Kategorien
Netz & Politik

Das ist Merkels BND-Affäre

Seit bald zwei Jahren werden wir von unserer Bundesregierung vorgeführt. Manch einer mag behaupten, das geht schon wesentlich länger, aber lassen wir die Polemik einen kleinen Moment zur Seite.

Seit dem Beginn der Snowden Enthüllungen wird uns eine lückenlose Aufklärung versprochen, dessen was die Geheimdienste in unserem Land treiben. Seither wird uns vorgegaukelt, es kümmere irgendjemanden, was mit unseren Grundrechten und unserer Privatsphäre geschieht. Seit Beginn der Spionage-Affäre hat sich auch angedeutet, dass der BND darin sehr viel tiefer verwickelt ist, als gedacht.

Wir wurden an unzähligen Stellen belogen

Nun, da sich das ganze Ausmaß entfaltet, wird gleichzeitig offenbar an wie vielen Stellen wir auch im Anschluss belogen wurden. Als Angela Merkel versicherte, dass die Amerikaner sich auf deutschem Boden an deutsches Recht halten würden, war das schlicht falsch. Das geht aus dem Mail-Verkehr hervor, den die Süddeutsche veröffentlicht. Das No-Spy-Abkommen, das uns zur Beschwichtigung hingehalten wurde, wurde in dieser Form nie diskutiert oder versprochen. Als Berater zur Aufklärung in die USA flogen, ging es dabei vor allem darum, wie man die Wogen der Diskussion glätten könnte.

Die Bundesregierung behindert aktiv die Aufklärung des Geheimdienstskandals

Und auch nun im BND-Skandal verspricht man uns Aufklärung. Während die Kanzlerin also verlauten lies, dass Abhören unter Freunden gar nicht ginge, lauschte die eigene Unterabteilung des BND zusammen mit der NSA bei den Franzosen. Dazu verliest Steffen Seibert Mal für Mal sorgsam formulierte, nichtssagende Pressemitteilungen. Bei Fragen verweist das offizielle Sprachrohr der Kanzlerin darauf, dass man nichts weiter sagen könne. Alles Weitere soll im zahnlosen Parlamentarischen Kontrollgremium geklärt werden, unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Stets wird von Aufklärung gesprochen und noch im selben Satz auf die Geheimhaltung der betroffenen Dokumente verwiesen. Tatsächlich wurde bislang kein Schritt Richtung Aufklärung unternommen. Die Arbeit des NSA-Untersuchungsausschuss wurde sogar aktiv behindert, in dem man eine Einladung Edward Snowdens zu verhindern wusste.

Es sind schon Bundeskanzler wegen weniger Spionen zurückgetreten

Nun versucht man einen Geheimdienstkoordinator, Kanzleramtsminister oder Innenminister als Bauernopfer zu positionieren, um den Skandal abermals zu beschwichtigen. Das bringt uns aber nicht weiter. Schließlich weist die Verantwortung inzwischen viel höher. Es ist Merkels BND-Affäre. Aber zunächst brauchen wir tatsächlich endlich eine Aufklärung und viel wichtiger eine Änderung der Zustände: Das anlasslose Ausspionieren unseres Privatlebens muss aufhören.

Im Zuge dessen kann man sehen welche personellen Konsequenzen gezogen werden müssen. Aber, Polemik wieder an, es sind schon Bundeskanzler wegen weniger Spionen zurückgetreten. [Tweet this]

Bild: CC-BY-2.0 EPPofficial
D
ieser Artikel erschien zunächst in der Allgemeinen Zeitung

Kategorien
Bücher Kultur Netz & Politik

Dystopie: Wenn „Gehorche“ schon auf unseren T-Shirts steht

Es ist eigentlich schon ein Klischee, Kolumnen über Überwachung stets mit George Orwells „1984“ zu belegen. Aber so spart man es sich, einzelne wissenschaftliche Belege herauszukramen, die besagen, dass Menschen unter Überwachung eindeutig ihr Verhalten ändern. Stattdessen kann man mit dem Rückgriff auf die Fiktion gleich ein breites gesellschaftliches Szenario zeichnen, zu dem einzelne inkremententale Entwicklungen beitragen.

Abkürzung in den Totalitarismus

Gleichzeitig bieten sie fast schon eine Art Checkliste, um das eigene System mit der fiktiven, totalitären Dystopie abzugleichen.

