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TV-Duell, Twitter & Armut als Lebensstil | morgenlinks

Herzlich Willkommen zu den morgenlinks, diesmal leider ohne Videokommentar, weil die Technik gestreikt hat. Wer mich doch in Videoform sehen möchte, kann das Digitale #Quartett von gestern Abend anschauen, in dem ich mal wieder zu Gast war. Es ging um das TV-Duell, die @schlandkette und Twitter. Mein ganz eigener Rückblick auf das Duell in Form von GIFs gibt es hier.

Wir sind die 0,01 Prozent: Die Second-Screen-Twitter-Blase

(olereissmann.de, Ole Reißmann)
In meiner Timeline ging es ganz schöne Rund, während des #tvduell. Ich kam kaum hinterher, rund 173.000 Tweets wurden während der Sendung dazu abgeschickt und das Meme der @schlandkette machte schnell seine Runde. Doch die Twitterblase ist nur ein kleiner Teil der Wahlbevölkerung. Ein Bubble, die Ole Reißmann (nach Update) auf 0,058% der Wahlberechtigten beziffert. Darüber haben wir auch in der oben erwähnten #Quartett Sendung gesprochen.

Armut als Lebensstil – Das prekäre Leben

(neueelite.de, Yeah Sara)
Amy&Pink war früher als “BILD-Zeitung der Hipster” verschrien, davon hatte der Gründer Marcel Winatschek irgendwann genung, stampfte es ein und setzt nun auf Texte, statt Titten. Und da ist auch gleich ein toller dabei. Über das Leben der Generation Prakitkum, die lebt um zu arbeiten, ohne das das Arbeiten zum Leben reicht.

#Weltschmerz ist sein Held

(zeit.de, Nina Pauer)
Eine ganz tolle Einlassung von Nina Pauer auf den Twitterer @NeinQuarterly, der als Professor für deutsche Literatur in Pennsylvania über den akademischen Betrieb und die deutsche Sprache auf der Kurznachrichtenplattform schreibt. Fatalistisch, philisopisch und auch mal für ein Lachen gut.

„You don’t have to be angry to speak German. But it helps.“

Wer nächste Woche die morgenlinks, dann hoffentlich wieder mit Video, per Mail bekommen möchte, der kann sie hier kostenlos abonnieren.

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Politik

Das TV-Duell in animierten GIFs

TV-Duell, das war es also. Der Höhepunkt des Wahlkampfs, selbst eher arm an Höhepunkten. Ich habe trotzdem versucht, welche zu finden und diese in animierten GIFs zusammengefasst. Musste ja kommen, oder?

Merkel hat eine Kette in Deutschlandfarben an

schlandkette
Und das Internet, wäre nicht das Internet, wenn diese Kette nicht Minuten später unter @schlandkette einen eignen Twitteraccount mit über 5.000 Followern hätte. Merkel trug diese Kette übrigens schon 2009 bei der letzten Wahl.

Peer sagt, das stimmt doch nicht

stimmtdochnicht
Auf die Frage von Raab, ob seine Drohung die Kavallerie gegen Steuersünder zu Satteln eine Leere sei. Insgesamt ging es viel um Geld. Ich frage mich, was sich das Moderatorenteam dabei gedacht hat ausgerechnet mit diesem Thema anzufangen und ihm so viel Platz einzuräumen. Sicherlich ein wichtiges Thema, aber doch nicht gerade catchy zum Start und auch eines, das wenig Visionen zulässt. Die fehlen übrigens im ganzen Duell. Sind wahrscheinlich beim Arzt.

Zwischen durch moderiert mal Merkel

tvduell

Weil die „echten“ Journalisten ziemlich schwach bleiben und in ihrem Politiktalkmodus verharren. Verbeissen sich an den falschen Stellen und wollen Zahlen hören, während Sie an anderer Stelle Merkel den Patzer durchgehen lassen, zu behaupten Renten würden in Deutschland nicht versteuert.

Merkel hat keine Lust die Fragen von Anne Will anzuhören, geschweige denn zu beantworten.

merkelfragen

„Ich antworte mit einem klaren Ja, um dann noch Zeit zu haben etwas anderes zu sagen.“, ist ein echter Satz der von Merkel gefallen ist. Gut, in dem Fall ging es darum, ob Politiker in Deutschland genug verdienen und Peer Steinbrück hat sich hier geschickt rausgewunden. Aber das Antworten auf nicht gestellte Fragen und Nicht-Antworten auf gestellte, war Programm.

