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War die Einstellung des Verfahrens gegen Edathy in Ordnung?

Das Verdahren gegen Sebastian Edathy wurde als eingestellt. Gegen eine Erklärung von ihm, die nicht als Schuldgeständnis gilt und 5.000 Euro, die er an den Kinderschutzbund zahlen sofllte, die dieser aber gar nicht will. Und so sind nach dem Ende der Gerichtsverhandlung fast mehr Fragen offen als zuvor: Ist Edathy schuldig? Welche missliche Rolle spielt die Staatsanwaltschaft? Wer denkt an die Kinder? Und hat er nun überhaupt Kinderpornographie besessen und angesehen oder nicht?

Pro und Contra – Spundekäs 2.0

im Dezember 2014 haben ich zusammen mit der Verlagsgruppe Rhein-main, Ulla Niemann und Aidien Assefi ein Youtubeformat names Spundekäs gestartet, das wir nun noch einmal gründlich generalüberholt haben: Hin zu einem Debattenformat in dem ich und Ulla vorher nicht wissen für welche Seite wir argumentieren müssen. Ein spielerischer Ansatz, auch wenn die Themen, wie Edathy zeigt, nicht einfacher werden. Das Ergebnis seht ihr oben. Wir freuen uns natürlich über Feedback. Hier und auf Youtube.

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Worum es in Fight Club wirklich geht

Eine Fight Club Interpretation ist gar nicht so einfach. Der Film bietet unendlich vielschichtige Charaktere und vor allem mit seinem Twist am Ende auch viel Stoff Hinweise zu entdecken.

Fight Club Interpretation

Die Konsumkritik, die sich durch den gesamten Film zieht. Die Schizophrenie, die Selbsthilfegruppen in die Edward Norton stürmt. Wie er sich durch die Anwesenheit von Frauen gestört fühlt. Die Unterdrückte Gewalt und die Auflehnung gegen die Gesellschaft und ihre Regeln.

Anforderungen an die Männlichkeit

Folding Ideas hat alle diese Ansätze unter einen gemeinsamen Hut gebracht und das Überthema des Films „Fight Club“ herausgarbeitet: Männlickeit und die geforderten Verhaltensweisen. Nach seiner Fight Club Interpretation zeigt sich an vielen Stellen der Kampf um das „Mann sein“, wie es die Gesellschaft erwartet. Und das der Erzähler (Edward Norton) genau damit Probleme hat. Diese gefühlten Anforderungen an einen Mann in der Gesellschaft kann er nur in den Selbsthilfegruppen loslassen, deshalb fühlt er sich auch von Marlas Auftauchen dort gestört. Die Drohung der Kastration zieht sich durch den Film: Das man seiner Männlichkeit beraubt wird gilt als ultimative Strafe.

Tylor Durden als ultimativer Macho

Filmpodcast
Unser Filmpodcast: Gucken & Trinken – Über Filme und die passenden Drinks.

Alle diese wahrgenommen Anforderungen an einen Mann manifestiert der Erzähler in Tyler Durden, seinem idealen Männerbild. Er ist roh, gewaltätig und gegen über Frauen ein Macho. So interagiert der Erzähler mit Marla vor allem durch Tyler Durden. Interessanterweise rekonstruieren sie durch Tyler Durden im „Fight Club“ das selbe Modell des Rechts des Stärkeren. Der Fight Club basiert auf dem selben Männlichkeitsbild und baut auf abstrakter Ebene die Gesellschaft nach. Deshalb die abschließende „Fight Club“ Interpretation: Eine Veränderung der Gesellschaft ist nur möglich, wenn das Rollenverständnis von Mann (und Frau) aufgegeben wird.

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Bücher Featured

Charlotte Roches „Schoßgebete“: Seelen- statt nur Striptease

Was hat man von Charlotte Roches zweitem Buch „Schoßgebete“ erwartet? Genau diese Erwartung wird auch erfüllt: Das Wort „Sex“ ist das fünfte im Buch. Es folgt eine seitenlange Beschreibung der Fellatiokünste von Protagonistin Elizabeth Kiehl.

Feuchtgebiete“ habe ich damals nie ganz gelesen. Bei einer Bekannten lag das Buch neben dem Bett und ich blätterte immer wieder darin. Mit einer Mischung aus Ekel, Voyeurismus, Faszination und an manchen Stellen sicher auch etwas Geilheit folgte ich den Ausführungen über Selbstbefriediegung, Gesäßblumenkohl und Körperhygiene. Mit dem gleichen Gefühl dachte ich mich nun auch durch „Schoßgebete“ zu wälzen.

Doch da, inmitten der vollmundigen Beschreibungen, ein Riss: Die Bemerkung, dass sie gegen den feministischen Geist ihrer Mutter und natürlich Alice Schwarzer anbläst. Und kurz darauf sitzen wir mit Frau Kiehl im Auto zu ihrer Therapeutin, begleitet von zahlreichen Neurosen und Phobien. Die Angst vor dem Aufzug und dem Riss in der Decke, der immer größer zu werden scheint. Die Gewissheit bald zu sterben, durch die eigene Hand aber nur aufgehalten durch den Wunsch eine gute Mutter zu sein, eine bessere als die eigene oder aber zumindest vom nächsten großen Unglück heimgesucht zu werden.

Denn alles hat seinen Ursprung in einem schrecklichen Autounfall, bei dem Elizabeth drei Brüder verliert. Ein Erlebnis, dass Charlotte Roche selbst hinter sich hat.

Mit diesem Wissen, das Buch soll bis zu 70% (vielleicht auch mehr) autobiografisch sein, wird das Lesen noch viel intensiver. Fassungslos taucht tief man in Psyche einer Frau ein, die Schreckliches umwunden hat und findet sich tief in ihrer Gedankenwelt wieder. Und diese Gedanken sind oft hart:

So wich die Trauer anfangs dem Hochgefühl von allen umsorgt zu werden oder da ist der schreckliche Wunsch, dem Stiefsohn möchte doch etwas zustoßen, dass man denn man für sich alleine hat.

All das schreibt Roche einfach auf und das macht die Intensität des Buches aus, auch die schrecklichsten und verachtenswertesten Gedanken. Immer wieder musste ich das Buch beiseite legen, um zu verdauen was man sich über verbrannte Kinder so an Gedanken macht, selten hatte ich das Gefühl eine Buchprotagonistin so schonungslos kennen zu lernen. Eher Seelen- als Körperstriptease also diesmal, auch wenn die Medien sich natürlich wieder an anderen Dingen aufhängen.

Literarisch mag das ganze nicht der Oberklasse entsprechen, doch die einfach, direkte Sprache passt zur Protagonistin Elizabeth Kiehl und auf die Idee Analverkehr mit Käsefondue zu vergleichen muss man auch erstmal kommen.

