Evan Ratliff hat sich geklont. Auf eine Art und Weise, von der wir uns seit Erscheinen von ChatGPT alle fragen, ob sie und was damit möglich sein wird. Also schickt Ratliff sein künstliches Ich zum Kundenservice, zur Arbeit, zur Therapie und zu Freunden und Familie.
Hallo, hier spricht der Stimmklon
In 6 Folgen lotet Evan Ratcliff dabei die Grenzen und Möglichkeiten von KI nicht nur aus, sondern zeigt sie auf. Man ist selbst davon oft genauso überrascht, wie die Gesprächspartner, auf die er seinen Stimmklon loslässt. Hervorragendes Storytelling.
Evan Ratliff hat alnge für Wired geschrieben und The Atavist mitgegründet. Shell Game erscheint allerdings komplett unabhängig und finanziert sich durch freiwilige Unterstützung auf Substack.
PJ Vogt hat einen neuen Podcast: Search Engie. Wer, fragst du dich jetzt? Von vorne: Diese ganze Kategorie heißt „Mein Lieblingspodcast„, aber wenn ich meinen All-Time-Favorite wählen müsste, wäre das vermutlich „Reply All„. Auch weil es den Podcast inzwischen nicht mehr gibt und man ihn so in guter Erinnerung behalten kann. Außerdem wird eine der Episoden sogar vom Guardian und der FAZ als „greatest Podcast-Episode of all time“ bezeichnet.
Und obwohl der Podcast mit der „The Test Kitchen“ Reihe, dann irgendwann ein Falling-Out hatte und seine Unbeschwertheit verlor, haben sie mit der Ernsthaftigkeit, mit der sie Memes, Technik und vermeintlichen Nischenthemen nachgegangen sind, etliche Lehrstücke für nahbares Storytelling geliefert.
PJ Vogts neuer Podcast: Search Engine
Deshalb habe ich mich so sehr auf Nachfolgeprojekte gefreut. PJ Vogt hatte zuerst eine Limited Series „Welcome To Crypto Island“ veröffentlicht, die mich nicht ganz abgeholt hat. Nichts gegen Krypto-Podcasts an sich, aber irgendwie war es mir zu nah an NFT und Web3-Gelaber.
Nun ist er mit „Search Engine“ aber zum alten Erfolgsrezept zurückgekehrt: Dem Suchen nach Antworten in diesem digitalen Leben, das noch immer unsere Welt verändert. Und besonders die einfache Gesprächsfolge mit Ezra Klein hat es mir angetan.
Darin räumen die beiden kritisch mit dem Netzenthusiasmus auf, von dem sie selbst und auch ich ein Teil waren. Mit Blick auf die Macht der sozialen Netzwerke, aber auch den Untergang von X/Twitter – und den nicht eingelösten Heilsversprechen von Facebook und Co an Medienhäuser.
Ich habe es, als jemand, der jahrelang den Aufstieg der Buzzfeed-artigen Medien eng begleitet hat, durchaus selbstkritisch gehört. Denn was ist übrig geblieben? Die Werbegelder sind zu einem Großteil bei den Plattformen gelandet und Medien finanzieren sich inzwischen, trotz all der Disruption, in einer Mischung aus Anzeigen und Aboerlösen. Klingt trivial, war für mich aber geradezu kathartisch, dass ich allein dieses Gespräch unbedingt empfehlen möchte.
Spotify hat sich selbst auch einen Original Podcast spendiert. In Spotify: A Product Story blickt der Musikstreamingdienst auf seine eigene Geschichte und Entwicklung zurück. Natürlich ist der Streamingdienst dabei nicht allzu kritisch mit sich selbst. Natürlich ist er die Rettung für die Musikindustrie und alle Künstler – und gleichzeitig würde er den Nutzern am liebsten alles schenken, wenn da die fiesen Lizenzen nicht wären.
