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Neues Geschäftsmodell: Mediakraft degradiert YouTuber zu Moderatoren

Mediakrafts neues Geschäftsmodell

In der aktuellen W&V (Ausgabe 34-2015) erklärt Spartacus Olsson, Geschäftsführer des Multi-Channel-Networks (MCN) Mediakraft, sein neues Geschäftsmodell. Es entspricht dem alten Modell der Musik-Labels und soll Youtubern die Rechte an ihren Videos entziehen.

TL; WR:

  • Mediakraft verändert sein Geschäftsmodell – zum Nachteil der Youtuber

  • Das neue Modell wird die Rechte der Youtuber stark einschränken

  • Das wird kaum funktionieren, denn Youtuber sind Persönlichkeiten, keine Moderatoren

Ein hartes Jahr für Mediakraft

Mediakraft CEO Spartacus Olsson
Spartacus Olsson, CEO von Mediakraft

Das Jahr war hart für Mediakraft. Seit dem Ausstieg von Simon Unge und dem Verlust weiterer Top-Youtuber ist das MCN schwer angeschlagen. Neben den Geschäftsführern Christoph Krachten und Jan Schlüter hat auch Pressesprecher Moritz Meyer das Unternehmen verlassen. Nach dem turbulenten Jahresbeginn habe sich Mediakraft daher komplett neu aufgestellt, so CEO Olsson im Interview mit der W&V (Ausgabe 34-2015).

Olsson vergleicht die Arbeit seines MCN mit der eines Plattenlabels. Die Aufgabe: Künstler finden, aufbauen und promoten. Dabei wechselten Musiker häufig zwischen verschiedenen Labels, veröffentlichten mal hier, mal dort ihre Musik. Der entscheidende Unterschied zu einem MCN: das Musik-Label behält nach der Zusammenarbeit die Rechte an den erstellten Inhalten.

Genauso wolle nun auch Mediakraft arbeiten: „Wir reden über eine werksbezogene Kooperation, die wir auch nach der Vertragslaufzeit gemeinsam verwerten„. Statt einer Kooperation auf Zeit (das bisherige Modell von Mediakraft und anderer MCNs), sollen nun Verträge über einzelne Videos oder Video-Serien geschlossen werden. Ein Youtuber, bei Mediakraft unter Vertrag, muss nach diesem Modell die Rechte an seinen Videos abgeben.

Mediakrafts neues Geschäftsmodell …

Mediakraft - TV im Internet
Mediakraft – TV im Internet

Der Ausstieg von Simon Unge war für Mediakraft der GAU. Trotz Zeitvertrag konnte sich der Youtuber dem Zugriff des Netzwerks entziehen. Für die Werbekunden eine Katastrophe. Daraus hat Mediakraft gelernt und will nun die vertraglichen Fesseln enger anlegen. Youtuber sollen die Rechte an ihren Videos an das Netzwerk abtreten.

Aus Sicht des Netzwerks macht das Sinn, denn um effektiv Werbung vermarkten zu können, braucht Mediakraft neben Sicherheit vor allem hohe Zugriffszahlen. Diese erzielen Youtuber jedoch meist auf ihren Hauptkanälen. Alle netzwerkeigenen Kanäle oder „Branded Channel“-Experimente weisen deutlich geringere Zugriffszahlen auf, selbst wenn dort bekannte Youtuber auftreten. Diese Kanäle aufzubauen dauert offenbar auch zu lang, Mediakraft ist also auf die Videos der Hauptkanäle der Youtuber angewiesen. Um ein zweites #Freiheit zu verhindern muss das Netzwerk nun einzelne Videos vertraglich festnageln.

… und warum es nicht funktionieren kann

Ein solches Modell mag bei Musikern noch funktionieren, doch Youtuber produzieren nicht nur Inhalte, sie produzieren auch vor allem sich selbst. Ihre Videos sind immer Teil der eigenen Persönlichkeit, vielfach mit dem eigenen Leben verflochten. Das ist die Grundlage ihres Erfolgs. Hier brauchen Youtuber die unbedingte Freiheit, ihre Inhalte so zu produzieren, verändern und auch löschen zu können, wann und wie sie möchten. So sind sie groß geworden und nur so können sie authentisch bleiben. Diese Freiheit zu beschränken, untergräbt die Glaubwürdigkeit der Youtuber.

Mediakraft: Löschen verboten?
Löschen verboten?