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Featured Netz &

Flattr: Die Dankbarkeits-Ökonomie

Ja, es funktioniert: Als zum ersten Mal eine kleine eins in dem orange-grünen Button stand, fühlte ich mich tatsächlich geschmeichelt.

Schmeicheln auf Englisch heißt  to flatter und Flattr ist ein neuer Micropaymentdienst, der zur Zeit einiges an Erfolg verspricht. Er funktionert so: Man legt eine monatliche Summe fest, die man ausgeben möchte. Das sind z.Z mindestens 2€ und maximal 20€. Dann klickt man den Monat über auf alle Flattr-Buttons, die einem begegnen und am Ende wird der Betrag (z.B. die 20€) durch alle geteilt. Gleichzeitig kann man auch selbst, wie oben erwähnt, geflattered werden.

Wird es sich Durchsetzen?

Dabei ist interessant, dass beide Wege funktionieren. Auch ich konnte, als mein Konto eingerichtet war, es kaum erwarten endlich tollen Projekten meine Wertschätzung zu zeigen. Hier  zeigen sich noch ein paar offene Fragen oder Probleme im Bezug auf Flattr:

Erstens die bislang mangelnde Verbreitung. Das scheint aber ein in erster Linie temporäres Problem, denn momentan befindet sich Flattr noch in einer Art closed Beta, bei der man nur mit einem Einladungscode hineinkommt. Das momentane Invite-Betteln auf Twitter erinnert an Google-Wave Zeiten ((Ich hätte da noch ein paar Invites, if anyones interested?)). Die Frage ist jedoch, ob auch nach Stadium 1.0 eine weitreichende Abdeckung erreicht werden kann. Vor allem insofern, dass nicht nur Menschen die selbst Inhalte anbieten sich einen Account zu legen (Denn selbst flattern ist Vorraussetzung um geflattered zu werden), sondern ob auch „reines Publikum“, sofern es das im Web2.0 noch gibt, bereit ist zu bezahlen? Nun diese Frage steht aktuell – Stichwort Paid Content – sowieso zur Diskussion.

Wer profitiert?

Die zweite Frage ist, und sie hängt mit der ersten zusammen, ob daraus ein echtes wirtschaftliches Modell für Inhalteanbieter erwachsen kann. Wer wird von den Flattr-Beträgen profitieren? Und erreichen sie eine relevante Größe? Natürlich ist anzunehmen, dass vor allem große Inhalteanbieter ((Ich sage mit Absicht nicht A-Blogs)) profitieren können. Dann wäre zu kritisieren, dass Flattr als eine Umverteilungsmaschine von unten nach oben funktioniert.

Auf der anderen Seite ist zu hoffen, dass nun aufwendiger erstellte Inhalte mehr zurückbekommen. Um es beim Namen zu nennen: Bislang konnten Tumble-Blogs schnell groß werden, weil sie mehrere Fundstücke am Tag posteten, die sich bei  Qualität schnell verbreiteten und entsprechend Backlinks generierten. Tiefe Analysen tun sich da schwerer in der Verbreitung. Nun ergibt sich die Chance, das sie dies auf anderem Wege zurückerhalten, nämlich das Menschen eher bereit sind für originäre Erzeugnisse zu bezahlen, weil sie ahnen, wie viel mehr Arbeit dahinter steckt.

Flattr: Das neue „Gefällt mir“?

Die dritte Frage ist, wie sehr wird sich Flattr in den Alltag der Nutzer integrieren und hier tut Flattr schon einiges, um es den Nutzern so angenehm wie möglich zu machen. Einmal eingeloggt kann ich auf allen Seiten einfach den Flattr-Button klicken und gleichzeitig wird man durch das oben besprochene Teilungsprinzip von dem Gedanken gelöst „Ich gebe dem jetzt grade 2€ dafür.“, schließlich weiß man ja zum Zeitpunkt des flatterns noch nicht, wieviele Beitrage man bis Ende des Monats noch so wertschätzt, also durch wieviele das Budget am Ende geteilt wird. Wenn es gut läuft könnte Flattr dadurch zum neuen „Gefällt mir“ werden. Sollte es das schaffen, wäre wohl durchaus bewiesen, dass Menschen bereit sind für Inhalte etwas zurück zu geben.

Ein wertvolles Dankeschön

Dabei sollten man auf keinen Fall den Fehler machen, das ganze nur auf Blogs zu begrenzen. Flattr sieht sich als Zahlungsmittel für allerlei Inhalte: Von Videos über Bilder bis zur Musik. Und hier liegt auch die Chance für die Verbreitung: Einfach die Dankbarkeit an die Urheber. Als Fan eines Projektes bin ich gewillt dem Macher irgendetwas zurückzugeben. Mit Flattr ergibt sich nun die Chance, nicht gleich mehrstellige Beträge spenden zu müssen, sondern sein Danke einfach etwas aufzuwerten, im wahrsten Sinne des Wortes zu zeigen: „Hey, was du machst ist mir etwas wert!“. Wobei auch ein aufrichtiges, echtes Danke unglaublich viel Wert sein kann.

7 Invites zu verschenken

Wie oben erwähnt befindet sich Flattr noch in einer closed Beta. Jeder kann sich zur Zeit auf der Homepage mit seiner E-Mail Adresse eintragen und darauf warten einen Code zugesendet zu bekommen. Die Alternative gibt es hier: 7 Codes haben wir zu vergeben. Was ihr dafür tun müsst? Ganz einfach folgende  Nachricht twittern:

„Bringt die Dankbarkeits-Ökonomie?“ fragt @netzfeuilleton und verschenkt 7 Invites. http://bit.ly/dankoeko

Oder einen beliebigen anderen Text mit Link zum Artikel und Mention des Accounts @netzfeuilleton. Wenn Ihr mir dann noch folgt erhalten die ersten sieben den Invite-Code per DM.

Was ist eure Erwartung an Flattr? Kann Flattr sich durchsetzen und ein Erlösmodell für jeden Inhalteanbieter werden? Oder bleibt es eine Illusion, dass Menschen freiwillig für etwas bezahlen?

UPDATE: Inzwischen sind alle 7 Invites vergeben. Vielen Dank an alle Teilnehmer und viel Spaß beim umherflattern. Allen anderen sei empfohlen einfach bei flattr.com ihre eMail-Adresse einzugeben, inzwischen gehen die Einladungen von dort wirklich in Rekordzeit raus. Eine Alternative ist noch auf Twitter einfach mal nach #Flattr zu suchen, dort findet man auch einige Nutzer, die noch Invites rausgeben. Den Post dürft ihr natürlich weiterhin retweeten. ;)

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Featured Gesellschaft

Der Traum von der Unsterblichkeit

Der natürliche Tod nur noch als Relikt vergangener Zeiten? Geht es nach Forschern wie Aubrey de Grey, seinerseits Bioinformatiker der Universität Camebridge, soll dies keine Utopie bleiben. Bereits heute prognostiziert er, dass Menschen, die in 20 Jahren geboren werden bis zu 5000 Jahre alt werden könnten. Und dies sei nur der Anfang auf dem Weg zur Unsterblichkeit. Die Forschung auf jeden Fall boomt. Unter anderem werden Gene besonders alter Menschen, wie auch die einer Quallen-Art, die es vermag ihre Zellen zu regenerieren, akribisch studiert, um diesen Traum zu ermöglichen. Ein Traum der nicht erst seit Highlander in den Köpfen der Menschen sein Unwesen treibt.
Klingt auf den ersten Blick verlockend. Unendlich viel Zeit für all die Dinge, die heute noch auf Grund überfüllter Terminkalender ihr Dasein als Wunschvorstellungen auf ewig fristen müssen.