Peter Klöppel hat einen tollen Kulli

kloeppelkuli

Trat ansonsten aber nicht in Erscheinung.

Merkel versichert, dass die NSA unsere Daten nicht auf deutschem Boden überwacht

aufdeutschemboden

Irgendwann kam man dann doch noch auf den NSA-Skandal zu sprechen und Merkel betritt weiter #Neuland. Weit voran gekommen ist sie nicht. Sie wiederholt das Statement, dass auf deutschem Boden unsere Daten nicht von der NSA abgehört werden. Das eine eMail auch zwischen zwei .de-Adressen die Landesgrenzen verlassen kann, hat ihr wohl noch immer niemand gebrieft.

Raab ist King of Kotlett

kingofkotlett
Der Sieger des Duells ist wohl Stefan Raab. Nachdem sich vorher noch etliche Journalisten Gedanken darüber machten, ob der das überhaupt darf, so ein unfassbar wichtiges Duell moderieren, stellte er alle anderen drei Moderatoren in den Schatten. Das war vielleicht nicht schwer, den außer Illner machten die, wie oben erwähnt, keine tolle Figur. Hier versucht er gerade Peer Steinbrück zu einer großen Koalition zu überreden, die er sich selbst wünscht. Mit dem denkwürdigen Satz vom „King of Kotlett“.

Aber Peer lässt sich nicht breitschlagenpeerer

Und schließt erstmal sowohl eine GroKo mit ihm als zweitem Mann, als auch Rot-Rot-Grün (mit ihm) aus. Daraus kann Merkel noch einen Stich machen, indem sie das umwandelt in: Bei einer Koalition geht es immer erst einmal darum, ob es dem Land dient und nicht ob es vielleicht der Partei schadet.

Merkel spricht der FDP ihr allervollstes Vertrauen aus.

allervollstesvertrauen

Das sie vielleicht doch auf eine Große Koalition zusteuert zeigt sich darin, dass sie der FDP ihr allervollstes Vertrauen ausspricht. Und wir wissen alle, wozu das führt.

 

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morgenlinks Politik

NSA vs. Stasi, Merkel sagt nix & Besser schreiben | morgenlinks

Hier sind die morgenlinks für diese Woche:


Was Angela Merkel alles nicht weiß und deshalb auch nicht bewerten wird

(stefan-niggemeier.de, Stefan Niggemeier)

Merkel ist im Wahlkampf angekommen und gibt jetzt sogar Interviews. Dabei bestreitet sie die hohe Kunstform, darin nichts zu sagen. Besonders wenn es um den NSA/Prism-Skandal und die Verwicklungen des BND darin geht.
Und sie sagt sogar Sätze, wie: „Merkel: Ich kenne die Hintergründe dieses Vorgangs nicht und werde ihn deshalb auch nicht bewerten.“. What? Stefan Niggemeier fragt sich das auch und regt sich etwas auf.


Stasi versus NSA

(opendatacity.de)
Vielleicht kommt Merkel mit dem Nichtssagen noch so weit durch, weil viele das Ausmaß nicht verstanden haben. Dabei hilft diese Sehr schöne Visualisierung, die die Stasi Daten den Zetabytes gegenüber stellt, die die NSA so hortet.


Gehe zu Stasi versus NSA. Realisiert von OpenDataCity (CC-BY 3.0)


Töte deine Feinde! Die schwarze Liste

(blog.tagesanzeiger.ch, Constantin Seibt)
Normalerweise rät man für gutes Schreiben: „Kill your Darlings“, also nimm deine Lieblingsformulierung raus, weil sie wahrscheinlich eh zu verschwurbelt ist. Christian Seibt rät aber dazu zunächst einmal die Feinde zu töten. Also unnötige Adjektive, beliebige Exkurse etc. Eine sehr nützliche Liste.

 

Vielen Dank für das Konsumieren der morgenlinks und wenn du es noch nicht getan hast, dann trag dich doch gerne in unseren Newsletter ein, um diese wöchentlich im Postfach zu finden.

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Politik

Das geht noch mit der Drossel der Telekom [Infographic] [fixed]

Die Telekom hat eine Grafik veröffentlich, die zeigt was man nicht mit 75GB im Monat alles machen kann. Das liest sich toll. 20 Stunden Videostreams und 1000 Webseites etc…

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Interessant wird es aber, wenn man das ganze mal auf eine 4-köpfige Familie runterbricht. Das hat Marc in den Kommentaren  von netzpolitik mal gemacht und ich habe getan, was man damit tun muss: In die Grafik eingefügt.

