Kategorien
Bewegen & Beschäftigen Gesellschaft Wort

Was ich von Unternehmen & PR erwarte

Morgens, kurz vor dem Aufwachen, streckt sich eine Hand aus meinem Bett, fischt  blind nach dem Macbook, zieht es liebevoll auf die Matratze und klappt es auf. Blasser Bildschirmschein weckt mich auf und sofort bin ich mittendrin. Tweets prasseln auf mich ein, E-Mails werden gecheckt: Was hat sich getan in den letzten 6-8 Stunden?
Ich bin ein Medienjunkie, genauer ein „neue Medien“-Junkie, auch Digital Native gennant.
Der Gedanke ein physisches Lexikon aufzuschlagen erscheint mir absurd, das gedruckte Telefonbuch vergilbt auf der Toilette, denn online finde ich alles schneller und genauer. Und so bestimmt das Internet auch mein Leben: Was ich abends kochen kann sagt mir chefkoch.de, wo ich etwas trinken kann qype.de, welchen Film ich mir anschauen sollte moviepilot.de. Falsch wäre es allerdings zu sagen, ich überließe  diese Entscheidungen einem Algorithmus. Nein, all das was ich im Social Net finde, sind die Meinungen von Menschen, die ein Algorithmus lediglich für mich sortiert.

Das Netz hilft einordnen

Wie früher sind es auch heute noch die Meinungen anderer Menschen mit spezifischen Erfahrungen, die relevant sind. Zum Beispiel, kann mir ja nur der Freund sagen, ob ein Film gut ist, der er ihn gesehen hat. Das Netz hilft mir nun aber, den Wert dieser Meinung für mich persönlich einzuordnen: Zum Beispiel gleicht Moviepilot nun ab, was der Freund noch gesehen hat, wie es ihm gefallen und ob unser Filmgeschmack entsprechend zusammen passt. Je nachdem steigt die Wahrscheinlichkeit, dass meine Meinung über den Film mit der meines Freundes übereinstimmt. Und wie man sich früher in der Tageszeitung möglichst einen Kritiker gesucht hat, der dem eigenen Geschmack entspricht, kann ich dadurch einsortieren, ob der Freund in Fragen Filme reliabel für das eigene Geschmacksempfinden bleibt. Daraus ergibt sich ein Netzwerk von Personen, die für mich zu persönlichen Experten auf einem bestimmten Gebiet werden.
Als Folge daraus habe ich ein auf mich zugeschnittenes Informationsnetzwerk, dass mir in der Flut der Masse die Informationen zugänglich macht, die mich interessieren. So lässt es sich auch erklären, dass, obwohl ich Medien- und News-Junkie bin,ich inzwischen eher selten die Startseite von Spiegel-Online aufrufe. Diese wird mir zu sehr von dem sich gefühlt täglich weiter emporstrebenden Boulevard-Ressort eingenommen. Dennoch kann ich sicher sein, dass relevante Artikel oder Meldungen mich erreichen. Via Twitter, Facebook oder Rivva, bekomme ich die wichtigsten Meldungen in Echtzeit und kann sicher sein, dass ich dieselbe Wissensgrundlage habe, wie alle in meinem Netzwerk. Ich stelle mir meine Informationen selbst zusammen, auf mich zugeschnitten und nicht mehr ich muss zu den jeweiligen Nachrichten gehen, sondern die Nachrichten kommen zu mir.

Das beste Produkt setzt sich durch

Was müssen jetzt Unternehmen in dieser, meiner Welt leisten? Zunächst einmal müssen sie gute, am besten hervorragende Produkte machen. Der potentielle Kunde mit seinen Bedürfnissen muss absolut im Fokus stehen. Im Internetzeitalter wird quasi jede Produktentscheidung, gemessen an früheren Maßstäben, mit high envolvement getroffen. Eine Eingabe in Google und ich finde Produkttest, Vergleiche und Meinungen zu allem. Es kann sich also nur das beste Produkt durchsetzen und PR-Nebel hilft in diesem Konkurrenzkampf relativ wenig. Dazu fällt auch mir nur wieder das leidige Beispiel Vodafone ein, die mit einer Riesenkampagne versuchten die „Generation Upload“ zu gewinnen, dabei jedoch vergaßen konkrete Angebote an die Zielgruppe zu machen. Dabei verfolgte eben diese die Entwicklung mit durchaus großem Interesse und waren gespannt was ihnen der Kommunikationsriese zu bieten hätte. Es gab aber nur einen bunten Werbespot. In der Konsequenz wurde auch das tarifliche Angebot genau inspiziert und dann auseinandergenommen, weil es die angesprochene Zielgruppe nicht traf. Während derselben Zeit senkte O2 einige seiner Preise und schnitt seine Tarife besser auf mobile Onliner zu und schaffte es so, ganz ohne Kampagne an vielen Stellen positiv erwähnt zu werden. Das Netz verpflichtet also zu guten Produkten.
Was ein Unternehmen darüber hinaus tun muss, dass ich mich als „Fan“ auf Facebook oute, oder ihm zum Beispiel auf Twitter folge? Nun das Unternehmen, oder die Marke will sich in eine Reihe mit meinen Freunden stellen, also verlange ich von ihm auch das, was ich von einem Freund erwarte. Wie oben erwähnt sind meine Anforderungen, an mein Informationsnetzwerk sehr hoch, die muss zwangsläufig auch das Unternehmen erfüllen; mit Pressemitteilungen wird das kaum getan sein. Entweder also das Unternehmen ist wichtig für mein tägliches Leben und bietet dafür die besten Informationen, oder ich werde mich wohl kaum mit ihm „anfrienden“.

Wer mein Freund sein will, muss ein Freund sein

Was muss es noch bieten? Als „Friend“ muss ich ihm Vertrauen können. Das wir heutzutage Unternehmen Vertrauen schenken, ist dabei keineswegs mehr absurd, denken wir nur an Google. Menschen vertrauen Google privateste Daten an, die, fordert der Staat sie zum Beispiel in Form einer Vorratsdatenspeicherung, dieselben Menschen auf die Barrikaden treibt. Google hat es geschafft für viele Menschen vertrauenswürdiger zu sein als Vater Staat.
Wie erreich ein Unternehmen solches Vertrauen? Es kann natürlich nicht jedes Unternehmen Google sein, aber einerster Schritt in Richtung Vertrauen ist Transparenz, Transparenz und Offenheit. Unternehmen den ich etwas (an)vertraue, stehen unter akuter und erhöhter Beobachtung. Ein Fehler und noch schlimmer ein nachfolgender Fehler in der Kommunikation und die Kunden sind weg und bei der Konkurrenz. Deshalb Transparenz. Geschieht ein Fehler, sollte ein Unternehmen so weit wie möglich uneingeschränkte Verantwortung übernehmen, offen und ehrlich erklären, wie es dazu kommen konnte und sich angemessen entschuldigen (Alte PR-Regel, oder?). Egal, ob es sich um einen Einzelfall oder eine größere Panne handelt. Schließlich kann im Netz sofort aus jedem unglücklichen Einzelfall eine größere Krise entstehen, denken wir nur an den Sportartikel Hersteller Jako oder Jack Wolfskin. Hier hilft nur schnelles und ehrliches Vorgehen. Den das Netz ist gleichzeitig so schnelllebig, dass es in seinem neuesten Trend eigentlich von Unternehmen verlangt jederzeit eine Echtzeitstellungnahme abgeben zu können. Bleibt diese aus oder wird erste Tage später, nach aufwändiger interner Abstimmung, veröffentlicht ist die Aufmerksamkeit längst 150 Millionen Tweets weiter, nur  der Imageschaden bleibt (be)stehen. Schnelle offene Kommunikation also, aber Kommunikation reicht nicht. Der Begriff Kommunikation, kann und meint in der PR auch oft eine einseitige Beziehung von Sender und Empfänger. In meinem Freundesnetzwerk verlange ich aber einem Dialog. Niemand hat schließlich Freunde gerne, die stets nur von sich erzählen und einen nicht zu Wort kommen lassen. Der wichtigste Schritt dazu ist erst einmal die Erreichbarkeit. Was nützt mir ein Freund, dem ich von einem Problem erzählen möchte, wenn ich nicht erreichen kann? Ein Unternehmen sollte also, will es eine Beziehung oder Bindung zu mir aufbauen, erreichbar sein, am besten auf allen Kanälen die ich nutze, um stets den kürzesten Weg zu sichern. Zum Beispiel über Twitter, hier ist die Kommunikation einfach und 140 Zeichen sind schnell geschrieben.

