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Die neue Pandemie

Neben den Impfstoffen hat die Schweinegrippe einen weiteren Gegner gefunden. Gibt man den medialen Ergüssen der letzten Tage recht, scheint eine neue Pandemie ausgebrochen zu sein, die sich sehr gefährlich ausbreitet. Hinter dem Schicksal Robert Enkes wird die Depression als neue Volkskrankheit entlarvt, über der die Berichterstattung trotz aller Sorgfältigkeit gnadenlos stolpert.

Die Zeit nennt es „die versteckte Krankheit“ und erläutert wissenschaftliche Hintergünde neben der Aufzählung allerlei bekannter Persönlichkeiten mit dieser Diagnose, die zum Teil im Suizid ihr Ende fanden. Beschmückt sind die Buchstaben mit großen Fotos von weiblichen Schönheiten, die lethargisch gen Kameraobjektiv blicken. Auch der Spiegel hat sich dem Thema angeschlossen und erklärt allerlei Parallelen zum Leben Robert Enkes. Der Konkurrent Focus klärt nun ebenfalls über das „Tabuthema“ auf und bildet den Nationaltorwart auf dem Cover ab. Der Stern will zusätzlich dabei helfen, „die stille Gefahr“ zu erkennen. Selbstmordstatistiken auf dunklem Hintergrund geben den Ton an.

Außerhalb der Medizin ist es nicht unumstritten die Depression als Krankheit zu verstehen. Zwar beruht sie auf der Basis der Biologie, besitzt aber nicht die Symptome einer typisch erkennbaren Krankheit. Viel mehr ist sie eine schwer definierbare Masse aus möglichen Merkmalen, die in verschiedenen Ausprägungen vorhanden ist. Von der phasenweisen tristen Laune bis zum tiefsten seelischen Schmerz lässt sie sich beschreiben, aber nicht pauschal erklären, wie es gerne verstanden wird. Es gibt Menschen, die an einer Depression leiden und sich davon befreien können, während andere ihr Leben lang mit diesem Begleiter zu recht kommen müssen.

Den Freitod daher schlicht mit der Depression zu begründen, ist zu einfach. Der Todeswunsch ist vielleicht nicht selten Teil der Folge der Ausmaße einer Depression, nicht aber der erklärte Kontrollverlust, der derzeit medial als fremder Wille oder Hirnerkrankung gezeichnet wird. Man stirbt an einer Depression nicht so wie man an Krebs endet. Die psychischen Schmerzen stehen auf einer anderen Ebene, auch wenn einige der möglichen Symptome durchaus auch körperliche Leiden hervorrufen können. Gerade die Nennung verschiedener Berühmtheiten zeigt im Durchschnitt, dass darunter vor allem solche fallen, die nicht für Gedankenlosigkeit bekannt sind und ihren Schritt sicherlich nicht unüberlegt beschlossen. Auch ist die Tatsache, dass mehr Frauen an Depressionen leiden, aber deutlich mehr Männer den Suizid wählen, ein Widerspruch des typischen Krankheitstodes der neu ernannten Pandemie.

Schließlich befällt eine Depression die Gedanken und auch wenn sie aus chemischen Prozessen besteht, ist eine Reduzierung darauf eine zu einseitige Erklärung. Ein depressiver Mensch versteht sich weitestgehend nicht als krank, sondern viel mehr als verloren, ausgebrannt, überfordert, vielleicht als sinnlos oder erschöpft vom Leben. Daher muss die Krankheit auch von der Gefühlswelt interpretiert werden, statt sie leichtfertig mit der Biologie zu erklären, weil sie so verkannt wird und dem Leidenden einen dürftigen Stempel aufdrückt. So wie die Verliebtheit eigentlich auch nur Chemie ist, besitzt sie einen ganz anderen Wert im Bewusstsein der Menschen. Mitnichten also ist die Depression nur eine Krankheit, sondern ein Teil eben des Bewusstseins des Betroffenen.

Foto: „Oh Tomorrow I’m Alone …„, Hamed Saber, cc

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„nur ASSIs!!“


Der tazWerbespot, der Dank dem Urteil des Bundesgerichthofs wieder veröffentlicht werden darf, macht nun die Runde. Die intelligentesten Köpfe des Landes haben hierzu Stellung bezogen. Im Folgenden lesen Sie nun ausgewählte Zitate aus dem Kennerkreis der Weltphilosophie.

Das ist sie also die hemmungslose Intellektuellenelite, die Tag und Nacht mit Selbstanalysen verbringt und nur für die Lesung brillianter Magazine wie Neon oder etwa Zeit Campus kurze Pausen einzulegen scheint. Gütig wie sie ist, gestattet sie auch dem niederen Volk ab und an die Gunst, an ihrem großen Reichtum an Gehirnverknüpfungen teilhaben zu dürfen.

Mit unwiderlegbaren Thesen gibt die Gruppe der hochbegabten Mitbürger hier ihre brisanten Errungenschaften des Wissens bekannt.

Nur die hochmodernsten Formen der altgermanischen Rechtschreibung sind den Intelligenzbaronen halbwegs gut genug, um kleine Happen ihrer perfektionistischen Auffassungsgabe an die dumme Menge abzugeben.

Mit erhobenem Daumen stimmen die gebildeten Leistungssportler der oberen Klasse zu. Die erfahrungsgemäße Sachlichkeit macht jede der Aussagen zu appetitlichen Leckerbissen im lehrreichen Zitatebuffet.

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Duellanten Hand in Hand

Da war es also das versprochene Highlight des Wahlkampfs. Frank-Walter Steinmeier und Angela Merkel würden sich gemeinsam um den Pokal reissen, sich den Fragen der Moderatoren stellen und um die Gunst der Wähler kämpfen. Nichts von all dem, war aber zu sehen.
Schön war die Vorstellung, doch das Duell selbst ging an einem Streitgespräch vorbei und wirkte wie ein entspanntes Frage-Antwort-Spiel in einer langwierigen Polit-Talkshow, in der man wie so häufig doch nichts konkretes mitzunehmen weiß.

