Kategorien
Featured Flimmern & Sehen Gesellschaft

Titten, Forellen und Trophäen

OptimusPrime, unser bisheriger vorallem Buchkritiker, hat Fernsehen geschaut und viel Sex gesehen:

Aufmerksame Leser meines Blogs dürften bei der Themenwahl längst eine eindeutige Tendenz ausgemacht haben. Vermehrt drehte es sich zwar noch um Zwischengeschlechtes, doch meist ebenso sehr um Medienkritik, insbesondere Fernsehkritik. Mein Gespräch mit Ben und Pasu von Mellowvibes, die für den „Deutschlands Vergessene Kinder“-Sampler verantwortlich sind, hat mich allerdings noch einmal darin bestärkt, dass Medien eine unfassbar große Rolle haben. Nicht umsonst rappte Prinz Pi einst „Sex and the City erzieht euch zu Huren“, denn:

Laut einer neuen US-Studie sind Teenager-Schwangerschaften doppelt so wahrscheinlich, wenn Jugendliche im Fernsehen häufig Programme mit sexuellen Inhalten sehen.       (Quelle)

Es ist inzwischen über 2 Jahre her, dass ich einen Beitrag darüber geschrieben habe, was für eine schlechte Entwicklung die immer noch als „Wissenssendung“ beworbene Pro7-Produktion Galileo zu verzeichnen hat. Schon damals kam eine solche Sendung nicht mehr an  der Bestätigung der „Sex sells“-These vorbei und musste sich somit  unbedingt dem Geschmack von Sperma widmen. Besser wurde es auch nicht mit dem darauf folgenden Boom von Reality-Serien, die nicht selten vorgaben, das typische Deutschland zu zeigen. Schön, dass unser Land scheinbar nur aus Prostituierten, Problemkindern und Hartz-Vier-Empfängern besteht. Und während Galileo ständig irgendwelche Saunas und Sport-BHs natürlich immer mit rein wissenschaftlichem Blick getestet hat, bot das Realityshow-Format genügend Freiraum, um einfach zu sagen: Ja ok, hier habt ihr jetzt einfach mal Titten. Beispiel gefällig?

  • „Kleine Brüste, schlechte Mutter“ (16.10.2008)
  • „Busen oder Baustelle“ (20.10.2008)
  • „Neuer Busen, neues Glück“ (24.10.2008)
  • „Meine Schrumpfbrust ruiniert meine Ehe“ (27.10.2008)
  • „Ich arbeite im Bordell für größere Brüste“ (26.11.2008)
  • „Bauch weg, Busen weg, Job her“ (26.11.2008)
  • „Ich bin hässlich und lass mich rundum operieren“ (1.12.2008)
  • „Punk, Piercing und Brust-OP“ (4.12.2008)
    (Quelle)

Und seit 2008 hat sich da nicht viel getan. Zugegeben, Galileo ist auf die Themen „Essen“ und „Wasserrutschen“ umgestiegen, aber ansonsten ist ein Niveau-Anstieg weiterhin kaum zu erkennen. Um Juli dieses Jahres hielt es beispielsweise RTL für notwendig, die erste Intim-Operatorion im Fernsehen übertragen zu müssen. „Der Schnitt im Schritt“, wie web.de so schön titelte. Und weil solche Formate schön viel Quote bringen und durch immer weitere Tabubrüche die Extreme weiter verschoben werden, ist es für öffentlich-rechtliche Sender umso einfacher, auch am Geschäft mit der Ausstrahlung von sexuellen Inhalten teilhaben zu können, indem sie sich in dem mittlerweile breit gefächerten Mittelfeld platzieren. Da kann das ZDF dann unter dem Titel „Sommernachtsfantasien“ inzwischen ganz einfach tendenziell schlüpfrige Inhalte ins Programm schmuggeln, schließlich bleibt einem immer noch die „Guckt doch mal, was RTL macht, und ihr regt euch über Sommernachtsfantasien auf“-Karte.

Kürzlich hat Pro7 dann auch schon totgeglaubte D-Promis reanimiert, um abermals die vollkommen nutzlose und bildungsfreie Sendung „All about Sex – Promis klären auf“ ein weiteres Mal ins Programm zu holen. Untertitel übrigens: „Basiswissen für Sie und Ihn“. Ich habe zwangweise an diesem Fernseherlebnis teilhaben dürfen, als ich – zu meiner Entschuldigung – auf TV Total gewartet habe. Aber diese 10 Minuten haben auch schon vollkommen gereicht. Dass Lorielle London, ehemals Lorenzo, mit der Abkürzung „GV“ nichts anfangen kann – okay. Dass eine mir unbekannte Person etwas von verhakten Piercings von Zunge und Penis erzählt – naaaa gut. Dass der Kommentator dann bei dem Wort „Penis“ ganz empört tut, Warnblinkanlagen erscheinen und die Dame nur in einem ironisch inszenierten Sicherheitstrakt weiter erzählen darf – schon nahezu ein Witz. Zeigt uns aber auch dass Pro7 irgendwie schon weiß, dass das nicht ganz in Ordnung ist, was sie da veranstalten. Die Krönung kommt aber erst durch Ruth Moschners Auftritt beim Thema „Sexpannen“. Ruth Moschner, übrigens keineswegs begleitet von Signalsirenen, erzählt über das Problem, als Frau mit einer tiefgekühlten Forelle zu masturbieren, weil diese dann mit der Zeit beim Selbstbefriedigungsakt tauen würde und dann die Schuppen zu Widerhaken werden. Schön, dass wir das um viertel vor 12 geklärt haben, Frau Moschner. Das gehört nichtmal nachts um 3 ins Fernsehen.

Doch damit nicht genug. Pro7 hatte auch schon den nächsten Streich für Januar geplant. „50 pro Semester“ heißt die Sendung, in der zwei Studenten mit dem Ziel gegeneinander antreten, möglichst schnell mit 50 verschiedenen Frauen zu schlafen. Ein weiterer Tiefpunkt der Niveaulosigkeit. Umgehend wurden Proteste laut.

Bayerns Familienministerin Christine Haderthauer (CSU) sagte der Zeitung „Passauer Neue Presse“: „Es ist eine verheerende Botschaft an alle Zuschauer, wenn Frauen und Männer in einer Art moderner Kopfgeldjagd zu Sexobjekten degradiert werden.“     (Quelle)

Die Ankündigung des Formates zog eine der schnellsten Sendetermin-Verschiebungen der Geschichte nach sich. Dennoch: Die Ausstrahlung wurde bisher nur verschoben, keineswegs gestrichen. Und selbst wenn sie gestrichen wird, wird der nächste Tabubruch sicher nicht lange auf sich warten lassen. Ich glaube nicht daran, aber hoffen wir, dass sich die Jungs vom Fernsehen für 2010 ein paar gute Vorsätze gemacht haben.

Dieses Posting erschien ursprünglich im OptimusPrimeTime-Blog auf hiphop.de. Foto: CC Slorp