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Charlotte Roches „Schoßgebete“: Seelen- statt nur Striptease

Was hat man von Charlotte Roches zweitem Buch „Schoßgebete“ erwartet? Genau diese Erwartung wird auch erfüllt: Das Wort „Sex“ ist das fünfte im Buch. Es folgt eine seitenlange Beschreibung der Fellatiokünste von Protagonistin Elizabeth Kiehl.

Feuchtgebiete“ habe ich damals nie ganz gelesen. Bei einer Bekannten lag das Buch neben dem Bett und ich blätterte immer wieder darin. Mit einer Mischung aus Ekel, Voyeurismus, Faszination und an manchen Stellen sicher auch etwas Geilheit folgte ich den Ausführungen über Selbstbefriediegung, Gesäßblumenkohl und Körperhygiene. Mit dem gleichen Gefühl dachte ich mich nun auch durch „Schoßgebete“ zu wälzen.

Doch da, inmitten der vollmundigen Beschreibungen, ein Riss: Die Bemerkung, dass sie gegen den feministischen Geist ihrer Mutter und natürlich Alice Schwarzer anbläst. Und kurz darauf sitzen wir mit Frau Kiehl im Auto zu ihrer Therapeutin, begleitet von zahlreichen Neurosen und Phobien. Die Angst vor dem Aufzug und dem Riss in der Decke, der immer größer zu werden scheint. Die Gewissheit bald zu sterben, durch die eigene Hand aber nur aufgehalten durch den Wunsch eine gute Mutter zu sein, eine bessere als die eigene oder aber zumindest vom nächsten großen Unglück heimgesucht zu werden.

Denn alles hat seinen Ursprung in einem schrecklichen Autounfall, bei dem Elizabeth drei Brüder verliert. Ein Erlebnis, dass Charlotte Roche selbst hinter sich hat.

Mit diesem Wissen, das Buch soll bis zu 70% (vielleicht auch mehr) autobiografisch sein, wird das Lesen noch viel intensiver. Fassungslos taucht tief man in Psyche einer Frau ein, die Schreckliches umwunden hat und findet sich tief in ihrer Gedankenwelt wieder. Und diese Gedanken sind oft hart:

So wich die Trauer anfangs dem Hochgefühl von allen umsorgt zu werden oder da ist der schreckliche Wunsch, dem Stiefsohn möchte doch etwas zustoßen, dass man denn man für sich alleine hat.

All das schreibt Roche einfach auf und das macht die Intensität des Buches aus, auch die schrecklichsten und verachtenswertesten Gedanken. Immer wieder musste ich das Buch beiseite legen, um zu verdauen was man sich über verbrannte Kinder so an Gedanken macht, selten hatte ich das Gefühl eine Buchprotagonistin so schonungslos kennen zu lernen. Eher Seelen- als Körperstriptease also diesmal, auch wenn die Medien sich natürlich wieder an anderen Dingen aufhängen.

Literarisch mag das ganze nicht der Oberklasse entsprechen, doch die einfach, direkte Sprache passt zur Protagonistin Elizabeth Kiehl und auf die Idee Analverkehr mit Käsefondue zu vergleichen muss man auch erstmal kommen.

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Lolita & Jungfrau zugleich – Das Frauenideal der Werbung

Werbung ist mehr als Kommerzanreiz und Kaubstimulus, Werbung zeichnet immer auch ein Gesellschaftsbild. Werbung versucht ist unsere Wünsche zu formulieren, uns  auf zu zeigen, was wir wollen. Gleichzeitig ist dies aber ein wechselseitiger Prozess: Einerseits greift Werbung unsere Wünsche auf, gleichzeitig oktroyiert es uns Wünsche und Vorstellungen, die es selbst erfindet.

Auch ist Werbung immer ein hervorragender Indikator dafür, was gesellschaftlich breit akzeptiert wird. Und wir akzeptieren viel von der Werbung, gerade was das Bild der Frau angeht. Denn Sex sells und zwar alles. Ob Tütensuppen oder Autoreifen mit wohlgeformte Brüste werben dafür. Aber es geht noch weiter ein unerreichbares Schönheitsideal von Magermodels, einer unvereinbaren Ideal aus Lolita und Jungfrau wird schon den jüngsten nahegelegt.

Jean Kilbourne beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit dem Bild der Frau in der Werbung. Ihre Dokumentation „Killing Us softly“ ist mit unzähligen Preisen überhäuft worden und ist nun in einer aktualisierten 4. Version erschienen.


Killing Us Softly 4 on Vimeo.

In einem Punkt stimme ich ihr nicht zu: Den geringeren Effekt auf Männer. Selbstverständlich kommen die Männer noch besser weg und werden lange nicht so reduziert wie Frauen, aber zunehmend wird auch hier ein Mannsbild erschaffen, dass immer mehr unter Druck setzt. Sixpack habe und nie Schwäche zeigen, sind Werte die nahgelegt werden und denen immer mehr Männer nachstreben und dabei ebenso scheitern müssen, wie das weibliche Geschlecht an biologisch unmöglichen Körpermassen. Hier sind die Anfänge dessen zu sehen, was die Frau in der Werbung schon erreicht hat.

Das Bild zeigt eine alte Werbeanzeige, die noch eindeutig ausspricht, was mann von der Frau erwartet. Unter CC 2.0 Lizenz von Colleen Lane