Das Ende von „No Country for Old Men“ gibt vielen Zuschauern bis heute Rätsel auf. Tötet Chigurh nun am Ende Carla Jean Moss oder lässt er sie am Leben? Dabei lässt „No Country for Old Men“ den Zuschauer über viele Strecken allin. Das ist von den Machern Joel und Ethan Coen („The Big Lebowski„) durchaus so gewollt. Anstatt direkte Erklärungen der Figuren zu liefernvwollen die Regisseur, dass die Zuschauer sich vieles selbst erschließen. Deshalb stehen die einzelnen Figuren für verschiedene Motive. Folgt man den Hinweisen im Film aber, kann man auch das Ende von „No Country for Old Men“ entschlüsseln.
Die Figuren in „No Country for Old Men“ erklärt
Die Charaktere in „No Country for Old Men“ und ihre Eigenschaften werden nicht direkt benannt oder ansgesprochen. Stattdessen muss man sich die Figuren aus den Handlungen der Personen und ihren Beziehungen erschließen. Das macht den Film auch gleichzeitig so spannend und fesselnd. Denn gutes Storytelling folgt immer dem Prinzip: „Show don’t tell.“, also etwa „Zeigen, nicht sagen“. In „No Country for Old Men“ erfahren wir vor allem durch die Entscheidungen, die die Figuren jeweils treffen, wer sie sind.
Llewelyn Moss in „No Country for Old Men“
Zum Beispiel wird uns die Figur des Llewelyn Moss (Schauspieler: Josh Brolin) gleich viel klarer, als er auf das Massaker nach einem Drogendeal stößt. Anstatt die Polizei zu rufen oder zu fliehen entscheidet er sich den letzten Überlebenden zu suchen, da dieser das Geld haben muss. Llewelyn Moss ist also bereit sich für Geld in Gefahr zu begeben und sogar sein Leben zu riskieren.
Dabei geht er aber nicht unvorsichtig vor. Denn als er sich zur Verfolgung aufmacht analysiert er genau, wohin der Überlebende mit dem Geld gegangen sein kann – und das er sich vermutlich im Schatten niedergelassen hat. Daraus lässt sich ebenfalls schließen, dass Llewelyn Erfahrung mit lebensbedrohlichen Situationen hat. Tatsächlich erfahren wir später, dass er im Vietnamkrieg gekämpft hat.
Der Killer in „No Country for Old Men“: Anton Chigurh
Ebenfalls Erfahrung mit Gewalt hat unser Killer in „No Country for Old men“: Anton Chigurh (Schauspieler: Javier Bardem). Das wird uns direkt klar, wenn er gleich zu Beginn mit bloßen Händen seinen Gefängniswärter umbringt. Ohne mit der Wimper zu zucken. Kurz darauf tötet er mit seinem Bolzenschußgerät einen Mann am Straßenrand – und bleibt dabei ausgesprochen höflich. Dieser Mann hat kein Problem zu töten.
Woher kommt der Killer in „No Country for Old Men“
Woher genau der Killer Anton Chigurh kommt bleibt bis zum Ende von „No Country for Old Men“ vage und ungewiss. Und genau das macht ihn so bedrohlich. Wir verstehen nicht woher er kommt und warum er tötet.
Der einzige Erklärungsansatz für ein Motiv bieten uns seine schicksalshaften Münzwürfe: Chigurh begreift sich als Hand des Schicksals. Als diese führt er stumpf aus, was ein höherer Wille befielt und damit richtet er über Leben und Tod. Chigurh steht somit für das unaufhaltsame Böse. Das ist typisch für das Werk von Cormac McCarthy. Andere Interpretationen gehen soweit Anton Chigurh als den personifizierten Tod zu sehen, der umhergeht und entscheidet wessen Zeit gekommen ist. Und tatsächlich tötet Chigurh fast jede Figur, der er in „No Country for Old Men“ begegnet.
Sheriff Bell als Spiegel der Gesellschaft
Sheriff Tom Ed Bell (Schauspieler: Tommy Lee Jones) ist die eigentliche Hauptfigur des Filmes, die uns auch bis zum Schluss erhalten bleibt. Sie dient als Identifikationsfigur des Zuschauers. Bell zeigt sich an vielen Stellen ängstlich und verunsichert. Gerade im Angesicht all der sinnlosen Gewalt, die ihm begegnet. Auch darin ist er dem Durchschnittszuschauer ähnlich. Und er repräsentiert den „alten Mann für den in diesem Land keine Platz mehr ist“ aus dem Titel des Films. Er muss bei seinem alten Kollegen feststellen, dass dies nun mal der Lauf der Dinge ist. Die Gesellschaft wird immer roher und rauer.
Deshalb quittiert er am Ende von „No Country for Old Men“ auch seinen Dienst.
Das ist eine mögliche Interpretation von „No Country for Old Men“ – ein Metakommentar auf den Wandel der Generationen. Wenn man es auf die Spitze treiben will: Alte Männer schimpfen schon immer auf die Verrohung der neuen Generation. Zumindest kann man das rauslesen, ähnlich wie man in Fight Club unterschwellig eine Kritik am Männerbild wahrnehmen kann. Nur die Coen Brüder lassen diese Verrohung in Form der Morde von Chigurh ins Extreme kippen.
Tötet der Killer am Ende von „No Country von Old Men“ Carla Jean Moss?
Ja, der Killer von „No Country von Old Men“ tötet am Ende Carla Jean Moss. Und ich erkläre euch auch wie man darauf kommt:
Als Chigurh sich dem Motelzimmer von Llewelyn nähert zieht er seine Stiefel aus. Zunächst entsteht der Eindruck, er täte das nur, um sich möglichst leise zu nähern. Später aber als Chigurh dann Carson Wells (Schauspsieler: Woody Harrelson) umbringt legt er anschließend extra seine Füße hoch, damit die Stiefel nicht von Blut befleckt werden. Wir wissen also ihm ist wichtig, dass seine verdammten Stiefel sauber bleiben.
Als Chigurh dann vor das Haus von Carla Jean Moss tritt, schaut er unmittelbar danach unter seine beiden Schuhsohlen. Er überprüft ob diese sauber geblieben sind. Drinnen muss Blut gefloßen sein. Carla Jean Moss hat den Besuch von Anton Chigurh also nicht überlebt.
„No Country for Old Men“ basiert auf dem gleichnamigen Buch von Cormac McCarthy. Meine Analyse zum Großteil auf dem oben verlinkten Video von „Lessons from a Screenplay“.