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Das ewige Lied vom Spiel mit dem Tod

Die Überschrift lässt erahnen, das sich nachfolgender Text genauso plump den niederen Trieben anbiedert wie die Produkte die er zum Inhalt hat. Die fürchterlichen Killerspiele nämlich! Natürlich könnte es ebensogut um Bingoabende im Altenheim gehen, um Aktienhandel oder um Grim Fandango. Aber keine Angst, der lockere Einstieg soll keineswegs die Ernsthaftigkeit dieser Glosse in Zweifel ziehen. Denn die nie oder nur oberflächlich und einseitig geführte Diskussion über „exzessive Gewaltdarstellung in interaktiven Unterhaltungsmedien“ muss endlich auch vom Netzfeuilleton informationssfrei abgefertigt werden. Und grade jetzt, da der letzte Amoklauf und das damit einhergehende emotionale Aufheizen der Thematik einige Zeit zurückliegt, kann ich genüsslich und frei von jedem Schuldgefühl meine GARANTIERT recherchefreie Meinung ins Weltgebälk ritzen.

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(v.l.n.r.: Outlaw-1978, GI Joe-1985, Metroid-1986, Splatterhouse-1987)

Zuallererst sei gesagt: ich mag Videospiele, je splattriger, roher, überzogener – desto besser. Besonderst Spiele wie Manhunt, oder „Gewaltpornographie“ wie es Thomas Willman in seiner äusserst lesenswerten Abhandlung so schön formuliert, haben es mir angetan. Ein einziger feuchter Traum für mordlüsternd-sabbernde Sofapsychopathen. Da drängt sich dem angewiderten Feuilletonpublikum natürlich zu Recht die Frage auf: Was bringt einen Erwachsenen, der sich nicht vor seinen pubertierenden Buddies profilieren muss dazu seine Freizeit mit einem derart offen sadistischen Spiel zu füllen? Nun, zunächst mag man sich das interessante Setting, die grösstenteils dichte & beklemmende Atmosphäre oder eine schwere Kindheit als Schutzbehauptung vors Gesicht halten. Aber da macht man es sich etwas zu einfach, wie ich finde. Auch wenn es einem nicht schmeckt sollte man es sich auf der Zunge zergehen lassen, das derartige visuelle Gewaltexzesse das Böse, Gewalttätige in uns mit fiesen kleinen Glückshormonen füttert, die uns unser steriles Leben im todverleugnenden Alltag vorenthält. Wer erlebt denn heutzutage das Sterben noch als einen natürlichen Teil des Lebens? Das geschieht meist in speziellen Einrichtungen: Altersheimen, Krankenhäusern oder „Irgendwo in Afrika“. Aber unter der emotional durchgestylten Fassade des aufgeklärten Zivilisationsmenschen lauert noch immer das Tier. Und auch die schönsten Sublimierungstechniken in Erziehung, Sozialisation und dem BGB helfen nur im Idealfall wirklich nachhaltig.

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(v.l.n.r.: Wolfenstein 3D-1991, Mortal Combat-1992, Doom-1993, Resident Evil-1996)

Selbst das Töten für unsere Ernährung wurde an einige wenige outgesourct und wir können die marinierten, portionierten und abgepackten Überreste ohne Konfrontation mit dem Sterben des Individuums für unseren kleinen Hunger zwischendurch aus der Kühlabteilung nehmen. Kein Wunder das einige, mehrheitlich männliche, Exemplare unserer Art in diese martialischen Scheinwelten flüchten, wo sie als umjubelter Heroe auf dem Schlachtfeld, fernab aller modernen Moralzwänge, Beute jagen und Trophäen sammeln können um die eigene Bedeutungsarmut im urbanen Räderwerks besser zu ertragen. In der telemedial aufbereiteten Realität ist der Tod das grösstmögliche Drama, stets tragisch, immer bis zum Erbrechen emotionalisiert obwohl es doch niemanden betrifft ausser jenen die diese traurige Nachricht auch ohne den bemüht ernst dreinblickenden Anchorman bekommen hätten. „Heute wieder hunderte Tote bei ethnischen Säuberungen im Sudan.“ Pfff, na und? 100 rotz ich bei Dead Rising locker in ein paar Minuten weg! Gamer argumentieren ja gern mal das virtuelle Töten als reine Reflexhandlung aus dem Schussfeld, der Mord als blosse Reaktion auf vorberechnete Problemstellungen im Rahmen mathematischer Präzisionsmechanik. Wie der Schlachter, der Kühe im Akkord um ihre inneren Organe erleichtert, bis das Lebewesen zum blossen Reizauslöser verkommt. Ist das wirlich vergleichbar mit dem Abschlachten animierter Polygonhaufen, selbst wenn sie immer realistischer werden? Ein durchschnittlicher Spieler wie ich hat mittlerweile sicherlich die gesamte Einwohnerzahl einer gutbewohnten Großstadt am Bildschirm liquidiert. Bin ich dadurch jetzt der perfekte Killer, der beim kleinsten optischen Reiz ohne mit dem Mitgefühl zu zucken einen sauberen Headshot abliefert? Immerhin hat es in unserer Geschichte ja der eine odere andere liebende Familienvater auch ohne diese Form des multimedialen Drills zum Mörder, Folterer oder Vergewaltiger geschafft. Allerdings geht es bei der selbsternannten Debatte ohnehin nicht um mich und andere adulte Freaks sondern um Helen Lovejoys Lieblingsargument!