Ein Freund hört zu

Ein guter Freund sollte auch zuhören. Wie hört man als Unternehmen zu? Genau, wie als andere Mensch auch, dem folgen, was der andere sagt. Ich freue mich zum Beispiel wenn ich einen belanglosen Tweet absetze mit: „Wow, das Produkt XY ist aber echt toll, macht Spaß damit“ und ich bekomme eine Anwort von dem Unternehmen das schreibt „Danke, @netzfeuilleton. Freut uns, dass dir unser Produkt gefällt.“ Mag sein, dass andere Zeitgenossen das schon wieder als SPAM betrachten; ich persönlich finde es nett, denn es zeigt mir, dass man mir zuhört. Noch netter ist es natürlich wenn eine Antwort auch kommt, wenn ich mich nicht über Produkt XY freue, sondern mich ärgere und man mir dann schnelle und unkomplizierte Hilfe anbietet. Es ist ganz einfach, es ist menschlich. Unternehmen müssen auf ihre soziale Komponente setzen oder diese ausbauen, schließlich heißt es Social Network.
Gehen wir noch einen Schritt weiter. Als Blogger und aktiver Twitterer erreichen mich immer wieder Unternehmen, die nicht nur möchten, dass ich sie gut finde, sondern das auch öffentlich weitergebe. Mehrere PR-Mails am Tag trudeln ein mit der Bitte, die folgende Information in meinem Blog netzfeuilleton.de zu veröffentlichen. Antwort: Nein. Ein Blog ist immer, auch wenn es mit teilsprofessionellen Anspruch gestaltet wird, eine sehr persönliche Sache. Hier bestimme ich, zusammen mit meinen anderen Autoren, was veröffentlicht wird und das ist vor allem das, was uns persönlich interessiert. Das schöne ist, dass wir nicht unter dem Druck stehen, wie beispielsweise eine Zeitung, jeden Tag eine gewisse Anzahl Seiten zu füllen, sondern wir müssen nur so viel veröffentlichen, wie wir für richtig halten ist. Eine PR-Meldung gehört selten zu dem, was wir für wichtig halten. Schon gar nicht, wenn sie mit den Worten beginnt: „Liebe Medienpartner…“. Solche eMails werden nicht einmal geöffnet. Startet eine ungefragte Mail dagegen mit „Lieber Herr Kucharz, wie ich in Ihrem Weblog netzfeuilleton.de gesehen habe, beschäftigen Sie sich mit Medien & Kultur.“ So eine Anrede führt wenigstens dazu, dass ich die Mail bis zu Ende lese. Wird dann noch ein konkreter Artikel von mir erwähnt, fühle ich mich geschmeichelt. Ihr Pressemitteilung veröffentliche ich trotzdem nicht. Schließlich gibt es unter Bloggern auch so etwas wie einen Ehrencodex, ich schreibe dort unter meinem eigenen Namen und muss jederzeit persönlich dahinter stehen können, denn das Internet vergisst auch nicht. Wenn Sie also möchten, dass ich über Ihr Produkt schreibe, dann senden Sie es mir zu. Wenn es den Themenbereich trifft und ich gerade Zeit habe, erhalten Sie im Austausch eine ehrliche Meinung. Ja, eine ehrliche, unabhängige Meinung, schließlich lautet unser Slogan Medien, Meinung, Kultur. Sind Sie an meiner echten Meinung nicht interessiert und möchten lieber in rein positivem Glanz auf meinem Blog erscheinen, bleibt ihnen immer noch gerne die Möglichkeit Werbung zu buchen. Soll ich möglichst schön über ihr Produkt schreiben, bleibt immer noch mein Hinweis vom Anfang: Machen Sie gute Produkte.

Kommunikation im Web 2.0Dieser Artikel erschien als Beitrag in der 2. Auflage von „Kommunikation im Web 2.0“  von Melanie Huber unter dem Titel „Das wünscht sich Ihre Zielgruppe“. Das Buch bei Amazon bestellen geht hier.

Kategorien
Flimmern & Sehen Großes Kino

Ein Penner mit ’ner Shotgun (Trailer)

Das Wort „Hobo“ steht im Englischen für Vagabund, Landstreicher oder Penner und „Hobo with a shotgun“ war einer der „Faketrailer“ die es ((in den USA und Kanada)) zwischen dem Grindhouse Feature aus Quentin Tarantinos „Death Proof“ und Robert Rodriguez‘ „Planet Terror“ zu sehen gab.

Wobei, Fraktrailer ist nicht mehr richtig. Dachte ich bislang, nur „Machete“ würde den Sprung vom zwei Munten Trailer auf die Kinoleinwand machen, hat sich inzwischen auch „Hobo with a Shotgun“ auf abendfüllende Länge gedehnt. Die Filmemacher um Jason Eisener hatten damals den von Rodriguez auf dem SXSW ausgerufenen Grindhouse Trailerwettbewerb gewonnen und das positive Feedback zu ihrem vigilanten Penner hat es ihnen wohl erlaubt das Projekt weiter zu verfolgen.

Die Rolle des Hobo ist  Rutger Hower zu gefallen. Hobo obliegt es in dem Film allerhand kriminelles Pack blutrünstig niederzumähen. Mörder, korrupte Polizisten, pädophile Weihnachtsmänner. Dabei hilft ihm seine Shotgun. So viel zur Story, nun zum Trailer ((Er ist „unrated“. Ich würde mal spontan sagen ab 18. Frühestens.)):

Zum Vergleich noch einmal der ursprüngliche Trailer aus dem Grindhouse-Feature. David Brunt, der hier noch den blutdürstigen Hobo verkörpern durfte, wird im fertigen Film die Rolle eines Cops übernehmen.

Einen tiefen Einblick in den Enstehungsprozess und hinter die Kulissen mit zum Beipsiel Videos zum Dreah erlauben die Macher auf ihrem Blog.

Die anderen Faketrailer, den Machetetrailer und mehr zum Grindhouse Feature gibt es hier.

[via Blogbuzzter]

-Werbung-

Was meint ihr zu dem Trailer? Sieht es so aus, als hätte Rodriguez hier ein neues Talent entdeckt oder wirkt es nur wie B-Ballerorgie mit viel roter Farbe?

mehr…

Kategorien
Großes Kino

Nolans „Inception“: Ein perfekter Moment

Erstaunlich ist das schon: Da kommt ein Film in die Kinos, ein großer, ein teurer Film, ein Sommerblockbuster mit Stars und Effekten und Explosionen – aber was ist da los: er ist kein Remake, kein Prequel und kein Sequel, er adaptiert kein Comic-Heftchen und keinen Fantasy-Bestseller, er verbrät kein Videospiel und kein Plastikspielzeug.»Inception« von Christopher Nolan ist ein echtes Original.

Früher gab es das öfter. Früher haben die Studios auch mal was riskiert, haben dem Publikum auch mal was zugemutet – einfach auch, weil sie gar nicht so recht wussten, was das Publikum eigentlich wollte. Heute verrät ihnen die Marktforschung, dass nicht mehr die Erwachsenen ins Kino gehen, sondern dass die Erwachsenen das Geld ihren Kids geben, und die gehen dann ins Kino.

Die größeren Produktionen der letzten Jahre kalkulierten deshalb risikolos mit der pubertierenden Masse, hievten einen Jugendhelden nach dem anderen auf die Leinwand; vor den Spidermännern, Zauberlehrlingen und Hellboys gab es praktisch kein Entkommen. Die Filme haben mitunter auch viel Spaß gemacht, denn sie waren Eskapismus pur; sie strapazierten den Hirnmuskel nur mit Umweg über das Feuilleton, das durchaus allerlei Subtexte und Bezüge aufspürte.