Im Film „Sie leben“ von John Carpenter entdeckt der Protagonist durch eine spezielle Brille, dass die Gesellschaft mit unterschwelligen Botschaften, wie „Obey, Reproduce, Consume“ (Gehorchen, Reproduzieren, Konsumieren.) gesteuert wird. Heute gilt es tatsächlich als besonders schick mit Kappen und T-Shirts der Marke Obey herumzulaufen. Welche Marken die Botschaften Reproduce und Consume abdecken, kann sicher jeder selbst interpretieren.

Dreister Neusprech: Von Vorratsdatenspeicherung zur Höchstspeicherfrist

In „1984“ hat Orwell das Ministerium für Wahrheit erfunden, das mit dem „Neusprech“ neue Sprachregelungen findet, um die eigene Ideologie zu verkaufen. Es gibt wohl kaum ein passenderes Schlagwort für das was mit der Vorratsdatenspeicherung geschieht: Nach einer Kehrtwende seines eigenen Gewissens präsentiert Justizminister Heiko Maas uns einen neuen Entwurf für die Vorratsdatenspeicherung unter dem Titel „Höchstspeicherfrist“. Der deutsche Linguist Martin Haase hat 2008 bereits die Rolle des „Neusprech im Überwachungsstaat“ analysiert und wie solche Wortschöpfungen dazu dienen sollen Zustimmung für Gesetzesvorhaben zu formen.

Dennoch kommt es nie genau, wie in der Fiktion. Die meisten dieser Dystopien haben beispielweise das Internet, die damit einhergehende Vernetzung von Daten und neuen Kontrollmöglichkeiten, nie vorausgesehen. Statt des großen Bildschirms an der Wand, der uns überwacht, tragen wir ihn alle in Form eines Smartphones in der Hosentaschen überall mit uns herum.

Dystopie oder Realität? Überwachung als Normalität

Die fiktiven Dystopien haben noch ein Problem, wenn man sie nutzen möchte, um auf die Gefahren von Überwachung hinzuweisen: In den meisten Szenarien lebt der Großteil der Gesellschaft sehr friedlich und zufrieden mit der aktuellen Situation. Die Überwachung wird stillschweigend akzeptiert.

Das ist wiederum erstaunlich nah an der Realität: Denn auch heute wird sich vermutlich kein großer Widerstand dagegen regen, falls die Vorratsdatenspeicherung, unter diesem oder einem anderen Namen, demnächst alle unsere Kommunikationsdaten und Bewegungsabläufe in einem Ministerium speichert.

Dieser Text erschien zunächst in der Allgemeinen Zeitung

 

Kategorien
Bewegen & Beschäftigen Youtube News & TV 2.0

Küppersbusch: „Mediakraft-Verträge erinnern an die Bodenreform der DDR 1953“

Friedrich Küppersbusch Fernsehlegende und -produzent versucht sich spätestens seit dem „tagesschaum“ auch an YouTube.  Beim Frankfurter Tag des Online-Journalismus sprach er von einer echten Goldgräberstimmung, die zurzeit im Netz und vor allem in Bezug auf Bewegtbild herrscht.

Goldgräberstimmung bei Webvideos: Schippe selber mitbringen

Allerdings, wie beim Goldrausch am Klondike, muss sich erstmal jeder eine Schippe kaufen um überhaupt mitschürfen zu können. So auch bei Küppersbusch und seinem probonoTV auf Youtube. Er betonte mehrmals, dass sie bislang mit YouTube noch kein Geld verdienen. Viele der Geschäftsmodelle für Youtuber funktionieren nicht, beziehungsweise werfen zu wenig Geld ab. Sicherlich sind sie noch lange nicht vergleichbar mit allem was Küppersbusch von seinen TV-Produktionen gewohnt ist.

Aber natürlich hat sich ProBono bei der Suche nach Möglichkeiten auch die YouTube-Netzwerke angeschaut und sind zunächst bei sich um die Ecke in Köln gelandet.

Mediakraft-Verträge: Weitgehender Buy-Out

Allerdings ließ Küppersbusch kein gutes Haar an den Mediakraft-Verträgen die man ihm vorlegte.

[pull_quote_center]Obwohl ich jetzt in 19 Jahren als Fernsehproduzent einiges an Buyout-Verträgen gesehen habe, an Bedingungen für Urheber, muss ich sagen der Vertrag von Mediakraft erinnerte mich lebhaft an den Geschichtsunterricht und zwar das Kapitel Bodenreform in der DDR 1953. So etwas Weitgehendes hatte ich dann noch nicht gesehen.[/pull_quote_center]

Viel mehr als das Recht sich YouTube-Künstler nennen zu dürfen bliebe einem an Rechten bei einem Multi-Channel-Network nicht übrig, konstatiert der TV-Produzent.

