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Pressalien (5): Wie das Kino Erwartungen herunterschraubt, um sie zu erfüllen

„How to make an intelligent blockbuster and not alienate people“ fragt Mark Kermode beim Guardian und dieser Text ist so gut, dass man etliche Stellen daraus zitieren möchte.

Es geht darum, wie Blockbuster erfolgreich sind, obwohl die Filme so doof sind. Darum, dass eigentlich niemand „Der Fluch der Karibik – Am Ende der Welt“ mochte, auch wenn manche dachten sie täten es.

Es ist das Konzept der „diminished expectations“, der heruntergefahrenen Erwartungen, die gezielt von großen Filmen bedient werden. Da werden Zahlen über das exorbitante Budget veröffentlicht, die den Film zu einem Event machen und das Presse-Screening wird nach hinten verlegt, damit die Leute trotz der schlechten Kritiken ins Kino gehen um sich ein eigenes Bild zu machen.

How did they get here? The short answer is: Michael Bay. The long answer is: Michael Bay; Kevin Costner’s gills; Cleopatra on home video; and the inability of modern blockbusters to lose money in the long run, provided they boast star names, lavish spectacle and „event“ status expense.

Der Ausweg und einzige Lichtblick? Christopher Nolan, der es schaffte mit „Inception“ einen intelligenten Blockbuster zu schaffen, in dem er beide Welten verbindet: Intelligentes Script und Stars in einem.

Kermode schreibt auch über das Dasein und Ansehen als Filmkritiker:

Every time I complain that a blockbuster movie is directorially dumb, or insultingly scripted, or crappily acted, or artistically barren, I get a torrent of emails from alleged mainstream-movie lovers complaining that I (as a snotty critic) am applying highbrow criteria that cannot and should not be applied to good old undemanding blockbuster entertainment. I am not alone in this; every critic worth their salt has been lectured about their distance from the demands of „popular cinema“, or has been told that their views are somehow elitist and out of touch (and if you haven’t been told this then you are not a critic, you are a „showbiz correspondent“). This has become the shrieking refrain of 21st-century film (anti)culture – the idea that critics are just too clever for their own good, have seen too many movies to know what the average punter wants, and are therefore sorely unqualified to pass judgment on the popcorn fodder that „real“ cinema-goers demand from the movies.

Also unbedingt lesen, unterhaltsam und aufschlussreich.

Der Text ist übrigens ein Auszug aus dem Buch „The Good, The Bad and The Multiplex: What’s Wrong with Modern Movies?(auch als eBook), das ich mir nun wahrscheinlich unbedingt kaufen muss.

Bild: Some rights reserved by Stinkie Pinkie
Danke an @Hakantee über dessen Shared Items ich den Text gefunden habe 

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Malte Welding & die Generation Lieblos

Als ich hörte, Malte Welding schreibt ein Buch, habe ich mich gefreut. Als ich hörte es wird ein Ratgeber, dachte ich: „Ach, du Scheiße!“. Als ich dann noch hörte einer über Liebe, dachte ich weiter: „Grundgütiger, nicht noch einer! Warum nimmt man nicht lieber die wunderbaren Geschichten des Liebestöters Paul und versucht sie zwischen zwei Buchdeckel zu pressen?“ Als er dann seine Rubrik in der Berliner Zeitung über eben dieses Thema startete, freute ich mich wieder auf das Buch, schrieb einen fanzigen Kommentar auf Facebook, woraufhin Malte Welding so nett war, mir das Buch zu schicken zu lassen.

„Frauen und Männer passen nicht zusammen – auch nicht in der Mitte.“

Welding zerpflückt in seinem Debüt „Frauen und Männer passen nicht zusammen – auch nicht in der Mitte.“ gekonnt das Liebesleben oder -sterben. Dabei gelingt es ihm nicht in Ratgebersprech zu verfallen, sondern er hat sich den Blogger beibehalten. Die Kapitel hängen lose zusammen, erzählen und erörtern anekdotisch verschiedene Aspekte. Im Buch begegnen uns verschiedene Schicksale: Karsten, der schwule Nerd, der hübsche Thomas, der eigentlich Sex ohne Ende hat – Dank seines raffinierten Kakaotricks – aber trotzdem nie eine Beziehung, der weniger hübsche Jonas, die alleinerziehende Clara und Terminchen, die nichtmal Zeit hat sich von ihrem Freund zu trennen, aber Zeit ihn permanent zu betrügen, aber auch das macht ihr nicht richtig Spaß. Das ist die Stärke des Buches, anstatt auf  amerikanische-Wissenschaftler-haben-herausgefunden-Fakten zu setzen oder der peaseischen Evolutionstheorie anzuhängen, folgt er einer genauen Beobachtungsgabe. Viele dieser Beobachtungen kommen einem dabei bekannt vor, gibt es sie wirklich oder sind das Klischees?