Debatten sollen gerade unentschlossene Wähler überzeugen, doch wieviele Zuschauer haben heute tatsächlich klare Aussagen zu ihrem Anliegen erhalten? Einige Sätze zur Steuerpolitik, Managergehältern und Arbeitslosenzahlen fielen und verwirrten den Zuschauer wohl vehement. Kalküle Ziffern und Fachjargon werden dem Ottonormalverbraucher nicht unbedingt verständliche Zusammenhänge und Zukunftsprognosen erläutern. Auch gab es nur sporadische Antworten zu vielen Themen, die wie üblich eher durch ihre unpräzise Länge als durch ihre Klarheit auffielen.

90 Minuten lang pflichtete man sich eher gegenseitig bei, als konkrete Schwachstellen des Gegners zu nennen. Angela Merkel sprach sogar vom „wir“, auch wenn sie die CDU meinte, war klar, dass die Koalition das gemeinsame Ich formierte. Natürlich war nicht zu erwarten, dass sich die beiden Regierungspartner nach vier gemeinsamen Jahren nun zwei Wochen vor der Wahl blutig attackieren würden, aber so eine verschwiegene Kritik führt auch nicht zu großen Deutlichkeiten, beantwortet aber vor allem nicht die Frage, wieso die CDU nun viel lieber mit der FDP regieren möchte. Keine Antworten gab es auch zur Bildungs- und Familienpolitik, die dem Wähler vermutlich wichtiger sind als die erneute Besprechung Ulla Schmidts.

Dann gab es sie aber doch mal ab und an, die Meinungsverschiedenheiten. Doch bis auf einen glanzvollen Moment Steinmeiers, in dem er ein Bündnis mit der FDP kritisierte, würgte die Moderation solche Momente ab. Generell wirkte die Kombination aus vier und zwei sehr fragewürdig und wagte nicht ansatzweise zu überzeugen. Die Fragen hätte jeder Einzelne auch alleine stellen können und vielleicht wären dabei auch nicht ulkige Kreativergebnisse wie „Tigerentenkoalition“ entstanden. Anfänglich stießen sich die beiden Spitzenpolitiker auch an den Journalisten, die keinen wirklichen Rhythmus zu finden schienen.

Vielleicht ist aber auch kein richtiges Duell zu führen, wenn vier Schiedsrichter ihre Fragen durchgehen, ohne wirkliche Kämpfe zu fördern, ja zu fordern. Zwar konnte Steinmeier in der Gesamtbilanz durch seine offensiven Angriffe punkten, aber die defensive Haltung der Kanzlerin ist in den Statistiken auch nicht negativ zu lesen. In vielen Punkten gab es keine wesentlichen Unterschiede: 51% fanden Merkel kompetenter, 64% fanden Steinmeier sei besser als erwartet. Von einem Unentschieden ging man auch grundsätzlich vor der Sendung aus.

Ein Duell verspricht einen großen Kampf, einen Sieger, einen Verlierer und vor allem große Unterhaltung. Nichts aber konnte dieser Fernsehabend liefern. Statt einer wirklichen Debatte, gab man sich gegenseitig recht, beantwortete Fragen undeutlich und ließ tatsächliche Meinungsverschiedenheiten sofort ersticken. Dem Wähler half all dies nichts. Aber was soll es auch werden, wie eine politische Bedeutung haben, wenn die anderen etabilierten Parteien außen vor gelassen werden? Vielleicht fühlt sich der Wähler heute Abend bei der ARD ab 21 Uhr mit Lafontaine, Westerwelle und Trittin besser aufgehoben oder sieht sich die verpasste Simpsonswiederholung gegen 10 Uhr vormittags auf ProSieben an.

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Politik im Netz – Ein Gedicht

Die politische Zielgerade scheint überholt und die Gemüter kochen auf allen Seiten. Vorwürfe machen täglich die Runde und zwischen allem Hin- und Her führt kein klärender Dialog zu echten Kompromissen. Als Bilanz der Exkursion beider Fronten entstand dieses Gedicht über die Stimmungsbilder und ihre Verantwortlichen.

Die Diskussion der Wände

Achje, Zensur rufen sie stur,
die Seeräuber auf ihren Brettern,
doch stürmen sie nur,
Protest in 140 Lettern.

Höhnisch lacht sie, die Dame,
die Kinder weinen leise,
und schon wechselte ihr Name,
und zieht doch nur die selben Kreise.

Die Frust im Geflecht ist mächtig,
über die ahnungslosen Alten,
doch machen sich selbst verdächtig,
die tauben Tastaturgestalten.

Mit all den gleichen Phrasen,
schlendern sie auf beiden Seiten,
ach, nicht nur die alten Hasen,
dem Dialog doch entgleiten.

Doch an was sie sich störten,
ignorierten die großen Spitzen,
von hunderttausend Empörten,
ließen sie alle sitzen.

Selbst ihre Helden versäumen alle Skeptik,
als wollten sie übel scherzen,
schaffen es in aller Hektik,
kaum den Leugner auszumerzen.

Da spricht der ehemalige Verräter,
mögen die Roten ihn vermissen,
so will der vermeintliche Täter,
nun auch den Totenkopf hissen.

Und das Schild in aller Breite,
halten die Alten schützend in den Händen,
als flüchteten sie in aller Weite,
vor den Flaggen an den Kabelenden.

Ach, welch Traum sie doch leben,
von behüteten Kindern,
wenn sie die Schilder heben,
keinen Schmerz, sie lindern.

Aber auch die Krieger im Trubel,
doch nur menschliche Figuren,
hysterisch blind im Jubel,
verlassen sie bald ihre Spuren.

Wo sind die Bombenleichen,
aus all den Datenfluten?
Es ist leicht zu erbleichen,
wenn Schüler wieder bluten.

Und all die große Kunst,
stirbt noch vor der Zeitung,
denn im digitalen Dunst,
verkauft der Künstler Kleidung.

Ach je, ihr Großen und Kleinen,
ihr allseits Guten und Bösen,
wann wollt ihr euch vereinen,
und endlich Probleme lösen?

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Dieses Gedicht steht unter folgender CreativeCommons-Lizenz.
Das Foto ist von Hanadi Traifeh und steht unter dieser Lizenz.

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Obamas Change in Gefahr

Obamas Gesundheitsreform wird zum beissenden Konflikt seiner jungen Präsidentschaft. Zwischen Fehlinformationen und falscher Kommunikation schürt sich Dank der Berichterstattung von Fox News großer Hass inmitten der Bürger.