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Wer sich dagegen ein bisschen zu Wehr setzen möchte kann zumindest verhindern, dass die Telekom die Netzneutralität mit Füßen tritt und diese Petition unterzeichen.

Auch unser Video eigent sich natürlich weiterhin zur Aufklärung und weiterverteilen. ;)

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Politik

Jung & Naiv – Weltpolitik in 10 Minuten

Kann man sogenannten „Politikverdrossenen“ Politik vermitteln? Vielleicht in dem man es einfach erklärt? Tilo Jung versucht es mit seinem Youtube-Format Jung& Naiv und sammelt dafür Lorbeeren und Geld.

„Politik  für Desinteressierte“ lautet die Tagline von Tilo Jungs Format „Jung & Naiv“ und darin führt er kurze Interviews, selten länger als 10 Minuten, mit verschiedenen Gästen. Das besondere: Tilo stellt sich dabei extra dumm & naiv und fragt nach, nach einfach Worten, Erklärungen aber auch kritisch. Über 30 Folgen hat der „Freie Chefredakteur“ aus Berlin bereits produziert: Von Drogen- über Netzpolitik zu Rüstungsexporten und der Zypernkrise. Dies Gäste sind dabei passend und er hat mit Sara Wagenknecht, der Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger oder Ulrich Deppendorf schon einige Namen des politischen Berlins vor die einfache Kamera bekommen. Um da etwas aufzurüsten sammelt Tilo Jung Geld über Krautreporter, eine Plattform zum Crowdfunding von Journalismusprojekten. Ich habe ihm ausserdem mal noch ein paar Fragen zu dem Format gestellt:

„Jung & Naiv“ – erklär doch mal was ist die Idee dahinter und die kamst du darauf?

Tilo Jung: Die Idee ist so ein bisschen aus der Not heraus geboren. Zum einen wollte ich anfangen, Interviews vor der Kamera zu üben. Dafür braucht ich einen Rahmen. Und da ich gerne spiele, wollte ich nicht die klassische Rolle des Journalisten einnehmen. Zum anderen bin ich mittlerweile gewohnt, wie ätzend es ist mit Politikern öffentlich zu reden. Das meist Nichtssagende, Vorhersehbare und Abgestumpfte hat mich mehr und mehr angekotzt. Nicht nur bei eigenen Interviews, sondern auch bei der Vielzahl der Kollegen: Die Politiker wissen, welche Fragen sie zu erwarten haben, welche Antworten sie geben wollen, was sie sagen können. Der deutsche Journalist weiß ebenfalls, was er zu fragen hat. Was er hören will (Pressemitteilung wartet schon!). Und wann er mit dem Interview fertig ist. Das Hinterfragen ist für beide Seiten scheinbar obsolet geworden. Daher die Idee: ich spiele einen interessierten, leicht begeistbaren, aber jungen und naiven Fragesteller, der von Interview zu Interview verschiedene Ahnungslosigkeiten pflegt.

Glaubst du wirklich die Jugend mit ein paar Youtube-Clips wieder für Politik begeistern zu können?

Nein, sicher nicht.

Du hast jetzt schon über 30 Folgen gedreht, unter anderem mit der Justizministeri Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Wie war den die Reaktion von deinen Gesprächspartner, wenn du da duzend ankamst und gesagt hast: „Ich mach hier was für Youtube“?

Durchweg wohlwollend. Ich sage stets vorab (falls ich es nicht bereits vorher in der Interviewanfrage erklärt habe), worüber es im Interview gehen soll, dass ich eine Rolle spiele, die sehr wenig weiß und dementsprechend Fragen stellen wird. Ich weise ebenso drauf hin, dass man am besten von Anfang Dinge simpel erklären soll… Auch das Duzen stelle ich als nichtverhandelbares Prinzip vorweg. Damit hatte bisher niemand Probleme. Nur ein, zwei konservative Politiker fragten bisher: „Soll ich Sie dann auch duzen?“

Du sammelst gerade via Krautreporter Geld um das Projekt auszubauen, was sind denn deine Ziele mit dem Geld und wo willst du mit dem Format hin?

