschaftspinkeln noch zu toppen? Niemals wären vor einem großen Publikum noch solche Bekenntnisse möglich gewesen, wie Willemsens Bericht von seinem ersten Analverkehr. Welcher hochkarätige Gast hätte sich das, sagen wir auf einem 3sat Sendeplatz getraut? Wäre es dennoch passiert, hätte es nach kalkulierter Eskalation geschmeckt. So bleibt es ein Stück Fernsehgeschichte ohne Fernsehen. Ja, soweit ist das Internet bereits.

Bei dem Foto handelt es sich um Propaganda der U.S. Army unter CC 2.0-Lizenz.

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Gesellschaft Netz &

Flattr geht offline

Im August, als Flattr, gerade die Beta-Phase verlassen hatte gab es ein sympathische Fotoaktion von @zeitweise. Flattr-Buttons für die reale Welt:

Flattr alles[von 137b zeitweise]

Die Idee war reizend: Den Flattr-Gedanken in die Offline-Welt  tragen. Den Park um die Ecke, der einem täglich gut tut, mit einer Aufmerksamkeit bedenken, oder als alternatives Zahlungsmittel für Telefonzellen. Ob Flattr diese Fotoaktion mitbekommen hat Auch Flattr-Kopf Peter Sunde hatte damals von der Aktion Wind bekommen ((Danke an Kristof für den Hinweis in den Kommentaren)), ob sich Flattr direkt davon hat inspirieren lassen, weiß ich nicht, was sie heute auf Facebook veröffentlicht haben sieht es aber ganz danach aus. „Teaser of Things“ to come heißt es dort zusammen mit diesem Foto:

Flattr für die Offline-Welt

Ein Flattr-Schild mit QR-Code. Der Code führt zu dieser Flattr-URL. Das stellt tatsächlich einen Weg dar auch offline flattrn zu können. QR-Codes können mit der Kamera eines Handys gescannt werden und senden einen zu dem Link, der sich hinter dem Code verbirgt. Ausgedruckt könnte man diese Codes überall anbringen und so den Kaffee auf dem nächsten Schulfest nicht mehr nur per Münzspende bezahlen, sondern auch über den Micropaymentdienst. The flattering of things. Auf die zahlreichen Pinnwand Nachfragen, ob das wirklich Real Life Flattering bedeutet, antwortet Flattr nur mit einem vielsagenden “ ‎…you might be right ;- )“ .

Bis man den Klingelbeutel am Ende des Gottesdiesnstes flattern kann, wird es aber noch ein wenig dauern. Denn erstens ist ja noch nichts offiziell angekündigt und das Ganze noch in der Testphase. Zweitens sind weder Flattr noch QR-Codes populäre Technologien. Flattr hat vor kurzem verkündet inzwischen rund 46.000 Nutzer und bislang 114,057 € umgesetzt zu haben. Keine schlechten Zahlen für 2 Monate nach dem offiziellen Start, allerdings sind sie noch weit davon entfernt die kritische Masse zu überschreiten. Ob ihnen QR-Codes dabei helfen werden bezweifle ich, denn auch hier wissen wenig Menschen, was sich dahinter verbirgt und viele der Otto Normalstreetviewverpixler gehen nach wie vor nicht mobil online, aus Angst vor versteckten Kosten oder weil ihnen die Technik dazu fehlt.
Deshalb wird wohl auch der Sprung ins RealLife Flattr nur begrenzt aus der Nerd-Ecke herausholen. Vielleicht sehen wir es bei der nächsten re:publica am Kaffeestand der taz und bei den Machern des Internetbrunnens bin ich mir auch sicher, dass sie sich darauf stürzen werden. Darüber hinaus wird es aber noch Zeit und Erklärungsarbeit brauchen.

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Glaubt ihr die Offline-Transferierung mit QR-Codes hilft Flattr bei der Verbreitung? Kommt der Flattr-Gedanke offline an und welche realen Dinge würdet ihr gerne flattern?

Update: Direkt nach Veröffentlichung fiel mir ein, dass es theoretisch bereits jetzt schon möglich ist Dinge Offline zu flattern, schließlich kann man zu jeder URL einen QR-Code erstellen. Und tatsächlich bietet auch schon eines der zahlreichen Third-Party-Tools rund um Flattr das an: flattirl.com. Danke an SkaveRat für den Hinweis in den Kommentaren.