Von Piracy zum Streamingdienst
Dennoch ist der Podcast Spotify: A Product Story spannend. Er blickt zurück, wie Spotify entstanden ist und warum ausgerechnet in Schweden. In Schweden gehörte Musikpiraterie nämlich beinahe schon zur Staatsräson. Deshalb kommt auch Lars Ullrich von Metallica zu Wort, die mit ihrer Klagen gegen Napster als Speerspitze im Kampf gegen Musikdownloads waren, aber gleichzeitig eine der erste großen Bands, die ihren Katalog auf Spotify verfügbar machten. Eingefädelt wurde dieser Deal übrigens von Napster Gründer Sean Parker. Allein für diese Geschichte lohnt sich der Podcast.
In den weiteren Folgen geht es vor allem darum, wie Spotify Produktentscheidungen trifft und wann sie vom Markt gezwungen waren, ihre App zu verändern. Es geht viel auch darum, wie man Nutzer dazu bringt für das eigene Angebot zu bezahlen. So war zunächst die mobile App nur mit dem Premiumdienst nutzbar, doch als mobile Nutzung den Desktop überholte, stand Spotify vor einer Herausforderung. Bislang war die Desktop-App die Kundenakquise, über die Nutzer an das Produkt gewöhnt und schließlich zum Bezahlen überredet wurden. Nun sah man sich durch Markttrends gedrängt auch für Mobile ein kostenloses Angebot zu stricken – und trotzdem irgendwie weiter seinen Premiumdienst zu bewerben.
Außerdem geht es um die Entwicklung des Spotify Musikalgorithmus – und warum der bis heute menschlichen Input von Spotifys eigenen Editoren braucht.
Den Podcast Spotify: A Product Story anhören
Macher*innen: Gustav Söderström, Chief R&D Officer bei Spotify
Kryptowährungen sind unser Goldfieber. Und wo viele schnellen Reichtum wittern gibt es auch umso mehr Betrug. So einen Betrug begleitet der Podcast „The Missing Cryptoqueen“ der BBC.
Die weibliche Steve Jobs der Kryptowährungen
Dr. Ruja Ignatova wird von ihrer Anhängern und sich selbst als eine Art Steve Jobs der Kryptowährungen gefeiert. Mit dem Start-up „One Coin“ will Sie die großen Banken in die Schranken weisen und nebenher alle Investoren reich machen. Bis sie Ende 2017 verschwindet.
Der BBC Journalist Jamie Bartlett macht sich auf die Suche nach den Spuren von Dr Ruja. In einer atemlosen Verfolgungsjagd kommt er ihr und den Hintermännern dabei erstaunlich nah.
Dieser Podcast machte mich wütend
Ich muss gestehen, ich habe „The Missing Crypto Queen“ lange vor mir hergeschoben. Weil er mir so oft empfohlen wurde, hat es gedauert, bis ich mich rangetraut habe. Und dann wurde ich beim Hören richtig wütend. Wütend über die Ausmaße dieser Geschichte. Wütend über die Skrupellosigkeit, mit der Menschen sich auf Kosten anderer bereichern. Wütend auf die Gier, die in uns alle wohnt.
Und auch ein bisschen darüber, wir gut dieser Podcast gemacht ist. Sie schaffen es enorme Spannung zu erzeugen und dabei die realen Auswirkungen solcher digitalen Scams mit Kryptowährungen im Podcast zu zeigen. Und sie nutzen den Podcast perfekt als journalistisches Medium: Jetzt da es aktuelle Entwicklungen in dem Fall gibt, kommen auch neue Folgen. Es lohnt sich also noch anzufangen.
Ein Podcast darüber, wie es ist auf dem Mars zu leben? Ich bin ja immer wieder fasziniert davon, dass es Menschen gibt, die sich nicht mit der theoretischen Frage beschäftigen, ob wir irgendwann mal auf den Mars fliegen, sondern konkret daran arbeiten, wie es wird, wenn wir auf dem dem Mars sind.
Die Marsexpedition nach Hawaii
Wie zum Beispiel auf einem Berg in Hawaii. Dort hat die NASA sechs Menschen in eine Simulation gesteckt, die das Leben auf dem Mars erforschen soll. Für ein Jahr lebt das Team abgeschottet von der Zivilastion, ihre Familie und erkundet im Raumanzug die Marslandschaft von Hawaii.