Die Vereinigten Staaten haben als einziges westliches Land kein freies Gesundheitssystem für alle Bürger und bauen auf dem Angebot privater Unternehmen auf. Da eine Versicherung nicht zwingend ist, sind rund 45 Millionen US-Bürger unversichert und müssen ihre Arzt- und Medikamentenkosten selbst bezahlen. Dieser Umstand ist seit langer Zeit in der Kritik und wird auch nicht durch die staatliche Gesundheitsfürsorge „Medicaid“ kompensiert. Diese richtet sich zwar mit ihrem Hauptangebot an Familien mit schwachen Einkommen und mit dem zweiten Angebot „Medicare“ auch an Rentner, ist aber in der Praxis keine universelle Hilfe, da die Gelder nur zum Teil von der Regierung getragen werden und die restlichen finanziellen Mittel von den Bundesstaaten geregelt werden, sodass eine landesweite Qualität nicht gewährleistet ist. Zu dem ist nicht jeder berechtigt, Medicare in Anspruch zu nehmen. So verdienen einige Menschen zu viel für Medicare, aber doch zu wenig, um sich privat zu versichern.

Doch auch die Angebote der privaten Krankenversicherungen werden vielfach kritisiert. Beispielsweise behauptet Michael Moore in seiner umstrittenen Dokumentation „Sicko“, dass viele Schicksale aus Profitgier der Unternehmen tragische Verläufe nehmen. So würden einige Menschen wegen Vorerkrankungen abgelehnt, andere im Krankheitsfall durch verschiedene Klauseln aus dem Vertrag gedrängt. Durch die Finanzkrise werden zu dem viele Menschen ihre Versicherung verlieren, da mit 59% die Mehrheit durch ihren Arbeitgeber versichert ist. Dennoch gibt es auch Befürworter des Systems, die gerade die freiwilligen Optionen als Vorteil hervorheben.

Lässt man Zahlen sprechen, sind vor allem die Preise für Medikamente im Vergleich mit anderen Ländern sehr viel höher. Laut einer Studie der OECD bezahlt der durchschnittliche US-Bürger über $700 für Medikamente und braucht jährlich 10 Rezepte. In Kanada werden hingegen 12 Rezepte ausgestellt, aber $200 weniger bezahlt. Eine weitere Statistik behauptet außerdem, dass die USA mit ca. 16% den meisten Anteil aus dem Bruttoinlandsprodukt für medizinische Hilfe im weltweiten Vergleich beziehe. In der finanziellen Fairness steht sie dennoch auf Platz 55, weit unter Deutschland und Kanada, auch wenn die Qualität der Fürsorge auf dem fordersten Rang sitzt.

Im Sinne der „Change“-Parole versprach Barack Obama ein neues Gesundheitssystem, das niemanden mehr benachteilige. Doch die Pläne sind aufgrund widersprüchlicher Aussagen in scharfe Kritik geraten. Neben unglaubwürdiger Aussagen zur angetasteten Steuerpolitik, werden vor allem lange bürokratische Wege gefürchtet. Die gesamte Debatte droht jedoch immer willkürlicher zu werden und ist bisher hauptsächlich von Fehlinformationen und polarisierenden Aussagen geleitet. Diese finden vor allem beim rechten Nachrichtensender Fox News ihr Wachstumspotential.

So wurde bereits mit der Ernennung der neuen Richterin des Obersten Gerichtshof Sonia Sotomayor ein starkes Fundament für weitere Vorwürfe gelegt. Die Juristin steht seit einiger Zeit in der Kritik vieler Republikaner, allen voran Newt Gringrich, dem ehemaliger Sprecher des Repräsentantenhauses und führenden Aggregator in der gescheiterten Amtsenthebungs Clintons. Er behauptete unter anderem, dass sie eine Rassistin sei und weiße Männer hasse. Im Kreise dieser Aussagen spitzte sich die Situation zu, als Obama bei einer Pressekonferenz die Verhaftung des schwarzen Harvard-Professors Henry Louis Gates anprangerte und das Verhalten des betroffenen Polizisten als dumm bezeichnete. Da ihm laut Medienberichten zu dieser Zeit keine weiteren Informationen vorlagen, war die voreilige Reaktion ein gefundenes Fressen für Fox News. Glenn Beck, ein bekannter Moderator des Nachrichtensenders, nannte Obama darauf hin einen Rassisten, der etwas gegen Weiße oder speziell die weiße Kultur habe. Wenige Sekunden später widersprach er dieser Aussage, bestätigte sie allerdings später in seiner eigenen Radioshow erneut. Bereits zuvor konnte man fragewürdige Sätze im Zusammenhang mit Barack Obama von ihm hören. Unter anderem sagte er, dass die Amerikaner Dank Obama einer „Heroinsucht“ der Sklaverei verfielen.

Einseitige Berichterstattung, fragewürdige Standpunkte, parteiisch finanzierte Sendungen – Fox News befindet sich seit langer Zeit in heftiger Kritik. Gerade mit der Bush-Ära wuchs eine liberale Front gegen den Sender, der sich jedoch stets auf seine Neutralität beruft. Dennoch ist ein starker Hang zur rechten Seite kaum zu übersehen. So wurde der Irakkrieg und der „War on Terror“ in den wichtigsten Polit-Shows des Senders stets mit allen Mitteln verteidigt. Wenn Argumente gar nicht mehr helfen, kontert beispielsweise das Sendergesicht Bill O‘ Reilly in seiner Sendung „The O‘ Reilly Factor“ mit wütenden „Shut Up“s oder der Abschaltung des Mikrofons seines Gastes. Dieser verglich Obama während seinem Wahlkampf zu dem häufig mit Adolf Hitler und schreckt auch jetzt nicht davor zurück. Doch auch bei seinen Kollegen ist es nicht all zu schwer mit ähnlichen Gleichsetzungen konfrontiert zu werden. Die amerikanische Abwrackprämie „Cash for Clunkers“ wurde vom Sender als eine weitere Maßnahme in Richtung Sozialismus verstanden und trotz ihrer positiven Resultate kritisiert.