Der Mensch, in Stein gemeißelt
5000 Jahre alt werden Menschen bislang nur, wenn man sie  in Stein meißelt. Aber das könnte sich ändern. | Foto von
Blue Man unter CC-Lizenz

Hygiene und medizinischer Fortschritt haben die Lebenserwartung des Durchschnittsdeutschen in den letzten 100 Jahren um 30 Jahre steigen lassen. Warum sollte die Genforschung diese Entwicklung also nicht exponentiell ansteigen lassen können. Ähnlich wie in der Computerchipindustrie. Aber was bedeutet das wirklich? Wer würde wohl von einer derartigen Entwicklung profitieren? Die gesamte Menschheit? Kaum anzunehmen, liegt doch die durchschnittliche Lebenserwartung in Simbabwe heute noch circa 40 Jahre unter der in Deutschland. Also würde das ewige Leben wohl ein Privileg einer kleinen Elite, im besten Falle, nachdem der Produktlebenszyklus die Degenerationsphase erreicht hat, einem Großteil der ersten Welt bleiben. Eine überbevölkerte Welt, mit steigender Tendenz, wird nun also zusätzlich besetzt. Der Platz für neues Leben begrenzt. Bitte hinten anstellen, schließlich war das ewige Leben teuer!

Ressourcen erschöpfen sich bereits heute, die Nahrungsmittelproduktion hat auch ihre Grenzen, wenn diese auch durch weitere Genmanipulation variabel werden. Wie nun weiter? Vielleicht weltweit die Ein-Kind-Politik implementieren á la China. Um die Dritte Welt braucht man sich keine Gedanken machen, schließlich geht es ja hier um den natürlichen Tod der überlistet werden soll. Krankheiten, mangelnde medizinische Versorgung und Kriege werden schon für ein neues, weltweites Gleichgewicht sorgen.

Aber selbst wenn alle Menschen, die heute die Erde bevölkern, von derartigem Fortschritt profitieren könnten, würde der natürliche Kreislauf dramatisch gestört. Leben kommt, Leben geht. Wer sind wir Menschen diesem Prinzip des irdischen Daseins einfach entkommen zu wollen. Mit welchem Recht würde ein Leben ewig existieren während ein neues nie eine Chance hätte sich zu entwickeln?

Forschung bedeutet Fortschritt. Fortschritt hat uns aus den Höhlen in die Hochhäuser gebracht die wir heute bewohnen. Mit all den Annehmlichkeiten auf die kaum einer, der sie je genossen hat wieder verzichten möchte. Dogmatische Stagnation ist der falsche Weg, dennoch sollten Motive ständig hinterfragt, Folgen abgeschätzt und moralische Komponenten bestimmter Entscheidungen nicht außer Acht gelassen werden. Vielleicht sollten Ressourcen zunächst in den Versuch gesteckt werden mehr Menschen an unseren aktuellen Lebensstandard heranzuführen als uns mit Meilenstiefeln von diesen zu entfernen. Und somit möchte ich mit einem Zitat von Johannes Gross, seinerseits ehemaliger Chefredakteur der Zeitschrift Capital, abschließen:

„Ich kenne unzählige Menschen, die nach dem ewigen Leben dürsten, aber mit einem verregneten Sonntagnachmittag nichts anzufangen wissen.“

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Featured Gesellschaft Netz &

Die Virtualisierung der Realität

Deutschland, schau’ dir deine Jugend an.
Denn die Jugend von heute ist die Zukunft von morgen.

Ein Vorwort sei mir gegönnt: Dies ist keine Kaya-Yanar-Comedy und es liegt mir fern, mich über den falschen Gebrauch der (schweren) Sprache „Deutsch“ von Ausländern oder deren Kindern lustig zu machen. Die Sprachprobleme werden allerhöchstens als Vergleichsbild herangezogen und sollten differenziert betrachtet werden.

Komische Sprachen, seltsame Schrift, falsche Grammatik, von korrekter Rechtschreibung weit und breit nichts zu sehen und eine eigentümliche Ausdrucksweise.

Als Jugendlicher will man immer etwas anders sein. Rebellieren!
Anders sein und sich selbst erfinden. Nicht umsonst gibt es (sog.) Generationen-Konflikte. In Wandel von Zeit und Sprache ergeben sich dahingehend Unstimmigkeiten.
So können sich viele reifere Personen mit Begriffen wie „krass“, „geil“ oder „cool“ immer noch nicht anfreunden. Doch sind dies Worte, die durch eine Generation und deren Lebenseinstellung entwickelt, getragen und etabliert wurden. Die ältere Generation sieht das gelassen und kann der Zukunft auch risikolos entgegen sehen. Aber ist das Verhalten der heutigen Kinder und Jugendlich immer noch nur anders – oder kann man da von falsch sprechen?

In einer Welt, in der der Leistungsdruck enorm ist und die Firmen am liebsten tadellose-niemals-krank-seiende und emotionslosen Roboter beschäftigen würden, fällt oftmals die Erziehung der Kinder diesen Faktoren zum Opfer.
So arbeiten heutzutage häufig beide Elternteile. Oftmals auch in mehrere kleinere Jobs gleichzeitig, die den Lebensunterhalt sichern.
An sich ist dieser Druck der Gesellschaft schon immens und ein familiäres Leben macht die Situation nicht einfacher.

Dass ein Erwachsener mehrere Stunden am PC verbringt (verbringen muss), das Gerät danach ausmacht und in „seine Welt“ zurückkehrt, ist normal. Seine Erziehung, lernen von Werten und Fähigkeiten, fand noch in einer Welt ohne viele der heutigen technischen Spielereien statt.
Die sozialen Schranken, die es damals noch nicht gab, trennen die Gesellschaftsschichten immer mehr von einander.
Mittel- und Unterschicht nehmen den größten Teil der deutschen Gesellschaft (Arbeiter, Angestellte etc) ein  – doch es profitieren lediglich die Höhergestellten. Dabei geht es weniger um die Kaufkraft, als um die Perspektiven.
Während diese halb- und ganztags Betreuung in Anspruch nehmen können oder durch Hausangestellte in den eigenen Wänden ein soziales Umfeld schaffen.
Manche können dies jedoch nicht. Die Kinder bzw. Heranwachsenden verbringen die Zeit nach der Schule dann am PC und surfen im Internet, Chat und den sozialen Netzwerken.

