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Bewegen & Beschäftigen

„Hilfe, die wollen mir Geld geben“ – Wie Geld und Journalismus funktionieren können

Seit Jahren ist im Netz von einer so genannten Kostenloskultur gerade im Bezug auf Journalismus die Rede. Doch die speiste sich nicht dadurch, dass die Leute nicht bereit sind für Inhalte im Netz zu bezahlen, sondern dass es vor allem keine Möglichkeit dafür gab. Nun springen die Verlage langsam auf die Umsetzung von Paid Content Modellen auf und damit kann man auch einen Anstieg der Zahlungsbereitschaft beobachten.

Nachrichten sind ein Vertrauensgut

Das Problem für Nachrichten im Allgemeinen ist dabei, dass ich ihre Güte nicht bewerten kann. Ich kann die Qualität des Produkts nicht bestimmen. Wir kennen insgesamt drei Arten von Gütern: Inspektionsgüter, Erfahrungsgüter und Vertrauensgüter. Bei Inspektionsgütern kann ich die Qualität im Voraus bewerten. Zum Beispiel bei Melonen im Supermarkt kann ich durch Klopfen den Reifegrad ermitteln und mir sicher sein, die richtige zu wählen. Andere Güter kann ich nach der Erfahrung bewerten: Ob das Essen im Restaurant gut war, weiß ich erst hinterher. Und bei der dritten Art Produkte weiß ich nie wirklich, ob sie gut waren. Einige Beratungsleistungen zum Beispiel, da weiß ich hinterher nicht immer ob das der richtige Ratschlag war oder ob eine andere Strategie noch besser gewesen wäre. Vor allem aber gilt das für Journalismus.

Vertrauensgüter

Ich weiß nie, ob Journalismus gut ist

Ich kann in den seltensten Fällen selbst überprüfen, ob eine Nachricht richtig ist. Vielleicht fallen mir offensichtliche Fehler auf oder ich kenne mich zufällig in dem Feld aus und kann deshalb den Informationsgrad bewerten. Ich vertraue (zumindest im alten Modell) darauf, dass der Journalist die wichtigsten Nachrichten auswählt. Und seien wir ehrlich, in den meisten Fällen, habe ich noch nicht einmal direkt etwas von der Nachricht. In den meisten Fällen ginge es mir ohne sie sogar genau so gut, wenn nicht sogar besser. Ich kann vielleicht auf der nächsten Cocktailparty mit einem Bonmot glänzen, vielleicht aber auch nicht. Ich vertraue aber in die Arbeit der Journalisten. Ich kann also den Nutzen und die Qualität von Nachrichten in den meisten Fällen nicht überprüfen, deshalb gibt es andere Merkmale, auf die ich mich berufe.

Zum Beispiel Aussehen und Design – Sieht die Seite professionell gemacht aus? Gibt es offensichtliche Fehler? Eine Schlampigkeit an einer Stelle könnte auch auf Ungenauigkeiten an anderer Stelle hinweisen. Ich kann mit anderen Seite vergleichen, die ähnliche Berichte haben und dann entscheiden, welche mir besser gefällt. Ich kann mich nach einem guten Text auch unterhalten fühlen. Deshalb ist Infotainment so erfolgreich. Gute Unterhaltung kann ich im Idealfall sogar an einer körperlichen Reaktion erkennen: Ich lache. Aber gut informiert? Das kann ich mich vielleicht fühlen, sicher sein aber nicht. Denn wenn ich die Information der Nachricht schon vorher kenne, dann war die Nachricht zu lesen verschwendete Zeit.