Ein Schilderwald soll die Bürokratie der Reformen verdeutlichen.

Inmitten des amerikanischen Nachrichtendschungels braucht es sicherlich auch eine Opposition mit kritischen Blicken auf die Politik der Demokraten, denn gerade während dem Wahlkampf wichen einige Konkurrenten bei der Kritik gerne lieber auf McCain aus und erhoben Obama zu einer Messiasfigur. Als derzeit meistgesehener Nachrichtensender ist Fox News aber sehr stark für die Meinungsbildung verantwortlich und schafft es nicht zuletzt mit standfesten, wenn auch häufig nicht zu begründenden Ansichten, Zweifler auf die eigene Seite zu hieven. Oftmals erhalten viele Theorien gerade dort ihr erstes Publikum und schaffen es dann auch bei der Konkurrenz. So wurde die Birther-Bewegung, die Obamas Geburt in den USA anzweifelt, auch bei CNN mit einer starken Ernsthaftigkeit behandelt, obwohl die hawaiianischen Behörden kurze Zeit darauf ein Foto der Geburtsurkunde, so wie eine Kopie einer Zeitungsausgabe mit einer Glückwunschsannounce zu Obamas Geburt veröffentlichten.

Dabei verliert sich die eigentliche Diskussion immer weiter. Ex-Gouverneurin Sarah Palin konnte so beispielsweise leicht ihre Behauptungen über geplante „death panels“ aufstellen, die entscheiden sollen, ob zum Beispiel ihr Baby mit Down-Syndrom oder ihre Eltern weiterleben dürften. Obwohl dieser Aussage jegliche Grundlage fehlte, fanden sich schnell ihre Verteidiger. Das britische Gesundheitssystem als Ebenbild dieser bürokratischen Entscheidung über Leben oder Tod wurde so schnell zur absoluten Tatsache erklärt, was den englischen Premierminister Gordon Brown dazu veranlasste, von seinem Urlaub aus via Twitter gegen die Vorwürfe zu argumentieren.

Doch auch Obama selbst schafft es kaum, die eigene Argumentation glaubwürdig erscheinen zu lassen. Wieso die privaten Versicherungsunternehmen nicht beeinträchtigt seien, wollte er anhand der amerikanischen Post erklären, die auch schlechter liefe als Konkurrenzangebote wie „Fed Ex“. Ein mangelhaftes Staatsunternehmen ist nun nicht gerade die bester Werbung für staatlich organisierte Gesundheitsversorgung.  Auch auf die Fragen zu möglichen Steuererhöhungen ging er auch eher ausweichend ein. Die würde es vermutlich bei der Einführung des Health Care Plan geben und auch Verschlechterungen der Qualität wären bedingt durch deutlich höherer Nachfrage in erster Zeit in Kauf zu nehmen. Zusätzlich würde die Reform sehr viel Geld kosten und darum ist es in den Vereinigten Staaten dieses Jahr eher schlecht bestellt.

Die Opposition verfolgt jeden Schritt Obamas und seine Umfragewerte sind auf seinem persönlichen Tiefststand. Laut Ap-Gfk sind im August nur noch 55% der Befragten mit ihm zufrieden. Nach sechs Monaten lag George W. Bush auf dem gleichen Wert. Zwischen Hasskampagnen mit der Aufschrift „socialism“ und bewaffneten Zuschauern bis hinzu Vergleichen mit Adolf Hitler, muss Obama diesen Konflikt nun lösen und das Vertrauen vieler Menschen wieder gewinnen. Er ist gewillt, Kompromisse einzugehen und hat bereits jetzt die Reformideen zurückgeschraubt. Die nächsten Wochen werden den Ausgang zeigen und wieviel von seinem Change-Versprechen er letzendlich aufrecht erhalten kann.

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Geht nicht wählen – oder doch?!

Was die Amerikaner können, können wir schon lange nicht. Neustes Beispiel ist wohl die Adaption des amerikanischen „Don’t Vote“-Spots, der mit vielen namhaften Prominenten besetzt wurde. Was in den USA durch gekonnte Inszenierung, verständlichen Sarkasmus und intelligenter Regie (Steven Spielberg) für viel Zuspruch sorgte, will in der deutschen Fassung nicht wirklich gelingen. Deshalb könnte man, diesen Spot auch einfach ignorieren, hätten sich die Macher nicht eines genialen Kniffs bedient: Vor Start der eigentlichen Kampagne stellten sie nur eine Teil der Kampagne online. In diesem fehlt der entscheidende Umschwung vom “Geht nicht wählen!”  zu “Geht doch Wählen!” und besonders die Aussagen von Tagesschau Sprecher Jan Hofer sorgten daher für Diskussionen.  (Besonders widerlich wird diese PR-Maßnahme, bedenkt man, dass nicht gewährleistet ist, dass alle die bis jetzt den Wahlboykott-Aufruf ihrer “Testimonials” gesehen haben, auch den zweiten Teil zu Gesicht bekommen.) Nun ist der zweite Teil, da und was soll man sagen?


Geht nicht hin – oder doch?

Vielleicht müssen die Verantwortlichen noch ein bisschen üben, wie man einen ironischen Satz mit einer gewissen Tonlage als solchen kennzeichnet oder ganz auf völlig andere Leute setzen. Den allermeisten Mitwirkenden will man nämlich nicht so ganz abkaufen, dass sie politisch engagiert und interessiert sind. Würde man jeden teilnehmenden Prominenten zu derzeitigen politischen Themen ausfragen, so würde die Hälfte ein sehr peinliches Bild preisgeben müssen. Das amerikanische Original sieht da schon anders aus. Vielleicht liegt es daran, dass in den USA persönliche Geschichten genauso wie eigene Meinungen sehr viel gefragter sind. Huscht also Ellen DeGeneres durch die Kamera, ist klar, dass sie kein Experte für Wirtschaftspolitik ist, dennoch steht sie beispielsweise für Aussagen zur gleichgeschlechtlichen Ehe. In der deutschen Variante sind die Wenigsten für politisches Engagement bekannt, wenn sie denn überhaupt bekannt sind. Denn der zweite Kritikpunkt ist die Besetzung aus Menschen, die nur bestimmten Nischen einen Begriff sein sollten. Beispielsweise Rapper Massiv, der ehemalige MTV-VJ Patrice oder Vodafone-Laufjunge Sascha Lobo1.