MediaKraft Verträge
Küppersbusch ist natürlich nicht der erste der Probleme mit Verträgen bei einem MCN hat. Der prominenteste Fall hierzulande war wohl Ende letzten Jahres Simon Unge, der mit viel Getöse versuchte aus seinem Mediakraft-Vertrag auszusteigen. Auch LeFloid war mit Mediakrafts Gegenleistung nicht mehr zufrieden.

Kategorien
Netz & Politik

WLAN-Wüste Deutschland

[dropcap type=“2″]U[/dropcap]rlaub in Deutschland muss schrecklich sein. Als Tourist ist man ja völlig aufgeschmissen. Während wir uns im Ausland darauf verlassen können, dass beinahe jedes Cafè ein offenes WLAN anbietet, ist Deutschland noch immer eine absolute WLAN-Wüste.

Gerade einmal 15 000 offene Hotspots gibt es nach einer Studie des Internetverbands eco in Deutschland. Zum Vergleich in Südkorea und dem Vereinigten Königreich gibt es jeweils weit über 180 000 offene Netzzugänge.

[quote_center]Deutschland hat 1,8 offene WLANs für 10.000 Einwohner. Großbritannien über 28. [/quote_center]

Auch der Nachbar Frankreich hat über 35 000 offene WLANs, im Schnitt über fünf Zugänge auf 10 000 Einwohner. In Deutschland sind es gerade einmal 1,8. Und wie lebensrettend waren diese offenen Hotspots bei meinem letzten Frankreich-Besuch. Um das Kartenmaterial auf dem Handy upzudaten, damit man aus dem Viertel wieder hinausfindet; um im Café nachzuschauen, welches Café gleich um die Ecke den besseren Kaffee serviert hätte und um rauszufinden, was verdammt noch mal eigentlich auf der Karte steht.

WLAN Gesetz gegen Wildwuchs

Die Mangelversorgung an WLANs in Deutschland liegt übrigens keinesfalls an der Unwilligkeit der hiesigen Cafébetreiber, sondern an der Unfähigkeit der Politik. Als privater WLAN-Betreiber haftet man nämlich für alles, was über den eigenen Internetanschluss getrieben wird. Für kleine Restaurant- und Cafébetreiber ein unkalkulierbares Risiko.

Wirtschaftsminister Gabriel hätte gerade mit einem neuen WLAN Gesetzesentwurf alles ändern können. Doch anstatt die Hürden abzubauen, hat man sich neue ausgedacht. Eine Reihe von „zumutbaren Maßnahmen“ soll laut Gesetzestext dafür sorgen, dass kein WLAN-Wildwuchs entsteht. Die Betreiber dürfen ihr WLAN danach nicht offen, sondern nur verschlüsselt anbieten. Sie sollen die Nutzer kennen und die Nutzer müssen vorher zustimmen, keine Rechtsverletzung zu begehen.
Als würden wir alle das Internet in erster Linie zum Rechtsbruch nutzen.

Lobbygesetz für kommerzielle HotSpots statt freiem WLAN

All das von einer Bundesregierung, die Deutschland zum „führenden digitalen Standort in Europa“ machen will. Warum dann so ein krudes Gesetz? Vermutlich stehen dabei andere Interessen im Vordergrund. An anderen Netzzugängen herrscht nämlich immer weniger Mangel: Kommerzielle WLAN-Hotspots gibt es in Deutschland mittlerweile über 75 000. Und Betreiber wie die Telekom denken sich immer neue Wege aus, ihr Netz zu vergrößern. So hat die Telekom Hotspot-Flats aus den meisten Standard-Mobilfunkverträgen rausgeschmissen und bietet nun an, dass man doch seinen Heimanschluss mit anderen Kunden teilen soll, um wieder Zugang zum Magenta Hotspot-Netz zu bekommen. Man gibt also seine Bandbreite ab, damit die Telekom noch einmal Geld verdienen kann.

Wer sein WLAN mit anderen teilen möchte, sollte sich lieber die Freifunk-Vereine anschauen, die tatsächlich versuchen, flächendeckendes offenes Netz zu ermöglichen. Oder man fährt einfach mal wieder ins Ausland und genießt dort offene WLANs in gemütlichen Cafés.

