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Überschätzt sich das Internet?

In den letzten Wochen kämpfte das Internet gegen ein Gesetz, das in vielerlei Hinsicht Zweifel aufkommen lässt. Teils mit großer Energie, klaren Begründungen und interessanten Erfolgen, teils mit populistischem Wahn und fanatischem Druck. Eine Ministerin hat nun einen historischen Beinamen erhalten, einige Änderungen am Gesetzesentwurf wurden vorgenommen und trotzdem scheiterte der Aktionismus letztendlich.

Und doch feiert man sich an vielen Stellen selbst, sich und das Internet, sich und „die Community“, sich und die Zusammenarbeit – sich und die Erfolgslosigkeit? Man kann sich darüber freuen, dass so viele Menschen mobilisiert werden konnten, die Mahnwache schnell ihre Mitglieder fand, gleichzeitig auch, dass eine Petition in wenigen Wochen über 100.000 Menschen gewinnen konnte. Auch zeigte das Netz durchaus politisch zu sein, sofern es betroffen ist. Lob an dieser Stelle ist sicher berechtigt, aber von besonderem Stolz kann auch hier nicht gesprochen werden. Wieviele Politiker äußerten sich wirklich zu der Kritik in den ganzen Blogs? Hat die Petition jemals starke Erwähnung gefunden? Wer las all die Mühen, bis auf die Schaffenden selbst?

Wenn sich die SPD für das Gesetz entschloss, um reisserischen Überschriften zu entkommen, kann der große Aktionismus der Internetcommunity doch wirklich nicht nur gefeiert werden. Wo blieben die relevanten Schritte der großen Alphatiere, die sich sichtlich bemühten, aber doch keinen Eindruck in der Politik hinterließen? Wieso schaffte es niemand, sich vor die Fernsehkameras einer Polittalkschow zu stellen? Wo Medieninkompetenz gegenüber der einen Seite laut wird, fragt man sich zuweilen, ob man im Internet nicht zu sehr vom eigenen Medium überzeugt zu sein scheint. Während man über Blogs, Twitter und Foren auf sich aufmerksam machen konnte, war es der SPD dennoch wichtiger, die Menschen, die nicht so stark im Internet zu finden sind, nicht als Wähler zu verlieren.

Obwohl also „Zensursula“ für jeden informierten Internetnutzer ein Begriff ist, verschlossen sich die Mainstream-Medien vor der Berichterstattung. Natürlich kann man nun mit dem Finger zeigen und die blinden großen Tiere beschuldigen oder sich an die eigene Nase fassen und diese Niederlage vielleicht als kleinen Appell sehen, der doch in klarer Linie aussagt, dass man über den Tellerrand zu schauen hat, wenn man mehr als die ohnehin schon überzeugte Gemeinschaft auf die eigene Seite ziehen will.

Das Internet, das in den letzten Wochen stark von einem „wir“ sprach, sollte sich nun noch verstärkt um den Traum bemühen, statt selbstverliebt und unbeholfen den eigenen Aktionismus hochzuloben, wenn es nicht wie die heulenden Fans der deutschen Nationalelf nach der Weltmeisterschaft 2006 klingen möchte, die bis heute von ihrem Weltmeister der Herzen schwärmen, weil die Realität zu schmerzhaft ist. Es ist in jedem nur erdenklichen Ermessen traurig, im großen Umfang ignoriert zu werden, doch dem Grundgesetz hinterher zu winken, wie es an vielerorts geschieht, wird am großen Aspekt nicht viel ändern. Die Internetgemeinschaft wäre gut beraten, weiter festzuhalten, die Verfassungsklage einzureichen und mit Präsenz in den großen Medien für mehr Aufmerksamkeit zu kämpfen. Die andere Option ist in den Keller der Generation 64 zu gehen und mit der Trägheit seit dem Ergebnis fortzufahren, dann aber, ist das Ziel mehr als verfehlt.

Foto unter CC, flickr, Euphoriefetzen.

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Das Internet ist sauer!

Bis vor kurzem hielt ich es mit Christian Stöcker, der meinte „Das Internet gibt es nicht“ und damit glücklicherweise auf eine mangelnde Differenzierung innerhalb der Debatte rund um das Mitmach-Netz aufmerksam machte.
Doch wenn man sich jetzt so umschaut, könnte man tatsächlich meinen, dass das gesamte deutsche Netz aufbegehrt.

Was ist geschehen? Nun gestern Abend beschloss der deutsche Bundestag das Gesetz zur „Bekämpfung der Kinderpornographie Kommunikationsnetzen.“ Gegen diesen Vorschlag hatte es massiven Protest in Blogs und auf Twitter gegeben. Auch hier auf netzfeuilleton.de haben wir den Weg begleitet:

Doch das Gesetz wurden, obwohl es zahlreiche Bedenken & Argumente dagegen gab, Frau von der Leyen der Lüge überführt wurde und die erfolgreichste Petition aller Zeiten eingereicht wurde, beschlossen.
Richtete sich der Zorn anfangs vor allem gegen die SPD. Weitet er sich nun auf die gesamte Politik aus.

Während Handelsblatt-Blogger Thomas Knüwer die Politik wiederholt davor mahnt eine ganze Generation ((Der Spiegel bezeichnet sie als „Generation C64“, vergisst damit aber die jüngeren, ab massiv nachwachsenden „Digital Natives“)) und zu verlieren, benennet Anke Gröner den letzten Tag,„an dem ich an die freiheitliche Grundordnung, mit der ich aufgewachsen bin, glauben kann.“.  Frank Helmschrott macht sich für eine Abwahl der herrschenden Mächte stark und das Blog „Wir sind das Volk“ kündigt an: „Wir werden Euch zeigen, was wir von Eurer Politik halten

Noch weiter geht das Nerdcoreblog. Dort erklärt René die Unabhängigkeit des Internets von der Politik und bennet die Zahl von 500.000 Multiplikatoren, Tendenz steigend, die Politik nun gegen sich hat.

Ein Protestsong scheint auch schon gefunden:

Er beendete seinen Eintrag mit folgender Drohung aus dem Dunstkreis der Anonymous-Bewegung:

We are Anonymous.
We are Legion.
We do not forgive.
We do not forget.
We will be heard.

Expect us.

Wie sich dieser Zorn weiter entwickeln wird, und was er für Auswirkungen haben wird, muss sich noch zeigen. Wird wirklich die gesamte Politik verlieren, oder wird zum Beispiel die netznahe Piratenpartei von der Aufregung profitieren können? Wird das Netz sich noch weiter politisieren und eine noch stärkere Aufklärungsfunktion übernehmen?

Das wird nicht plötzlich geschehen, aber klar ist, wir befinden uns mitten in einem gesellschaftlichen Umbruch.

UPDATE: Als -hymne zeichnet sich nun doch ein anderer Song ab: „Zensi – Zensa- Zensursula“. Es sei aber vorgewarnt: Der Song ist etwas eigenwillig.

Von KelsRobVegas