Vertrauen & Marken sind ungemein wichtig

Deshalb gibt es zwei Dinge die ungemein wichtig sind: Das Vertrauen und die Marke. Ich vertraue zum Beispiel einer großen Zeitung, der Zeitung vor Ort oder einem öffentlich-rechtlichen Sender. Weil ich glaube, dass sie Strukturen geschaffen haben, um ihre Nachrichten zu prüfen. Ich vertraue einer Mitteilung, die unter dem Logo der Süddeutschen erscheint, mehr als dem Artikel auf einem Blog auf den ich gerade zum ersten Mal gestoßen bin. Deshalb ist das Geschwafel von Journalisten als Marken auch nicht unsinnig. Wenn ich es schaffe als Journalist selbst für etwas zu stehen und Vertrauen zu meinem Publikum aufzubauen bin ich auf einmal unabhängig von dem Logo, das über meinem Artikel steht. Im Extremfall kann ich einer Publikation sogar etwas Vertrauensüberschuss abgeben, im Sinne von “Ach, guck mal, der schreibt auch für die, dann kann es ja so verkehrt nicht sein.”. Diese Marken sind also durchaus etwas wert. Den Zugang zu Jornalismus kann man, wenn man sich geschickt anstellt, durchaus verkaufen. Das hat das Zeitungsabo immer getan: Täglicher, bequemer Zugang zu Journalismus.

Journalismus muss etwas anderes verkaufen als Journalismus

Aber da sind wir schon beim Thema: Zugang verkaufen ist etwas anderes als Journalismus verkaufen. Ich muss irgendetwas anderes verkaufen, als den Journalismus selbst, der ist ein schwieriges Produkt. Ich kann also Zugang verkaufen. Zu den Artikel oder eben zu den Personen dahinter, zu einer Community. Zusatzinhalte kann man verkaufen. Wenn ich die Grundgeschichte schon kenne, aber mehr erfahren will, bin ich eventuell bereit dafür etwas auszugeben. Das ist es was Richard Gutjahr gerade zusammen mit Laterpay versucht. Ich kann versuchen ein anderes Format verkaufen: Statt der auf 20 Einzelseiten verteilten Meldungen, ein zusammenhängendes PDF, eBook oder von mir aus auch ePaper.

Und ich kann ein Gefühl verkaufen.

Krautreporter macht viel richtig

Das ist es was Krautreporter und die meisten Crowdfunding Kampagnen, bei denen kein haptisches Produkt am Ende steht, verkaufen. Sie verkaufen ein Gefühl. Krautreporter verkauft den Zugang zur Communtiy. Aber damit ist eben weniger die Kommentarfunktion gemeint, als tatsächlich die Gemeinschaft. Das Gefühl dazuzugehören und die ganze Sache erst ermöglicht zu haben. Stefan Niggemeier zieht in seiner Argumentation für Krautreporter sein eigenes Abonnement für das amerikanische Blog “The Dish” heran, das letztes Jahr auf ein Pay-Modell umgestellt hat:

[quote_box_center]Sullivan hat sich Ende 2013 bei den Abonnenten mir mit den Worten bedankt: „You built that. And we’re incredibly grateful to live in it.“ Schon für das warme Gefühl im Bauch sind 19,99 Dollar im Jahr kein schlechter Deal.[/quote_box_center]

Und Dirk von Gehlen analysiert dieselbe Richtung. Bei Krautreporter geht es nicht um Paid Content, sondern um Paid Kontext

[quote_box_center]“Paid Content ohne Paywall” nennt Stefan Niggemeier das – was ich allerdings für halb falsch halte. Denn Content wird hier gar nicht bezahlt. Was hier bezahlt wird, ist Kontext. Es ist das Dabeisein. [/quote_box_center]

Krautreporter unterstützen

Deshalb glaube ich, dass die Krautreporter mit ihrem Vorhaben einiges richtig machen. Nachdem ich das gesagt habe will ich natürlich auch, dass sie erfolgreich sind. Sonst müsste ich in Zukunft meine Thesen noch wesentlich genauer begründen und kann nicht einfach sagen: Siehe Krautreporter. Wobei sie noch Verbesserungspotential haben, das Dirk von Gehlen ebenfalls anspricht und sich in der Kritik niederschlägt, die in den letzten Tagen geäußert wurde. Jemand hat außerdem geschrieben (finde gerade nicht mehr wer), dass die Gefahr besteht, wenn Krautreporter scheitern sollte, dass diese Art des cowdgefundeten Magazins in Deutschland erstmal wieder für Jahre tot ist. (Falls nicht, werden wir Nachahmer sehen.) Doch selbst auf die Gefahr hin muss man doch froh sein, dass es jemand probiert. Nochmal  Niggemeier:

[quote_box_center]Ich glaube aber, dass sich ein Versuch lohnt (und, ehrlich gesagt: auch drei, fünf, elf Versuche), ob es nicht auch anders gehen kann, als es bislang ging.[/quote_box_center]

Deshalb ruhig vorwärts und Krautreporter unterstützen.