Bild: CC BY-NC-ND 2.0 Bierlos
Dieser Text erschien zunächst als Kolumne in der Allgemeinen Zeitung

Kategorien
Bewegen & Beschäftigen

Scarface als 8Bit Arcade-Game

CineFix hat einen weiteren Film in 8Bit veredelt. Diesmal den Brian dePalma Klassiker „Scarface“. Doch sie übersetzen nicht einfach nur die Handlung in möglichst grobkörnige Pixel, sondern interpretieren den ganzen Film als Arcade-Game.

Und was soll man sagen, die Optik und der Aufbau machen sogar noch mehr Lust den Film durchzuspielen, als das jeder GTA-Teil geschafft hat.

Besonders gelungen ist auch der der Soundtrack in passenden Midi-Tönen. Mit all den Hits von „Rush, Rush get the Yayo“, „Push it to the Limit“ bis hin zu einer Bit-Version des Themes. Toll. Und ich will das jetzt spielen.

Kategorien
Featured Politik Video

War die Einstellung des Verfahrens gegen Edathy in Ordnung?

Das Verdahren gegen Sebastian Edathy wurde als eingestellt. Gegen eine Erklärung von ihm, die nicht als Schuldgeständnis gilt und 5.000 Euro, die er an den Kinderschutzbund zahlen sofllte, die dieser aber gar nicht will. Und so sind nach dem Ende der Gerichtsverhandlung fast mehr Fragen offen als zuvor: Ist Edathy schuldig? Welche missliche Rolle spielt die Staatsanwaltschaft? Wer denkt an die Kinder? Und hat er nun überhaupt Kinderpornographie besessen und angesehen oder nicht?

Pro und Contra – Spundekäs 2.0

im Dezember 2014 haben ich zusammen mit der Verlagsgruppe Rhein-main, Ulla Niemann und Aidien Assefi ein Youtubeformat names Spundekäs gestartet, das wir nun noch einmal gründlich generalüberholt haben: Hin zu einem Debattenformat in dem ich und Ulla vorher nicht wissen für welche Seite wir argumentieren müssen. Ein spielerischer Ansatz, auch wenn die Themen, wie Edathy zeigt, nicht einfacher werden. Das Ergebnis seht ihr oben. Wir freuen uns natürlich über Feedback. Hier und auf Youtube.

Kategorien
Gesellschaft Video

Drogen & Krise in Athen

Verkürzt würde ich sagen: „Coming of Rage“ ist die Antwort der Süddeutschen Zeitung auf Vice. Das würde aber einiges weglassen und überspringen.

Coming of Rage ist ein Format von st_ry und vielleicht klingelt es da noch bei manchen: 2013 gab es unter diesem Namen eine Crowdfunding-Kampagne in dem sie versucht haben die stolze Summe von 42.000 Euro für eine Reportagereihe über Datenschutz einzusammeln. Hat damals nicht gereicht.

Aber nun hat st_ry.tv „Coming of Rage“ am Start und ist schon in der zweiten Ausgabe. In der ersten sind sie mit zwei Reportern nach Istanbul gereist und haben dort die Fußball-Ultras von Çarşı besucht, die bei den Protesten im Gezi-Park ganz vorne mit dabei waren.

Drogen & Obdachlosigkeit in Athen nach der Krise

In der zweiten Folge sind sie nun in Athen unterwegs und beobachten die Auswirkungen der Krise und Schicksale, wie steigende Obdachlosigkeit und Drogensucht.

Hier kommt jetzt Vice ins Spiel, die haben letztes Jahr mit ihrer Doku „Sisa – Cocain of the Poor“ eine ganz ähnliche Reportage gedreht und damit perfekt die Auswirkungen der Krise in Athen illustriert. „Coming of Rage“ ist klar von Vice und seinem Dokumentationsstil inspiriert und die zweite Folge aus Athen läuft nun auch auf sz.de. Insofern kann man eben sagen Coming of Rage sei die Antwort der Süddeutschen auf Vice. Aber hinter Coming of Rage stehen echt ein paar coole Leute: Hakan Tanriverdi und Steffi Fetz zum Beispiel.

Schön zusehen, dass es so cool, webspezifische Formate nun auch aus Deutschland gibt.