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(v.l.n.r.: Postal-1997, Soldier of Fortune-2000, GTA 3-2001, BloodRayne-2002)

Es ist in der Tat ein kleiner Unterschied ob man mit der virtuellen Gewaltverherrlichung von ihren grobpixeligen Anfängen bis zum bluttriefenden Effektfeuerwerk grossgeworden ist, oder schon als Minderjähriger mitten in die hochauflösende Blutwurstproduktion geworfen wird. Für die Entwicklung eines Kindes ist es wohl kaum förderlich wenn es sich während des seelisch-moralischen Reifungsprozesses vornehmlich mit Mord und Totschlag beschäftigt. Erlebt man auf einschlägigen Foren, wie sich „die Jugend von heute“ damit brüstet die brutalsten Spiele schon vorm Frühstück wegzuschlecken, wird einem reichlich flau im Schambereich. Dennoch, die meisten modernen Helden können oder wollen ganz einfach nicht verstehen, das Videospiele schlicht nicht mehr nur für die lieben Kleinen von heute konzipiert werden sondern auch für die lieben Kleinen von früher, die sich die Lust am Spiel bis in die ausgereifte Seriösität erhalten haben. Sicher wäre es nicht verkehrt, wenn die Kids sich in ihrer Freizeit der freiwilligen Feuerwehr, dem Fussballverein oder anderen, pädagogisch wertvolleren Aktivitäten widmen würden, statt nur noch stundslang vorm Bildschirm zu hocken. Aber erstens wird das ausser in Extremfällen in der Praxis durchaus nebeneinander praktiziert, und zweitens kann man mit einem Killerspielverbot leider keine Eltern dazu zwingen sich besser um ihre Kinder zu kümmern. Staatlicher Jugendschutz, ja bitte! Aber wo eine Behörde beginnt für die Einstufung „ab 18“ Auflagen zu machen fängt die Zensur halt an. Muss der Alkoholgehalt von Whisky in Zukunft dem von Bier angepasst werden, oder wie soll ich das verstehen? Gut, Vater Staat begluckt halt auch das flügge gewordene Volk gern ein wenig fürsorglicher als es manchen lieb ist, passt auf das wir Hakenkreuze nur in Geschichtsbüchern oder geschmackvollen Propagandaschinken sehen müssen und sorgt sich um unsere seelische Gesundheit wenn wir uns zuviel visuelle Gewalt reinhämmern. Es tut mir ja leid, aber mein Gewaltkonsum ist nunmal kein Schrei nach Liebe und erst recht kein Grund für eine Entmündigung, Mutti. Für mich macht es nunmal keinen Unterschied ob ich als roter Klempner Goombas und Schildkröten zermatsche oder mit einer Kettensäge Zombiehirne. In Videospielen gibt es nunmal keine Zivilisten, keine traumatisierten Familien, kein Leid und kein Schmerz. Wenn ich in GTA reihenweise Passanten abknalle weil die verfickte Mission auch beim 10. Mal fehlgeschlagen ist, dann werden die selben Charaktermodelle eine Ecke weiter wieder frisch und munter ihre Scripts abarbeiten, genau wie mein Alter Ego wenn es auf den letzten Metern zum Hotdog-Stand von einem Taxi überrollt wird. Zumindest dort funktioniert diese Idee mit der Auferstehung einwandfrei, was auch daran liegen mag das es nun einmal nicht real ist.

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(v.l.n.r.: Manhunt-2003, The Suffering-2004, The Punisher-2005, Modern Warfare 2-2009)

Sicherlich, die überwiegende Mehrheit aller Spiele bieten fesselnde Unterhaltung mit spannenden Geschichten und spassigem Gameplay ohne im Sekundentakt die Texturen rot zu tapezieren. Aber als komplexes Wesen wird es mir ja wohl erlaubt sein, „das weisse Band“ & „Bad Taste“ als gute Unterhaltung zu empfinden und Bach in einer Playlist mit Terrormasta zu haben ohne gleich zum Meisendoktor zu müssen, oder? Und ob ein gewalttätiger Irrer sich nun an Killerspielen, der Bibel, dem Koran, Black Metal oder dem Fänger im Roggen aufgeilt, kann doch wohl kaum ein seriöser Ansatz für die Prävention solcher Wahnsinnstaten sein. Bisher jedenfalls hat weder eine ernstzunehmende Studie noch meine persönliche Erfahrung Belege für die Vermutung geliefert das psychisch stabile Menschen durch visuelle Gewalt verrohen. Vieleicht sollten einige hartnäckige Verbotsfanatiker ihrem heiligen Krieg für die familienfreundliche Medienwelt eine kurze Pause gönnen und ihre Gemüter mit diesem netten Spielchen ein wenig abkühlen. Aber bitte nicht im Real-Life nachahmen, auch wenns sicher schwer fällt! Nun, was bleibt am Ende eines derart ausufernden Schwalls noch anzumerken? Vieleicht das trotz aller Rechtfertigungsversuche und der schamlosen Schönfärberei die meisten Gamer doch nur total abgestumpfte Psychokiller sind die nur darauf warten bei Herrn Beckstein zuhause mit dreckigen Schuhen Amok über den guten Teppich zu laufen! Oder eben auch nicht.

Monkey see, Monkey kill!