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Bücher

„Alpha… directions“ – Eine Schöpfungsgeschichte

14 Milliarden Jahre Evolutionsgeschichte auf 360 Buchseiten. Was nach einem  dicken und dennoch knapp gehaltenenWissenschaftswälzer klingt, ist ein Comic. Jens Harder hat sich daran gemacht, in „ALPHA…directions” die Entstehung von Welt und Leben in mehr als 2000 Bildern nachzuzeichnen. Für dieses Mammutprojekt fand sich zunächst in Deutschland kein Verlag. Erst nachdem er in Frankreich mit dem Prix de l’Audace 2010 ausgezeichnet wurde – dem Preis für die mutigste Neuveröffentlichung –, erschien das Buch auch in Deutschland, um hier dann gleich noch den Max-und-Moritz-Preis als bestes deutschsprachiges Comic einzuheimsen.

Alles beginnt mit einem einfachen Punkt, der über die nächsten Seiten anschwillt, um dann gewaltig zu explodieren. Der Urknall-Ursprung des Universums, der Welt, von allem. Erst die Planeten und dann das Leben beginnen sich zu entwickeln. Planeten bilden sich aus, die Erde kühlt ab, der erste Regen fällt. Chemische Reaktionen ergeben Organismen. Harder begleitet diese Entwicklung aber nicht nur rein wissenschaftlich, sondern reichert sie mit Verweisen auf Religion und Popkultur an oder greift Ereignissen voraus.

Zwischen die wissenschaftliche Theorie der Sonnenentstehung schneidet er zum Beispiel verschiedene Szenen mit dem indischen Sonnengott Vishnu und reflektiert so gleichzeitig religiöse Schöpfungsgeschichten als auch die kulturelle Bedeutung der Sonne in allen Kulturen.

Und als erstmals ein Haifisch auftaucht, finden sich daneben Bilder von Tim & Struppi auf einem Abenteuer unter See, und ein Kinopublikum bewundert den Blockbuster des gefährlichen weißen Hais. Wenn sich wiederum im Kohlezeitalter die verendenden Wälder begraben und über Milliardenjahre zu gigantischen Kohleflözen zusammengepresst werden, greift Harder voraus. In wenigen Bildern nimmt er schemenhaft die daraus Jahrmilliarden später entstehende Kohleindustrie vorweg. Durch diese assoziativen Elemente macht Harder die Geschichte lebendig, schon bevor überhaupt Leben auf der Erde existiert. Er zeigt so Zusammenhänge auf, lässt einen bei der Evolution mitfiebern und macht die Tragweite und Notwendigkeit der einzelnen Evolutionsstufen deutlich.

Den Bildern und Anekdoten, die Schöpfungs- und Erklärungsmythen aller Religionen aufgreifen, stehen kurze sachliche Wissenschaftsfakten gegenüber. Hat man sich angeregt durch die Verknüpfungen in eigenen Erklärungsversuchen vergaloppiert, wird am Ende jedes Kapitels noch einmal in einer Zeitleiste zusammengefasst, was in den Milliardenjahren, die man gerade überblättert hat, geschehen ist.

So treibt man durch die Bildwelt Harders, an der er fast fünf Jahre gesessen hat. Jedes neue Bakterium, das es schafft, durch neue Mutationen zu überleben, erwartet man mit Spannung. Schließlich ist es ein weiterer Schritt in Richtung dessen, was als Krone der Schöpfung begriffen wird: der Mensch. Gleichzeitig wird einem wieder einmal klar, welche geringe Rolle der Mensch in 14 Milliarden Jahren Geschichte spielt. Als dann endlich alles bereit wäre für den Auftritt des Menschen als nächste Evolutionsstufe endet das Buch und der Autor verweist auf den Nachfolger „BETA…civilisations”.

Jens Harder: „ALPHA… directions”, Carlsen Verlag, 360 Seiten, 49,90 Euro

Bilder (c): Carlsen.
Dieser Artikel erschien zuerst in der Rhein-Zeitung.