Kategorien
Bewegen & Beschäftigen Gesellschaft

Warum wir uns gerne Spitzel ins Haus holen

[dropcap type=“2″]B[/dropcap]esprechen sie private Dinge auf dem Sofa? Dann hört ihr Fernseher vielleicht schon zu. Die aktuellen Nutzungsbedingungen der Samsung SmartTVs warnen davor sensible Gespräche im Wohnzimmer zu führen, denn die Sprachsteuerung der neuen Geräte lädt all das in die Cloud, um es zu analysieren. Es könnte ja ein Umschaltbefehl dabei sein.

Das Wohnzimmer ist nicht mehr privat

Vor ein paar Jahren machte Martin Sonneborn in der heute-show den Gag, den Menschen zu Hause „Google Homeview“ installieren zu wollen. Kleine Kameras und Mikrofone wollte er den Leuten dabei ins Wohnzimmer stellen. Und während es gegen Google Streetview übertriebene Protest gab, weil ein Konzern den öffentlichen Raum für bessere Straßenkarten fotografierte, holen wir uns inzwischen die Wanzen freiwillig ins Haus.

Siri lauscht neben dem Bett auf Befehle

Mit dem Smartphone haben wir sogar permanent ein Mikrophon in der Tasche. Und so liegt nachts nicht nur meine Freundin neben mir, sondern auch Siri und wartet bereitwillig auf Befehle. Zum Beispiel auf wie viel Uhr sie den Wecker stellen soll.

Ein Vergleich zwischen Samsungs SmartTV Nutzungsbedingungen und George Orwells „1984“

Doch warum protestieren wir gegen einen Kartendienst, holen uns aber andere Spitzel gerne ins Haus? Ich würde auf den individuellen Nutzen tippen. Wenn ich Google verrate wohin ich verreise, kann es mich sofort mit dem aktuellen Wetter, Flugdaten und dem elektronischen Ticket versorgen und mir schon im Voraus ein Bild vor Ort vermitteln – wenn nicht alle ihre Häuser verpixelt haben. Wenn Facebook weiß, wann ich zur Schule gegangen bin und wo ich gearbeitet habe, desto besser kann es mir Freunde aus diesen Zeiten vorschlagen. Und mit den Händen voller Pizzateig ist es leichter Siri zu bitten einen in sieben Minuten daran zu erinnern in den Ofen zu schauen, als mit klebrigen Fingern eine Eieruhr zu stellen.

Es war noch nie so vorteilhaft Privatsphäre aufzugeben

Tatsächlich hatte man noch nie zuvor so viele direkte, individuelle Vorteile davon persönliche Daten preiszugeben. Wo früher Daten noch über Gewinnspiele mit geringen Chancen oder über Zeitungsabonnements abgegriffen wurden, sind sie heute Teil des Produktes. Das Produkt verbessert sich für mich sogar immer weiter, je mehr Daten ich zur Verfügung stelle. Auch heute bekomme ich dafür unerwünschte Werbung zu sehen. Diese orientiert sich online aber zumindest an meinen Interessen, im Gegensatz zu den Telefonanrufen von Gastarifvergleichsportalen. Auch die Totalüberwachung durch die Geheimdienste bringt mir keinen individuellen Nutzen. Das mit dem Terroranschläge verhindert klappt ja nicht so gut. 

Ein ständig lauschender Fernseher erspart mir zumindest das Suchen nach der Fernbedienung.

Bild: CC BY 2.0 Jason Rogers
Dieser Text erschien zunächst als Kolumne in der Allgemeinen Zeitung

Kategorien
Politik

Folgen von Freihandelsabkommen: Tabakkonzerne verklagen ganze Länder

John Oliver ist endlich mit einer neuen Staffel „Last Week Tonight“ zurück und nimmt sich gleich mal die Tabakkonzerne vor. Diese haben nämlich so langsam ein Problem mit den immer größeren Warnhinweisen auf Zigarettenschachteln, vor allem seit dem ein neues Gesetz in Australien diese so groß gemacht hat, dass der eigene Markenname nur noch ganz klein auf die Packung passt.

Philip Morris verklagt Australien aufgrund von altem Handelsabkommen

Was folgt ist ein Paradebeispiel dafür, weshalb TTIP und andere Handelsabkommen so gefährlich sind: In Reaktion will Philip Morris International nun Australien Aufgrund irgendwelcher Handelsabkommen verklagen. Dafür hatte PMI sein Australiengeschäft extra vorher nach Hongkong verlegt, weil ein Abkommen von Australien und Hongkong vorsieht das die Markenrechte untereinander geschützt werden und Philip Morris sieht diesen Punkt jetzt eben als verletzt an. Und kann in der Folge Australien vor ein internationales Gericht ziehen.