Eine Auswirkung davon ist abnehmendes Bewusstsein für Sprache und Sprachgebrauch.
Doch bei einem Kind oder Jugendlichen besteht die Gefahr einer sozialen Abstumpfung.
Manche Studien mögen sagen, dass solche Netzwerke/Chats die Kommunikation anregen – aber unter das Wort Kommunikation zählt jeder Wortaustausch.

„Ich war heute Schule, rofl lol mein Lerer is voll der Opfer ey.“
„OMG wie hart altah.“

Man bekommt das unfreiwillig mit. So bleiben solche Gespräche nicht im Internet, sondern breitet sich auf Schulhöfe, öffentliche Plätze und somit in unsere Ohren aus.

Schon vor ein paar Jahren, war es nicht angesagt „deutsch“ zu sein. Deutsche Kinder hatten es schwer. Ein ganzes Land fand sich in einer Identitätskrise. Besonders in der Unter- und Mittelschicht, in denen viele Migrantenfamilien sich wieder finden, wurde die wachsende Anzahl deutscher Mitmenschen geschnitten. So entwickelte sich ein „Ausländer-Deutsch“ (Herablassend auch „Kanacken-Deutsch“ genannt, ein Ausdruck, den ich persönlich unmöglich finde)
Der typische Deutsche war zu sauber, zu glatt, zu korrekt in seiner Form – zu uncool für die Kids.
So passten viele sich den Sprachgewohnheiten von den ausländischen Kumpels an.
Das Problem war und ist, dass viele dieser Kinder Deutsch nicht als Muttersprache hatten und haben. Meist in der ersten und oftmals auch in zweiter Generation, sprechen diese Kinder zu Hause nicht die Landessprache, sondern die Sprache der Eltern und Vorfahren – ausschließlich.
Die daraus resultierenden schlechten schulischen Leistungen sind oftmals die Folge der Fremdsprache Deutsch.

Ein Kreislauf, der jetzt auch die deutsche Generation einholt. Denn im kindlichen Leichtsinn ahmt man gerne (Sprach-)Eigenheiten nach und passt sich seiner Umgebung an. Und doch wurde man immer durch die sozialen Schranken in die selbigen gewiesen.
So ist es bislang so gewesen, dass Heranwachsende z.B. irgendwann mal heimlich an der ersten Zigarette pafften – weil es verboten ist und das Verbotene reizt.
Für viele ist dieser Zug das erste und letzte Mal gewesen. Vielleicht wird mal im Kiosk ein Lutscher geklaut, vielleicht eine Rauferei. Man kann den „Tätern“ aber die Grenzen zeigen, die einem klarmachen sollen, dass das falsch war. Die meisten Kids verstehen das. Schließlich will man ja nicht „böse“ und kriminell sein oder werden. Man wollte nur ein bisschen die Grenzen ausreizen, sie aber nicht überschreiten.
Spätestens in der Pubertät legt man solche kindlichen Eigenheiten ab oder – so hart es klingen mag – halt nicht und lernt die Härte des Gesetzes kennen.

Doch die heutigen Probleme kennen weder soziale noch gesetzliche Grenzen.
Für falsches Deutsch wurde noch niemand verhaftet. Für unfreundliche Ausdrücke und emotionslose Belanglosigkeit, gibt es keine gesetzliche Strafe.

Mit dem Wachstum des Internets und der Virtualisierung aller Charaktereigenschaften (Freude, Leid, Streit etc) stirbt das Bewusstsein für die Realität ab.
Kinder, die nach der Schule nur in einem Forum „posten“ und den Begriff „Freunde“ nur von ihrer MySpace-Liste kennen, sind keine Seltenheit mehr. Keine „Randgruppe“. Zu viele Heranwachsende werden von ihren Eltern sich selbst überlassen. Und aufgefangen werden sie von Facebook, SchülerVZ und Co.

Da viele Eltern diese Probleme aus ihrer Jugend nicht kennen und ihre eigene soziale Ader durch das reale Leben geprägt wurde, sind sie sich vielleicht auch nicht der Situation bewusst.

Doch fragen wir uns was hat es für Auswirkungen auf ein Kind, das Emotionen nur auf dem Bildschirm sieht?
Woher soll jemand sozialen Umgang lernen, wenn man Freundschaften nur aus Foren oder sozialen Netzwerken kennt?
Wie soll ein Bewusstsein für Handeln entstehen, wenn auf eine Aktion keine Reaktion folgt?
Der Gebrauch von Schimpfwörtern, Beleidigungen und Drohungen erfolgt ohne Konsequenz.
Der falsche Gebrauch der Sprache erfolgt ohne Korrektur.

Und wenn diese Heranwachsenden den Computer ausmachen und aus der Tür gehen, projizieren sie ihr virtuelles Leben auf die reale Welt.

Folgen? Das bleibt abzuwarten. Die Vorzeichen für die Zukunft der modernen Welt sind alles andere als rosig.
Denn in der Realität gibt es keine Smilies, Tastaturen und keinen Neustart oder Aus-Knopf.

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Bücher Featured Netz & Satire

Rache ist süß: Blogger klaut Hegemann die Domain

Nachdem vor 2 Wochen bekannt wurde, dass das Literaturwunderkind Helene Hegemann bei einem Blogger abgeschrieben hat, scheint es nun eine Art Racheaktion aus der Blogosphäre zu geben. Gibt man die Adresse www.axolotlroadkill.de in seinen Browser ein, landet man auf dem anonymen Weblog netzfeuilleton.de.

Auf diesem Blog landet man, gibt man axolotlroadkill.de ein.

Dreistes Domaingrabbing? Verletzung von Markenrechten? Ideenklau eines genialen Titels? Der Betreiber des Blogs hat jetzt eine Stellungnahme zu diesen Vorwürfen veröffentlicht. Wir dokumentieren die Stellungnahme exklusiv in voller Länge:

„Das sind diese Domaingrabbervorwürfe – also wie das juristisch ist, weiß ich leider nicht so genau. Sonst finde ich mein Verhalten und meine Arbeitsweise aber total legitim und mache mir keinen Vorwurf, was vielleicht daran liegt, dass ich aus einem Bereich komme, in dem man auch an das Schreiben von einem Blog eher journalismusmäßig drangeht, sich also überall bedient, wo man Quellen findet. Ideen gibt’s sowieso nicht, nur Inspiration. Und mir ist es völlig egal, woher Leute die Elemente ihrer ganzen Verschwörungstheorien nehmen, die Hauptsache ist, wohin sie sie tragen. Von mir selber ist überhaupt nichts, ich selbst bin schon nicht von mir (dieser Satz ist übrigens von Helene Hegemann geklaut) – ich habe das bloggen antrainiert gekriegt vor 2 Jahren und trainiere mir jetzt immer noch Sachen und Versatzstücke an, aber mit einer größeren Stilsicherheit. Das sind Postings und Kommetare und auch einfach bestimmte Trackbacks, die mich prägen und weiterbringen in dem, was ich äußern und vermitteln will, und da beraube ich total schonungslos meine Freunde, Blogger, das ganze Internet und auch mich selbst. Wenn da die komplette Zeit über reininterpretiert wird, dass das, was ich getan habe, eine Stellvertreterracheakt der Blogosphäre für die Plagiate von Frau Hegemann ist, muss auch anerkannt werden, dass ich mich freue, dass diese ganze Diskussion die Blogs auch weiter gebracht hat in diesem Jahr und so. Also ich meine, dass die FAZ jetzt auf der Titelseite des Feuilletons eine Lobhymne auf Blogs singt und ihre Leser auffordert am besten selbst gestern damit angefangen zu haben, dass gabs letztes Jahr noch nicht. Und die Blogs beschäftigen sich ja schon lang mit der Ablösung von diesem ganzen Urheberrechtsexzess durch das Recht zum Kopieren und zur Transformation. Ich selbst habe die Aktion als „Spaß“ bezeichnet, das ist sie auch, aber nur über die Spaß und Satire kommen wir der Wahrheit nahe. Das, was wir machen, ist eine Summierung aus den Dingen, die wir erleben, lesen, mitkriegen und träumen. Es gibt da ziemlich viel, was mit meinen Gedanken korrespondiert und sich in mein Gehirn einschreibt, dadurch aber gleichzeitig auch etwas komplett anderes wird. Ich bin nur Untermieter in meinem eigenen Kopf. Hegemann, von der ich insgesamt 2 Worte, ohne sie groß verändern zu müssen, regelrecht abgeschrieben habe, ist eine junge Schriftstellerin, deren Buch einen Teil der alternativen Lebensweise, auf den Punkt gebracht hat, und mit der ich über das Domaingrabbing auch ein Stück weit versuche, in Kommunikation zu treten. Tay Zonday, Rick Astley, Lolcat, Ukuleleboy und alle meine Freunde aus dem Internet: Ich versuche, deren Fragestellungen weiterzuführen und mir selbst Antworten zu geben. Trotzdem habe ich natürlich einen legitimen Anspruch der Leute nicht berücksichtigt, weil mir die juristische Tragweite nicht bewusst und ich, so leid es mir tut, total gedankenlos und egoistisch war. Und obwohl ich meine Aktion und mein Prinzip voll und ganz verteidige, entschuldige ich mich dafür, nicht von vorneherein alle Menschen entsprechend gewarnt zu haben, deren Gedanken ich hier auf die Schippe nehme.“

Für mehr von netzfeuilleton.de folgt uns bei Twitter und abonniert den RSS-Feed. Titelbild unter CC by bslavinator.

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„In letzter Zeit greif ich lieber zur RZ“ – Was twittern einer Lokalzeitung bringt

Seine Kollegen denken wohl noch immer, dass er einfach zu viel Zeit habe, meint Christian Lindner bei der Vortragsreihe “Das Leben im Netz” an der Uni Mainz. Christian Lindner ist Chefredakteur der Rhein-Zeitung und spricht im Rahmen seines Vortrags über “Das Schweizer Messer Web 2.0 – Die vielfältigen Effekte von Twitter bei der Rhein-Zeitung”. Er ist seit dem 23.01.2009 als @RZChefredakteur auf Twitter unterwegs und zählt damit bis heute zu den wenigen Chefredakteuren, die selbst twittern.
Warum er damit angefangen hat? Twitter ist seiner Meinung nach das optimale Medium für Journalisten. Schließlich sind diese gewohnt sich kurz und prägnant auszudrücken, dadurch ist die Zeichenbeschränkung für ihn kein Problem: “Ein erfahrener Journalist empfindet 140 Zeichen geradezu als komfortabel.” Inzwischen hat seine Rhein-Zeitung über 30 redaktionelle Twitter-Accounts, die insgesamt auf über 12.000 Follower kommen (Man darf von einigen Doppel-Followings ausgehen))

Rhein-Zeitung und Twitter: Der @RZChefredakteur beim Twittern
Der @RZChefredakteur beim Twittern. Foto von Senad Palic, geschossen an einem der Followerabende.

Doch die Follower folgen nicht nur, sondern interagieren mit dem Medium. Christian Lindners Credo lautet nämlich: Persönlich twittern! Automatisierte Nachrichtenfeeds, wie sie bei den meisten Nachrichtenseiten noch State of the Art sind, kommen bei ihm nicht in Frage. Durch diese Ansprechbarkeit der einzelnen Autoren, Ressorts, und Regionalredaktionen ist es auch möglich, dass die Leser eigene Themen und Hinweise weiterleiten.

Lindner zählt auf: Unfälle, Einbrüche oder seltsame Unternehmenspleiten, auf viele Themen haben die die engagierten Follower hingewiesen und irgendwann verliert man den Glauben hier nur geschönte Einzelfälle präsentiert zu bekommen. Mehrere Hinweise am Tag bekäme die Rhein-Zeitung inzwischen, erzählt Lindner, und dabei ginge es keineswegs nur um triviale Geschichten. Auch der ein oder andere Tipp aus großen regionalen Unternehmen und der Hinweis auf ein politisches Skandälchen auf Landesebene soll schon dabei gewesen sein. Whistleblowing via Twitter.
Erstaunlich ist, dass hierbei nicht einmal auf Anonymität Wert gelegt wird, sondern diese Hinweise von personalisierten Accounts kommen.
Die Erklärung findet Lindner leicht: Über Twitter geht der Kontakt schnell und einfach und die Leute haben Vertrauen zur Marke Rhein-Zeitung.

Vor allem Menschen und Themen die man sonst nicht erreicht hätte würde die Rhein-Zeitung jetzt stärker ansprechen. Das Image der sonst als recht verstaubt geltenden Lokalzeitung profitiert. Die Abonnenten der Printzeitung sind im Schnitt 51 Jahre, 46% über 50. Für eine Lokalzeitung normal, aber die Auflage schwindet. Noch seien die Zahlen zwar stabil, aber Lindner glaubt an ein weiteres Abnehmen der Abonnentenzahlen. Eines seiner Instrumente dagegen ist Twitter, hier erreicht die Zeitung jüngere Menschen und ein, der Zeitung sonst eher fernes, Klientel. Von dem bisherigen Erfolg dieses Weges zeugen zwar noch keine Eindeutigen Zahlen, aber einige Tweets:

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Umgekehrt ist der Rhein-Zeitung aber auch daran gelegen den eigenen Lesern Twitter näher zu bringen. So promotet die RZ, die eigenen Twitter-Accounts recht prominent auf der eigenen Seite übersichtlich aufgeteilt nach Region und Ressort. Und um Neu-Twitterern über Startschwierigkeiten hinwegzuhelfen, empfehlen sie auch gleich lesenswerte Twitterer aus der Region und haben das Projekt der „Twitterpaten“ ins Leben gerufen. Die Twitterpaten sollen Neulinge beim Microbloggingdienst ansprechen und etwas an die Hand zu nehmen. Außerdem veranstaltet die Rhein-Zeitung ab-und-zu Followerabend, bei denen einige Follower in die Redaktion eingeladen und herumgeführt werden.