„Manchmal gibt es Sachen, die sind so sehr Klischee, dass ich sie lieber nicht schreiben würde. Aber vielleicht sind sie nur Klischee, weil sie so oft vorkommen.“

Doch es geht längst nicht nur um diese Einzelschicksale, Welding zeichnet viel mehr ein Bild einer gesamten Generation bzw. Gesellschaft, die es verlernt hat zu lieben und der Liebe ihren Platz zu schenken. Feierten die Großeltern noch goldene Hochzeiten bis zum Umfallen, ist die Elterngeneration geschieden und die jungen bekommen es anscheinend gar nicht mehr hin. Warum? Welding identifiziert den grassierenden Narzissmus und Bindungsängste als Ursache. So sind wir beispielsweise allzeit bereit für den Job umzuziehen, für die Liebe? Wer weiß wie lange das hält. In einer dauergestressten Gesellschaft hat jeder sein Päckchen zu tragen, will aber seine Last nicht teilen, schließlich steckt da die ganze mühselig zum Schutz aufgebaute kaputte Persönlichkeit drin. Zwischen diese Gesellschaftsanalysen gesellen sich die kurzen Ratgeberabschnitte, amüsant geschrieben und teilweise durchaus denkanregend. Als Zielgruppe scheint Malte Welding dabei durchaus auch jene Twitterer im Kopf zu haben, die pausenlos twittern, dass sie keinen Sex haben (was vielleicht damit zusammenhängt, dass sie pausenlos twittern, dass sie keinen Sex haben). Erst gegen Ende driften seine Ratschläge und Betrachtungen etwas in Richtung Gesamtlebenshilfe ab. Das ist gleichzeitig aber wieder Weldings Stärke, dass er die Liebe nicht beschränkt aufs Bett betrachtet, sondern eingebettet in jenes soziale Gefüge, mit dem wir uns herumschlagen. Am Ende schafft es aber Welding tatsächlich, dass man sagt: irgendwie muss es doch gehen. Oder um es mit den Worten von Maxim Biller zu sagen: „Wenn Malte Welding über die Liebe schreibt wirkt sie auf einmal ganz leicht.“ Eigentlich müsste man nur weniger Arschloch Narzisst sein und sich Zeit nehmen für dieses Liebesding. Vielleicht fang ich gleich mal an, in dem ich eines von Weldings Büchern verschenke. An euch. Und wenn ihr noch ein last Minute Geschenk sucht, dann tut es mir doch gleich, Menschen mit Liebesproblemen hat sicher jeder genug im Bekanntenkreis.

Wer sich noch nicht sicher ist, schaut bei Malte Welding im Blog vorbei, da gibt es Lese- und Hörproben vom Buch, Outtakes (1,2,3) und noch mehr Stimmen.

Verlosung

Pünktlich zu Weihnachten, dem Fest der Liebe, sollt ihr nicht leer ausgehen. Deshalb verlosen wir eines von Malte Weldings Büchern „Frauen und Männer passen nicht zusammen – auch nicht in der Mitte“. Was ihr dafür tun müsst? Wir wollen euern besten Liebestipp hören. Wie klappt das mit Mann und Frau?

Diesen Tipp postet ihr dann hier in den Kommentaren, auf Twitter mit dem Hinweis auf diesen Text (Link: http://netzf.eu/MaltesLiebe) oder ihr hängt ihn an unsere Facebook-Wand. Oder ihr macht alles 3 und verbessert so eure Chancen. Schluss damit ist am 24.12 um 18.00 Uhr. Danach ist Bescherung. Ausgeschlossen sind der Weihnachtsmann, Netzfeuilletonverbandelte und der Rechtsweg.

Viel Glück.

Update: Der Zufall hat gesprochen und gewonnen hat Hirsch Nadja. Herzlichen Glückwunsch, das Buch ist unterwegs! Auch allen anderen vielen Dank fürs Mitmachen!

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„Alpha… directions“ – Eine Schöpfungsgeschichte

14 Milliarden Jahre Evolutionsgeschichte auf 360 Buchseiten. Was nach einem  dicken und dennoch knapp gehaltenenWissenschaftswälzer klingt, ist ein Comic. Jens Harder hat sich daran gemacht, in „ALPHA…directions” die Entstehung von Welt und Leben in mehr als 2000 Bildern nachzuzeichnen. Für dieses Mammutprojekt fand sich zunächst in Deutschland kein Verlag. Erst nachdem er in Frankreich mit dem Prix de l’Audace 2010 ausgezeichnet wurde – dem Preis für die mutigste Neuveröffentlichung –, erschien das Buch auch in Deutschland, um hier dann gleich noch den Max-und-Moritz-Preis als bestes deutschsprachiges Comic einzuheimsen.

Alles beginnt mit einem einfachen Punkt, der über die nächsten Seiten anschwillt, um dann gewaltig zu explodieren. Der Urknall-Ursprung des Universums, der Welt, von allem. Erst die Planeten und dann das Leben beginnen sich zu entwickeln. Planeten bilden sich aus, die Erde kühlt ab, der erste Regen fällt. Chemische Reaktionen ergeben Organismen. Harder begleitet diese Entwicklung aber nicht nur rein wissenschaftlich, sondern reichert sie mit Verweisen auf Religion und Popkultur an oder greift Ereignissen voraus.

Zwischen die wissenschaftliche Theorie der Sonnenentstehung schneidet er zum Beispiel verschiedene Szenen mit dem indischen Sonnengott Vishnu und reflektiert so gleichzeitig religiöse Schöpfungsgeschichten als auch die kulturelle Bedeutung der Sonne in allen Kulturen.

Und als erstmals ein Haifisch auftaucht, finden sich daneben Bilder von Tim & Struppi auf einem Abenteuer unter See, und ein Kinopublikum bewundert den Blockbuster des gefährlichen weißen Hais. Wenn sich wiederum im Kohlezeitalter die verendenden Wälder begraben und über Milliardenjahre zu gigantischen Kohleflözen zusammengepresst werden, greift Harder voraus. In wenigen Bildern nimmt er schemenhaft die daraus Jahrmilliarden später entstehende Kohleindustrie vorweg. Durch diese assoziativen Elemente macht Harder die Geschichte lebendig, schon bevor überhaupt Leben auf der Erde existiert. Er zeigt so Zusammenhänge auf, lässt einen bei der Evolution mitfiebern und macht die Tragweite und Notwendigkeit der einzelnen Evolutionsstufen deutlich.