Unterdessen aber hatte ein Brite namens Christopher Nolan seine Karriere gestartet; seine Mission sollte es sein, dem Mainstreamkino wieder bereits an der Quelle Intelligenz einzuflößen, den Kommerz wieder mit der Kunst zu versöhnen. Auf seinem gar nicht so langen Weg zu den ganz großen Budgets fielen feine Filme ab:

»Following« (1998). Nach ein paar Kurzfilmen der erste Abendfüller: Ein Neo Noir in Schwarzweiß, ruhig und rätselhaft, über einen Schriftsteller, der sich, auf der Suche nach Material, an die Fersen fremder Menschen heftet und an den Dieb Cobb (!) gerät. Für wenig Geld an Wochenenden gedreht, doch Kamera, Schnitt, Buch, Schauspiel und Regie machen Eindruck.

»Memento« (2000). Nolans Durchbruch, und sofort ein Film, der seinesgleichen sucht. Ein psychologischer Noir-Thriller um einen Mann mit kaputtem Erinnerungsvermögen, rückwärts erzählt und verflucht verzwickt. Aber keine Mogelpackung wie andere Verwirr-Filme: das Puzzle funktioniert, ist eine mutige, aber rundum glückliche Heirat von Inhalt und Form. Unvergesslich. (sorry)

»Insomnia« (2002). Manchmal als schwächster Film Nolans angesehen, weil er sich wie der an Schlaflosigkeit leidende Al Pacino etwas dahinschleppt. Aber das Katz- und Mausspiel brodelt unter der verschneiten Oberfläche: der Good Cop ist nicht ganz so good, und der Mörder weiß es. »Insomnia« ist das Remake eines norwegischen Films von 1997 und wurde von Clooney und Soderbergh produziert.

»Batman Begins« (2005). Nolans Wiederbelebung des Flattermanns ist ein Paukenschlag. Wie, Batman und ein guter Film? Ohne buntes Bohei? Realistisch, düster und smart geht Nolan die Sache an, unterfüttert die Origin-Story mit glaubhaftem psychologischem Drama, bis dato unbekannt in Superheldgefilden. Das gefällt den Fans, und den Produzenten auch. Nolan stehen ab sofort alle Türen offen.

»The Prestige« (2006). Zur Hälfte Historiendrama, zur Hälfte Thriller, zur Hälfte SciFi – »The Prestige« ist mehr als die Summe seiner Teile. Die Geschichte zweier rivalisierender Illusionisten wächst in Nolans Händen zu kraftvollem, großem Kino, mit einem dicht gestrickten Drehbuch, das Haken schlägt wie ein Zauberkaninchen. Auf den zweiten Blick ist der Film eine Hommage an das Kino; seine Struktur spiegelt die Philosophie der Protagonisten und zeigt, was Kino sein kann: pure Magie.

»The Dark Knight« (2008). Der große Wurf, ein Meisterwerk im Comic-Gewand und nach Ansicht praktisch aller Kritiker Kino in Reinkultur. Selten gingen in einem Film Klasse und Kasse derart Hand in Hand: der Überflieger spielte weltweit über eine Milliarde Dollar ein. Offenbar schreckte das Sujet selbst abgeklärte Geister nicht ab; de facto versteckt sich in dieser brodelnden Tour de Force auch ein noir-mäßiges Kriminalepos voller moralischer Konflikte. Als Dreingabe: gewaltige Schauwerte, ruppige Action, schweißtreibender Suspense und vor allem Heath Ledgers genial-gemeiner Bösewicht.

Hamburg, Streit’s Filmtheater, 28. Juli 2010. Vorpremiere von »Inception«. Die Originalversion. Ausverkauft, natürlich. Zu jedem Ticket gibt’s ein Glas Sekt, sehr nobel. Vorfreude in der Luft, angeregte Gespräche an Stehtischen. Wovon handelt der Film noch mal genau? Irgendwas mit Träumen und dem Stehlen oder Implantieren von Ideen …

 

Ich habe beim Ticketkauf nicht aufgepasst; ich lande auf einer Kuschelbank mit einem Inder, der auch nicht aufgepasst hat. Leicht beschwipst erleben wir den Beginn des Films, der ohne Vorwarnung einsteigt in irgendwelcher Leute Träume. Schauplätze wechseln unvermittelt, Dialoge hinterlassen nichts als Fragezeichen, alles geht plötzlich zu Bruch, dann wachen die Leute auf … und wachen kurz darauf noch einmal auf. Hm? Moment mal. Während die Promille langsam abebben, dämmert es mir: »Verdammt, dieser Film ist cleverer als ich!«

Welch ein schönes Gefühl. Zu sehr zur Gewöhnung geworden war das formlose Mainstream-Angebot, das man auch noch während einer warmen Mahlzeit und leicht sediert genießen konnte (oder sollte). Bei Nolan sei man besser ausgeschlafen; jedes Essen würde kalt werden, das Trinken verkneife man sich, denn ein schlecht getimter Toilettenbesuch kann verheerende Folgen haben. Raum für Ruhepausen findet sich nicht in Nolans Dramaturgie; den Platz zwischen Schlüsselszenen füllen noch mehr Schlüsselszenen: Jede Einstellung zählt, jedes Wort hat Gewicht.

Wäre Nolan ein Komponist, seine Partitur wäre schwarz vor Noten.»Inception« ist King Crimson fürs Kino, ist ausladend, könnerhaft, schön, aber anstrengend, unverhohlen zerebral. Und wäre Nolan ein Schriftsteller, er hieße William Gibson. So wie der in »Neuromancer« dem abstrakten Konzept des Cyberspace Plastizität verleiht, erweckt Nolan ein kolossales Gedankengebäude zum Leben.

Und das ist keine Spielerei. Ohne auf ein Vorwissen des Zuschauers oder Genre-Konventionen zurückgreifen zu können, muss Nolan eine ganze Welt in den Köpfen des Publikums etablieren. Zwar gibt es Anklänge an Heist Movies, an Bondfilme und Wirtschaftskrimis, aber die völlig neuartigen Wege, die Nolans Erzählweise beschreitet, machen»Inception« zu seinem eigenen Genre.

Darin gibt es scharfe Prämissen, klare Spielregeln. Obgleich der dritte Akt des Films mit seiner durch vier Traumebenen karriolenden Handlung wohl eine der kompliziertesten Sequenzen der Geschichte ist, bricht Nolan zu keinem Zeitpunkt die interne Logik seines Universums. Natürlich verliert man bisweilen den Überblick: Warum landet Fischer in Cobbs Limbus? Was macht das Windrad in dem Safe? Wie haben es Cobb und Saito zurück in die Realität geschafft? Aber man erfasst stets den Impetus der aktuellen Szene und hat das Gefühl: es ist alles da, um alles zu verstehen, man muss nur genau aufpassen. Dieser Nolan weiß, was er macht.

Und dieser Eindruck ist wichtig. Die Überlegenheit des Künstlers. Die Integrität des Werkes. Wie viele dieser Mindbender-Filme sind nur einer geheimnisvollen Aura wegen fragmentiert erzählt, stellen Rätsel, die keine Lösung haben und zerfasern in ein Dickicht kryptischer Andeutungen und vager Doppelböden. Seien wir ehrlich: Kryptisch kann jeder.

Der Reiz von »Inception« beruht auch nicht auf einem Shyamalan-Twist, der die falsche Fährte effektvoll entlarvt, auf die das Publikum gelockt wurde. Twist-Filme haben den Nachteil, dass sie nur beim ersten Mal ihre Wirkung voll zu entfalten imstande sind, danach geht die Überraschung flöten. »Inception« aber ist gar nicht im Hinblick auf den Zuschauer inszeniert, seine Dramaturgie sucht das Publikum nicht zu manipulieren.

Wie außergewöhnlich das ist, muss man erst einmal realisieren: Mit keiner Szene, die man erzählt, könnte man jemandem den Film verderben. Seine komplette Handlung wiederzugeben, ist vielleicht möglich, aber sinnlos – als würde man versuchen, eine Achterbahnfahrt nachzuerzählen. »Inception« ist eine nachgerade körperliche, eine sinnliche Erfahrung; der Film aktiviert im Moment des Schauens enorme affektive Potentiale, seine Essenz existiert nicht außerhalb der Rezeption. Ein echter Film-Film.