Da ich ein Ziel erklären musste, habe ich versprochen 50 Folgen zu drehen. Mit dem Crowdfunding will ich ein, zwei weitere Kameraeinstellungen und endlich eine Postproduction ermöglichen. Es kommt aber ganz drauf an, wie viel herauskommt. Mit dem Minimalziel von €2500 wäre zB eine GoPro und ein Rechner drin. Ich weiß allerdings nicht, wo das Ding hingehen soll und kann. Das liegt alles nur begrenzt in meiner Hand. Ich habe mir aber vorgenommen, wenn bis Folge 100 kein Weg gefunden ist, mit diesen Interviews, diesem Format Geld zu verdienen, ich „Jung & Naiv“ als  gescheitert ansehen werde. Dann habe ich 100 Folgen meinen Spaß gehabt und kann meinen Kindern irgendwann erzählen, womit ich mir die Freizeit um die Ohren gehauen habe. Und das war’s am Ende auch.

Hast du nicht Angst, dass eine zu großer Produktionsaufwand drumherum dem ganzen seine Spontanität und Lockerheit nehmen könnte?

Ich denke nicht. Denn: an der Einzigartigkeit des Formats werde und will ich ja nicht ruckeln. Dieser Kern besteht ja auch schon seit Folge 1: die gespielte Naivität, die scheinbare Spontanität der Interviewsituation wird bleiben… (wer weiß, ob ich dies nicht sogar noch mit entsprechender Technik verstärken kann?). Ich glaube, dass bei „Jung & Naiv“ noch viel mehr drin steckt. Die Stärke des Formats ist der Inhalt. Das was gesagt wird. Das kann keine noch so große Produktion beeinträchtigen. Das rede ich mir jedenfalls ein.

Danke und viel Erfolg!

Aktuell steht sein Krautreporter-Funding bei knapp über 2000 € und läuft noch 12 Tage. Wer helfen will das Minimalziel zu erreichen, gelangt hier zu Seite. Wer sich erstmal vom Produkt überzeugen möchte findet hier den Youtubekanal, bzw. unten ein paar eingebettet Videos.

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Politik

Piraten & Piracy als Verteidiger des öffentlichen Guts

Dieser schön gemachte Infofilm befasst sich mit der Pirate Organisation und damit ist nicht zwangsläufig diese kleine Partei hierzulande gemeint, die die Medien hyperventilieren lässt, sondern es werden historische Analogien zu verschiedenen Piraten gezogen. Zentrale Aussage: Piraten sind ein wichtiges Gegengewicht zum Kapitalismus und um öffentliches Territorium möglichst offen zu halten. Ein aktuelles Beispiel wäre dabei natürlich die Diskussion um Netzneutralität. Hier droht, dass der offene Raum des Netzes von Firmen kontrolliert und die Wege eingegrenzt werden. Ähnlich wie Seehandelsrouten im 16. Jahrhundert.

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Politik

ACTA ist vielleicht überwunden, CETA und IPRED warten aber schon

Mit dann doch überzeugender Mehrheit wurde ACTA schließlich im EU-Parlament abgelehnt, doch die Lobbyisten arbeiten bereits an Nachfolgern. So wohlklingene Namen wie CETA, IPRED, TPP2 etc. stehen da im Raum. Deswegen gilt es den digitalen Protest, der denn Umschwung schaffte, nicht abklingen zu lassen. Dazu haben wir im Rahmen von YouJustDon’tDo ein kleines, sehr aufwändiges Video gedreht:

[Direkt Anonymous vs. Labelboss]

Wir freuen uns über Weiterverbreitung, neue Videos gibt es weiterhin jede Woche auf Youtube.

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Bewegen & Beschäftigen Politik

Von Acta bis Zensursula – wie berechtigt ist die neue Macht der Netzaktivisten?

Das Netz 2.0 und was es mit sich bringt: In der aktuellen Ausgabe der ZEIT (10/2012) kritisiert der Journalist Heinrich Wefing in seinem Artikel „Wir! Sind! Wütend!“ die neue Macht von Netzaktivisten, die es immer wieder schaffen, für Unruhen in der Politik zu sorgen. Der Ton sei zu grob, die Energie komme hauptsächlich von wütenden Bloggern, die Angst schüren und Shitstorms verursachen. Themen, über die sich die Netzgemeinde brüskiert, seien obskur. Wie berechtigt ist diese Macht? „Netz-Utopiker“, meint Wefing. Ein Widerspruch

 