Den Bildern und Anekdoten, die Schöpfungs- und Erklärungsmythen aller Religionen aufgreifen, stehen kurze sachliche Wissenschaftsfakten gegenüber. Hat man sich angeregt durch die Verknüpfungen in eigenen Erklärungsversuchen vergaloppiert, wird am Ende jedes Kapitels noch einmal in einer Zeitleiste zusammengefasst, was in den Milliardenjahren, die man gerade überblättert hat, geschehen ist.

So treibt man durch die Bildwelt Harders, an der er fast fünf Jahre gesessen hat. Jedes neue Bakterium, das es schafft, durch neue Mutationen zu überleben, erwartet man mit Spannung. Schließlich ist es ein weiterer Schritt in Richtung dessen, was als Krone der Schöpfung begriffen wird: der Mensch. Gleichzeitig wird einem wieder einmal klar, welche geringe Rolle der Mensch in 14 Milliarden Jahren Geschichte spielt. Als dann endlich alles bereit wäre für den Auftritt des Menschen als nächste Evolutionsstufe endet das Buch und der Autor verweist auf den Nachfolger „BETA…civilisations”.

Jens Harder: „ALPHA… directions”, Carlsen Verlag, 360 Seiten, 49,90 Euro

Bilder (c): Carlsen.
Dieser Artikel erschien zuerst in der Rhein-Zeitung.


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Kavka: Hamma wieder was gelernt

Viele der heutigen Jugendlichen kennen ihn warscheinlich schon gar nicht mehr – für mich war und ist er ein Idol: Markus Kavka. Er ist mittlerweile beim ZDF angestellt, die meisten kennen ihn aber als Moderator bei MTV. Er trifft immer die ganz großen Stars, feiert mit ihnen die Nächte durch, trägt lässig, coole Klamotten und ist bereits über 40. Da mag sich so manch Einer fragen, ob und wann Markus Kavka nicht mal erwachsen werden will.
Genau das hat er sich auch selbst gefragt. Wann kommt er, der Zeitpunkt, an dem er so alt aussieht und sich so alt fühlt, wie er ist? Wenn die Medikamententürme auf den Nachttischen der Eltern immer höher werden? Wenn einem die heutige Musik nicht mehr gefällt? Wenn das Fitnessstudio als der einzige Ausweg aus der nicht zu stoppenden Gewichtszunahme zu sein scheint?

Markus Kavka stellt in seinem autobiografischen Buch „Hamma wieder was gelernt“ viele Fragen rundum das Erwachsenwerden und die heutige Generation der Jugendlichen. Seine Erzählungen wirken dabei grundehrlich und wie aus dem Bauch heraus auf Papier gebracht. Der Leser bekommt den Eindruck, den Menschen Markus Kavka im Laufe des Buches tatsächlich kennen zu lernen. Er wirkt so greifbar, verständlich und stellenweiße sogar erschreckend normal. Zudem lernt der Leser noch etwas über gute Musik im Sinne Kavkas. Denn davon gibt es heute seiner Meinung nach nicht mehr all zu viel. So bringt er mit seiner Liste der 100 besten Musikvideos ein Loblied auf Bands wie Radiohead, Chemical Brothers, etc. Zwar kommt man sich als junger Leser dabei so vor, als gehöre man zu einer unkultivierten Generation, die es mit seiner Musik nicht mehr schafft Meilensteine zu setzen, aber sich die aufgeführten Videos von Kavka anzusehen, lohnt sich tatsächlich.
„Hamma wieder was gelernt“ ist ein Buch, das unbeschwert, mit Spaß und Ironie ein elementares Thema im Leben eines jeden jungen und älter werdenden Menschen behandelt – und wie der Titel schon erahnen lässt ganz kavkaesk.

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Hanna, Gottes kleinster Engel

Es ist Anfang Oktober als der 13-jährige Wolfgang auf dem Nach-hauseweg über seine Hausaufgabe nachdenkt. Für ihre Eltern sollen die Schüler zu Weihnachten einen Aufsatz über Engel schreiben. Wolfgang fällt sofort das passende Thema ein: Er möchte über seine kleine Schwester Hanna schreiben, denn für ihn ist Hanna Gottes kleinster Engel.

In Tagebuchform erzählt das Buch von den Erlebnissen, die Wolfgang in den darauf folgenden zwei Wochen macht. Einerseits voll kindlicher Unschuld und andererseits mit der mentalen Reife eines Erwachsenen berichtet der Junge von seinem nicht ganz einfachen Alltag. Der Vater der Familie leidet an schwerem Asthma, die Mutter ist meist angespannt und gestresst. Da seine kleine Schwester Hanna den ganzen Tag zu Hause ist, hat sie am meisten unter der harten Hand ihrer Mutter zu leiden. So kommt das kleine Mädchen auf die Idee die Stimmungen der Mutter in Kältezonen aufzuteilen. Oft kommt es vor, dass die Laune der Mutter Alaska ist. Um die Kälte im Herzen ihrer Mutter aufzutauen hat Gott seinen kleinsten Engel Hanna zu ihnen in die Familie geschickt, da ist sich Wolfgang sicher.

