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Das ist Merkels BND-Affäre

Seit bald zwei Jahren werden wir von unserer Bundesregierung vorgeführt. Manch einer mag behaupten, das geht schon wesentlich länger, aber lassen wir die Polemik einen kleinen Moment zur Seite.

Seit dem Beginn der Snowden Enthüllungen wird uns eine lückenlose Aufklärung versprochen, dessen was die Geheimdienste in unserem Land treiben. Seither wird uns vorgegaukelt, es kümmere irgendjemanden, was mit unseren Grundrechten und unserer Privatsphäre geschieht. Seit Beginn der Spionage-Affäre hat sich auch angedeutet, dass der BND darin sehr viel tiefer verwickelt ist, als gedacht.

Wir wurden an unzähligen Stellen belogen

Nun, da sich das ganze Ausmaß entfaltet, wird gleichzeitig offenbar an wie vielen Stellen wir auch im Anschluss belogen wurden. Als Angela Merkel versicherte, dass die Amerikaner sich auf deutschem Boden an deutsches Recht halten würden, war das schlicht falsch. Das geht aus dem Mail-Verkehr hervor, den die Süddeutsche veröffentlicht. Das No-Spy-Abkommen, das uns zur Beschwichtigung hingehalten wurde, wurde in dieser Form nie diskutiert oder versprochen. Als Berater zur Aufklärung in die USA flogen, ging es dabei vor allem darum, wie man die Wogen der Diskussion glätten könnte.

Die Bundesregierung behindert aktiv die Aufklärung des Geheimdienstskandals

Und auch nun im BND-Skandal verspricht man uns Aufklärung. Während die Kanzlerin also verlauten lies, dass Abhören unter Freunden gar nicht ginge, lauschte die eigene Unterabteilung des BND zusammen mit der NSA bei den Franzosen. Dazu verliest Steffen Seibert Mal für Mal sorgsam formulierte, nichtssagende Pressemitteilungen. Bei Fragen verweist das offizielle Sprachrohr der Kanzlerin darauf, dass man nichts weiter sagen könne. Alles Weitere soll im zahnlosen Parlamentarischen Kontrollgremium geklärt werden, unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Stets wird von Aufklärung gesprochen und noch im selben Satz auf die Geheimhaltung der betroffenen Dokumente verwiesen. Tatsächlich wurde bislang kein Schritt Richtung Aufklärung unternommen. Die Arbeit des NSA-Untersuchungsausschuss wurde sogar aktiv behindert, in dem man eine Einladung Edward Snowdens zu verhindern wusste.

Es sind schon Bundeskanzler wegen weniger Spionen zurückgetreten

Nun versucht man einen Geheimdienstkoordinator, Kanzleramtsminister oder Innenminister als Bauernopfer zu positionieren, um den Skandal abermals zu beschwichtigen. Das bringt uns aber nicht weiter. Schließlich weist die Verantwortung inzwischen viel höher. Es ist Merkels BND-Affäre. Aber zunächst brauchen wir tatsächlich endlich eine Aufklärung und viel wichtiger eine Änderung der Zustände: Das anlasslose Ausspionieren unseres Privatlebens muss aufhören.

Im Zuge dessen kann man sehen welche personellen Konsequenzen gezogen werden müssen. Aber, Polemik wieder an, es sind schon Bundeskanzler wegen weniger Spionen zurückgetreten. [Tweet this]

Bild: CC-BY-2.0 EPPofficial
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ieser Artikel erschien zunächst in der Allgemeinen Zeitung

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Geheimdienste außer Kontrolle

Der deutsche Untersuchungsausschuss der NSA-Affäre hat große Angst vor Whistleblowern. Dabei verdankt er seine Existenz dem Whistleblower Edward Snowden. Aber auch den möchte man lieber nicht dabei haben und windet sich ihn als Zeugen einladen zu müssen.

Danke Snowden, aber mach das nicht nochmal!

