Vergangene Woche gerieten einige oder schlicht die Medien in die Kritik für die Darstellung des Trauermarsches in Paris. Das meistverbreitete Bild erweckte den Eindruck die Staatschefs aus aller Herren Länder hätten den Gedenkzug durch die französische Hauptstadt angeführt.
Die etwas andere Perspektive
Eine etwas andere Perspektive zeigte, dass sich Merkel & Co. in Wirklichkeit getrennt vom Volk aufgestellt hatten und der übrige Pöbel erst sehr viel später die Straße entlang lief.
Natürlich machte das Aufklärungsbild mit zahlreichen Lügenpresse-Rufen die Runde.
Endlich bekannt – sogar für Wikipedia
So weit, dass Kai Gniffke, Chefredakteur von ARD-aktuell, sich genötigt sah in harschem Ton einen Blogbeitrag auf tagesschau.de zu veröffentlichen. Dieser Blogbeitrag führte dazu, dass in seinem Wikipedia Eintrag nun steht:
[quote_box_center]Bekannt wurde Gniffke in den Medien Anfang 2015 durch einen ausfallenden Kommentar, als öffentlich wurde, dass die ARD bei ihrer Berichterstattung zu dem Terroranschlag auf das Redaktionsbüro von Charlie Hebdo am 7. Januar 2015 verschwiegen hatte, dass das Foto, welches die Staats- und Regierungschefs beim Trauermarsch zeigte, eigentlich in einer Seitenstraße in Paris aufgenommen wurde, und nicht während des eigentlichen Trauermarsches.[/quote_box_center]
Es vor allem der Ton, der vielen an Gniffkes erstem Blogbeitrag aufstieß und so entschuldigte er sich dafür auch in einem zweiten. Mir macht aber eher etwas ganz anderes Gedanken: Das Selbstverständnis, das die tagesschau mit diesem Satz durchblicken ließ:
[quote_box_center]Aber es ist doch so: Wenn sich Politiker vor eine Kamera stellen, ist das immer eine Inszenierung, jede Pressekonferenz ist eine Inszenierung. [/quote_box_center]
Wie Niggemeier es nannte: Die „Tagesschau“. Wo man schöne Inszenierungen nicht blöd hinterfragt.
Privatvorstellung im Medienzirkus
Natürlich setzen Politiker alles daran, sich in einem möglichst guten Licht zu inszenieren. Und natürlich wird ein Großteil des Zirkus überhaupt nur für die Medien veranstaltet. Aber es ist doch nicht die Aufgabe der Medien bei der Aufführung auch noch zu helfen. Vielmehr sollten Medien eine solche Inszenierung doch möglichst häufig hinterfragen und aufdecken.
Denn ja, jede Pressekonferenz ist eine Inszenierung, aber die meisten Zuschauer waren noch nie auf einer Pressekonferenz und werden es vermutlich auch niemals sein. Die absolute Mehrheit des Publikums weiß also nicht, wie eine Pressekonferenz überhaupt aussieht und was man daran inszenieren kann.
Der Journalist sollte sich doch nicht als Teil der Inszenierung verstehen. Ansonsten muss er sich auch nicht wundern, wenn die eigene Publikation als „Systemmedium“ beschimpft wird. Den in dem Fall wird er tatsächlich, unüberlegt oder nicht, zum Teil der Inszenierung und damit dem System der Politik.
Wie nah sind die Politiker
Natürlich zeigt kein Bild(ausschnitt) die ganze Wahrheit, aber jedes Bild transportiert eine andere Botschaft. Und dabei sollte man sich öfter Fragen: „Cui bono?“ – Wem nutzt diese Darstellung?
Und gerade die beiden Bilder oben, deshalb auch ihre rasante Verbreitung, könnten unterschiedlich nicht sein. Das „inszenierte“ Bild zeigt die Staatschefs, wie sie angeblich den Marsch der Millionen von Paris anführen, wie sie sich (fast schützend) vor die Bevölkerung stellen.
Aus einem leicht veränderten Winkel zeigt sich ein ganz anderes Bild: Eine Gruppe von Politikern unter sich, im wahrsten Sinne des Wortes distanziert vom Volk .
Der Journalist ist das Auge des Publikums
Warum dieser Ausschnitt in der 20 Uhr Tagesschau nicht gezeigt wurde erklärt Gniffke so:
[quote_box_center]In dem Bericht in der Tagesschau um 20Uhr war der Sicherheitsabstand nicht zu sehen, weil er normal ist, weil es diesen Sicherheitsabstand bei jedem Auftritt von so vielen Staatschefs gibt.[/quote_box_center]
Sorry, ich weiß nicht was bei einem Auftritt von so vielen Staatschefs normal ist. Ich war nämlich noch nie bei einem Auftritt von so vielen Staatschef dabei. Deshalb verlasse ich in dem Fall auf Journalisten und Korrespondenten. Sie sollten das Auge des Publikums vor Ort sein. Und ich hoffe, dass dieses Auge möglichst wachsam ist und sich gründlich umschaut.
Titelbild: CC BY-NC-SA 2.0 Jeremy Kunz