Amerikanisches Vorbild

Die Idee selbst ist eins zu eins kopiert worden. Im zweiten Teil erscheint die Kehrtwende als Aufruf zur Wahl wie eine Parodie auf das Original, ist aber ernst gemeint und wirkt insofern unglaublich lächerlich. Die einfallslosen Drehbuchautoren bedienen sich zwar dreist am Vorbild, schaffen es aber dennoch nicht, den Spin des Original-Spots überzeugend nachzustellen. Das Ziel der Selbstreflexion der Bürger ist absolut verfehlt. Letztendlich zeigt sich an diesem Beispiel nur wieder, dass eine Kopie amerikanischer Prinzipien nicht unbedingt zum gewünschten Ergebnis führen muss. Wenn die etabilierten Parteien ein bisschen Twitter und Facebook machen, dann heißt das noch lange nicht, dass sie dem Erfolg des Obama-Wahlkampfs nahe kommen werden. Lädt man Frau Merkel bei RTL ein und lässt sie vom Publikum befragen, so ist nicht unbedingt zu erwarten, dass sie im amerikanischen Stile grundlegende Antworten geben wird. Doch selbst wenn, würden diese Aussagen bei N24 und N-TV sicherlich nicht nach dem Vorbild amerikanischer Nachrichtensender erheblich diskutiert werden.

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One small step

Mondlandung

Heute vor vierzig Jahren wurde Geschichte geschrieben. Mit Neil Armstrong berührte der erste Mensch den Mond und läutete damit das neue Zeitalter des Fortschritts ein. Die Erde war nicht mehr der einzige Ausgangspunkt des Universums, nein, nur noch eine kleine blaue Kugel in der weiten Dunkelheit, unscheinbar und sensibel sah sie auf den Fotos der Apollo Missionen aus. Trotz der Faszination war dieser Meilenstein vor allem ein großes Propagandahäppchen im Wettstreit gegen die UdSSR, die 1957 mit dem ersten Satteliten Sputnik 1 auf den technischen Vorsprung deutete, den sie dann mit dem ersten schwebenden Menschen im Weltall – Alexej Leonow am 2. März 1965 auf die Spitze trieb. Die Raumfahrt wurde zum Schauplatz des kalten Krieges, die westliche Welt war geschockt, während der Osten demonstrativ Stellung bezog. Mit dem Sieg der USA endete eine Ära, gleichzeitig konnte die Frage nach dem Sinn von Raumfahrtprogrammen immer noch nicht wirklich beantwortet werden. Sind es die erstaunten Gesichter wert gewesen, Milliarden an Steuergeldern für etwas zu verschwenden, das wohlmöglich nicht geglückt wäre und auch keinen wirklichen Nutzen brachte?

Wirtschaftlich gesehen war die bemannte Raumfahrt immer ein Verlustgeschäft. Allein der Start auf sowjetischer, so wie amerikanischer Seite war eine fragewürdige Angelegenheit. Die technischen Aspekte waren ungeklärt, die Erfolge standen sprichwörtlich in den Sternen und auch die Wissenschaft war eigentlich keine Priorität. Alles basierte auf dem Kräftemessen und während die NASA sich nach der Gründung relativ transparent halten musste, geschah in der UdSSR alles stillschweigend. Bis heute sind viele involvierte Personen aus dieser Zeit nicht bekannt, während die amerikanischen Mitarbeiter einen gewissen Rang genossen. Zweifelsohne war der Wettstreit kein Schauspiel mit Assen im Ärmel sondern letztendlich eine Flut aus technischen Herausforderungen, die man auf beiden Seiten in einer rasanten Geschwindigkeit mit großen Risiken lösen konnte. Als Jurij Gagarin 1961 die Erde umkreiste, war der Erfolg vor allem auf politischer Seite zu betrachten. So wurden auch die Kritiker in den USA von der Regierung größtenteils ignoriert, da bereits Kennedy die Mondlandung zum Ziel gesetzt hatte. Ein gutes Argument blieb die Angst eines Angriffs von östlicher Seite durch die neuen Technologien, weswegen die ersten Raumfahrtprogramme auch vom amerikanischen Militär geleitet wurden, bis Eisenhower die NASA gründen ließ.

Die größten Erfolge der Raumfahrt sind bis heute allerdings eingesetzte Sonden und Teleskope. Die erste sowejtische Sonde Verena 7 landete auf der Venus und konnte verblüffendes Bildmaterial senden. Was vorher nur von der Erde aus zu beobachten war, konnte nun von nächster Nähe gesichtet werden. Zwar trennte sich die Verbindung nach weniger als 20 Minuten, doch der wissenschaftliche Nutzen ist bis heute unumstritten. Weitere Sonden wie die Mariner 10, die einen Teil des Merkur kartographierte, oder Pionieer 10, die Aufnahmen vom Jupiter machte, konnten nicht nur Ergebnisse liefern, die von großer Bedeutung sind, sondern waren vor allem vergleichsweise günstiger als bemannte Einsätze. Eine der größten Errungenschaften war 1990 das Weltraumteleskop Hubble, das regelmäßig für außerordentliche Sensationsfunde wie die Entdeckung neuer Galaxien sorgt.

Im Vergleich haben bemannte Fahrten noch nicht all zu viel hervorgebracht. Die russischen Raumstationen Saljut 1 und MIR können bis heute nicht mit großem Nutzen glänzen und auch die internationale Station ISS sorgte bisher eher durch ihre multikulturelle Zusammenarbeit für Schlagzeilen. Doch die Wissenschaft träumt bereits jetzt von größeren Projekten. Bald soll wieder ein Mensch auf den „fuckin'“ Mond oder im besten Fall gleich eine ganze Forschungsstation errichtet werden. Nachdem der Weltraumroboter Sojourner den Mars bereiste, sollen nun irgendwann auch die Menschen diesem Wege folgen. Doch würde sich so eine Reise wirklich lohnen? In jedem Fall wäre dieser unglaubliche Erfolg ein unvergessliches Phänomen, allein der Gedanke jemals einen Fuß in eine andere Welt zu setzen, ist traumhaft faszinierend, aber gleichzeitig von unglaublichen Kosten gestützt. Menschen brauchen Verpflegung, jahrelange Vorbereitung, wollen bezahlt werden. Zu dem sind die Flugkörper sehr teuer und die Flüge selbst bleiben nach wie vor sehr gefährlich. Allein die Kommunikation mit der Erde würde auf solchen Entfernungen nur in Verzögerungen funktionieren, die in einem Worst-Case-Szenario die Astronauten auf sich alleine stellen würde. Doch auch die Armut auf der Welt zeigt deutlich, wo Geld eventuell besser plaziert wäre. Während die westliche Welt auf dem Mond galoppiert, sterben Kinder auf dem trockenen afrikanischen Boden.