Hannas unschuldiges Auftreten und ihr herzerwärmendes Verhalten geben dem Leser das Gefühl, sie sei tatsächlich der kleiner Engel, für den sie ihr Bruder hält. Im Laufe der Geschichte kommt es aber auch öfter vor, dass Hannas Lieblichkeit an ihrer Mutter abprallt wie ein Ball an einer Betonwand. Hanna wird immer verzweifelter. Selbst die herzliche Beziehung zu ihrem großen Bruder kann da nicht viel helfen.
Hanna, Gottes kleinster Engel ist ein Roman voller Herzlichkeit und gleichzeitig voller Trauer. Die Geschichte führt dem Leser vor Augen wie lieblos und kaltherzig manche Menschen in unserer heutigen Zeit sind und warum wir so kleine Engel wie Hanna unter uns brauchen.

„Hanna, Gottes kleinster Engel“ von Angela Sommer-Bodenburg jetzt bestellen:

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Rache ist süß: Blogger klaut Hegemann die Domain

Nachdem vor 2 Wochen bekannt wurde, dass das Literaturwunderkind Helene Hegemann bei einem Blogger abgeschrieben hat, scheint es nun eine Art Racheaktion aus der Blogosphäre zu geben. Gibt man die Adresse www.axolotlroadkill.de in seinen Browser ein, landet man auf dem anonymen Weblog netzfeuilleton.de.

Auf diesem Blog landet man, gibt man axolotlroadkill.de ein.

Dreistes Domaingrabbing? Verletzung von Markenrechten? Ideenklau eines genialen Titels? Der Betreiber des Blogs hat jetzt eine Stellungnahme zu diesen Vorwürfen veröffentlicht. Wir dokumentieren die Stellungnahme exklusiv in voller Länge:

„Das sind diese Domaingrabbervorwürfe – also wie das juristisch ist, weiß ich leider nicht so genau. Sonst finde ich mein Verhalten und meine Arbeitsweise aber total legitim und mache mir keinen Vorwurf, was vielleicht daran liegt, dass ich aus einem Bereich komme, in dem man auch an das Schreiben von einem Blog eher journalismusmäßig drangeht, sich also überall bedient, wo man Quellen findet. Ideen gibt’s sowieso nicht, nur Inspiration. Und mir ist es völlig egal, woher Leute die Elemente ihrer ganzen Verschwörungstheorien nehmen, die Hauptsache ist, wohin sie sie tragen. Von mir selber ist überhaupt nichts, ich selbst bin schon nicht von mir (dieser Satz ist übrigens von Helene Hegemann geklaut) – ich habe das bloggen antrainiert gekriegt vor 2 Jahren und trainiere mir jetzt immer noch Sachen und Versatzstücke an, aber mit einer größeren Stilsicherheit. Das sind Postings und Kommetare und auch einfach bestimmte Trackbacks, die mich prägen und weiterbringen in dem, was ich äußern und vermitteln will, und da beraube ich total schonungslos meine Freunde, Blogger, das ganze Internet und auch mich selbst. Wenn da die komplette Zeit über reininterpretiert wird, dass das, was ich getan habe, eine Stellvertreterracheakt der Blogosphäre für die Plagiate von Frau Hegemann ist, muss auch anerkannt werden, dass ich mich freue, dass diese ganze Diskussion die Blogs auch weiter gebracht hat in diesem Jahr und so. Also ich meine, dass die FAZ jetzt auf der Titelseite des Feuilletons eine Lobhymne auf Blogs singt und ihre Leser auffordert am besten selbst gestern damit angefangen zu haben, dass gabs letztes Jahr noch nicht. Und die Blogs beschäftigen sich ja schon lang mit der Ablösung von diesem ganzen Urheberrechtsexzess durch das Recht zum Kopieren und zur Transformation. Ich selbst habe die Aktion als „Spaß“ bezeichnet, das ist sie auch, aber nur über die Spaß und Satire kommen wir der Wahrheit nahe. Das, was wir machen, ist eine Summierung aus den Dingen, die wir erleben, lesen, mitkriegen und träumen. Es gibt da ziemlich viel, was mit meinen Gedanken korrespondiert und sich in mein Gehirn einschreibt, dadurch aber gleichzeitig auch etwas komplett anderes wird. Ich bin nur Untermieter in meinem eigenen Kopf. Hegemann, von der ich insgesamt 2 Worte, ohne sie groß verändern zu müssen, regelrecht abgeschrieben habe, ist eine junge Schriftstellerin, deren Buch einen Teil der alternativen Lebensweise, auf den Punkt gebracht hat, und mit der ich über das Domaingrabbing auch ein Stück weit versuche, in Kommunikation zu treten. Tay Zonday, Rick Astley, Lolcat, Ukuleleboy und alle meine Freunde aus dem Internet: Ich versuche, deren Fragestellungen weiterzuführen und mir selbst Antworten zu geben. Trotzdem habe ich natürlich einen legitimen Anspruch der Leute nicht berücksichtigt, weil mir die juristische Tragweite nicht bewusst und ich, so leid es mir tut, total gedankenlos und egoistisch war. Und obwohl ich meine Aktion und mein Prinzip voll und ganz verteidige, entschuldige ich mich dafür, nicht von vorneherein alle Menschen entsprechend gewarnt zu haben, deren Gedanken ich hier auf die Schippe nehme.“

Für mehr von netzfeuilleton.de folgt uns bei Twitter und abonniert den RSS-Feed. Titelbild unter CC by bslavinator.

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„Ich habe Krebs“

Soll der Mensch von der Erfahrung mit dem Sterben erzählen, fragen sich die Medien. Ein Kommentar.