Und schnell zeigt sich: Die besten Wissenschaftler und Einzelpersonen für eine Marsmission sind nicht unbedingt das beste Team…
Reply All taucht jedes Mal in die Untiefen des Internets ein. Sie erklären memegepackte Tweets, verfolgen Hacking Attacken oder wollen rausfinden, warum plötzlich alle ihre verlorenen Handys im selben Haus suchen.
Von Hackern zu Memes: Die ganze Welt des Internet
„Reply All“ ist vielleicht wirklich mein Lieblingspodcast, eben weil er so wunderlich ist wie das Netz selbst und versucht diese ganze Wunderlichkeit abzubilden – und ihr auch noch ernsthaft hinterher zu recherchieren.
In einer meiner Lieblingsfolgen „Long Distance“ verfolgen sie einer Betrungshotline bis zum Callcenter nach Indien – ein tolles Stück Audio, spannend auch über die 2 Folgen hinweg.
Und dann sind da noch die seltsamen Aufeinandertreffen mit Zardulu und die Selbstversuche mit LSD oder einem offenen Telefon für 24 Stunden. Und natürlich die unregelmäßige Rubrik „Yes-Yes-No“ in der sie versuchen ihrem Chef Alex Blumberg Tweets zu erklären. Tweets, die so voller Memes und Subkultur stecken, dass man schon einen Doktor in Redditologie und Twitterwissenschaft braucht um sie auf Anhieb zu verstehen.
Genau wie der Podcast Mogul, den wir hier schon empfohlen haben gehört Reply All ebenfalls zum Podcast Netzwerk Gimlet. PJ Vogt und Alex Goldman wurden damals von „WNYC“ zu Gimlet abgeworben. Dort haben früher sie einen ganz ähnlichen Podcast namens TLDR gemacht.
Die beste Podcast-Folge aller Zeiten?
Mit einer weiteren Folge brachte Reply All den Guardian zu der Frage: „Could this be the best podcast episode ever?“ Die Rede ist von „The Case of the Missing Hit“ aus dem März 2020, in der P.J. Vogt auf die Suche nach einem verlorenen Hit aus den 90ern geht. Hört sich zunächst unspektakulär an, ist aber absolut hörenswert. Achtung Ohrwurm-Alarm.
Mogul führt uns in die Anfänge des Hiphop und begleitet die Geschichte eines ganz Großen: Chris Lighty. Viele werden sagen wer? Denn Chris war selbst kein Rapstar, aber ist verantwortlich für den Erfolg so vieler: LL Cool Jay, Mobb Deep, 50 Cent, Missy Elliott, Puff Daddy… und so weiter. Denn Chris Lighty half als Manager vor allem das legendäre Def Jam Label mit aufzubauen.
Ein lebendiges Bild der HipHop Kultur
Genau diese Leben zeichnet “Mogul: The Life and Death mit Chris Lighty” nach. Die kurze Serie von Gimlet Media begleitet Chris Lightys Anfänge als Teil einer Straßengang zum HipHop Mogul bis zu seinem Tod. Und hat dabei allerlei Größen zu in Erzählen gebracht: Warren G, Fat Joe, De La Soul und so schafft es ein lebendiges Bild von den Anfängen der HipHop Kultur zu zeichnen. Dabei hilft vor allem, dass Reggie Ossé selbst ein Teil der Kultur ist und sie entsprechend ernst nimmt.
Verhandlungen mit Schlangen und Knarren
Lasst euch mitnehmen in eine Welt zwischen Gangster und Business, harten Verhandlungen mit Knarre und Schlangen und jeder Menge guter Musik.
Geschichten ums Essen (z.B. Butter, Kombucha, Lebensmittelbetrug etc) werden in ausführlichen, monothematischen Folgen von unterschiedlichen Seiten beleuchtet.
Das Gespräch der beiden Hosts und verschiedenen Expert_innen, eigene Erfahrungsberichte und viel (Kultur-)Geschichte werden schön verwoben. Alle zwei Wochen gibt es eine neue Folge, alle sind super produziert.