Sollte die bemannte Raumfahrt also nicht weiter stattfinden, so würde sich die Entwicklung der Sonden und der Weltraumteleskope wohl weiterhin nicht stoppen lassen. Sie hatten bisher immer einen wissenschaftlichen Wert. Fraglich bleibt dennoch, ob es wirtschaftlich Sinn macht, Menschen ins Weltall, auf den Mond oder gar auf einen andere Planeten zu befördern. Wo würden die Gelder allerdings stattdessen hinfließen und hätte sich beispielsweise die Armut als Alternative angeboten? Vermutlich eher nicht, denn sonst gäbe es diese Schwierigkeiten seit langem nicht mehr. Bedenkt man wie einfach es war Rettungspakete für Banken zu schnüren und wie ironisch schwer man sich tut, die Armut einzudämmen. Der Raumfahrt eine Prioritätenverschiebung vorzuwerfen, ist daher ziemlich absurd. Interessant ist auch, dass die Kosten vergleichsweise gar nicht so teuer sind, wie gerne behauptet wird. Laut Focus könnte sich selbst Deutschland mit 30 Milliarden Euro an Steuergeldern eine bemannte Marsreise leisten und die Budgets für Fernsehübertragungen der olympischen Spiele hätten beispielsweise auch die Kosten des Teilchenbeschleunigers LHC überstiegen, der ca. 3 Milliarden Euro kostete, auch wenn er nicht unter die bemannte Raumfahrt fällt. Auch ist die faszinierende Sicht der Dinge immer noch ein wesentlicher Bestandteil dieses außerordentlichen Segments der Wissenschaft. Die Mondlandung bleibt ein kulturulles Beispiel der Superlative, ein unvergleichliches Ereignis. Inspiration und Faszination.
Das Universum ist der Ursprung des Menschen, dort stellen sich die Fragen und dort sind die Antworten am ehesten zu finden. Die Erde bleibt ein klitzekleiner Punkt im großen Universum und vielleicht ist dieser Blick am Ende wieder ein kleiner Schritt eines Menschen und ein großer für die Menschlichkeit.

Fotos: flickr

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Überschätzt sich das Internet?

In den letzten Wochen kämpfte das Internet gegen ein Gesetz, das in vielerlei Hinsicht Zweifel aufkommen lässt. Teils mit großer Energie, klaren Begründungen und interessanten Erfolgen, teils mit populistischem Wahn und fanatischem Druck. Eine Ministerin hat nun einen historischen Beinamen erhalten, einige Änderungen am Gesetzesentwurf wurden vorgenommen und trotzdem scheiterte der Aktionismus letztendlich.

Und doch feiert man sich an vielen Stellen selbst, sich und das Internet, sich und „die Community“, sich und die Zusammenarbeit – sich und die Erfolgslosigkeit? Man kann sich darüber freuen, dass so viele Menschen mobilisiert werden konnten, die Mahnwache schnell ihre Mitglieder fand, gleichzeitig auch, dass eine Petition in wenigen Wochen über 100.000 Menschen gewinnen konnte. Auch zeigte das Netz durchaus politisch zu sein, sofern es betroffen ist. Lob an dieser Stelle ist sicher berechtigt, aber von besonderem Stolz kann auch hier nicht gesprochen werden. Wieviele Politiker äußerten sich wirklich zu der Kritik in den ganzen Blogs? Hat die Petition jemals starke Erwähnung gefunden? Wer las all die Mühen, bis auf die Schaffenden selbst?

Wenn sich die SPD für das Gesetz entschloss, um reisserischen Überschriften zu entkommen, kann der große Aktionismus der Internetcommunity doch wirklich nicht nur gefeiert werden. Wo blieben die relevanten Schritte der großen Alphatiere, die sich sichtlich bemühten, aber doch keinen Eindruck in der Politik hinterließen? Wieso schaffte es niemand, sich vor die Fernsehkameras einer Polittalkschow zu stellen? Wo Medieninkompetenz gegenüber der einen Seite laut wird, fragt man sich zuweilen, ob man im Internet nicht zu sehr vom eigenen Medium überzeugt zu sein scheint. Während man über Blogs, Twitter und Foren auf sich aufmerksam machen konnte, war es der SPD dennoch wichtiger, die Menschen, die nicht so stark im Internet zu finden sind, nicht als Wähler zu verlieren.

Obwohl also „Zensursula“ für jeden informierten Internetnutzer ein Begriff ist, verschlossen sich die Mainstream-Medien vor der Berichterstattung. Natürlich kann man nun mit dem Finger zeigen und die blinden großen Tiere beschuldigen oder sich an die eigene Nase fassen und diese Niederlage vielleicht als kleinen Appell sehen, der doch in klarer Linie aussagt, dass man über den Tellerrand zu schauen hat, wenn man mehr als die ohnehin schon überzeugte Gemeinschaft auf die eigene Seite ziehen will.

Das Internet, das in den letzten Wochen stark von einem „wir“ sprach, sollte sich nun noch verstärkt um den Traum bemühen, statt selbstverliebt und unbeholfen den eigenen Aktionismus hochzuloben, wenn es nicht wie die heulenden Fans der deutschen Nationalelf nach der Weltmeisterschaft 2006 klingen möchte, die bis heute von ihrem Weltmeister der Herzen schwärmen, weil die Realität zu schmerzhaft ist. Es ist in jedem nur erdenklichen Ermessen traurig, im großen Umfang ignoriert zu werden, doch dem Grundgesetz hinterher zu winken, wie es an vielerorts geschieht, wird am großen Aspekt nicht viel ändern. Die Internetgemeinschaft wäre gut beraten, weiter festzuhalten, die Verfassungsklage einzureichen und mit Präsenz in den großen Medien für mehr Aufmerksamkeit zu kämpfen. Die andere Option ist in den Keller der Generation 64 zu gehen und mit der Trägheit seit dem Ergebnis fortzufahren, dann aber, ist das Ziel mehr als verfehlt.