Mediakrafts neues Geschäftsmodell wird genau diese Freiheit jedoch stark einschränken. Je nach Vertrag gehen die Werke des Youtubers vollständig in den Besitz des Netzwerks über. Youtuber werden dadurch auf reine Moderationstätigkeiten reduziert, werden faktisch zu Angestellten des Unternehmens. MCNs sind dann tatsächlich nur noch Fernsehsender im Internet, Youtuber werden Moderatoren, Kameraleute und Cutter (und sind dabei für das Netzwerk noch deutlich günstiger als reguläre Angestellte).

Wer als Youtuber einen solchen Vertrag unterschreibt, sollte sich daher nicht mit einer projektbezogenen Bezahlung abspeisen lassen. Auch sollte sich jeder Youtuber bewusst machen, dass er ab sofort nicht mehr Videos für sich selbst, sondern für das Netzwerk produziert. Er sollte daher auf eine klare Trennung zwischen seinem eigenen Kanal und einem Netzwerk-Kanal bestehen.

Nur so können Youtuber die Macht über die eigenen Inhalte behalten.

 

Update (17.08.2015):

Eine kurze Zusammenfassung des Interviews gibt es bei DWDL

Dieser Artikel erschien zuerst auf youtuber-relations.de

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YouTuber Relations – Warum die PR-Branche YouTuber ernst nehmen sollte

In Deutschland entsteht mit dem Youtube-Netzwerk Mediakraft gerade ein neuer Meinungsführer. Die PR-Branche, die eben erst gelernt hat auch Blogger ernst zu nehmen, muss sich schleunigst neu ausrichten.

Youtube – Industrie & soziales Netzwerk

Youtube? Da gibt es doch nur Katzenvideos!” lautet eines der gängigsten Vorurteile über Googles Video-Plattform. Youtube, ein Sammelbecken kurioser Clips: das lachende Baby, der verkleidete Hund, ein tanzender Jedi. Ein lustiges Video, schnell an die besten Freunde gemailt, kurz gelacht und dann vergessen.

Das hinter den lustigen Filmchen eine sich zunehmend professionalisierende Industrie steht (und damit ein riesiges Geschäft), das Youtube ein soziales Netzwerk wie Facebook ist (und sich ähnlich verhält) und das vor allem junge Menschen mittlerweile mehr Youtube als Fernsehen schauen (und damit für die TV-Werbeindustrie zunehmend verloren gehen), all das sickert hierzulande erst langsam ins öffentliche Bewusstsein.

In den USA erreichen die großen der Szene, die Youtube-“Stars”, schon lange ein Millionenpublikum. Der größte Youtube-Channel weltweit (PewDiePie, Stand 30.09.2013) hat knapp 14 Millionen Abonnenten. In Deutschland bringen es die erfolgreichsten Filmemacher (Y-titty, Stand 30.09.2013) auf immerhin fast 2,4 Millionen Abonnenten. Wäre Youtube wie Fernsehen, dann wären die Abonnenten die Fans einer Serie. Und die Videoaufrufe (Views) wären die Quote. Die Views von Y-Titty schwanken irgendwo zwischen 50.000 und 17 Millionen (Gotye Parodie, Stand 30.09.2013). Längst schaut also nicht jeder Fan auch jedes Video. Doch manchmal schauen eben auch viel mehr Leute zu.

17 Millionen Menschen haben also ein Video gesehen, das drei Kölner Jungs in ihrem Wohnzimmer produziert haben. 17 Millionen Aufrufe. Das ist eine Quote, von der viele deutsche Vorabendprogramme nur träumen können (von den Mittagsprogrammen gar nicht zu sprechen).

17 Millionen, diese Quote hatte Gottschalk zur besten Sendezeit. 17 Millionen, das sind bald 21 Prozent der Bevölkerung. 21 Prozent, die nicht zappend vor dem Fernseher saßen, sondern die auf einen Link klicken mussten, um das Video zu sehen. Allein die aktive Handlung, der Wille der dadurch zum Ausdruck kommt, unterscheidet Youtube vom Fernsehen so massiv, dass die 17 Millionen bedeutender werden als jedes TV-Quotenorakel.