Host Cynthia Graber ist Radioreporter, unter anderem bei der BBC, und hat schon ne Menge Awards für Wissenschaftsjournalismus gewonnen. Und Nicola Twilley schreibt beim New Yorker und ihrem Blog Edible Geography. Dementsprechend verbinden sich im Gastropod all diese Leidenschaften und Essen wird wissenschaftliche und historisch beleuchtet.
Fakten, Erfahrungen und unterhaltsame Nachkochversuche
Ich beschäftige mich sehr viel mit Essen und Kochen/Backen, weshalb mich das Thema allgemein schon sehr interessiert. Die beiden Hosts verflechten Fakten mit ihren eigenen Nachkochversuche und Erfahrungen bei der Recherche sehr unterhaltsam – beim Hören dieses Podcast habe ich schon sehr viel gelernt!
Wie viel Platz braucht man zum Leben? Die Macher des neuen Radiotopia Projekts Ear Hustle beantworten diese Frage in der ersten Episode ihres neuen Podcasts auf spannende und unterhaltsame Weise: Denn obwohl alle Macher (bis auf eine – siehe unten) und Interviewpartner im Gefängnis wohnen und eigentlich vergleichsweise wenig Mitsprache bei der Wahl ihrer Zelle und „Cellies“ haben, funktioniert Zusammenleben auf engstem Knastraum nach erstaunlicherweise ähnlichen Prinzipien wie draußen. Aber: Was tun, wenn nach Jahren auf einigen Quadratmetern und vielen Nächten im Stockbett der Zellennachbar freikommt? Dann macht man sich auf die Suche nach einem neuen Mitbewohner. Wie das klappt und warum es so oft schiefgeht, erzählt die erste Episode.
Was passiert nach Verbrechen und Verurteilung?
Ear Hustle ist endlich mal kein neuer True Crime Podcast, zwar ist er irgendwie schon ein Crime Podcast, aber wenigstens mal einer, der wirklich true ist. Bei Ear Hustle geht es um echte Probleme: Das Leben hinter Gittern, über das im Moment zwar viel geredet wird, vor allem in Serien, das aber laut Podcast-Host und Häftling Earlonne Woods ein ziemlich anderes ist als das gängigerweise medial vermittelte. Normalerweise geht es ja so: Über die Taten, die Ermittlungen und Verhandlungen wissen wir erstaunlich viel. Wird Zeit, dass wir auch mehr über das erfahren, was im Knast passiert.
Wer könnte das besser erzählen als die Häftlinge selbst? Earlonne Woods und Antwan Williams haben sich deshalb mit der Producerin Nigel Poor zusammengeschlossen und diesen spannenden Podcast gestartet. Der wird unter erschwerten Bedingungen direkt im Media Lab des San Quentin State Prison produziert und bevor die einzelnen Episoden rausgehen auch immer nochmal von einem Vollzugsbeamten penibelst durchgehört. Sogar im Promo heißt es dann am Ende: „This is lieutenant Sam Robinson and I approve this story.“
Eigentlich ist dies keine Empfehlung eines Podcasts, sondern einer einzigen Folge. Denn „5by5 at the Movies“ hat bis heute insgesamt nur 3 Episoden veröffentlicht.
Die erste ist aber so gut, dass sie hier hingehört. Sie geht über 3,5 Stunden und nur um den Film „Good Fellas„. Good Fellas selbst geht Minuten 146 Minuten. Der Podcast ist also länger als der Film über den sie sprechen. Aber es lohnt sich, denn sie sind Dan Benjamin, der Gründer vom Podcast Netzwerk 5by5, und John Siracusa, der früher bei genau diesem Podcastnetzwerk zusammen mit Dan die Show „Hypercritical“ produziert hat. Der Name Hypercritical verrät schon die Detailverliebtheit mit der John Dinge auseinandernimmt. Und so gehen sie auch über den Film Good Fellas. Ein episches Podcastdenkmal für einen epischen Film.