Fassen wir also zusammen, welche Vorteile hat die Rhein-Zeitung von Twitter:

  1. Image-Gewinn gerade bei Jüngeren
  2. Steigerung der Reichweite (bei einer Webevangelisten-Untersuchung landete die RZ noch vor der Tagesschau)
  3. Verstärkung der Blatt – Leserbindung
  4. Kontakt zu den Lesern
  5. Besseres Bild der eigenen Leser
  6. Verfügbarkeit des Wissens vieler, Stichwort Crowdsourcing. So fragt die RZ bei bestimmten Themen immer mal wieder die Follower nach Mithilfe. Zum Beispiel bei der Frage nach besonders kaputten Straßen oder den schönsten Schneebildern.
  1. Ehrliche Kritik und direktes Feedback, sowie Fehlerhinweise.
  1. Hinweise auf lokale Themen, die der Zeitung sonst vielleicht entgangen wären.

Das sind sicher keine neuen Erkenntnisse, und mit etwas gesundem Menschenverstand hätte man darauf auch von selbst kommen können, aber die Rhein-Zeitung tritt eben den Beweis an, dass all die schlauen Tipps der zahlreichen Social-Media Berater ab und zu ein Funken Wahrheit enthalten.

Wie hat die Rhein-Zeitung das geschafft?

Christian Lindner hat dafür eine klare Erklärung: Für ihn mitentscheidend war, dass er eben nicht zur Technikabteilung gegangen ist und gesagt hat:“Macht mal was mit diesem Twitter.“, sondern er als Chef selbst angefangen hat zu twittern und es so in die Redaktion hineingetragen hat. Bei der Rhein-Zeitung twittern alle Redaktionsabteilungen selbst. Auf die Frage, wie denn die alt eingesessenen Redakteure auf die neue Aufgabe im Redaktionsalltag reagiert haben, sagte er, dass man niemanden zum twittern gezwungen habe, man habe Ihnen das Werkzeug an die Hand gegeben und gesagt mach mal und wenn auffiel, dass jemand sich zurück hielt, wurde angesprochen, wo die Probleme liegen. Bei den neu angekommenen Volontären besteht der Chef allerdings auf die Verwendung der Sozialen Dienste. Schließlich nutzen die Meisten Twitter & Facebook privat und können das selbstverstädnlich auch gewinnbringend in die Redaktion einbringen.

Ob diesem Beispiel weitere Zeitungen folgen werden? Lindner glaubt schon, vor allem um zukünftige Leser zu erreichen, über welchen Verbreitungskanal auch immer diese dann die Zeitung konsumieren.

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Das ewige Lied vom Spiel mit dem Tod

Die Überschrift lässt erahnen, das sich nachfolgender Text genauso plump den niederen Trieben anbiedert wie die Produkte die er zum Inhalt hat. Die fürchterlichen Killerspiele nämlich! Natürlich könnte es ebensogut um Bingoabende im Altenheim gehen, um Aktienhandel oder um Grim Fandango. Aber keine Angst, der lockere Einstieg soll keineswegs die Ernsthaftigkeit dieser Glosse in Zweifel ziehen. Denn die nie oder nur oberflächlich und einseitig geführte Diskussion über „exzessive Gewaltdarstellung in interaktiven Unterhaltungsmedien“ muss endlich auch vom Netzfeuilleton informationssfrei abgefertigt werden. Und grade jetzt, da der letzte Amoklauf und das damit einhergehende emotionale Aufheizen der Thematik einige Zeit zurückliegt, kann ich genüsslich und frei von jedem Schuldgefühl meine GARANTIERT recherchefreie Meinung ins Weltgebälk ritzen.

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(v.l.n.r.: Outlaw-1978, GI Joe-1985, Metroid-1986, Splatterhouse-1987)

Zuallererst sei gesagt: ich mag Videospiele, je splattriger, roher, überzogener – desto besser. Besonderst Spiele wie Manhunt, oder „Gewaltpornographie“ wie es Thomas Willman in seiner äusserst lesenswerten Abhandlung so schön formuliert, haben es mir angetan. Ein einziger feuchter Traum für mordlüsternd-sabbernde Sofapsychopathen. Da drängt sich dem angewiderten Feuilletonpublikum natürlich zu Recht die Frage auf: Was bringt einen Erwachsenen, der sich nicht vor seinen pubertierenden Buddies profilieren muss dazu seine Freizeit mit einem derart offen sadistischen Spiel zu füllen? Nun, zunächst mag man sich das interessante Setting, die grösstenteils dichte & beklemmende Atmosphäre oder eine schwere Kindheit als Schutzbehauptung vors Gesicht halten. Aber da macht man es sich etwas zu einfach, wie ich finde. Auch wenn es einem nicht schmeckt sollte man es sich auf der Zunge zergehen lassen, das derartige visuelle Gewaltexzesse das Böse, Gewalttätige in uns mit fiesen kleinen Glückshormonen füttert, die uns unser steriles Leben im todverleugnenden Alltag vorenthält. Wer erlebt denn heutzutage das Sterben noch als einen natürlichen Teil des Lebens? Das geschieht meist in speziellen Einrichtungen: Altersheimen, Krankenhäusern oder „Irgendwo in Afrika“. Aber unter der emotional durchgestylten Fassade des aufgeklärten Zivilisationsmenschen lauert noch immer das Tier. Und auch die schönsten Sublimierungstechniken in Erziehung, Sozialisation und dem BGB helfen nur im Idealfall wirklich nachhaltig.