Der Mensch, der einem möglichen Ende nahe steht, mag viele Gründe haben, einen Text dieser Intimität zu verfassen. Er macht sich gläsern, lässt zu, vielleicht mit dem Wissen der tatsächlichen Mächtigkeit schon gegenüber gestanden zu sein. Wohlmöglich möchte er Anerkennung, wünscht sich Mitleid, gewiss aber Aufmerksamkeit; ein Wort, das so oft für etwas negatives steht, als seien nur die jenigen darauf aus, die es nicht dazu brächten. Jürgen Leinemann („Das Leben ist der Ernstfall“, Auszug), wie auch Christoph Schlingensief („So schön wie hier kanns im Himmel gar nicht sein!“)und Georg Diez („Der Tod meiner Mutter“) schrieben jeweils ein Buch über eine – vielleicht die größte – Tragödie ihres Lebens und durften sich neben der Bewunderung auch den Kommentaren der Kritik stellen. Kalt hieß es in der Frankfurter Allgemeinen „Lasst uns mit eurem Krebs in Ruhe“ und im Freitag ist dieses Thema ein „gern gelesene[r] Exhibitionismus mit offenem Mantel und schmierigem Grinsen“. Man verdenkt dem Leidenden seine Öffentlichkeit, als sei sie ungebräuchlich, selbstherrlich, unästhetisch, ganz und gar Boulevard; das Schimpfwort des Feuilletons.

Die Dimensionen dieser Kritik sind eine gedankenlose Anmaßung, ein marodes Wollwerk scheinbarer Wichtigkeit und Notwendigkeit, weil sie die Kunst in Frage stellen, die so offenkundig weder dem Geld noch der Kunst Willen erschaffen wurde. Sie schreit nahezu hinaus, beachtet zu werden, möchte berühren und scheinbar nervt sie aus diesem Grund auch einige in ihrer fassadelosen Transparenz. Sie spielt kein Versteckspiel, ist weit weniger zerrissen und verzweifelt als Kafkas „Schloß“, aber bricht eine Ideologie, indem sie die des Sterbens aus der privatesten Ebene wie aus einem Tagebuch erzählt.

Man muss sich gefallen lassen, nicht in erster Linie unterhalten zu werden, sondern eine persönliche Dokumentation zu lesen. Der Detailreichtum macht diese Erzählungen zu schweren Geschichten, aber nicht mehr sind sie letztlich. Wer darin fehlende Selbstwürde sehen möchte, stellt den Menschen mehr ins Rampenlicht als die eigentliche Thematik – das Sterben. Sicherlich sind die Autoren nicht selbstlose Zeitgenossen, im Gegenteil, sie teilen sich über eine Zeit mit, in der sie nur sich selbst sehen konnten. Die Vorwürfe sind lose Urteile über etwas, das keinen richtigen Umgang kennt, weil es eine absolute Grenzerfahrung ist, es für den Einzelnen zum Mittelpunkt avanciert, fern ab irgendwelcher Meinungen über die Wirkung und Notwendigkeit in der Öffentlichkeit. Das Leiden war es stets wert, nicht verschwiegen zu werden.

(Das Foto zeigt eine Brustkrebszelle und entstammt dem Archiv des National Cancer Institute und ist frei nutzbar. Die Amazon-Links in diesem Artikel sind Affiliate-Links)

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Fight Club – Das Buch von Chuck Palahnuik

Was fällt dir zum Namen „Fight Club“ als erstes ein? Film. Brad Pitt. Edward Norton. Tyler Durden. Marla. Chuck Palahnuik. Und schon fragt die Hälfte „Wer?“ und die andere Hälfte sagt „Der Autor des Buches“ – „Fight Club gab es als Buch?“

Das Vorwort im Fight Club Buch

Und schon sind wir mittendrin im Vorwort des Fight Club Buches. Denn wer kennt dieses Problem besser als der Autor selbst? Eben. Und so beginnt Chuck Palahnuik aufzulisten: Ja, zu Fight Club gab es ein Buch.

“Bevor es den Film gab…bevor Donnatella Versace Rasierklingen in Männerkleidung einnähte und das den Fight Club Look nannte…bevor Gucci-Models ohne Hemd und mit Veilchenaugen, blutig und bandagiert über den Laufsteg gingen…bevor junge Männer sich mit Lauge oder Sekundenkleber Kussmünder in die Hände ätzten…bevor junge Männer in aller Welt offizielle Anträge stellten, ihren Namen in ‚Tyler Durden‘ zu ändern…” – es geht seitenweise weiter.

Und noch mehr erfahren wir über die Wurzeln des Fight Club – es war eigentlich nur eine Kurzgeschichte. Im Mittelpunkt eine Prügelei und eine Firma, die sich nicht um den Gesundheitszustand des Protagonisten schert. Am Ende nur eines von insgesamt 30 Kapiteln.

Zum Inhalt will ich gar keine großen Worte verlieren, wahrscheinlich kennt jeder den Film, große Unterschiede gibt es im Fight Club Buch nicht. Der Stil ist extrem nahe am Film, von der ständigen direkten Ansprache „Du erwachst auf Sky Harbor International“ bis hin zur Readers Digest-Parodie „Ich bin Joes wütender Gallengang/ knirschende Zähne/ entzündete, geblähte Naselöcher/ etc.“ ist die erzählerische Umsetzung nahezu 1:1 gelungen.