Das Vergnügen kommt indes nicht gratis; dieser kühne Kino-Koloss möchte erarbeitet werden. Erfrischend unverfroren verlangt Nolan Einsatz von seinem Publikum; die goldene Drehbuch-Regel – »Keep it simple.« – lässt er links liegen. Sein unfasslich dicht gepacktes Konvolut lässt selbst »Memento« aussehen wie »Die Sendung mit der Maus«; es in seiner Gänze gleich zu erfassen ist derweil gar nicht das Ziel – Beethoven hört man auch mehr als einmal. Diese Flutwelle aus Informationen gewinnt mit jedem Mal an Struktur, verliert aber nicht ihre Wucht. Sie massiert die Gehirnlappen, nimmt einen ordentlich in die Mangel: Ist »Inception« zu stark, bist Du zu schwach.

Mein Kuschelnachbar ist am Kämpfen. Eine Stunde vor Schluss fängt er an, unruhig zu werden, an seinen Ärmeln herumzunesteln. Bald stößt er verzweifelte Seufzer aus und nutzt helle Szenen, um auf die Uhr zu schauen. Der arme Mensch. Ich will ihm gerade gut zureden, da hat der Bannstrahl des Films ihn sich wieder geschnappt; bewegungslos starrt er Leonardo DiCaprio an, der seinerseits gerade mächtig mit sich zu kämpfen hat.

Wann immer man ins Schwimmen gerät, man halte sich an DiCaprio. Er trägt das Gebäude des Films, an ihm ankert das emotionale Fundament, sein müheloses, ausdrucksreiches Spiel gibt der Geschichte den menschlichen Rückhalt, den sie bei all dem turbulenten Traumtaumel benötigt. Cobbs Reise eröffnet darüber hinaus philosophische Untiefen: der Widerstreit zwischen körperlicher und geistiger Existenz, das ewige Ringen mit der Zäsur des Todes, das Regiment der Technologie über unser Bewusstsein, die Unwägbarkeit der Wahrnehmung dessen, was wir Realität nennen …

Profunde Fragen. Aber Kopfkino à la Nolan sieht nicht aus wie Tarkowski. Nolan kontempliert nicht, Nolan kurbelt, feuert, peitscht. Er durchmisst das Labyrinth seiner Story mit solcher Energie und Effizienz, dass nichts mehr überrascht als ihr Tiefgang. Was in Actionfilmen als set piece bezeichnet wird – eine gleichsam in sich abgeschlossene, von den Helden zu meisternde Situation – gerät bei Nolan zu einer vollständig im Dienst der Geschichte stehenden Einheit von Suspense und Substanz, Action und Emotion.

Mit welcher Panache er diese Sequenzen umeinanderwickelt und parallel ablaufen lässt, wie behände er in dem Traumraum-Knäuel hin- und herspringt und währenddessen auch noch die Zeit manipuliert, die freilich in den einzelnen Ebenen unterschiedlich schnell abläuft – das ringt einem Respekt ab. So etwas gab es im Kino noch nicht. Und wenn man sich überlegt, dass eine solch irrsinnige narrative Struktur tatsächlich auch nur im Kino funktionieren kann, wird klar, dass wir mit »Inception« Zeugen einer neuen Facette von Filmkunst geworden sind. Die Vergleiche mit Werken wie »2001« oder »Matrix«, die zu ihrer Zeit ebenso couragiert Neuland betraten, sind deswegen nicht weit hergeholt.

Am Ende des Films geschieht etwas Erstaunliches. Die Kamera löst sich zum ersten Mal von den Protagonisten und zeigt dem Zuschauer exklusiv ein Detail der Mise-en-scène. Augenblicklich ändert sich seine Perspektive; diese eine Einstellung katapultiert ihn aus der Position des Rezipienten in die eines Interpreten. Plötzlich weiß er mehr als der Held – diese Rolle ist vollkommen ungewohnt – und die sich gerade abzeichnende, furchtbare Alternative versetzt ihn in höchste Aufregung. Tausende aufgerissene Augen starren auf die Leinwand. Auf einmal wird sie schwarz, zack. Aus der Film.

Verblüffung allerorten. In den Köpfen rattert es. Zwei Lesarten, gleich­berechtigt. Darüber wird zu reden sein. Aber erst einmal: Entspannung. Verkrampfte Finger entlassen Armlehnen aus ihrer Umklammerung, befreites Lachen erschallt, Applaus brandet auf. Es ist ein perfekter Moment. Und es ist präzise dieser Moment, in dem viele Zuschauer – sogar mein Nachbar, der sich glücklich den Schweiß von der Stirn wischt – den dringenden Wunsch verspüren, diesen Film noch einmal zu sehen. Die Idee strahlt mit solcher Kraft … und eben war sie noch nicht da. Ein Fall von ›Inception‹? Wahrscheinlich. Mr. Nolan beherrscht die Kunst, Hut ab. Davon träumen andere nur.

Dieser Artikel reflektiert Andreas Vogels (San Andreas) Rezeption von Christopher Nolans jüngstem Werk „Incpetion“. Erschienen ist er ursprünglich im Umblätterer. Der Umblätterer bewegt sich in der Halbwelt des Feuilletons und gräbt dort regelmäßig die schönsten Perlen aus. Einmal im Jahr werden dort außerdem die besten Texte mit dem Goldenen Maulwurf ausgezeichnet. Wie man oben liest, kann das Consortium aber durchaus auch selbst vortrefflich feuilletonistisch publizieren.

Bild (c): Warner Brothers

 

Kategorien
Gesellschaft Video

Zwischen Bratwurst und Sprache: Auf der Suche nach deutscher Identität

Was ist deutsch? Eine Sprache? Ein Fußballteam? Eine Bratwurst? Egal, wie wir es drehen
und wenden unweigerlich geht die Identität immer von der Konstruktion des Einzelnen aus.
Viele Deutsche stehen auf Kriegsfuß mit ihrer nationalen Identifikation, ob nun die dritte und vierte
Generation von Einwandern oder die im linken Spektrum beliebte Einstellungen nationale
Sphären lieber komplett zu negligieren.

Fakt ist: Keine andere Generation, als die der heutigen Jugend in diesem Land, hat sich so schwer getan ihren Platz im Konzept des „Deutschen“ zu finden. Unsere Großeltern, aufgezogen in einer Zeit der Rassenideologie und
des bedingungslosen Glaubens an Stahl, Ehre und Blut, lieferten eine Lösung des Problems die in
Krieg und Zerstörung endete. Die 68er trugen ihren Unmut revolutionär aus, um im Anschluss ihren
langen Weg durch die Institutionen anzutreten.
Zwar sind wir uns einig was wir nicht mehr sein wollen, doch ein Konsens eines neuen
deutschen „Wir-Gefühls“ scheint, trotz der Wiedervereinigung, bis heute außerhalb von Fußball-
und Bierkultur unerreicht.

Das videojouralistische Projekt „Deutsche Identität“ macht sich auf die Suche nach Antworten und stellt dabei nur zwei Fragen: Was ist für dich deutsch? Was würdest du an Deutschland verändern?

Drei Folgen sind bereits online, bislang wurde im Kulturpark in Wiesbaden und an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz aufgenommen und es soll noch weiter gedreht werden.

Weitere Informationen zu dem Projekt und die kommenden Folgen gibt es auf der Facebook-Seite:
VJ Projekt Deutsche Identität | Promote Your Page Too

Bild unter Zuhilfenahme von Seph Swain, der unter CC 2.0 veröffentlichte.

mehr…

Aber die zwei Fragen richte ich gerne auch an euch: Was ist für euch deutsch? Und was würdet ihr am liebsten verändern? Ihr könnt in den Kommentaren antworten oder auch selbst ein Video mit eurem Statement aufnehmen und dann hier verlinken.