Große Konzerne gegen kleine Länder

Nun ist Australien nur ein Beispiel und zumindest nicht das kleinste oder ärmste Land der Erde. Anders als Togo. Auch das sieht sich einer Flut von Klageschriften von verschiedenen Tabakkonzernen gegenüber, die gegen den Plan vorgehen wollen grafische Warnhinweise auf Zigarettenschachteln anzubringen. Dabei helfen nur diese bei der hohen Analphabetenquote in Togo. Der Vergleich zwischen dem BIP Togos und der Einnahmen von Philip Morris zeigt, wie schnell sich hier Gleichgewichte verschieben und was es heißen kann wenn ein Milliardenkonzern ein Land verklagt.

TTIP - Tabak

Neben der großartigen Vermischung von Information, Unterhaltung und Aktivismus durch John Oliver ein anschauliches Beispiel, warum die Schiedsgerichte die uns hierzulande mit TTIP drohen so eine fiese Sache sind.

Kategorien
Politik

Die Satire der Vorratsdatenspeicherung

[dropcap type=“2″]G[/dropcap]lauben Sie, dass es einen Terroranschlag verhindern könnte, wenn die Polizei genau wüsste wann Sie mit wem vor sechs Monaten telefoniert haben?

Falls ja, sollten Sie sich schleunigst bei der Polizei melden. Falls nein, sollten Sie sich schleunigst bei der Politik melden. Denn diese plant gerade in einem weiteren Anlauf die Vorratsdatenspeicherung einzuführen.

Wohlgemerkt geht es bei der Vorratsdatenspeicherung nicht darum nur die Kommunikation irgendwelcher Islamisten zu überwachen, sondern auch zu speichern wann genau Sie mit wem telefoniert, gemailt oder gesimst haben. Für ein halbes Jahr.

[quote_center]Glauben Sie, dass Ihre Telefonate einen Terroranschlag aufdecken?[/quote_center]

Es ist schon eine ganz eigene Form der Satire, wie die CDU/CSU nach den Anschlägen auf Charlie Hebdo der AfD vorwerfen, den Terrorvorfall für die eigene Politik zu missbrauchen und im selben Atemzug für sich die Vorratsdatenspeicherung zu fordern.

Erschreckender Weise stimmt nun auch die SPD mit ein, die vor der Wahl noch Vorbehalte anmeldete. Zwar sträubt sich Justizminister Heiko Maas weiterhin tapfer, aber die Parteispitze mit Sigmar Gabriel zeigt sich durchaus offen unsere Freiheit zu opfern. Der Vorschlag dazu sollte nur möglichst verfassungskonform sein und einen Richtervorbehalt beinhaltet.

Wir erinnern uns: Das letzte Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung wurde trotz Richtervorbehalt vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig einkassiert. Wie so ein grundrechtskonformer Gesetzesentwurf also aussehen soll steht in den Sternen oder geheimen EU-Verhandlungen.

Vorbehalte gegen Vorratsdatenspeicherung

Letztendlich ändert auch der Richtervorbehalt nichts daran, dass die Daten aller Bundesbürger gespeichert werden. Was mit solchen anfallenden Daten geschieht, wissen wir seit Snowden sehr genau. Hier träumen sich die Sicherheitsextremisten der deutschen Politik endlich eine anlasslose Massenüberwachung nach Vorbild der NSA herbei. Denn was anfangs mit der Terrorprävention gerechtfertigt wird, wird schnell auf andere Felder ausgeweitet, wenn die Daten schon mal da sind. Es ließe sich sicher auch der ein oder andere Steuer- und Verkehrssünder ermitteln.

Wobei ein grundsätzlicher Beweis für die Wirksamkeit der Vorratsdatenspeicherung noch aussteht. Gerade die Anschläge in Paris sind ein schlechtes Beispiel: Frankreich verfügt über die Vorratsdatenspeichung und vermochte dennoch keine der Gräultaten zu verhindern. Massenüberwachung taugt also eher zur Kontrolle der Bevölkerung, nicht zur Terrorbekämpfung.

„Je Suis Charlie“ als reines Lippenbekenntnis

Der Ruf „Je Suis Charlie“ ist für die Politiker nur ein Lippenbekenntnis: Statt dem Versprechen nachzukommen, unsere Freiheit auch im Angesicht des Terrors zu verteidigen, nutzen sie es, um unsere Freiheit einzuschränken. Wahre Realsatire.

Titelbild: CC BY-SA 2.0 Jonathan McIntosh