Noch größere Angst hat man vor Whistleblowern aus den eigenen Reihen. Die Bundesregierung hat nun einzelne Vernehmungen als streng geheim eingestuft. Kanzleramtsminister Peter Altmeier hat öffentlich mit einer Anzeige und Strafverfolgung gedroht, sollten noch einmal sensible Informationen aus dem Ausschuss nach außen gelangen. Diese Absurdität muss man sich mal vor Augen führen: Da setzt man einen Untersuchungsausschuss ein, um aufzuklären, aber nichts davon soll an die Öffentlichkeit.

Geheimdienste Kontrolle, zahnloser als ein Ameisenbär

Leider hat das bei der „Kontrolle“ der Geheimdienste System. Das parlamentarische Kontrollgremium, das normalerweise die geheimdienstlichen Tätigkeiten überwacht, ist zahnloser als ein Ameisenbär. Zwar hat es theoretisch das Recht seine Nase in alle Angelegenheiten der Geheimdienste zu stecken, ist aber praktisch vom Auskunftswillen der Dienste abhängig.

Die Gefahr dabei etwas Brisantes zu erfahren ist in etwa so hoch, wie in der Fußgängerzone von erwähntem Ameisenbär angefallen zu werden. Und sollten sie doch einmal etwas erfahren, ist ihnen nicht gestattet damit an die Öffentlichkeit zu treten.

Dabei sind die Mitarbeiter und Vorsitzenden der Geheimdienste nicht demokratisch gewählt. Sie überdauern im Zweifel die Amtszeiten vieler Politiker und unterliegen keiner öffentlichen Kontrolle.

Geheimdienst Kotrolle: Zahnlos wie ein Ameisenbär

Geheimdienste haben demokratische Prinzipien außer Kraft gesetzt

In Laura Poitras Dokumentation „Citizenfour„, besucht sie neben Edward Snowden auch ein Gerichtsverfahren in den USA. Mit diesem versuchen einige Bürger sich gegen die Überwachung durch ihren Staat zu wehren. Der Staatsvertreter bringt zu seiner Verteidigung an, dass man die Angelegenheit doch besser der Legislative und Exekutive überlassen soll. Als der Richter nachfragt, ob man ihn als Judikative und dritte Gewalt im Staat damit ausschließen möchte, reagiert der Regierungsvertreter ertappt und antwortet ausweichend. So weit sind wir: Die Geheimdienste haben die demokratischen Prinzipien außer Kraft gesetzt, werden nicht kontrolliert und Verfahren finden im Verborgenen statt. Währenddessen können sich die Geheimdienste weiter wie ein Krebsgeschwür unkontrolliert in der Gesellschaft ausbreiten.

Titelbild: BND-Quartier in Berlin, CC BY-NC-SA 2.0 Andreas Levers
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ild: Ameisenbär im Zoo, CC BY-NC-ND 2.0 zutaten

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Snowden-Enthüllungen: Es ist zum Verzweifeln

Durch einen Fehler in der Produktion erschien meine erste Kolumne in der Allgemeinen Zeitung gleich zweimal. Darin ging es um die Post-Snowden-Ära und wie es ist mit dem Wissen zu leben, überwacht zu werden. Und eigentlich könnte sie noch ein drittes Mal erscheinen, denn seither hat sich  nichts geändert.

Über ein Jahr nach den Snowden-Enthüllungen hat sich nichts geändert

Über ein Jahr nach den ersten Snowden Enthüllungen leben wir immer noch mit dem Wissen, überwacht zu werden. Man kann sich die Finger wund schreiben und es tut sich nichts. Einige tun das auch. Sascha Lobo hat seit den Snowden-Enthüllungen jede seiner Kolumnen bei Spiegel Online der Überwachungsdebatte gewidmet, ein weiterer Spiegel Online Redakteur twittert automatisiert wöchentlich seine Artikel zu den Überwachungsprogrammen Prism und Tempora mit den Worten „Immer noch wahr“.
Eben weil sich nichts geändert hat. Daraus spricht eine gewisse Verzweiflung, aber auch Wut.