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(v.l.n.r.: Wolfenstein 3D-1991, Mortal Combat-1992, Doom-1993, Resident Evil-1996)

Selbst das Töten für unsere Ernährung wurde an einige wenige outgesourct und wir können die marinierten, portionierten und abgepackten Überreste ohne Konfrontation mit dem Sterben des Individuums für unseren kleinen Hunger zwischendurch aus der Kühlabteilung nehmen. Kein Wunder das einige, mehrheitlich männliche, Exemplare unserer Art in diese martialischen Scheinwelten flüchten, wo sie als umjubelter Heroe auf dem Schlachtfeld, fernab aller modernen Moralzwänge, Beute jagen und Trophäen sammeln können um die eigene Bedeutungsarmut im urbanen Räderwerks besser zu ertragen. In der telemedial aufbereiteten Realität ist der Tod das grösstmögliche Drama, stets tragisch, immer bis zum Erbrechen emotionalisiert obwohl es doch niemanden betrifft ausser jenen die diese traurige Nachricht auch ohne den bemüht ernst dreinblickenden Anchorman bekommen hätten. „Heute wieder hunderte Tote bei ethnischen Säuberungen im Sudan.“ Pfff, na und? 100 rotz ich bei Dead Rising locker in ein paar Minuten weg! Gamer argumentieren ja gern mal das virtuelle Töten als reine Reflexhandlung aus dem Schussfeld, der Mord als blosse Reaktion auf vorberechnete Problemstellungen im Rahmen mathematischer Präzisionsmechanik. Wie der Schlachter, der Kühe im Akkord um ihre inneren Organe erleichtert, bis das Lebewesen zum blossen Reizauslöser verkommt. Ist das wirlich vergleichbar mit dem Abschlachten animierter Polygonhaufen, selbst wenn sie immer realistischer werden? Ein durchschnittlicher Spieler wie ich hat mittlerweile sicherlich die gesamte Einwohnerzahl einer gutbewohnten Großstadt am Bildschirm liquidiert. Bin ich dadurch jetzt der perfekte Killer, der beim kleinsten optischen Reiz ohne mit dem Mitgefühl zu zucken einen sauberen Headshot abliefert? Immerhin hat es in unserer Geschichte ja der eine odere andere liebende Familienvater auch ohne diese Form des multimedialen Drills zum Mörder, Folterer oder Vergewaltiger geschafft. Allerdings geht es bei der selbsternannten Debatte ohnehin nicht um mich und andere adulte Freaks sondern um Helen Lovejoys Lieblingsargument!

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(v.l.n.r.: Postal-1997, Soldier of Fortune-2000, GTA 3-2001, BloodRayne-2002)

Es ist in der Tat ein kleiner Unterschied ob man mit der virtuellen Gewaltverherrlichung von ihren grobpixeligen Anfängen bis zum bluttriefenden Effektfeuerwerk grossgeworden ist, oder schon als Minderjähriger mitten in die hochauflösende Blutwurstproduktion geworfen wird. Für die Entwicklung eines Kindes ist es wohl kaum förderlich wenn es sich während des seelisch-moralischen Reifungsprozesses vornehmlich mit Mord und Totschlag beschäftigt. Erlebt man auf einschlägigen Foren, wie sich „die Jugend von heute“ damit brüstet die brutalsten Spiele schon vorm Frühstück wegzuschlecken, wird einem reichlich flau im Schambereich. Dennoch, die meisten modernen Helden können oder wollen ganz einfach nicht verstehen, das Videospiele schlicht nicht mehr nur für die lieben Kleinen von heute konzipiert werden sondern auch für die lieben Kleinen von früher, die sich die Lust am Spiel bis in die ausgereifte Seriösität erhalten haben. Sicher wäre es nicht verkehrt, wenn die Kids sich in ihrer Freizeit der freiwilligen Feuerwehr, dem Fussballverein oder anderen, pädagogisch wertvolleren Aktivitäten widmen würden, statt nur noch stundslang vorm Bildschirm zu hocken. Aber erstens wird das ausser in Extremfällen in der Praxis durchaus nebeneinander praktiziert, und zweitens kann man mit einem Killerspielverbot leider keine Eltern dazu zwingen sich besser um ihre Kinder zu kümmern. Staatlicher Jugendschutz, ja bitte! Aber wo eine Behörde beginnt für die Einstufung „ab 18“ Auflagen zu machen fängt die Zensur halt an. Muss der Alkoholgehalt von Whisky in Zukunft dem von Bier angepasst werden, oder wie soll ich das verstehen? Gut, Vater Staat begluckt halt auch das flügge gewordene Volk gern ein wenig fürsorglicher als es manchen lieb ist, passt auf das wir Hakenkreuze nur in Geschichtsbüchern oder geschmackvollen Propagandaschinken sehen müssen und sorgt sich um unsere seelische Gesundheit wenn wir uns zuviel visuelle Gewalt reinhämmern. Es tut mir ja leid, aber mein Gewaltkonsum ist nunmal kein Schrei nach Liebe und erst recht kein Grund für eine Entmündigung, Mutti. Für mich macht es nunmal keinen Unterschied ob ich als roter Klempner Goombas und Schildkröten zermatsche oder mit einer Kettensäge Zombiehirne. In Videospielen gibt es nunmal keine Zivilisten, keine traumatisierten Familien, kein Leid und kein Schmerz. Wenn ich in GTA reihenweise Passanten abknalle weil die verfickte Mission auch beim 10. Mal fehlgeschlagen ist, dann werden die selben Charaktermodelle eine Ecke weiter wieder frisch und munter ihre Scripts abarbeiten, genau wie mein Alter Ego wenn es auf den letzten Metern zum Hotdog-Stand von einem Taxi überrollt wird. Zumindest dort funktioniert diese Idee mit der Auferstehung einwandfrei, was auch daran liegen mag das es nun einmal nicht real ist.

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(v.l.n.r.: Manhunt-2003, The Suffering-2004, The Punisher-2005, Modern Warfare 2-2009)

Sicherlich, die überwiegende Mehrheit aller Spiele bieten fesselnde Unterhaltung mit spannenden Geschichten und spassigem Gameplay ohne im Sekundentakt die Texturen rot zu tapezieren. Aber als komplexes Wesen wird es mir ja wohl erlaubt sein, „das weisse Band“ & „Bad Taste“ als gute Unterhaltung zu empfinden und Bach in einer Playlist mit Terrormasta zu haben ohne gleich zum Meisendoktor zu müssen, oder? Und ob ein gewalttätiger Irrer sich nun an Killerspielen, der Bibel, dem Koran, Black Metal oder dem Fänger im Roggen aufgeilt, kann doch wohl kaum ein seriöser Ansatz für die Prävention solcher Wahnsinnstaten sein. Bisher jedenfalls hat weder eine ernstzunehmende Studie noch meine persönliche Erfahrung Belege für die Vermutung geliefert das psychisch stabile Menschen durch visuelle Gewalt verrohen. Vieleicht sollten einige hartnäckige Verbotsfanatiker ihrem heiligen Krieg für die familienfreundliche Medienwelt eine kurze Pause gönnen und ihre Gemüter mit diesem netten Spielchen ein wenig abkühlen. Aber bitte nicht im Real-Life nachahmen, auch wenns sicher schwer fällt! Nun, was bleibt am Ende eines derart ausufernden Schwalls noch anzumerken? Vieleicht das trotz aller Rechtfertigungsversuche und der schamlosen Schönfärberei die meisten Gamer doch nur total abgestumpfte Psychokiller sind die nur darauf warten bei Herrn Beckstein zuhause mit dreckigen Schuhen Amok über den guten Teppich zu laufen! Oder eben auch nicht.

Monkey see, Monkey kill!

