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Google wird nicht vergessen, wir müssen verzeihen

Google hat sich selbst inzwischen über 80 Sprachen beigebracht. Tatsächlich, die Maschine Google hat Sprachen gelernt. Und zwar nicht, in dem ihr einzelne Sprachlehrer Wort für Wort und Vokabel für Vokabel eingetrichtert haben, sondern in dem Google Milliarden von Dokumenten, die Menschen in verschiedene Sprachen übersetzt haben, analysiert und darin Muster erkannt hat.

Google lernt dauernd Neues – Und wir sind seine Lehrer

Und so bringen wir Google permanent etwas Neues bei, über uns und über die Welt. Zum Beispiel mit jeder einzelnen Suchanfrage. Diese wird gespeichert, analysiert und mit anderen verglichen. So kann Google einem inzwischen schon nach den ersten Buchstaben sehr gut vorschlagen, wonach man wahrscheinlich suchen möchte. Blöd nur, wenn aus diesen Fragen an Google plötzlich Antworten werden. So geschehen damals bei Bettina Wulff. Das Gerücht über eine Vergangenheit als Escort-Dame wurde plötzlich Realität, weil so viele Menschen danach suchten und es immer wieder auftauchte. Denn Google lernt nicht nur anders als wir Menschen, Google vergisst auch nicht. Als Bettina Wulff dann versucht hat dagegen vorzugehen, wurde nur noch öfter danach gesucht und das Gerücht verbreitete sich weiter. Ähnliches passiert jetzt mit dem „Recht auf Vergessen„, dass es Privatpersonen erlauben soll einzelne Einträge zu ihrer Person in den Suchergebnissen zu verbergen. Wirklich Vergessen wird dabei nicht wirklich, sondern nur die Verbindung versteckt.  Für den Einzelnen eine willkommene Entscheidung des europäischen Gerichtshofs, schließlich wollen wir nicht jahrelang mit wenigen Tastenschlägen erinnert werden, welche Versäumnisse wir vor etlicher Zeit begangen haben. Und auch Straftäter haben bei uns ein Recht auf Resozialisierung.

Wenn jeder seine Geschichte schönt, verändert es die kollektive Geschichtsschreibung

Für die Gesellschaft als Ganzes aber sicher schwer: Wenn jeder seine eigene Geschichte schönt, verändert das auch die kollektive Geschichtsschreibung. Wenn es Journalisten schwerer gemacht wird die Hintergründe einzelner Personen zu recherchieren, schadet das der Demokratie. Vielleicht würde uns ein permanentes kollektives Gedächtnis sogar helfen mit den Fehlern der Anderen besser umzugehen. „Errare humanum est“, heißt ein bis heute unvegessenes Zitat von Cicero, Irren ist Menschlich. Weniger bekannt ist, wie das Zitat weiter geht: „in errore perseverare stultum“, im Irrtum beharren ist dumm. Auf den Irrtümern Anderer behaaren sicherlich genauso. Wir sollten lernen zu verzeihen, denn Google wird nicht vergessen. (Tweet This!)

Dieser Artikel erschien zunächst als Kolumne in der Allgemeinen Zeitung

Eine Menge über Google habe ich aus dem Buch „In The Plex“ von Steven Levy gelernt, hier die deutsche Version. Ich habe es als Hörbuch über Audible gehört. (Partnerlinks)

Von Jannis Schakarian

Geboren als Jannis Kucharz studierte Jannis Schakarian, Publizisitk und Filmwissenschaft. Hat funk mit aufgebaut, Kolmnen bei der Allgemeinen Zeitung geschrieben und arbeitete als Formatentwickler, Leiter des Social Media Teams und der Distributionseinheit beim ZDF, dann bei SPIEGEL als CvD Audio.

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