Foto unter CC, flickr, Euphoriefetzen.

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GoogleToilet – Neuer Google Dienst soll Suche verbessern

Laut der Google Vizepräsidentin Marissa Ann Mayer will der Suchmaschinenkonzern in Kürze einen völlig neuartigen Dienst starten, der die Vorlieben der User noch viel schärfer beleuchtet und so im wahrsten Sinne des Wortes das Beste herausfiltert: GoogleToilet soll die Exkremente der User analysieren und mit Hilfe der gesammelten Daten genaue Empfehlungen zu Restaurants, Nahrungswünschen, aber auch Ernährungstipps treffen können. Netzfeuilleton informierte sich für Sie über den neuen Geniestreich des amerikanischen Konzerns.

Als ob die fantastische Suche nicht schon genug philanthropische Stärke bewiesen hätte, verkündete Google gestern Abend im offiziellen Blog in den kommenden Wochen den neuen Service „GoogleToilet“ in einer offenen Betaversion zu starten. Das neue Feature soll die Nutzergewohnheiten noch genauer verarbeiten, um noch bessere Suchergebnisse und Empfehlungen zu erzielen. Dass das sensationell gute Pageranksystem des Börsenunternehmens noch weiter zu verfeinern ist, schien den wenigsten glaubwürdig, doch in der Hauptzentrale in Moutain View, Californien wollte man sich nicht mit den bisherigen Zuständen zufrieden geben, verrät uns die blonde Vizepräsidentin und Diskussionsgroßmeisterin Marissa Ann Mayer. Google suche nach immer neuen Herausforderungen, um die letzten Möglichkeiten des Kerngeschäfts – dem Finden von brauchbaren Inhalten – aus dem bereits jetzt bis an den Wahnsinn perfektionierten Algorithmus herauszukitzeln. Doch wie darf man sich das neue Aushängeschild vorstellen?


Google stellt den neuen Dienst im Blog vor.

GoogleToilet ist eine neuartige Kloschüssel, die einer herkömmlichen zu erst einmal sehr ähnlich sehe, erläutert ein GoogleTechniker die Erfindung. Und tatsächlich sieht der Stuhl der Erleichterung auf dem ersten Blick nicht außergewöhnlich aus. Doch ein Blick in das Loch der Klobrille verrät mehr: Eine ultradünne elastische Nanofolie mit eingebauten hochauflösenden Kameralinsen analysiert das Gesäß des Benutzers. So bald sich der User hingesetzt hat, zieht sie sich auseinander und die Saugknöpfe werden sichtbar. Sie nehmen den Duft auf und stellen so fest, ob es sich hierbei um den rechtmäßigen Benutzer handelt – im Zweifelsfall klappt sich das moderne Gerät zusammen. Doch die eigentliche Prozedur folgt erst nach dem Stuhlgang. Jetzt filtert GoogleToilet die verschiedenen Substanzen aus dem Wasser und errechnet Eigenschaften des Benutzers, die in der nächsten Googlesuche berücksichtigt werden.


Soll die Suche weiter verbessern: GoogleToilet

Damit nicht genug: Google bietet frei nach dem Motto „Don’t be Evil“ noch weitere Möglichkeiten, die Toilette zu benutzen. Mit USB-Buchsen können Endgeräte wie Computer, Notebooks oder Handys mit dem neuen Produkt synchronisiert werden. Eine Echtzeitsuche soll den Prozess auf dem Stuhl noch interessanter machen. In einer Premiumversion wird es auch möglich sein, genaue Statistiken über die Nahrungsgewohnheiten der letzten Tage zu erhalten und anhand der gesammelten Werte Gesundheitszustände und Chancen auf dem Singlemarkt zu berechnen. Zu dem wird der Webgigant zwei neue Technologien aus Japan involvieren. Mit der einen wird aus den produzierten Exkrementen Energie hergestellt, mit der anderen soll eine Eiweißgewinnung möglich sein.

Doch wie soll damit langfristig Geld verdient werden? Marissa Mayer gewährt uns einen Blick in den Businessplan des neuen Google Geschäfts: Die Endgeräte selbst werden einen Teil der Kosten decken, aber gleichzeitig wird die Toilette Dank zwei eingebauter Mikrofone Anzeigentexte zu relevant kategorisierten Daten aus der Brühe aufsagen. Ein weiterer Meilenstein wird mit der Übernahme der Dixie Klos unternommen. Dort werden zukünftig die Googleklos zu finden sein. Die kleinen Kautschukcontainer werden innen und aussen mit relevanter Werbung zugekleistert sein und bieten auch die Möglichkeit Nachrichten und Ebooks aus dem Google Repertoire auf einem integrierten Bildschirm zu lesen.


GoogleToilet auf Vormarsch: Dixie wurde gekauft.

Datenschützer befürchten, dass Urin- und feste Exkremente zu keiner Relevanz beitragen könnten. Doch vorlaute Stimmen gab es in der Historie der Suchmaschine immer wieder. Nie hatte sich die Kritik bewarheitet. Der Konzern blieb seinem internen Gebet „Don’t be Evil“ treu und ist nur ein menschenliebendes StartUp, das den Usern die bestmöglichen Produkte bieten möchte. Und frei nach dem Leitsatz „nur herstellen, was man auch selber benutzen möchte“ lädt uns Marissa Mayer am Ende zu einem Vorabsitz auf dem heiligen Stuhl ein.

Dieser Text ist eine Satire. Alle Angaben sind erfunden und sollen nur eine kritische Stellungnahme zu den neuen Diensten des angesprochenen Unternehmens darstellen. Zu einer Diskussion sind Sie herzlich eingeladen.

Fotos: Klopapierrolle, Toilette, Dixie; Alle Grafiken wurden unter freien Lizenzen aufgespürt. Bei etwaigen Fehlern bitten wir um eine Nachricht.