Der spontanste re:publica Vortrag

Das alles sind auch ungefähr die Gedanken, die ich versucht habe in meinem re:publica-Vortrag “Hilfe, die wollen mir Geld geben.” zu äußern. Dass die Session wirklich im Programm stand, kam noch spontaner zu Stande, als das letze Uni-Referat. Danke an Katharina Meyer für die Moderation. Wer also lieber schauen als lesen möchte, bitte sehr:

Wer wöchentlich über die Themen Neues im Journalismus, Geschäftsmodelle und Medien-Unternehmen informiert werden möchte:

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Medien morgenlinks Zeitung

Innovation bei New York Times, FAZ & Krautreporter

Schirrmacher: “Wir müssen verhandeln, welchen Wert Qualitätsjournalismus hat”

(Jürgen Scharrer, Horizont.net)
Hochspannendes Interview mit FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher: Über seine Zeitung, die Debatte um Google und das die Medienbranche nur die Vorhut ist, der Branchen die intensiv die Digitalisierung durchlebt. Er darf zwar immer wieder Qualitätsjournalismus sagen, ohne das jemand fragt, was das heißt, aber sehr lesenswert.

The Full New York Times Innovation Report

(scribd.com)
Ausgerechnet BuzzFeed leakte den interne n Innovation Report der NYT, den viele als schon fast historisches Dokument betrachten. Ebenfalls sehr lesenswert. Darin kam heraus, dass auch die New York Time, die fast schon als digitales Vorzeigekind in der Branche gilt, noch diverse Grabenkämpfe zwischen Print und Online ausfechtet. Thomas Knüwer hat auf deutsch nochmal die wichtigsten Erkenntnisse herausgeschrieben.

Krautreporter

(Sebastian Esser et al., krautreporter.de)
Die Krautreporter versuchen innerhalb von 30 Tagen 900.000 Euro für ein neues Onlinemagazin zu sammeln, der bisherige Onlinejournalismus ist nämlich kaputt, sagen sie. Man kann zwar viel an dem Projekt kritisieren, wie den geringen Frauenanteil, aber ich freue mich das mal jemand was macht. Und hoffe, dass die Jungs es schaffen, schließlich setzen sie viel von dem um, was ich in den letzten Jahren gepredigt habe, dass man mal machen müsste.

Das war die nächste Ausgabe der morgenlinks, wenn ihr sie das nächste mal nicht verpassen wollt:

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Politik

Jung & Naiv – Weltpolitik in 10 Minuten

Kann man sogenannten „Politikverdrossenen“ Politik vermitteln? Vielleicht in dem man es einfach erklärt? Tilo Jung versucht es mit seinem Youtube-Format Jung& Naiv und sammelt dafür Lorbeeren und Geld.

„Politik  für Desinteressierte“ lautet die Tagline von Tilo Jungs Format „Jung & Naiv“ und darin führt er kurze Interviews, selten länger als 10 Minuten, mit verschiedenen Gästen. Das besondere: Tilo stellt sich dabei extra dumm & naiv und fragt nach, nach einfach Worten, Erklärungen aber auch kritisch. Über 30 Folgen hat der „Freie Chefredakteur“ aus Berlin bereits produziert: Von Drogen- über Netzpolitik zu Rüstungsexporten und der Zypernkrise. Dies Gäste sind dabei passend und er hat mit Sara Wagenknecht, der Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger oder Ulrich Deppendorf schon einige Namen des politischen Berlins vor die einfache Kamera bekommen. Um da etwas aufzurüsten sammelt Tilo Jung Geld über Krautreporter, eine Plattform zum Crowdfunding von Journalismusprojekten. Ich habe ihm ausserdem mal noch ein paar Fragen zu dem Format gestellt:

„Jung & Naiv“ – erklär doch mal was ist die Idee dahinter und die kamst du darauf?