„Zensursula“, Nestlé und die ING-Diba, Guttenberg, Wulff, Sopa, Pipa und nun Acta: Sie alle haben gemeinsam, ausführlich zum Thema einer immer größeren Netzgemeinde geworden zu sein, was für jeden von ihnen deutliche Folgen hatte. Ursula von der Leyens geplantes Zugangserschwerungsgesetz zu Kinderpornographie wurde auf öffentlichen Druck hin vom Bundestag wieder gekippt, Karl-Theodor zu Guttenberg ist seinen Doktortitel und das Amt des Verteidigungsministers los und die Bundesregierung hat das geplante Anti-Produktpiraterie-Handelsabkommen doch noch nicht unterschrieben. Zuletzt war Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, die den Vertrag zunächst verteidigt hatte, zurückgerudert. Der Druck aus dem Netz und durch massenhafte Proteste auf der Straße war zu groß geworden.

Keine Frage: Durch das Netz 2.0 haben sich die Politik und die Meinungsbildung verändert. Nichts anderes erkennt zunächst auch Wefing: „[Es] ist klar, dass sich gegen das Netz keine Politik mehr machen lässt. Jedenfalls nicht, wenn es um Netzthemen geht. Und schon gar nicht mit den herkömmlichen Mitteln: analog, per Presseerklärung und Fernsehinterview.“ Natürlich hat die Netzgemeinde nicht die Möglichkeiten eines Staates, sie hat keinen großen Lobbyismus und die Gelder sind begrenzt. Aber sie hat die Möglichkeit, nun, da durch Facebook, Twitter und Co. jeder seine Meinung der ganzen Welt kundtun kann, auf das Verhalten und Denken anderer Personen einzuwirken, indem ein Gefühl der Verbundenheit hergestellt wird. So funktionieren Soziale Netzwerke und so funktioniert das Mobilisieren von Massen. Kernkraftgegner haben sich Jahrzehnte an Eisenbahngleise ketten müssen, um etwas zu bewegen. Gegen Acta haben zwei Tage gereicht.

Was die starken Aktivitäten zeigen, ist vor allem aber auch, was die Gesellschaft tatsächlich bewegt. Wir leben in einem Land, das das allgemeine Gleichheitsgebot in Artikel 3 und die Meinungsfreiheit in Artikel 5 der Verfassung verankert hat. Die Grundordnung ist freiheitlich-demokratisch. Eine solche Gleichheit war bislang nicht denkbar, nun wird sie in gewisser Weise Realität. Die Politik und die Presse haben ihr Monopol nun auch abseits des Wahlkampfes verloren. Endlich!, mag man rufen. Und tatsächlich ist Kritik daran (fast) lediglich aus der Presse und Politik zu hören. Dabei ist es positiv, dass Politiker es mittlerweile schwerer haben, ihre Macht zu missbrauchen und abgegebene Versprechen direkt nach ihrer Wahl als Schnee von vorgestern wieder zu vergessen. Es ist positiv, dass jeder Politiker, jeder Journalist mehr gezwungen ist, sich über die Moral seines Handelns Gedanken zu machen. Es ist positiv, dass nicht mehr alles über die Köpfe der Bevölkerung hinweg entschieden werden kann.

 

Foto: Gerd Altmann / pixelio.de

 

