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The real Slim Shady?

Gestern Abend konnte sich Stefan Raab wieder über internationalen Besuch höchster Berühmtheit freuen. Nachdem bereits am Vortag mit Green Day für viel Furore gesorgt wurde, sollte Eminem diese TvTotal-Woche noch an die Spitze treiben. Doch nicht nur die Einschaltquoten sollten enttäuschen, auch der Auftritt des früheren Großmauls Amerikas zeichnete ein trauriges Bild.

Es ist etwas mehr als vier Jahre her, als Eminem zum wiederholten Mal bei TvTotal eingeladen war. Vorwiegend drehte sich die Unterhaltung um Freificks und Muschis. Das Gesäß der weißen Rapikone durfte auch damals wieder von ganz Deutschland bewundert werden und dabei wirkte nichts inszeniert, sondern so wie die Musik des Gastes: Ungehobelt, direkt und komisch. Während sich Raab auf einen weitere Show dieser Art freute und bereits im anfänglichen Standup über einen Hattrick der Entblößung spekulierte, war Slim Shady nicht wirklich für die alten Späße zu haben. Stattdessen wirkte er müde, völlig von der Rolle und blickte apathisch auf den Studioboden.

Der Beginn wirkte noch vielversprechend – Eminem trug einen Mundschutz als scheinbaren Witz auf die Schweinegrippe. Ähnlich parodierte Raab die neue Hypekrankheit eine Woche zuvor ebenfalls. Doch nach zwei gespielten Niesern wurde auch schon die bewährte Zensurfreiheit im deutschen Fernsehen gelobt, sodass es auf das Vokabular des Gastes hinauslief. Raab versuchte also seinen üblichen Humor zu verdeutlichen und die Legende des Sprechgesangs spielte das Programm leidig mit. Dabei wirkt er wie ein unmotivierter Schüler, der halbherzige Worte wiederholt, um den Lehrer nicht zu einer persönlichen Mitteilung für die Eltern zu zwingen. Ein ausufernder „Franjo Pooth“-Ruf war zunächst ganz witzig, schien aber nicht lustig genug zu sein, sodass schnell zum nächsten Thema übergegangen wurde: Die deutsche Rapszene und die interessierte den amerikanische Superstar nicht wirklich. So quasselte sich Raab über Buschido und Sido den Mund fusselig, wohlmöglich eine Antwort erwartend und versuchte dann die ganze Eskapade mit einem Silbereisen-Witz zu retten. Die Menge lachte, Eminem quälte sich mit einem kurzen Kommentar, so richtig eins draufzusetzen, wollte ihm aber nicht gelingen. Vielleicht wollte er aber auch einfach nicht.

Dabei bot er noch eine Chance an und stellte sich als Angriffsfläche auf, als er sexuelle Selbstbefriedigung für seine vierjährige Abstinenz verantwortlich machte. Doch Raab wollte nicht so wirklich darin einsteigen und interessierte sich lieber für die Drogenprobleme seines Gastes. Der nahm es sarkastisch und versuchte sich in einer Bodybuilderpose zum Beweis seiner Gesundheit, bevor er wohl seine ehrlichste Aussage an diesem Abend traf. „What the fuck am I doing?“, wunderte er sich. Diese aufgedeckte Fassade schien das Publikum nicht wahrzunehmen und auch der letzte fragewürdige Punkt dieses Abends wurde mit großem Applaus begleitet, obwohl auch hier die deutlichste Unlust zu spüren war: Raab überredete Eminem zu einer improvisierten Rapeinlage mit Chachacha-Musik. Ein Versuch diesen Vorschlag zu umgehen, konnte Raab nicht überzeugen. Vielleicht ist das einstige Ausnahmetalent einfach kein Spielverderber, aber diese spontane Aktion schien ihm garnicht zu gefallen. Das wurde auch in seinen kurzen Phrasen deutlich, die der Talkmaster und wohl auch ein großer Teil der Menge nicht ganz verstanden hatten. „I have no idea what I’m doing“ sprach der böse Junge Amerikas da zur flötenden Hawaii-Musik und sein Mittel zur Botschaftsübermittlung schien hier von niemandem wirklich angenommen zu werden. Fast schon tragikomisch wie das Gefühlsventil unweigerlich gestopft zu sein schien.

Entweder Raab ist blind oder er konnte seine Enttäuschung mit diesem prüden Lächeln der Begeisterung fast schon überwinden, denn das was er sich vorgestellt haben muss, ist hier sicherlich nicht eingetreten. Oft heißt es über den deutschen Talkshowhost, dass er langweilig geworden sei. Im Vergleich zu Eminem war er dieses Mal aber ein aufgeweckter Welpe inmitten einer Einschläferung. Denn sein Gast war nicht zufrieden in der Rolle, die er früher wie kein zweiter beherrschen konnte. Sein neues Album trägt den Titel „Relapse“ – ein ironischer Name, wenn man die Medikamentensucht des Rappers verfolgt hat. Seit einigen Jahren war der „Whiteboy“ Schlaftabletten-süchtig und zog sich aus dem Medienrummel zurück. Sein Album „Encore“ zeigte hier die deutliche Billanz einer Person, die mit der Musikbranche nicht mehr viel am Hut hatte. Statt Beef gab es wehmütige Lieder für seine Tochter und abschiedsreife Popdramatik. Mit seinem neuen Album könnte eventuell wieder die alte Form erlangt werden – bisher sieht es aber nicht wirklich dannach aus. Die erste Single „We made you“ ist witzig, kann aber „Just lose it“, „The real slim Shady“ oder „Without me“ nicht annähernd das Wasser reichen. Im Video sieht er zerbrechlich aus, in lethargischer Manier schaut er tiefernst in die Kamera, während Drahtzieher Dr. Dre für den letzten Funken der Marke „Slim Shady“ zu posieren scheint. Der gestrige Liveauftritt kann auch nicht zu den guten gezählt werden. Es ist seltsam, dieses kreative Großmaul, das zurecht als brilliant gelobt wurde, so ausbrennen zu sehen.

Wer sich die Sendung noch einmal anschauen möchte, kann dies hier tun.