 

Meinungsführer Mediakraft

Doch hier wird es erst richtig interessant. Denn Y-Titty gehört einem Netzwerk an: Mediakraft. Mediakraft bündelt die größten deutschen Youtube-Kanäle. Allein die größten sechs Channels bringen es auf knapp 6 Millionen Abonnenten. Dazu kommen über 1 Milliarde Video-Aufrufe. Die Kanal-Betreiber werden mittlerweile als Stars gefeiert und füllen ganze Konzerthallen mit ihren Auftritten. Was RTL für die Fernsehwelt ist, ist Mediakraft für Youtube.

 

Kanal Abonnenten Video-Aufrufe
YTITTY 2.394.603 469.183.361
LeFloid 986.322 101.946.429
freshaltefolie 945.592 159.859.444
iBlali 797.554 85.495.520
ApeCrimeReloaded 768.358 93.356.422
AlexiBexi 488.430 119.139.508
Summe 5.941.272 1.028.980.684

Die sechs größten Kanäle von Mediakraft, Quelle: socialblade.com, Stand: 23.10.2013

Allein die Reichweite von Mediakraft ist bemerkenswert. Doch zwei weitere Aspekte machen das Netzwerk noch interessanter.

Erstens: Cross-Promotion. Sinn und Zweck eines Netzwerks ist es, dass sich deren Mitglieder gegenseitig unterstützen. Bei Youtube geht das über Empfehlungen. Man verweist aufeinander, verlinkt sich, animiert die eigenen Fans, doch auch mal beim Netzwerkpartner vorbei zu schauen. Das kann soweit gehen, das ein Netzwerk seinen Mitgliedern Regeln vorschreibt und bestimmt, wer wen an welcher Stelle wie erwähnen darf. Auch die digitale Währung für Aufmerksamkeit, die “Likes”, werden reglementiert. Man liked nur, wen das Netzwerk will. Dadurch bleiben die Fans im Netzwerk und die Mitglieder unter sich. Auch Mediakraft erlässt solche Regeln, schreibt also vor welche Kanäle bekannter gemacht werden sollen und welche nicht.

Zweitens: Eigene Marken. Mediakraft hat vor einigen Monaten begonnen, eigene Kanäle aufzubauen. Mit Hilfe der Stars im Netzwerk werden dabei neue, eigenständige Marken aufgebaut. Zum Beispiel der News-Kanal “Was geht ab?”, der am 03.07.2013 startete und in gut drei Monaten rund 150.000 Abonnenten und 7 Millionen Videoaufrufe auf sich vereinen konnte. Die Strategie dahinter ist klar: Man will weg von den personenzentrierten Youtube-Kanälen, hin zu einer eigenständigen Marke. Diese lässt sich auch dann weiterführen, wenn der Star das Netzwerk oder gar Youtube verlässt. YT-Kanal: Was geht ab? Statistiken

Statistik des News-Kanals „Was geht ab?“, Quelle: socialblade.com, Stand: 23.10.2013

 

Youtuber als Kommunikationspartner verstehen

In der Generation unter 25 ersetzt Youtube zunehmend das Fernsehen. Das Marketing hat Youtube bereits vor einiger Zeit entdeckt und platziert dort gezielt Produkte, vorallem in Kosmetik-Tests oder Schmink-Tutorials. Youtube-Kanäle sollten aber ebenso wie Journalisten oder Blogger als Kommunikationspartner verstanden werden. Denn wer sich seine Nachrichten nur über Youtube besorgt, ist für die klassischen Kommunikationskanäle verloren. Für die PR-Branche heißt das umdenken. Youtube-Kanäle und vorallem – Youtube-Netzwerke – müssen als Multiplikatoren verstanden werden.

Dabei sind weniger klassische Instrumente wie Pressegespräche oder -mitteilungen als vielmehr kreative Maßnahmen gefragt. In den USA unterstützen beispielsweise Computerspielfirmen große Youtube-Kanäle bei der Produktion ihrer Videos oder geben auch mal einen ganzen Werbespot in Auftrag.

Aufgrund der enormen Reichweiten und Bindungskräfte von Youtube kann das für Unternehmen mit jungen Zielgruppen entscheidend sein. Und Netzwerke wie Mediakraft sind gerade dabei, Meinungsführer in diesem noch sehr jungen Medium zu werden. Je früher die Unternehmenskommunikation hier Kontakte knüpft, desto eher wird sie Youtuber für sich und ihre Botschaften gewinnen können.

Bild: Montage/CC-BY 2.0 von Kheel Center, Cornell University

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Dieser Artikel erschien zunächst bei kommoguntia.de