Wut, dass sich so wenig getan hat. Dass unsere Regierung so wenig tut. Dass sie sich nach einem Jahr mit viel Hin und Her gerade einmal dazu durchgerungen hat, in dem Fall von Merkels Handy-Überwachung zu ermitteln. Währenddessen bleibt die Überwachung von Millionen Bundesbürgern ohne Konsequenzen.

Wut mit ansehen zu müssen, wie ein Überwachungsapparat ausgebaut wird

Es ist diese Wut darüber, dass man zusieht, wie ein Überwachungsapparat ausgebaut wird, der die Tätigkeiten der Stasi mit ihren begrenzten Mitteln fast dilettantisch wirken lässt. Dass unsere Regierung stattdessen sogar akzeptiert, wenn die USA grundsätzliche demokratische Rechte aushebelt.

Und dann bringen auch Sie mich noch zum Verzweifeln, genau Sie lieber Leser. Denn offensichtlich ist einem Großteil der Bürger schlichtweg egal, dass sie digital überwacht werden.

Was, wenn ihre Postkarten gespeichert würden?

So wie Sie es vermutlich zu Recht verwunderlich fänden, wenn ein Geheimdienstmitarbeiter den Inhalt all Ihrer Postkarten speichern würde, akzeptieren Sie es derzeit im Digitalen mit der E-Mail. Dabei gäbe es hier die Möglichkeit sich zu wehren. Eine E-Mail-Verschlüsselung einzurichten ist nicht schwer. Aber selbst wenn ich Ihnen jetzt rate einen anderen SMS-Ersatz als Whats-App herunterzuladen, werden es vermutlich die Wenigsten tun.

Zum Jahrestag der Snowden-Enthüllungen gab es einen Aktionstag, der den Nutzen von Verschlüsselung propagieren sollte. Das Echo war verhalten. Dabei wäre ein konsequenter Einsatz von verschlüsselter Kommunikation ein wirksamer und vielleicht der einzige Weg, um sich gegen die Überwachung zu wehren. Aber die Wenigsten tun es. Da kann man verzweifeln und wütend werden. Und mir bleibt wohl nicht viel anderes übrig, als mir die Finger wund zu schreiben.

Bild: CC-BY 2.0 Thierry Ehrmann
Dieser Text erschien zunächst in der Allgemeinen Zeitung

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Leben in der Post-Snowden-Ära

Wie lebt es sich mit dem Wissen überwacht zu werden? Was man früher im Geschichtsunterricht mit Blick auf die Stasi-Zeit nur schwer nachvollziehen konnte, erleben wir heute alle am eigenem Leib. Und zunächst ändert sich gar nicht so viel. „Heute schon was für die NSA gepostet?“, witzelt man über die eigenen Facebook-Aktivitäten und versteckt hinter diesen Witzen doch nur die eigene Machtlosigkeit. Doch auf zweiter Ebene passiert noch etwas anderes: Langsam überlegt man sich: Was kann ich noch schreiben, was kann ich noch sagen, wenn ich weiß, dass alles im Zweifel gegen mich verwendet wird?

Manche mögen sagen, dass man sich das immer schon hätte überlegen sollen, denn im Prinzip ist alles, was man ins Netz stellt nur einen Klick von privat zu öffentlich entfernt. Aber was aktuell passiert, geht viel weiter. Führt der Urlaub im falschen Land dazu, dass ich auf einer Liste lande, von der nicht weiß, warum sie existiert? Verweigert man mir beim nächsten USA Besuch eventuell die Einreise aufgrund eines kritischen Kommentars? Das ist das wirklich Perfide. Wir alle entwickeln eine Schere im Kopf, die uns nicht mehr so frei kommunizieren lässt, wie vorher. Sollte sich nichts an der massiven Überwachungssituation ändern, haben uns Endwards Snowdens heldenhafte Enthüllungen im ersten Schritt unfreier gemacht als zu vor, weil wir anfangen uns selbst zu zensieren. Das ist einer Demokratie unwürdig.

Dies war meine erste Netzfeuilleton-Kolumne für die Allgemeine Zeitung