Tilo Jung: Die Idee ist so ein bisschen aus der Not heraus geboren. Zum einen wollte ich anfangen, Interviews vor der Kamera zu üben. Dafür braucht ich einen Rahmen. Und da ich gerne spiele, wollte ich nicht die klassische Rolle des Journalisten einnehmen. Zum anderen bin ich mittlerweile gewohnt, wie ätzend es ist mit Politikern öffentlich zu reden. Das meist Nichtssagende, Vorhersehbare und Abgestumpfte hat mich mehr und mehr angekotzt. Nicht nur bei eigenen Interviews, sondern auch bei der Vielzahl der Kollegen: Die Politiker wissen, welche Fragen sie zu erwarten haben, welche Antworten sie geben wollen, was sie sagen können. Der deutsche Journalist weiß ebenfalls, was er zu fragen hat. Was er hören will (Pressemitteilung wartet schon!). Und wann er mit dem Interview fertig ist. Das Hinterfragen ist für beide Seiten scheinbar obsolet geworden. Daher die Idee: ich spiele einen interessierten, leicht begeistbaren, aber jungen und naiven Fragesteller, der von Interview zu Interview verschiedene Ahnungslosigkeiten pflegt.

Glaubst du wirklich die Jugend mit ein paar Youtube-Clips wieder für Politik begeistern zu können?

Nein, sicher nicht.

Du hast jetzt schon über 30 Folgen gedreht, unter anderem mit der Justizministeri Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Wie war den die Reaktion von deinen Gesprächspartner, wenn du da duzend ankamst und gesagt hast: „Ich mach hier was für Youtube“?

Durchweg wohlwollend. Ich sage stets vorab (falls ich es nicht bereits vorher in der Interviewanfrage erklärt habe), worüber es im Interview gehen soll, dass ich eine Rolle spiele, die sehr wenig weiß und dementsprechend Fragen stellen wird. Ich weise ebenso drauf hin, dass man am besten von Anfang Dinge simpel erklären soll… Auch das Duzen stelle ich als nichtverhandelbares Prinzip vorweg. Damit hatte bisher niemand Probleme. Nur ein, zwei konservative Politiker fragten bisher: „Soll ich Sie dann auch duzen?“

Du sammelst gerade via Krautreporter Geld um das Projekt auszubauen, was sind denn deine Ziele mit dem Geld und wo willst du mit dem Format hin?

Da ich ein Ziel erklären musste, habe ich versprochen 50 Folgen zu drehen. Mit dem Crowdfunding will ich ein, zwei weitere Kameraeinstellungen und endlich eine Postproduction ermöglichen. Es kommt aber ganz drauf an, wie viel herauskommt. Mit dem Minimalziel von €2500 wäre zB eine GoPro und ein Rechner drin. Ich weiß allerdings nicht, wo das Ding hingehen soll und kann. Das liegt alles nur begrenzt in meiner Hand. Ich habe mir aber vorgenommen, wenn bis Folge 100 kein Weg gefunden ist, mit diesen Interviews, diesem Format Geld zu verdienen, ich „Jung & Naiv“ als  gescheitert ansehen werde. Dann habe ich 100 Folgen meinen Spaß gehabt und kann meinen Kindern irgendwann erzählen, womit ich mir die Freizeit um die Ohren gehauen habe. Und das war’s am Ende auch.

Hast du nicht Angst, dass eine zu großer Produktionsaufwand drumherum dem ganzen seine Spontanität und Lockerheit nehmen könnte?

Ich denke nicht. Denn: an der Einzigartigkeit des Formats werde und will ich ja nicht ruckeln. Dieser Kern besteht ja auch schon seit Folge 1: die gespielte Naivität, die scheinbare Spontanität der Interviewsituation wird bleiben… (wer weiß, ob ich dies nicht sogar noch mit entsprechender Technik verstärken kann?). Ich glaube, dass bei „Jung & Naiv“ noch viel mehr drin steckt. Die Stärke des Formats ist der Inhalt. Das was gesagt wird. Das kann keine noch so große Produktion beeinträchtigen. Das rede ich mir jedenfalls ein.

Danke und viel Erfolg!

Aktuell steht sein Krautreporter-Funding bei knapp über 2000 € und läuft noch 12 Tage. Wer helfen will das Minimalziel zu erreichen, gelangt hier zu Seite. Wer sich erstmal vom Produkt überzeugen möchte findet hier den Youtubekanal, bzw. unten ein paar eingebettet Videos.