Nicht die Petition ließ von der Leyen scheitern, sondern ihr eigenes Verhalten

Sicher, auch im anonymen Internet sollte jeder auf seinen Ton achten, die Würde des Einzelnen respektieren, unabhängig davon, ob man die Meinung des anderen teilt oder nicht. Dass dies nicht immer geschieht, ist schade. Dies müssen viele noch lernen, sowohl im virtuellen, wie im realen Leben. Und manche lernen es nie. Doch dies kann kein Grund sein, auch hitzige Netzdebatten und derartige „Shitstorms“, wie sie in der Vergangenheit vorkamen, in Zukunft unter allen Umständen zu unterbinden oder zu unterlassen. Bislang musste sich niemand fürchten, der eine ordentliche Politik macht, der hinter gewissen Werten steht, die sich auch in seinem Verhalten widerspiegeln und der für die Öffentlichkeit transparent ist. Wenn Guttenberg seine Doktorarbeit abschreibt, ist er des Doktortitels nicht würdig, so einfach ist das. Gut, dass es (viele) Menschen gibt, die sich angesichts solcher Tatsachen wehren. Von der Leyen missbrauchte das Thema Kinderpornographie für ihren Wahlkampf und forderte Stoppschilder. An sich eine ehrenwerte Sache, sich für Kinderschutz einzusetzen, dazu medienwirksam und aufmerksamkeitsbindend. Die konstruktive Forderung, solche Internetseiten zu löschen statt zu sperren, was durchaus möglich ist, ignorierte sie allerdings konsequent. Weiterhin sollte lediglich das BKA geheime Sperrlisten führen, die keiner rechtsstaatlichen Kontrolle unterworfen sind. Wo ist hier bitte die Gewaltenteilung? Sich dann zu wundern, dass der „Keine Zensur!“-Schrei laut ist, wenn Strukturen für eine allgemeine Inhaltskontrolle – gleich welchen Themas – geschaffen werden sollen, erscheint angesichts dessen zumindest verwunderlich. Es war nicht die „Onlinepetition, die innerhalb kürzester Zeit zehntausendfach geklickt wurde“, die von der Leyen scheitern ließ. Es war ihr eigenes egoistisches, ignorantes und anmaßendes Verhalten.

Auch Acta wurde bis zum Schluss hinter verschlossenen Türen verhandelt, geheim, abseits der Öffentlichkeit. Offenbar war einigen Entscheidungsträgern klar, dass ihr Vorhaben, das in das Leben von Millionen Menschen eingreift, zumindest umstritten sein würde. Daher hielten sie die Informationen bewusst zurück, womöglich in der Hoffnung, dass der öffentliche Protest zu langsam sein würde, um die Unterschrift des eigenen Staates zu verhindern. Unabhängig von dessen Inhalt, der auch für Kritik sorgen mag – allein dieses Vorgehen entbehrt jeder demokratischen Grundlage.

Vor fünf Jahren wäre das Abkommen einfach unterschrieben und den Bürgern vorgesetzt worden. Nun hat die Bevölkerung ein Mitspracherecht, auch ohne aktives Zutun von Politkern wie bei Volksabstimmungen. Kommunikation funktioniert nun auch von unten nach oben. Das hat das Land wieder etwas demokratischer gemacht. Und politischer.

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Ihr Tweet ist in diesem Land leider nicht verfügbar

Twitter hat gerade einen Blogartikel veröffentlich, der da heißt: „Tweets still must flow“. Hinter diesem euphemistischen Titel verbirgt sich nichts anderes als eine länderspezifische Zensurinfrastruktur.

Ab dem heutigen Tage will Twitter damit anfangen bestimmte Tweets in bestimmten Ländern zu blockieren.

As we continue to grow internationally, we will enter countries that have different ideas about the contours of freedom of expression. Some differ so much from our ideas that we will not be able to exist there.
[…]

Starting today, we give ourselves the ability to reactively withhold content from users in a specific country

Dabei will man sich wohl an die jeweils lokalen Gesetze halten, so ist in dem Beitrag explizit die Rede von Deutschland und Frankreich, die Nationalsozialistische Inhalte verbieten. Gemeint sein dürften aber eher Länder wie China.

Mit der Selbstunterwerfung der Zensur sichert sich Twitter den Zugang zum chinesischen Markt, momentan ist dort vor allem der Microblogging-Service von Sina Weibo verbreitet. Andere Dienste, wie Baidu und Fanfou wurden dort bereits abgeschaltet, weil so kritische Themen wie Menschenrechte oder Liu Xiaobo angesprochen wurden.

Welche Prinzipien genau gelten ist unklar, in ihrem ersten Hilfe Artikel sprechen sie nur davon, dass:

Many countries, including the United States, have laws that may apply to Tweets and/or Twitter account content.

Im Umkehrschluss bedeutet das, dass sich Twitter von einer freien Meinungsäußerung in restriktiven Ländern abkehrt. Ein Assad wird sich in Syrien nicht mehr die Mühe machen müssen alle Nachrichten seines Volks zu überwachen, er erlässt ein Gesetz, dass kritische Inhalte verboten sind und dann übernimmt das Twitter für ihn. Twitter wird nicht dazu beitragen, dass Menschen in China davon erfahren was in Tiananmen geschehen ist.

Eine Twitter Revolution wird es nicht mehr geben.