Nur zu gern wird Tyler Durdens Monolog, im Buch aus dem Mund eines Mechanikers wiedergegeben, über die Situation der Menschheit zitiert:

„Ich sehe die stärksten und klügsten Menschen, die je gelebt haben, und diese Menschen zapfen Benzin oder servieren Essen. […] Die Werbung lässt diese Menschen nach Autos und Kleidern jagen, die sie nicht brauchen. Ganze Generationen haben bis heute in Jobs gearbeitet, die sie hassen, nur damit sie kaufen können, was sie gar nicht brauchen. Wir haben in unserer Generation keinen Krieg oder eine große Depression. Was wir aber haben, ist ein Krieg unseres Geistes. Wir haben eine große Revolution gegen die Kultur. […] Stellt euch vor, wir rufen einen Streik aus, und alle Leute verweigern die Arbeit, bis wir den Reichtum in der Welt neu aufgeteilt haben.”

Das Problem der Männlichkeit im Fight Club Buch

Besonders wären hier die Männer betroffen, da diese oft ohne Väter aufwuchsen und nun orientierungslos in der Welt herum irren. Palahnuik beschreibt eine Generation von Männern, die sich nach einer neuen Gesellschaft sehnen, nach neuen Regeln, einer neuen Verteilung der Spielkarten, einem Neubeginn. Zuerst umgesetzt im kleinen: Der Fight Club ist von der restlichen Gesellschaft abgeschirmt. Beruf, Aussehen, akademischer Grad und das Vermögen sind nichts wert. Nicht einmal der Sieg in einem Kampf lässt den Kämpfer an Wert gewinnen. Es regieren lediglich die Regeln des Fight Clubs.

Anschließend folgt die Umsetzung der Fight-Club-Philosophie auf eine höhere Ebene: Das Projekt Chaos bzw. Projekt Mayhem wird geboren. Eine Gruppe von Lemmingen hat unsagbaren Spaß daran, einfach die Regeln des Projekts zu verfolgen, und zwar mit einer so kritikresistenten Zielstrebigkeit und Hörigkeit, dass man meinen könnte, man hielte Morton Rhues „Die Welle“ in den Händen.“ Regel Nummer Eins: Es werden keine Fragen gestellt.“

Palahnuik zeigt damit ein weiteres Problem auf: nicht nur die aktuelle Gesellschaft, in der die Männer ihre Perspektiven und Berufungen zu verloren zu haben scheinen, sondern auch die Befriedigung, die aus einem gesellschaftlichen Umschwung gezogen wird und so groß ist, dass seine Richtigkeit und Zielsetzung nicht mehr hinterfragt, sondern lediglich euphorisch akzeptiert wird.

Und so gipfelt das Fight Club Buch schließlich in einem totalen Neubeginn. Unrealistisch? Ganz sicher nicht. Dass Palahnuik den Puls der Zeit traf, macht alleine das Vorwort mehr als deutlich. Eine unüberschaubare Masse an Menschen hat sich nach Fight Clubs gesehnt – ob dem Autor das bewusst war, ist nicht sicher. Ein Freund Palahnuiks äußerte demnach einst Bedenken, Menschen könnten eventuell Taten aus dem Buch nachahmen. Palahnuik entgegnete, er und sein Freund wären doch nur ahnungslose Nullen in der Provinz von Oregon und wüssten nicht, was für Millionen von Menschen vielleicht schon längst selbstverständlich wäre. Dass er damit Recht behalten würde, bestätigte ihm ein begeisterter Leser mit den Worten “Margaret Thatcher hat mein Sperma gegessen. Mindestens fünf mal…”

Und so ungern Künstler ihr Werk normalerweise erklären, umso dankbarer bin ich diesem hier für das Vorwort, das den “Fight Club” im Buch in einem ganz neuen Licht erscheinen lässt.

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Bild: Teils CC BY-2.0 shutterhacks

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„Ich hab die Unschuld kotzen sehen“

unschuldb

Hätte Dirk Bernemann nicht zum Neujahrsbeginn sämtliche Einträge aus seinem Blog entfernt, hätte ich folgende seiner Anekdoten zitieren können, wie der Autor sie erzählte. Geht aber nicht, deshalb versuche ich sie mit meinen eigenen Worten wiederzugeben. Der Autor traf demnach also im Zuge seiner Lesereise auf ein begeistertes Mädchen. Das Wort „Leserin“ wäre hier ungünstig gewählt, denn sie sagte ihm, sein Buch „Ich hab die Unschuld kotzen sehen“ würde in ihrem Bücherregal direkt neben Bukowski stehen. Stolz schwoll die Brust des Autoren an. Das Mädchen ergänzte „Gelesen hab ich es allerdings nicht.“
Was sagt uns das?
Erstens: Der Autor mag den Bukowski-Vergleich.
Zweitens: Der Buchtitel ist maßgeblich am Kult um eben dieses Buch beteiligt.

Mittlerweile als Sammelband erhältlich, der weniger kostet als ein einzelner Teil der zweiteiligen „Unschuld“-Reihe, ist das Debütwerk Bernemanns schon Kult. Speziell die sogenannte Schwarze Szene gibt sich begeistert, Szene-Magazine wie Orkus reihen sich ein. Was erwartet den Leser also bei diesem hoch gelobten Buch? Woher kommt all das Lob, womit macht sich der Autor dieses Lob verdient?
„Ich hab die Unschuld kotzen sehen“ ist eine Sammlung von Erzählungen, zwischen 3 und 8 Seiten lang. Jede dieser kleinen Geschichten hat einen eigenen Protagonisten, der auf den ersten Blick ganz realistisch beschrieben wird und ganz einfach aus der Welt des Lesers selbst stammen könnte.
Hier verleiht Bernemann seinem Buch einen extrem kunstvollen Charakter, indem er die Handelnden der einzelnen Geschichten in einer darauf folgenden Geschichte nochmals als Randfigur auftreten lässt und die neue Geschichte sich auch auf eine neue Figur konzentriert.