Kategorien
Bewegen & Beschäftigen Großes Kino

Zum Tode Frank Gierings: If only…

Das ist natürlich ein wahnsinnig egoistischer Gedanke, aber ich hatte mir das anders vorgestellt. Ich hatte gedacht, dass ich mich mit etwa 50 Jahren darauf einstellen müsste, von den Helden meiner Kindheit und Jugend Abschied zu nehmen (von denen aus dem Plattenschrank meiner Eltern übernommenen Helden vielleicht etwas früher).

Douglas Adams starb im Jahr 2001, mit unfassbaren 49 Jahren. Elliott Smith (34) und Johnny Cash (71) starben, bevor ich mich richtig mit ihrem Werk beschäftigt hatte. Als Heath Ledger (28), Michael Jackson (50) und Stephen Gately (33) starben, verschwanden plötzlich Leute, die ich beim Aufwachsen irgendwie in meinem Sichtfeld gehabt hatte.

Jay Reatard war 29, als ich wusste (wieder so ein egoistischer Gedanke), dass ich nie eines seiner Konzerte würde besuchen können. Stuart Cable war auch gerade mal 40 — und die Stereophonics hatten mit 16, 17 schon eine große Rolle in meinem Leben gespielt.

Jetzt also Frank Giering, der Mann mit den traurigsten Augen. “Absolute Giganten”, der wohl größte Film, der einem 16-Jährigen vor die Füße fallen kann, und dessen Mischung aus Sehnsucht, Party und Melancholie natürlich all das vorwegnahm, was da im eigenen Leben noch so kommen sollte. Oder habe ich versucht, mein eigenes Erwachsenwerden durch die Kameralinse von “Absolute Giganten” zu sehen? Wie kann man denn nicht bei Sonnenaufgang auf der Rückbank eines Autos sitzen, ohne “Wie spät ist es eigentlich?” zu fragen und dabei an Frank Giering zu denken.

Es war ja nur eine Meldung, auf einer nicht gerade vertrauenswürdigen Newsticker-Seite im Internet. Keine Quellenangabe. Aber warum sollte man Falschmeldungen über Schauspieler verbreiten, die nicht gerade auf den Klatschseiten der Trashmedien zuhause sind? Also: Warten und googeln und dabei Interviews finden, die man vor der Ahnung eines viel zu frühen Todes natürlich sofort ganz anders liest. Aber was muss das für ein zerbrechlicher Mann gewesen sein, wenn man das jetzt so liest. Scheiße, wieso denn “gewesen sein”? Und dann die Bestätigungen.

Es gab in meinem Leben keine Berührungspunkte mit Frank Giering. Sebastian Schipper, den Regisseur von “Absolute Giganten”, habe ich vor acht Jahren auf der Berlinale getroffen, wobei “überfallen” vielleicht das richtigere Wort ist: Ich sah ihn von weitem, rief seinen Namen, rannte ihm aufgeregt hinterher und muss wie ein Wasserfall gewirkt haben, als ich ihm sagte, wie viel mir sein Film bedeute. (Dass Schippers weitere Filme eher so “geht so” waren, lässt das Debüt natürlich noch ein bisschen heller strahlen.) Mit Florian Lukas und Antoine Monot Jr., den anderen “Giganten”, habe ich E-Mail- und Telefoninterviews geführt, in denen ich gar nicht an “Absolute Giganten” vorbeikam. Von Frank Giering kannte ich nur diesen einen beeindruckenden Film, der ausgereicht hat, um ihn unsterblich zu machen — ein Adjektiv, das plötzlich gleichermaßen unpassend wie tröstend wirken kann.

Weißt du, was ich manchmal denke? Es müßte immer Musik da sein. Bei allem, was du machst. Und wenn’s so richtig scheiße ist, dann ist wenigstens noch die Musik da. Und an der Stelle, wo sie am allerschönsten ist, da müßte die Platte springen, und du hörst immer nur diesen einen Moment.

(Sebastian Schipper: “Absolute Giganten”, Europa Verlag Hamburg/Wien 1999)

Musik!

______________________________________________________________________________

Dieser Artikel stammt von Lukas Heinser, der auf coffeeandtv.de sehr persönlich von Frank Giering Abschied genommen hat und mir freundlicherweise erlaubt hat den Beitrag hier zu übernehmen. Lukas Heinser betreibt neben coffeeandtv.de auch das Bildblog und war zusammen mit Stefan Niggemeier in Oslo.

Frank Giering war wohl eines der größten deutschen Ausnahmetalente der Schauspielerei, erzielte seinen Durchbruch mit Michael Hanekes „Funny Games„. Sein Kultfilm „Absolute Giganten“ ist leider bei amazon im Moment nicht wirklich verfügbar.

Das Bild-Copyright liegt bei X-Film.

Kategorien
Netz &

Neues StudiVZ Design: Facebook in rosa [Update]

Netzfeuilleton.de wurden Bilder eines kommenden studiVZ Designs zugespielt und auf den ersten Blick wird klar: Auch hier hat man sich am großen Bruder Facebook orientiert.
Die VZ-Netzwerke von Studi über Schüler bis MeinVZ haben zu kämpfen, waren sie lange Zeit Marktführer in Deutschland in Sachen Social Networks bröckelt der Vorsprung inzwischen gewaltig.

Erst kam mit WKW ein anderes Netzwerk, das gerade bei den Älteren mehr anschlug als MeinVZ und nun holt das weltweite Vorbild Facebook auch in Deutschland auf und läuft StudiVZ den Rang ab. Um sich weiter als führendes deutsches Social Network bezeichnen zu können, griff man zu letzt zu dem Trick bei den IVW Zahlen alle drei VZ-Netzwerke zusammen auszuweisen. Dabei bleiben StudiVZ und Co vor allem technisch hinter Facebook zurück, während Marc Zuckerbergs Seite durch Apps, APIs und Lifestream schon lange lebendig wirkt und sich zuletzt mit dem „Like“-Button aufs gesamte Internet ausdehnte, klickt man sich bei StudiVZ noch immer  von Profil zu Profil. Zwar gibt es auch hier inzwischen Apps und mit dem Buschfunk wurde eine Twitterfunktion eingeführt, doch das alles bleibt noch hinter dem Standard zurück. Zeit für einen Relaunch? Möglicherweise ist es bald soweit, darauf deutet zumindest dieser uns angediente Designentwurf hin:

Neues StudiVz Design geleakt

Wir ihr, auf dem zugegeben leicht krisseligen Foto, dennoch gut erkennen könnt, hält das dreispaltige Layout, dass man vom großen blauen Netzwerk kennt nun auch bei den VZ-Netzwerken Einzug.
Dabei ist die Ähnlichkeit mit dem jetzigen Design von Facebook weniger verblüffend, schaut man sich einen Facebook-Design-Entwurf an, der vor einiger Zeit mal die Runde machte:n

Facebook Design Entwurf von information Architects

Dieser Designentwurf der information architects wurde damals für seine Übersichtlichkeit und Usability hochgelobt wurde aber wohl von Facebook abgelehnt und davon finden sich nun einige Elemente im kommenden StudiVZ-Design wieder. Links die Menü Leiste, in der Mitte ein Stream und rechts die Kommentare dazu. Das verrät eine Reihe von neuen Features bei StudiVZ: Der Buschfunk wird wohl erheblich ausgebaut, wird kommentierbar und StudiVZ scheint endlich im Zeitalter des Lifestreams angekommen zu sein. Was alles in den Stream einlaufen wird, von neuen Fotos, Videos bis zu Profil- und Statusupdates ist uns nicht bekannt, allerdings hat StudiVZ schon vor einiger Zeit eingeführt, dass man jetzt auch Bilder und Videos direkt in Pinnwandpostings mit seinen Freunden teilen kann.

Hier eine kleine, zugegeben schlecht aufgelöste Vorschau, auf den neuen Buschfunk, wie sie uns zugespielt wurde.