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Bewegen & Beschäftigen Gesellschaft Politik

Der Fall Wulff – Rechtsweg ausgeschlossen

Mit den Worten „Inhaltsfreier, würdeloser Bundespräsidentendarstellerazubi“ wird zur aktuellen Stunde vor dem Schloss Bellevue gegen unser Staatsoberhaupt gewettert. Unter dem Motto „Wulff den Schuh zeigen“ hat hier nach arabischem Vorbild jeder die Möglichkeit, Herrn Wulff seine persönliche Missachtung zum Ausdruck zu bringen. Zwar mag das verfassungskonform sein, doch der Sinn erschließt sich nicht so recht. Weshalb wird hier demonstriert? Wie berechtigt sind diese Demonstrationen? Ein Kommentar

Im Jahr 2009 lief ein ganzes Dorf Sturm: Ein Vergewaltiger, der sich nach verbüßter Haftstrafe in Heinsberg bei Aaachen niedergelassen hatte, um ein neues Leben zu beginnen, wurde „Opfer“ einer Kampagne der Bürger gegen ihn. Bemalte Plakate und Bettlaken wurden hoch gehalten und sein Gesicht konnte er in den umliegenden Geschäften und an Bushaltestellen begutachten. Während hier noch „zugute“ gehalten werden könnte, dass der Herr ja tatsächlich verurteilter Straftäter war, ist dies bei Herrn Wulff nicht der Fall. Zwar ist dies vielfach von Vertretern aus Politik, Presse und Wirtschaft zu hören, doch Christian Wulff hat sich (noch) nicht strafbar gemacht. Bis zur endgültigen Verurteilung gilt die Unschuldsvermutung. Wer also meint, Herr Wulff habe sich in irgendeiner Weise strafbar gemacht, hat selbstverständlich die Möglichkeit, gegen diesen Strafanzeige zu erstatten. Darüber hinaus können der Bundesrat und Bundestag eine Präsidentenanklage vor dem Bundesverfassungsgericht anstrengen. Doch weil das alles sehr mühsam ist, lange dauert und vermutlich kaum von Erfolg gekrönt sein wird, kann man sich natürlich auch auf seine Pressefreiheit bzw. sein Versammlungsrecht berufen und selbst ein Urteil fällen: Wenigstens moralisch hat Wulff sich „strafbar“ gemacht, auf jeden Fall muss er daher zurücktreten. Und wenn nicht das, ist er Bundespräsident auf Bewährung. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen, das Urteil ist gesprochen.

In was für einem Land leben wir eigentlich, mag so mancher Bürger denken und sich dabei die Haare raufen. Hat ein Bundespräsident, der so vehement auf sein Persönlichkeitsrecht pocht wie Herr Wulff, überhaupt eine Chance, zu bestehen? Sollte dies zutreffen, dass die BILD beabsichtigte, höchst persönliche und intime Details über Wulffs Privatleben zu veröffentlichen – was nun wirklich nicht das erste Mal in der Geschichte dieses Verlages wäre – wäre es absolut in Ordnung, wenn dieser versucht, das zu unterbinden. Auch die Presse hat persönliche Grenzen zu achten. Tut sie das nicht, kann ein Strafantrag folgen, und die Ankündigung eines Strafantrages ist keine Drohung. Das ist das gute Recht eines jeden Staatsbürgers. Dass er darüber hinaus im Vorhinein versucht, eine solche Berichterstattung, die seine Privatsphäre tief verletzt, zu verhindern, ist ebenfalls in Ordnung. Genau dies wird Wulff aber wiederum zum Verhängnis: Von einer Missachtung der Meinungs- und Pressefreiheit ist die Rede. Und wie könne der oberste Mann unseres Staates, der nicht einmal das Grundgesetz achtet, denn noch länger im Amt bleiben? Egal wie Wulff sich verhält, es ist fast aussichtslos und er kann es nur falsch machen. Wer Böses im Sinn hat, kann dies ein bisschen als Kochrezept für die Entfernung ungeliebter Politiker begreifen: Eine Prise zu persönliche Berichterstattung, ein Esslöffel Verhinderung der Veröffentlichung, ein Schuss „Aber meine Grundrechte!!!“ und schon haben wir den Salat. So wichtig die Rolle der Medien in der Demokratie auch sein mag, so viel Macht dürfen sie nicht haben. Doch genau diese Macht nehmen sich manche einfach, und ob man die BILD hier guten Gewissens ausnehmen darf, bleibt zu bezweifeln.