Doch der wichtigste Punkt, den das Werk ausmacht, ist zweifelsfrei der Inhalt. Bernemann belässt es nämlich nicht bei dem gut bürgerlichen Eindruck der Protagonisten, den man meist aufgrund von Beruf und Tätigkeit annehmen mag, er spinnt in ihr Leben Gewalt, Sex, Drogen und allerlei andere Dinge ein, die die Sucht der Figuren nach den Extremen dieser Welt beschreiben. So geht es um Mädchen, die sich volltrunken in Diskotheken abschleppen lassen; Opfer; Täter; Polizisten, die sich an das Opfer ranmachen, weil sie unfähig sind, den Täter zu schnappen; Prostituierte, die sich vor die S-Bahn werfen; den dazugehörigen S-Bahn-Fahrer – und so weiter.
Bernemann. Ein Autor, der die Abgründe der Menschheit aufzudecken scheint. Der uns zeigt, dass in Jedem ein Tier steckt. Der uns den Spiegel vors Gesicht hält. Man fühlt sich an Gottfried Benns „Nachtcafé“ erinnert.

Das Ganze passiert in einer ganz eigenen Sprache. Parataxen, teilweise sogar Ein-Wort-Sätze, treffen auf radikale Sprache, die das Geschehen lediglich schildert, aber nicht wertet, wobei im Leser dennoch das Gefühl aufkommt, das Erzählte für krank erklären zu müssen. Eine Dokumentation, bei der der Leser von ganz alleine darauf kommt, was er vom Inhalt zu halten hat. Und genau dieser brachiale Bruch in der Beschreibung des Protagonistenalltags macht letzendlich das „Anti“ im „Antipop“ aus, das sich der Ubooks-Verlag auf die Fahne geschrieben hat. Der Bukowski-Vergleich ist demnach gar nicht so falsch, ist es doch gerade das Unbeschönigte, Dreckige und Direkte, was den Stil der beiden so rhetorisch wertvoll macht.

Ähnlich verhält es sich auch mit Bernemanns drittem Werk, „Satt. Sauber. Sicher.“, welches im Gegensatz zur „Unschuld“-Reihe in einem Hardcover erscheint. Weil es das einfach Wert ist, sagen Autor und Verlag. Nun denn.
Auch in „Satt. Sauber. Sicher.“ bleibt Bernemann seinem Stil treu. Mehrere Geschichten, miteinander verflochten, brachiale Sprache, Gewalt, Drogen und Sex inmitten des Volkes. Doch die Geschichten kommen hier weitaus ausführlicher daher, werden sogar mit Ausschnitten aus Liedtexten angereichert. Ansonsten verhält es sich auch hier ziemlich ähnlich wie mit der „Unschuld“-Reihe, obgleich das Buch nicht dazu gehört.
Nur ab und an rutscht der Autor in das Plakative ab – manchmal ist weniger eben mehr und es hätte vielleicht glaubhafter gewirkt, wenn im Protagonisten nicht noch eine Kindheitserinnerung von Inzest hochkommen würde. Teilweise ist auch der Sprachgebrauch inzwischen einfach von Grund auf negativ belegt. Wenn der Kuchen im Ofen „verbrennt“, deutet es keineswegs darauf hin, dass er nicht gegessen werden kann. Er backt ganz normal, aber „verbrennen“ klingt eben so schön negativ. Tut dem Ganzen jetzt nicht unbedingt nen Abbruch, war in den „Unschuld“-Büchern aber meiner Meinung nach besser gelungen.

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unschuldkl

Ich hab die Unschuld kotzen sehen 1+2

Laut Amazon erwartet mich dann diese oder nächste Woche das vierte Buch des Ubooks-Autors. „Ich bin schizophren und es geht mir allen gut“ heißt das Werk, kleine Einblicke gibt es hier:

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Generation Doof: Wie blöd sind wir eigentlich?

Nachdem für Big Brother kürzlich die bereits 128. Staffel begann und am Freitag auch das Dschungel-Camp in die mittlerweile dritte Ausgabe gestartet ist, rückt eine nicht schon selten diskutierte Frage in den Fokus der Debatte: Ist die Dummheit eigentlich noch aufzuhalten? Beziehungsweise: Sind wir nicht schon längst darin angekommen?

Stefan Bonner und Anne Weiss nahmen sich der Klärung der Frage an und wagten eine Bestandsaufnahme.
„Niklas glaubt, der Dreisatz wäre eine olympische Disziplin. Latoya kennt drei skandinavische Länder: Schweden, Holland und Nordpol. Und Tamara-Michelle hält den Bundestag für einen Feiertag. Einzelfälle? Mitnichten. Eine ganze Generation scheint zu verblöden. Der Staatsanwalt von nebenan erzieht seine Kinder mit der Spielkonsole. Germanistikstudenten sind der deutschen Sprache nicht mehr mächtig. Eine Karriere als Popstar erscheint dem Bäckerlehrling verlockender als eine solide Ausbildung. Dieses Buch geht der Frage auf den Grund, wie es wirklich um die Mütter, Väter und Bundeskanzler von morgen steht. Geschrieben haben es zwei Autoren, die mit der Generation Doof per Du sind. Denn es ist ihre eigene.“ (Klappentext)

Klingt wie ein Buch, das schon lange hätte geschrieben werden müssen. Eine Offenbarung. Und tatsächlich: Das Konzept des Buches hätte super funktionieren können, da gibt es keine Frage. Allerdings hätte man es in drei Einzelkonzepte splitten müssen: eines mit Humor, eines mit der für die Kritik notwendigen Distanz und wahlweise auch noch eines mit Geschichten aus dem Umfeld der Autoren. Leider ist das Buch nun aber ein Mix aus allem.
Da reihen sich Formulierungen wie „Die Naddel im Heuhaufen“ und „Des Luders Kern“ an Verweise auf Youtube und Zitate aus Internetforen, die sich wiederum zu Gesellschaftsstudien und lebensnahen Beispielen von Leon Tyler und Fabienne Chantalle (S. 294) gesellen, wobei die Autoren es noch lange nicht dabei belassen, nur bei der Namenswahl in die von RTL-Comedians bereits bis aufs extremste ausgelutschte Klischeekiste zu greifen.