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The real Slim Shady?

Gestern Abend konnte sich Stefan Raab wieder über internationalen Besuch höchster Berühmtheit freuen. Nachdem bereits am Vortag mit Green Day für viel Furore gesorgt wurde, sollte Eminem diese TvTotal-Woche noch an die Spitze treiben. Doch nicht nur die Einschaltquoten sollten enttäuschen, auch der Auftritt des früheren Großmauls Amerikas zeichnete ein trauriges Bild.

Es ist etwas mehr als vier Jahre her, als Eminem zum wiederholten Mal bei TvTotal eingeladen war. Vorwiegend drehte sich die Unterhaltung um Freificks und Muschis. Das Gesäß der weißen Rapikone durfte auch damals wieder von ganz Deutschland bewundert werden und dabei wirkte nichts inszeniert, sondern so wie die Musik des Gastes: Ungehobelt, direkt und komisch. Während sich Raab auf einen weitere Show dieser Art freute und bereits im anfänglichen Standup über einen Hattrick der Entblößung spekulierte, war Slim Shady nicht wirklich für die alten Späße zu haben. Stattdessen wirkte er müde, völlig von der Rolle und blickte apathisch auf den Studioboden.

Der Beginn wirkte noch vielversprechend – Eminem trug einen Mundschutz als scheinbaren Witz auf die Schweinegrippe. Ähnlich parodierte Raab die neue Hypekrankheit eine Woche zuvor ebenfalls. Doch nach zwei gespielten Niesern wurde auch schon die bewährte Zensurfreiheit im deutschen Fernsehen gelobt, sodass es auf das Vokabular des Gastes hinauslief. Raab versuchte also seinen üblichen Humor zu verdeutlichen und die Legende des Sprechgesangs spielte das Programm leidig mit. Dabei wirkt er wie ein unmotivierter Schüler, der halbherzige Worte wiederholt, um den Lehrer nicht zu einer persönlichen Mitteilung für die Eltern zu zwingen. Ein ausufernder „Franjo Pooth“-Ruf war zunächst ganz witzig, schien aber nicht lustig genug zu sein, sodass schnell zum nächsten Thema übergegangen wurde: Die deutsche Rapszene und die interessierte den amerikanische Superstar nicht wirklich. So quasselte sich Raab über Buschido und Sido den Mund fusselig, wohlmöglich eine Antwort erwartend und versuchte dann die ganze Eskapade mit einem Silbereisen-Witz zu retten. Die Menge lachte, Eminem quälte sich mit einem kurzen Kommentar, so richtig eins draufzusetzen, wollte ihm aber nicht gelingen. Vielleicht wollte er aber auch einfach nicht.

Dabei bot er noch eine Chance an und stellte sich als Angriffsfläche auf, als er sexuelle Selbstbefriedigung für seine vierjährige Abstinenz verantwortlich machte. Doch Raab wollte nicht so wirklich darin einsteigen und interessierte sich lieber für die Drogenprobleme seines Gastes. Der nahm es sarkastisch und versuchte sich in einer Bodybuilderpose zum Beweis seiner Gesundheit, bevor er wohl seine ehrlichste Aussage an diesem Abend traf. „What the fuck am I doing?“, wunderte er sich. Diese aufgedeckte Fassade schien das Publikum nicht wahrzunehmen und auch der letzte fragewürdige Punkt dieses Abends wurde mit großem Applaus begleitet, obwohl auch hier die deutlichste Unlust zu spüren war: Raab überredete Eminem zu einer improvisierten Rapeinlage mit Chachacha-Musik. Ein Versuch diesen Vorschlag zu umgehen, konnte Raab nicht überzeugen. Vielleicht ist das einstige Ausnahmetalent einfach kein Spielverderber, aber diese spontane Aktion schien ihm garnicht zu gefallen. Das wurde auch in seinen kurzen Phrasen deutlich, die der Talkmaster und wohl auch ein großer Teil der Menge nicht ganz verstanden hatten. „I have no idea what I’m doing“ sprach der böse Junge Amerikas da zur flötenden Hawaii-Musik und sein Mittel zur Botschaftsübermittlung schien hier von niemandem wirklich angenommen zu werden. Fast schon tragikomisch wie das Gefühlsventil unweigerlich gestopft zu sein schien.

Entweder Raab ist blind oder er konnte seine Enttäuschung mit diesem prüden Lächeln der Begeisterung fast schon überwinden, denn das was er sich vorgestellt haben muss, ist hier sicherlich nicht eingetreten. Oft heißt es über den deutschen Talkshowhost, dass er langweilig geworden sei. Im Vergleich zu Eminem war er dieses Mal aber ein aufgeweckter Welpe inmitten einer Einschläferung. Denn sein Gast war nicht zufrieden in der Rolle, die er früher wie kein zweiter beherrschen konnte. Sein neues Album trägt den Titel „Relapse“ – ein ironischer Name, wenn man die Medikamentensucht des Rappers verfolgt hat. Seit einigen Jahren war der „Whiteboy“ Schlaftabletten-süchtig und zog sich aus dem Medienrummel zurück. Sein Album „Encore“ zeigte hier die deutliche Billanz einer Person, die mit der Musikbranche nicht mehr viel am Hut hatte. Statt Beef gab es wehmütige Lieder für seine Tochter und abschiedsreife Popdramatik. Mit seinem neuen Album könnte eventuell wieder die alte Form erlangt werden – bisher sieht es aber nicht wirklich dannach aus. Die erste Single „We made you“ ist witzig, kann aber „Just lose it“, „The real slim Shady“ oder „Without me“ nicht annähernd das Wasser reichen. Im Video sieht er zerbrechlich aus, in lethargischer Manier schaut er tiefernst in die Kamera, während Drahtzieher Dr. Dre für den letzten Funken der Marke „Slim Shady“ zu posieren scheint. Der gestrige Liveauftritt kann auch nicht zu den guten gezählt werden. Es ist seltsam, dieses kreative Großmaul, das zurecht als brilliant gelobt wurde, so ausbrennen zu sehen.

Wer sich die Sendung noch einmal anschauen möchte, kann dies hier tun.