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Titten, Forellen und Trophäen

OptimusPrime, unser bisheriger vorallem Buchkritiker, hat Fernsehen geschaut und viel Sex gesehen:

Aufmerksame Leser meines Blogs dürften bei der Themenwahl längst eine eindeutige Tendenz ausgemacht haben. Vermehrt drehte es sich zwar noch um Zwischengeschlechtes, doch meist ebenso sehr um Medienkritik, insbesondere Fernsehkritik. Mein Gespräch mit Ben und Pasu von Mellowvibes, die für den „Deutschlands Vergessene Kinder“-Sampler verantwortlich sind, hat mich allerdings noch einmal darin bestärkt, dass Medien eine unfassbar große Rolle haben. Nicht umsonst rappte Prinz Pi einst „Sex and the City erzieht euch zu Huren“, denn:

Laut einer neuen US-Studie sind Teenager-Schwangerschaften doppelt so wahrscheinlich, wenn Jugendliche im Fernsehen häufig Programme mit sexuellen Inhalten sehen.       (Quelle)

Es ist inzwischen über 2 Jahre her, dass ich einen Beitrag darüber geschrieben habe, was für eine schlechte Entwicklung die immer noch als „Wissenssendung“ beworbene Pro7-Produktion Galileo zu verzeichnen hat. Schon damals kam eine solche Sendung nicht mehr an  der Bestätigung der „Sex sells“-These vorbei und musste sich somit  unbedingt dem Geschmack von Sperma widmen. Besser wurde es auch nicht mit dem darauf folgenden Boom von Reality-Serien, die nicht selten vorgaben, das typische Deutschland zu zeigen. Schön, dass unser Land scheinbar nur aus Prostituierten, Problemkindern und Hartz-Vier-Empfängern besteht. Und während Galileo ständig irgendwelche Saunas und Sport-BHs natürlich immer mit rein wissenschaftlichem Blick getestet hat, bot das Realityshow-Format genügend Freiraum, um einfach zu sagen: Ja ok, hier habt ihr jetzt einfach mal Titten. Beispiel gefällig?

  • „Kleine Brüste, schlechte Mutter“ (16.10.2008)
  • „Busen oder Baustelle“ (20.10.2008)
  • „Neuer Busen, neues Glück“ (24.10.2008)
  • „Meine Schrumpfbrust ruiniert meine Ehe“ (27.10.2008)
  • „Ich arbeite im Bordell für größere Brüste“ (26.11.2008)
  • „Bauch weg, Busen weg, Job her“ (26.11.2008)
  • „Ich bin hässlich und lass mich rundum operieren“ (1.12.2008)
  • „Punk, Piercing und Brust-OP“ (4.12.2008)
    (Quelle)

Und seit 2008 hat sich da nicht viel getan. Zugegeben, Galileo ist auf die Themen „Essen“ und „Wasserrutschen“ umgestiegen, aber ansonsten ist ein Niveau-Anstieg weiterhin kaum zu erkennen. Um Juli dieses Jahres hielt es beispielsweise RTL für notwendig, die erste Intim-Operatorion im Fernsehen übertragen zu müssen. „Der Schnitt im Schritt“, wie web.de so schön titelte. Und weil solche Formate schön viel Quote bringen und durch immer weitere Tabubrüche die Extreme weiter verschoben werden, ist es für öffentlich-rechtliche Sender umso einfacher, auch am Geschäft mit der Ausstrahlung von sexuellen Inhalten teilhaben zu können, indem sie sich in dem mittlerweile breit gefächerten Mittelfeld platzieren. Da kann das ZDF dann unter dem Titel „Sommernachtsfantasien“ inzwischen ganz einfach tendenziell schlüpfrige Inhalte ins Programm schmuggeln, schließlich bleibt einem immer noch die „Guckt doch mal, was RTL macht, und ihr regt euch über Sommernachtsfantasien auf“-Karte.

Kürzlich hat Pro7 dann auch schon totgeglaubte D-Promis reanimiert, um abermals die vollkommen nutzlose und bildungsfreie Sendung „All about Sex – Promis klären auf“ ein weiteres Mal ins Programm zu holen. Untertitel übrigens: „Basiswissen für Sie und Ihn“. Ich habe zwangweise an diesem Fernseherlebnis teilhaben dürfen, als ich – zu meiner Entschuldigung – auf TV Total gewartet habe. Aber diese 10 Minuten haben auch schon vollkommen gereicht. Dass Lorielle London, ehemals Lorenzo, mit der Abkürzung „GV“ nichts anfangen kann – okay. Dass eine mir unbekannte Person etwas von verhakten Piercings von Zunge und Penis erzählt – naaaa gut. Dass der Kommentator dann bei dem Wort „Penis“ ganz empört tut, Warnblinkanlagen erscheinen und die Dame nur in einem ironisch inszenierten Sicherheitstrakt weiter erzählen darf – schon nahezu ein Witz. Zeigt uns aber auch dass Pro7 irgendwie schon weiß, dass das nicht ganz in Ordnung ist, was sie da veranstalten. Die Krönung kommt aber erst durch Ruth Moschners Auftritt beim Thema „Sexpannen“. Ruth Moschner, übrigens keineswegs begleitet von Signalsirenen, erzählt über das Problem, als Frau mit einer tiefgekühlten Forelle zu masturbieren, weil diese dann mit der Zeit beim Selbstbefriedigungsakt tauen würde und dann die Schuppen zu Widerhaken werden. Schön, dass wir das um viertel vor 12 geklärt haben, Frau Moschner. Das gehört nichtmal nachts um 3 ins Fernsehen.

Doch damit nicht genug. Pro7 hatte auch schon den nächsten Streich für Januar geplant. „50 pro Semester“ heißt die Sendung, in der zwei Studenten mit dem Ziel gegeneinander antreten, möglichst schnell mit 50 verschiedenen Frauen zu schlafen. Ein weiterer Tiefpunkt der Niveaulosigkeit. Umgehend wurden Proteste laut.

Bayerns Familienministerin Christine Haderthauer (CSU) sagte der Zeitung „Passauer Neue Presse“: „Es ist eine verheerende Botschaft an alle Zuschauer, wenn Frauen und Männer in einer Art moderner Kopfgeldjagd zu Sexobjekten degradiert werden.“     (Quelle)

Die Ankündigung des Formates zog eine der schnellsten Sendetermin-Verschiebungen der Geschichte nach sich. Dennoch: Die Ausstrahlung wurde bisher nur verschoben, keineswegs gestrichen. Und selbst wenn sie gestrichen wird, wird der nächste Tabubruch sicher nicht lange auf sich warten lassen. Ich glaube nicht daran, aber hoffen wir, dass sich die Jungs vom Fernsehen für 2010 ein paar gute Vorsätze gemacht haben.

Dieses Posting erschien ursprünglich im OptimusPrimeTime-Blog auf hiphop.de. Foto: CC Slorp