So schwankt das Buch nun also unweigerlich zwischen Klamauk, wissenschaftlich fundierter Anklageschrift und klischeebehafteter Berichterstattung aus dem Krisengebiet hin und her, was letztendlich leider nichts Halbes und nichts Ganzes werden möchte. Die Autoren sagen zwar von sich selbst ((Stern.de: „Tausche Goethe gegen Stuckrad-Barre“)), dass sie von Anfang an kein reines Sachbuch planten, sondern es schon lustig werden sollte – im Sinne einer Generationen-Schau aus der Sicht der Generation selbst. Doch dieser Ansatz bringt leider (zumindest in der vorliegenden Umsetzung) mehr Nachteile als Vorteile mit sich.
In den Momenten, in denen die Autoren gerade zur Höchstform auflaufen und mal ein paar kritische Ansätze zu Papier bringen, folgt umgehend die „Wir nehmen uns davon nicht aus, wir gehören selber zur Generation Doof“-Parole mit anschließendem Beweis aus der „Stefan/Anne erzählt“-Schublade. Doch als würde es nicht reichen, dass die Autoren sich selber nicht um der Kritik Willen distanzieren wollen, ermöglicht ihnen das zur Schau gestellte Zugehörigkeitsgefühl zur Generation Doof auch noch voreilige Trugschlüsse. Denn was bei den zwei Autoren so war, muss schließlich auf die gesamte Generation zutreffen.

„Wir sind die Wohlstandskinder, die erste Nachkriegsgeneration, der es nie an etwas gefehlt hat. Im Gegenteil, alles war immer im Überfluss vorhanden: Strom kam aus der Steckdose, Sprudel aus dem Kasten, und wenn mal etwas kaputtging, gab es gleich Ersatz.“

…und daraus kann ja quasi nur eine kollektiv verwöhnte Generation resultieren, nicht wahr?
Damit wäre dann auch schon die Grundthese, die gleichzeitig nahezu die einzige These des Buches ist, formuliert: Die Generation Doof ist eine Generation Spaß. Sie ist verwöhnt, will nichts tun, weiß gar nicht, was Arbeit heißt, will eben Spaß und somit so wenig wie möglich Verantwortung für ihr Handeln übernehmen. Das kann man, wenn man möchte, auf 331 Seiten strecken, verkommt aber nach und nach immer mehr zu einem Aufguss seiner selbst.

Auch der humoristische Ansatz will lediglich in Wortspielen so richtig gelingen. Der von den Autoren gewünschte Wiedererkennungseffekt beim Leser wäre sicherlich mit einem Quäntchen Sarkasmus und Ironie besser erzielt werden können, als wenn ihm schon alles konsumbereit dargelegt wird. Vielmehr wäre es doch sinnvoll gewesen, das Hirn des Lesers anzuregen. Wenn schon die konkret formulierte Kritik fehlt, warum nicht mit ein paar spitzfindigen Bemerkungen den Leser dazu bringen, die Probleme der Generation selbst zu entdecken?
Letztendlich kommen wir damit auch bei einer Frage an, die sich mir bis heute nicht eindeutig beantworten lassen will:

WER sind die LESER?
An wen richtet sich das Buch?

Und noch mehr Dinge bleiben unbeantwortet: Ist es nun schlimm, dass wir doof sind? Wenn ja, inwiefern? Ist es wirklich doof, wenn wir Goethe nicht kennen? Wo könnten wir Goethe denn außerhalb der Schule noch gebrauchen und hilft uns Stuckrad-Barre ((Stern.de: „Tausche Goethe gegen Stuckrad-Barre“)) nicht am Ende tatsächlich mehr? Lässt sich Doofheit daran festmachen, dass man die in der Schule verlangten Fakten wie „Wie heißt der erste deutsche Bundespräsident?“, „Wie heißen die 3 längsten Flüsse Deutschlands?„ und „Durch welche Bundesländer fließen sie?“ nicht auf Kommando runterattern kann? Was bedeutet letztendlich dieses „doof“?

Die Frage, was nun genau die Intention der Autoren war, bleibt offen. Schließlich stehen die Autoren selbst in einem Konflikt: Soll man eine Generation so öffentlich kritisieren? Oder soll man es sich lieber nicht mit ihr verscherzen? Soll man am Ende sich selbst kritisieren, indem man die Generation, der man angehört, kritisiert?
Und genauso fraglos, wie die Autoren bei der Klärung dieser Frage sind, bleibt auch der Leser am Ende der Lektüre des 331-Seiten-Werks zurück.

Idee gut – Umsetzung leider mangelhaft.

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Kleine Anmerkung meinerseits noch am Ende: Wer doch noch darauf hofft, ein Buch zu finden, welches er hinter dem Klappentext von „Generation Doof“ vermutet hätte, sollte einfach die hinten im Buch aufgeführten Literaturverweise wie Bernhard Buebs „Lob der Disziplin“ nutzen – von dem Mann lernt man am Ende auch wirklich was.

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