Neuer StudiVZ Buschfunk mit erweiterten Funktionen

Der neue Buschfunk hat aber bereits Beta-Stadium erreicht und kann von allen User getestet werden und dann sieht das ganze so aus:

Buschfunk Beta

Hier kann man noch keine Links oder Multimedia Inhalte direkt im „Funkspruch“ „sharen“, aber wie ihr seht gibt es Reiter für neue Fotos und Freundschaften im Freundeskreis. Auch die Schaltflächen oben zu Verwaltung von Anfragen sind neu, inwieweit sie mit dem oben gezeigten Designentwurf zusammen passen ist unklar.

Darüber hinaus stehen wohl noch einige strategische Weiterentwicklungen aus: So sollen wohl die VZ-Netzwerke, nachdem sie bereits bei den  IVW Zugriffszahlen gemeinsam ausgewiesen werden, noch enger miteinander verzahnt werden. Wie genau diese Verzahnung aussehen soll, ob zum Beispiel auch SchülerVZ eine Verbindungen zu den bereits verknüpften StudiVZ und MeinVZ bekommen soll oder der Wechsel erleichtert wird, konnten wir nicht herausfinden. Am weitreichendsten wäre wohl der Schritt alle unter der Marke VZ.net zusammenzufassen und die Grenzen marginal zu halten, die Adresse www.vz.net leitet im Moment auf meinVZ weiter.

Unter VZ.net/musik war kurzfristig bereits eine Vorschau auf einen geplanten Musikdienst zu sehen, dieser ist nun aber wieder offline. Dabei handelt es sich wahrscheinlich nur um einen Ausbau der bestehenden Kooperation mit dem Holtzbrinck eigenen und sehr interessanten Dienst putpat.tv, der schon jetzt die StudiVZ „Röhre“ bedient. So wird das Ganze wohl aussehen:

VZ.net/Musik - VZNetzwerke mit eigenem Musikdienst

Auch einen eigener Handytarif aus dem hause VZ ist wohl in Vorbereitung, bereits jetzt kooperiert man mit Vodafone und bietet eine Flatrate für den Zugriff auf StudiVz an.

Wann alle diese Neuerungen eintreffen werden und wie weit sie fortgeschritten sind, ist gerade beim Design nicht bekannt. Vielleicht handelt es sich auch nur um einen der Entwürfe. Auf eine Anfrage unsererseits hat StudiVZ bislang nicht geantwortet.

UPDATE: Martin von netzwertig.com hat noch angemerkt, dass StudiVZ bei seiner iPad-App bereits mit den oben erwähnten Designern von information architects zusammengearbeitet hat. Anscheinend ist man hier ins Geschäft bekommen. Ausserdem bestätigt dort VZ-Unternehmenssprecher Hensen noch einmal die Echtheit der Fotos. Es handele sich um einen Designentwurf, der intern getestet wurde, einen Relaunch-Zeitplan gebe es jedoch nicht, so Hensen gegenüber netzwertig.com. Unsere Mail von letzter Woche bleibt unbeantwortet.

mehr…

Was haltet ihr von dem gezeigten Design? Glaubt ihr der Schritt Richtung Lifestream führt StudiVZ zurück zu alter Größe oder handelt es sich nur um ein letztes Aufbäumen, bis man sich der internationalen Konkurrenz von Facebook geschlagen geben muss?

Kategorien
Großes Kino Video

Mind Control: Movies can change lives

Adam Cosco hat eine mindblowing Collage  über „The Most Basic Form of Mind Control is Repetition“ auf Vimeo gestellt. Wie Filme Leben verändern und sich gegenseitig beeinflussen.

Noch eine kurze Warnung: Zum einen sind die dargestellten Bilder durchaus drastisch, zum zweiten enthält das Video diverse Spoiler unter anderem aus Fight Club, Zodiac, Sieben und vielen anderen Filmen.

Dennoch lohnt es sich und so lade ich euch ein: Lasst euch von David Lynch, Stanley Kubrick und David Fincher manipulieren:

It was 8:27 on a Sunday afternoon when Peters mind exploded… [via Glaserei]

Kategorien
Bewegen & Beschäftigen Politik

Operation Sparen – Aber wo?

„Wir müssen darauf achten, dass wir zu einem Leben kommen, bei dem wir nicht dauernd über unsere Verhältnisse leben. Deutschland hat das nicht erst seit ein paar Jahren, sondern seit vielen Jahrzehnten getan.“ Es war keine frohe Botschaft, die Angela Merkel auf dem Ökumenischen Kirchentag ihren Schäflein zu verkünden hatte. Die Kanzlerin wählte klare Worte, die zentrale Frage lautete: „Wo können wir sparen?“ Manch Hartz IV-Empfänger mag sich da verwundert die Augen reiben. Manch Arbeitnehmer ebenso, der dachte, durch bescheidene Lohnerhöhungen dazu beigetragen zu haben, dass Deutschland wettbewerbsfähig bleibt. Pustekuchen! Mindestens 15 Milliarden Euro müssen im kommenden Jahr eingespart werden. Gut, sparen wir. Nur wo?

Wenn es einer wissen muss, wie man spart, dann unser schwäbischer Finanzminister Wolfgang Schäuble. Seriös und ohne Tricks will er zweistellige Milliardenbeträge zusammensparen, so gebe es in den sozialen Sicherungssystemen erheblichen Spielraum. Eine Kampfansage an die Riege der Minister. Doch auch von denen gibt es filmreife Beiträge und Verweigerungen.

Bundesbildungsministerin Annette Schavan: „Mein Beitrag zur schwierigen finanz- und wirtschaftspolitischen Lage ist dafür zu sorgen, dass wir eine künftige Generation haben, die gut ausgebildet ist. […] Wer jetzt für die Kürzung des Bildungssystems plädiert, versündigt sich an der Zukunft. Die Bildungspolitik ist die moderne Sozialpolitik, Sozialpolitik ist Bildungspolitik.“ Damit hat sie nicht unrecht, denn Bildung bildet die Grundlage für Zukunftsfähigkeit. Wenn wir im Bereich Kinder und Bildung sparen, schaden wir uns selbst. Punkt. Die versprochene Erhöhung des Bafög ist zwar erst mal wieder vom Tisch, aber immerhin: Die Sparvorschläge von Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) in den Bereichen Bildung, Forschung und Kinderbetreuung wies sogar Merkel zurück.

Was macht das Verkehrsministerium? „Wenn man in meinem Ressort bisher schon hätte sparen können, dann hätte ich es ganz bestimmt getan“, so der Verkehrsminister Peter Ramsauer. Da geht es ihm wie allen, Zweifel daran bleiben trotzdem. Allein Verträge wie der des ehemaligen Bahn-Chefs Hartmut Mehdorn kosten den Staat unnötig Millionen, dieser erhielt vor gut einem Jahr knapp 5 Millionen Euro Abfindung. Und auch das Bahn-Chaos, das der vergangene Winter in Deutschland auslöste, kostete den Staat viele Millionen Euro, die durch klügeres Verwenden des vorhandenen Etats vermeidbar gewesen wären. Die Deutsche Bahn wurde kaputt gespart. So sind Forderungen des Ministers, eine Milliarde Euro mehr als geplant für Verkehrsinfrastrukturinvestionen zu erhalten, eher lächerlich und hoffentlich bald wieder vergessen. Hier wäre eher eine Pkw-Maut eine Alternative, um zu Geld zu kommen.

Die junge Bundesfamilienministerin Kristina Schröder verweigert sich komplett, aber lächelnd: „Sie müssen verstehen, dass ich das jetzt erst mal mit dem Bundesfinanzminister und dann mit Ihnen diskutiere.“ Na gut.