 

Was in den Medien nicht existiert, gibt es nicht

Dazu kommt ein Effekt, der in unserem Land leider weit verbreitet ist und immer wieder und zu Recht zu Unmut bei betroffenen Beteiligten führt: Ein Problem, das in den Medien nicht existiert, gibt es nicht. Dementsprechend gibt es nur, was in den Medien bzw. weiter gefasst im öffentlichen Bewusstsein existiert. Dies kann man sich zwar zunutze machen, doch kann auch zum Verhängnis werden. Und dort liegt auch die starke Parallele zwischen der Anti-Vergewaltiger- und der Anti-Wulff-Demo. Wenn einer anfängt, einen Stein zu werfen, machen alle mit. Nicht selten führt das fast zu Pogromstimmung, begründet durch die Versammlungs- und Meinungsfreiheit, wie in diesen beiden Fällen. Wulff befindet sich in einem Kreuzverhör, das teilweise an Absurdität kaum zu überbieten ist. Kostenlose Übernachtungen bei Freunden werden ihm negativ vorgehalten. Er hat plötzlich Fragen zu beantworten, wer seine erste Hochzeit bezahlt hat und wer seine zweite, ob er Unterhalt für seine Mutter bezahlt hat und welche Kleider seiner Frau geliehen waren. Beantwortet er sie nicht, hat er selbstverständlich etwas zu verheimlichen. Nun würde sogar der ein oder andere Wulff-Kritiker einsehen, dass letztere Fragen lächerlich und zu privat sind. Doch wer entscheidet, was Wulff der Öffentlichkeit preisgeben muss und was nicht? Schon scheiden sich wieder die Geister und der Willkür sind einmal mehr Tür und Tor geöffnet.

Dabei könnte dies jedem Politiker „passieren“, ob berechtigt oder nicht. Auf die gleiche Art und Weise wurden Horst Köhler und Karl-Theodor zu Guttenberg aus dem Amt befördert, und genauso könnte man beispielsweise mit Angela Merkel, Frank-Walter Steinmeier und Guido Westerwelle verfahren. Es ist nicht so wichtig, ob sich nun jemand etwas zu Schulden hat kommen lassen oder nicht, der Anschein genügt. Und der Anschein kann auch einfach medial hergestellt sein. Da kann sich fast glücklich schätzen, wer gerade nicht negativ im Mittelpunkt der Medien steht. Denn was in den Medien nicht existiert, gibt es nicht.

 

Peinlich für das ganze Land

Es mag sein, dass es auch Herr Wulff nicht immer 100 % genau mit der Legalität oder – weil es darum ja eigentlich geht – Legitimität genommen hat. Es mag sein, dass der Anruf bei Herrn Diekmann irgendwie dumm und ungeschickt war. Und es mag sein, dass nicht jeder mit allem einverstanden ist, was er tut und getan hat. Doch wer ernst zu nehmende Einwände gegen Herrn Wulff als Bundespräsident, Politiker oder einfach nur Mensch hat, kann das Gericht anrufen. Dies steht jedem frei. Dies ist die angemessene Art und Weise, in einem Rechtsstaat, der die Würde des Menschen als höchstes Rechtsgut im Grundgesetz verankert hat, mit möglichen Rechtsverstößen umzugehen. Das derzeitige Vorgehen jedenfalls ist peinlich, nicht nur für Christian Wulff und Kai Diekmann, sondern für das ganze Land.

Vielleicht sollten wir uns endlich mal wieder Themen widmen, die wirklich wichtig für unser Land sind. Weihnachten ist zwar schon ewig, aber erst zwei Wochen her. Damals sagte Wulff selbst, was wichtig ist: „Europa ist unsere gemeinsame Heimat und unser kostbares Erbe. Es steht für die großen Werte der Freiheit, der Menschenrechte und der sozialen Sicherheit. … In unserem Land gibt es aber keinen Platz für Fremdenhass, Gewalt und politischen Extremismus. … Wir schulden uns allen Wachsamkeit und die Bereitschaft, für unsere Demokratie und das Leben und die Freiheit der Menschen in unserem Land einzustehen.“ Dies gilt nicht nur für den Umgang mit den Taten der Zwickauer Terrorzelle, sondern auch mit den Persönlichkeitsrechten unserer Mitmenschen. Egal, ob dies nun den Partner, den Nachbarn oder eben den Bundespräsidenten betrifft. Das fängt im Alltag und Kleinen an und hängt von jedem einzelnen ab.

 

Titelbild: (c) Gerd Altmann / pixelio.de