Kopfschütteln verursacht auch die Forderung der gelb-schwarzen Regierung, an Hartz IV zu kürzen. 900 Millionen Euro wurden aus dem Etat gesperrt, den Schäuble in seinem Haushaltsentwurf für die aktive Arbeitsmarktpolitik vorgesehen hatte. Insbesondere die Hilfen für die Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt soll es treffen, was aber lediglich Folgekosten für mehr Langzeitarbeitslose mit sich bringt, die höher sind als jede Eingliederungsmaßnahme: „Man kann nicht einerseits wie Guido Westerwelle über Langzeitarbeitslose herziehen und so tun, als hätten sie keinen Bock zu arbeiten, und auf der anderen Seite die Mittel für Projekte sperren, die helfen, vor allem Langzeitarbeitslose wieder in Arbeit zu bringen“, sagte Manuela Schwesig der Frankfurter Rundschau. So geht das Fördern endgültig verloren – und wird zur Zerreißprobe für die Gesellschaft. Allerdings – da hat auch Herr Schäuble recht – müssen die sozialen Sicherungssysteme auch so umgestaltet werden, dass sie zur Aufnahme regulärer Beschäftigung motivieren und nicht gegenteilige Anreize setzen. Dafür sind Mindestlöhne wichtig. Es kann nicht sein, dass jemand, der jeden Tag 8 Stunden und mehr arbeitet, am Ende weniger oder so viel Geld erhält wie ein Hartz IV-Empfänger. Insbesondere für diese Menschen ist jede lediglich der persönlichen Bereicherung dienende Diätenerhöhung von Politikern ein Schlag ins Gesicht.

Steuererhöhungen, beispielsweise die Erhöhung der Mehrwertsteuer auf 25 % bzw. auch für Lebensmittel auf 19 %, wurden stark kritisiert und abgelehnt. Hier wäre eine Steuererhöhung zwar auf die Schultern aller verteilt. Eine höhere Mehrwertsteuer wird aber den Konsum in Deutschland zusammenbrechen lassen, wo doch alles dafür getan werden muss, um die Nachfrage zu erhöhen. Denn genau das wird international von Deutschland erwartet. Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer dazu im Interview bei „Berlin direkt“ (ZDF): „Also ich möchte sie für meine Person, für meine Partei kategorisch ausschließen. Wir haben sehr, sehr lange überlegt vor sieben Monaten bei den Koalitionsverhandlungen, wie wir die Finanzpolitik der Zukunft gestalten und wir haben auf der ersten Seite des Koalitionsvertrages mit der Unterschrift aller drei Parteivorsitzenden der Bevölkerung die Botschaft gegeben, dass wir zur Überwindung der Wirtschafts- und Finanzkrise keine Steuererhöhungen wollen und es bleibt dabei. Das kann ich für meine Partei ganz verbindlich sagen.“

Bleibt noch ein riesiger Posten: die Bundeswehr. Möglichkeiten zu sparen gibt es natürlich auch hier nicht, hält man sich an Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg: „Dort, wo das Leben und die Gesundheit unserer Soldaten im Einsatz betroffen ist, da darf es auch keine Kompromisse geben. Und in dem Sinne: Dort bin ich auch unerbittlich.“ Sehr ehrenwert, denn jeder tote Soldat in Afghanistan ist einer zu viel. Die Frage nach dem Sinn immer gefährlicherer Einsätze in einem Land, das auch nach der Meinung ranghoher Militärs nicht zivilisier- und beherrschbar ist, bleibt aber. Da macht der neue britische Verteidigungsminister Fox das einzig richtige und fordert mit der Begründung, Großbritannien sei keine Weltpolizei, den raschen Abzug aus Afghanistan. Davon ist man in Deutschland jedoch weit weg und verschwendet gibt jährlich 3 Milliarden Euro – immerhin dreimal so viel wie bislang bekannt gegeben – hierfür aus. Auch die Wehrpflicht gibt Bedenken auf. Durch die Reduzierung der Wehrpflicht von 9 auf 6 Monaten schwindet der Nutzen für die Bundeswehr zusehends und kostet so mehr. Die Wehrpflicht ist eine unnötig kostspielige Art und Weise, Soldaten für das Militär zu rekrutieren. Zu diesem Ergebnis kam eine Studie unter 21 OECD-Ländern, die die Kosten für Länder mit militärischem Pflichtdienst denen für Länder mit Freiwilligen-Armeen gegenüberstellte. Jährlich kostet die Wehrpflicht eine entwickelte Volkswirtschaft 0,25 Prozentpunkte Wirtschaftswachstum – für Deutschland bedeutet dieses System bezogen aufs Bruttoinlandsprodukt sechs Milliarden Euro Verlust. Zynisch gesagt ist die derzeit bestehende Bundeswehr die Lehre von der Verschwendung staatlichen Kapitals.

Es bleibt eine einsame Bundeskanzlerin. Nach der Banken-, Griechenland- und Euro-Rettung ihre nächste große Hauptrolle in der Operation Sparen. Sie muss entscheiden, wem sie weh tun will. Den Rentnern, den Arbeitslosen oder doch den Soldaten? Nichts bringen wird jedoch, sich nun täglich einen anderen Teilbereich vorzuknöpfen und dann zu entscheiden, an was jeweils gespart werden kann. Dann wird die Sparpolitik scheitern. Vielmehr muss – und da sind die Bundesregierung und der Finanzminister gefragt – in den nächsten Wochen ein Gesamtkonzept her, das dann der Bevölkerung begründet wird. So könnte es funktionieren. Oder man hält sich an das, was schon immer funktioniert hat: „Betteln und lungern, / Dursten und hungern / Immerdar, allezeit / Müssen wir Bettelleut‘! / Habt ihr was, schenkt mir was! / Ach, nur ein Häppchen! / Brot in den Bettelsack, / Suppe ins Näpfchen!“ (von Volkmann-Leander: Der verrostete Ritter)

Kategorien
Netz & Zeitung

taz.de nimmt Flattr auf

Seit heute Nacht um 0.00 Uhr finden sich auch auf der Homepage der taz die kleinen orange-grünen Buttons des Micropaymentdienstes Flattr. Damit könnte Daniel Fiene auf seine Frage “Was passiert, wenn das erste große Medium Flattr implementiert?”, schneller eine Antwort bekommen als er dachte. Nun ist taz.de nicht SpiegelOnline, aber es ist eben auch kein kleines Blog.

“Da kam Flattr wie gerufen!”

Die taz hat bereits Erfahrungen mit freiwilligen Spenden ihrer Leser gesammlt. Während der Aktion die Jungen übernehmen die taz, konnten Leser auf taz.de freiwillig per Bankverbindung spenden, dabei kamen innerhalb einer Woche über 1.800€ zusammen.

Das sei ein erster Versuch Richtung Spenden gewesen, das Konzept der Microdonations hätten sie aber schon länger im Hinterkopf gehabt, erzählte mir Phillip Moritz, Webmaster der taz, “Und da kam Flattr wie gerufen!”.

Man hoffe, so Moritz, auf das Konzept der Microdonations, egal ob nun mit Flattr oder einem ähnlichen Dienst sei und eventuell könnte das Konzept sogar das Online-Business verändern. Ob man dabei Gewinne machen kann sei noch nicht sicher, aber man möchte mit der Teilnahme auch das Projekt Flattr insgesamt nach nach vorne und zu mehr Akzeptanz bringen. Wie stark die Leser das annehmen, müsse sich erst noch zeigen, aber man wolle eben genau das herausfinden.

Moritz zeigte sich allerdings überrascht, das innerhalb der kurzen Zeit nun doch schon einige Flattr-Klicks auf die Homepage gewandert sein. In den 12 Stunden, seit Flattr auf der Homepage der taz verfügbar ist, sind 36 Flattr Klicks auf der Seite eingegangen, was diese Wert sind zeigt aber erst am Monatsende.

“Flattr hat das beste Konzept.”

Im Gegensatz zur Konkurrenz habe Flattr das beste Konzept. Man denkt wohl noch über eine Implementierung des ähnlichen Dienstes Kachingle nach und eventuell soll es eine Partnerschaft mit amazon geben, näheres gibt es dazu aber noch nicht. Bei der zuvor ausprobierten Überweisungsaktion seien neben den tatsächlichen Transferkosten auch die mentalen Transferkosten zu hoch und auch ein einfacher PayPal-Spenden Button zweige bei Kleinstbeträgen zu viel an Gebühren ab, erklärt Moritz die Entscheidung für den Dienst von Flattr.

Die Einnahmen aus Flattr werden dabei nicht den einzelnen Autoren zugeführt werden, sondern gesammelt in die Onlineeinnahmen einfließen. Lediglich bei den Blogs denkt man drüber nach den einzelnen Autoren, die bislang nur eine Aufwandspauschale erhalten, zu ermöglichen ihren eigenen Flattr Account in das jeweilige Blog einzubinden. Zu den Vorwürfen des Datenhandels bei Flattr macht man sich bislang wenig Sorgen. “Schauen wir mal”, war des Webmasters lakonische Antwort.

Flattr auf taz.de ist ein weiterer großer Schritt für den Micropaymentdienst, deshalb verkündete das heute morgen auch ganz stolz deren offizieller Twitteraccount. Ob es den Durchbruch bedeutet ist natürlich noch unklar, schließlich befindet sich Flattr weiterhin in einer geschlossenen Beta und der Zugang ist nur mit Einladung möglich. Diese kann aber jeder auf der Homepage anfordern. Fraglich ist auch, ob sich der Dienst außerhalb der Netzgemeinde, in der er im Moment ziemlichen Hype genießt, durchsetzen kann. Wird sich der Zeitungsleser aus Hinterpusemuckel dazu aufraffen einen Account bei diesem Dienst anzulegen? Die taz kann mit ihrem Genossenschaftsmodell und den spendenbereiten Lesern sicher am ehesten darauf hoffen.

Bild: Screenshot taz.de [M]

mehr:

Was glaubt ihr? Ist das der Durchbruch für Flattr? Und könnte es eventuell auch der Durchbruch für Erlöse von Onlinemedien sein?

Um keinen unserer Artikel zu verpassen folgt uns auf Twitter und abonniert unseren RSS-Feed.

Kategorien
Featured Netz &

Flattr: Die Dankbarkeits-Ökonomie

Ja, es funktioniert: Als zum ersten Mal eine kleine eins in dem orange-grünen Button stand, fühlte ich mich tatsächlich geschmeichelt.

Schmeicheln auf Englisch heißt  to flatter und Flattr ist ein neuer Micropaymentdienst, der zur Zeit einiges an Erfolg verspricht. Er funktionert so: Man legt eine monatliche Summe fest, die man ausgeben möchte. Das sind z.Z mindestens 2€ und maximal 20€. Dann klickt man den Monat über auf alle Flattr-Buttons, die einem begegnen und am Ende wird der Betrag (z.B. die 20€) durch alle geteilt. Gleichzeitig kann man auch selbst, wie oben erwähnt, geflattered werden.

Wird es sich Durchsetzen?

Dabei ist interessant, dass beide Wege funktionieren. Auch ich konnte, als mein Konto eingerichtet war, es kaum erwarten endlich tollen Projekten meine Wertschätzung zu zeigen. Hier  zeigen sich noch ein paar offene Fragen oder Probleme im Bezug auf Flattr:

Erstens die bislang mangelnde Verbreitung. Das scheint aber ein in erster Linie temporäres Problem, denn momentan befindet sich Flattr noch in einer Art closed Beta, bei der man nur mit einem Einladungscode hineinkommt. Das momentane Invite-Betteln auf Twitter erinnert an Google-Wave Zeiten ((Ich hätte da noch ein paar Invites, if anyones interested?)). Die Frage ist jedoch, ob auch nach Stadium 1.0 eine weitreichende Abdeckung erreicht werden kann. Vor allem insofern, dass nicht nur Menschen die selbst Inhalte anbieten sich einen Account zu legen (Denn selbst flattern ist Vorraussetzung um geflattered zu werden), sondern ob auch „reines Publikum“, sofern es das im Web2.0 noch gibt, bereit ist zu bezahlen? Nun diese Frage steht aktuell – Stichwort Paid Content – sowieso zur Diskussion.

Wer profitiert?

Die zweite Frage ist, und sie hängt mit der ersten zusammen, ob daraus ein echtes wirtschaftliches Modell für Inhalteanbieter erwachsen kann. Wer wird von den Flattr-Beträgen profitieren? Und erreichen sie eine relevante Größe? Natürlich ist anzunehmen, dass vor allem große Inhalteanbieter ((Ich sage mit Absicht nicht A-Blogs)) profitieren können. Dann wäre zu kritisieren, dass Flattr als eine Umverteilungsmaschine von unten nach oben funktioniert.

Auf der anderen Seite ist zu hoffen, dass nun aufwendiger erstellte Inhalte mehr zurückbekommen. Um es beim Namen zu nennen: Bislang konnten Tumble-Blogs schnell groß werden, weil sie mehrere Fundstücke am Tag posteten, die sich bei  Qualität schnell verbreiteten und entsprechend Backlinks generierten. Tiefe Analysen tun sich da schwerer in der Verbreitung. Nun ergibt sich die Chance, das sie dies auf anderem Wege zurückerhalten, nämlich das Menschen eher bereit sind für originäre Erzeugnisse zu bezahlen, weil sie ahnen, wie viel mehr Arbeit dahinter steckt.

Flattr: Das neue „Gefällt mir“?

Die dritte Frage ist, wie sehr wird sich Flattr in den Alltag der Nutzer integrieren und hier tut Flattr schon einiges, um es den Nutzern so angenehm wie möglich zu machen. Einmal eingeloggt kann ich auf allen Seiten einfach den Flattr-Button klicken und gleichzeitig wird man durch das oben besprochene Teilungsprinzip von dem Gedanken gelöst „Ich gebe dem jetzt grade 2€ dafür.“, schließlich weiß man ja zum Zeitpunkt des flatterns noch nicht, wieviele Beitrage man bis Ende des Monats noch so wertschätzt, also durch wieviele das Budget am Ende geteilt wird. Wenn es gut läuft könnte Flattr dadurch zum neuen „Gefällt mir“ werden. Sollte es das schaffen, wäre wohl durchaus bewiesen, dass Menschen bereit sind für Inhalte etwas zurück zu geben.

Ein wertvolles Dankeschön

Dabei sollten man auf keinen Fall den Fehler machen, das ganze nur auf Blogs zu begrenzen. Flattr sieht sich als Zahlungsmittel für allerlei Inhalte: Von Videos über Bilder bis zur Musik. Und hier liegt auch die Chance für die Verbreitung: Einfach die Dankbarkeit an die Urheber. Als Fan eines Projektes bin ich gewillt dem Macher irgendetwas zurückzugeben. Mit Flattr ergibt sich nun die Chance, nicht gleich mehrstellige Beträge spenden zu müssen, sondern sein Danke einfach etwas aufzuwerten, im wahrsten Sinne des Wortes zu zeigen: „Hey, was du machst ist mir etwas wert!“. Wobei auch ein aufrichtiges, echtes Danke unglaublich viel Wert sein kann.

7 Invites zu verschenken

Wie oben erwähnt befindet sich Flattr noch in einer closed Beta. Jeder kann sich zur Zeit auf der Homepage mit seiner E-Mail Adresse eintragen und darauf warten einen Code zugesendet zu bekommen. Die Alternative gibt es hier: 7 Codes haben wir zu vergeben. Was ihr dafür tun müsst? Ganz einfach folgende  Nachricht twittern:

„Bringt die Dankbarkeits-Ökonomie?“ fragt @netzfeuilleton und verschenkt 7 Invites. http://bit.ly/dankoeko

Oder einen beliebigen anderen Text mit Link zum Artikel und Mention des Accounts @netzfeuilleton. Wenn Ihr mir dann noch folgt erhalten die ersten sieben den Invite-Code per DM.

Was ist eure Erwartung an Flattr? Kann Flattr sich durchsetzen und ein Erlösmodell für jeden Inhalteanbieter werden? Oder bleibt es eine Illusion, dass Menschen freiwillig für etwas bezahlen?

UPDATE: Inzwischen sind alle 7 Invites vergeben. Vielen Dank an alle Teilnehmer und viel Spaß beim umherflattern. Allen anderen sei empfohlen einfach bei flattr.com ihre eMail-Adresse einzugeben, inzwischen gehen die Einladungen von dort wirklich in Rekordzeit raus. Eine Alternative ist noch auf Twitter einfach mal nach #Flattr zu suchen, dort findet man auch einige Nutzer, die noch Invites rausgeben. Den Post dürft ihr natürlich weiterhin retweeten. ;)