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Facebook als Steve Jobs des Journalismus

This is the publishing industry’s iTunes moment — and we’re blowing it.

Als die Musikindustrie in der Krise steckte kam Apple mit iTunes als Retter um die Ecke. Gleichzeitig konnte Apple zu dem Zeitpunkt aber auch die Konditionen diktieren: Tracks wurden einzeln verkauft und zu einem festgelegten Preis. Der Journalismus steht an einer ähnlichen Schwelle: Die Inhalte werden ungebündelt verteilt und konsumiert und Facebook bietet sich in der Krise als Plattform an. Kann aber nach gutdünken die Regeln ändern, zum Beispiel in dem es die eigene Video Funktion pusht.

Diesen spannenden Vergleich zieht Mat Yonan, Audience Developmer bei der New York Times und stellt einige interessante Fragen auf die wir in nächster Zeit wohl Antworten suchen werden.

#Please, (Insert Tech Platform) Here, Take My Business!

10 Jahre YouTube – und mehr Konkurrenz als je zuvor

YouTube feiert gerade sein 10-Jähriges steht im Mittelpunkt wie nie zuvor, gleichzeitig tauchen aber an allen Enden auch neue Konkurrenten auf. Vor allem weil YouTube selbst Lücken geschaffen hat: Durch die gezielte Professionalisierung der Plattform wandern die wirklichen Amateur-Inhalte eher zu Facebook oder Snapchat. Aber so hat YouTube selbst ja auch angefangen.

Betram Gugel hat einen spannenden Marktüberblick verfasst:

#YouTube im Kreuzfeuer. Facebook, Twitter, Twitch und Snapchat greifen an.http

Print als Abfallprodukt

Der Nordbayerische Kurier setzt ab sofort auf das Modell “Online to Print”. Also alle Inhalte werden zunächst einmal gezielt für online erstellt und daraus wird dann im Nachhinein die Zeitung zusammengestellt. Als ich vor einem Jahr in den USA verschiedene Medienhäuser besichtigt habe, haben die bereits alle so gearbeitet. Hier macht das meines Wissens bislang vor allem die Welt und eben der Nordbayerischen Kurier. Ralf Heimann hat die Regionalzeitung besucht:

#Umblättern in Kopf – Ein Besuch beim nordbayerischen Kurier

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Warum YouTube MusicKey sich nicht für kleine Künstler lohnt

Warum YouTube Musik Key sich nicht für kleine Künstler lohnt

– Und wie sie trotzdem im Netz Geld verdienen können 

Zoë Keating hat mit ihrem Protest gegen Youtube Music Key einiges an Aufmerksamkeit erhalten. Youtube zwingt sie quasi ihre Videos zum Teil des eigenen Musikstreamingdienstes zu machen oder sie nicht länger monetarisieren zu können.
Ben Thompson von Stratechery schreibt auf, warum es für Zoe eine ganz schlechte Idee da mitzumachen. Und da macht er selbst eine ganz Interessante Rechnung für alle Medien auf:

Onlinegeschäftsmodelle

Das bedeutet, dass es vor allem der Werbeansatz für kleine Nischenproduzenten, seien es nun Medienmacher oder Musiker, weniger funktioniert. Vor allem in Zeiten von fallenden Werbepreisen sollten diese sich eher darauf konzentrieren von ihren echten Fans direkt Geld einzusammeln.

#Ben Thompson, Stratechery.com: Dear Zoë Keating, tell Youtube to take a hike.

Ben Thompson fährt das Modell übrigens selbst mit seinem Blog und verlangt für eine Abonnement seiner täglichen Mails 10$ im Monat. Die ich gerne bezahle.

Kriegsziel Kunde: Onlinewerbung im Jahr 2015

Noch jemand, der es versteht sein Blog gezielt zu monetarisieren ist Richard Gutjahr, er hat gerade einen neuen Zugang über Zeitpässe gestartet. Und er hat Werbepapst Amir Kassei zum Gespräch gebeten über die andere Geschäftsstrategie der Medien: Werbung. Warum ist gerade Onlinewerbung im Jahr 2014 immer noch furchtbar Pop-up, under, over? Was bringen Wearables und Facebook Video?

#Richard Gutjahr, Amir Kassei, gutjahr.biz: Kriegsziel Kunde: Zum Zustand der Online-Werbung 2015

Ich empfehle die Audioversion des Interviews.

Wie Facebook sich Redakteure outsourced

Apropos Facebook Video: Die Bevorzugung der eigenen Videofunktion war ein erster Schritt Inhalte direkt zu sich auf die Plattform zu holen. Das könnte sich aber ausweiten und auch für andere Inhalte immer wichtiger werden. Auf diese Art und weise holt sich Facebook Journalismus und hochwertige Inhalte ins Haus, ohne selbst Redakteure beschäftigen zu müssen. Andersherum sind die meisten Medienhäuser längst süchtig nach der Reichweite auf Facebook und tuen alles um diese zu erhöhen. LousyPennies hat dies nun nochmal zusammengefasst:

#Karsten Lohmeyer, Lousypennies.de: Facebook baut gerade einen Todesstern – und könnte den Journalismus verändern

Martin Giesler hat auch schon etwas zu dem Thema geschrieben und wenn alles glatt läuft halte ich mit ihm dazu auch einen Vortrag auf der #rp15.

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Youtube News & TV 2.0

Revolution in #YoutubeDeutschland

Kurz vor Weih­nach­ten ver­fass­ten et­li­che Ju­gend­li­che Tau­sen­de Posts auf dem Kurz­nach­rich­ten­dienst Twit­ter mit dem Hash­tag #Frei­heit. In die­sen Tweets ging es nicht et­wa da­rum, für un­ter­drück­te Völ­ker Be­frei­ung von ih­ren Des­po­ten zu for­dern – oder die in­haf­tier­te Whist­le­blo­we­rin Chel­sea Man­ning zu be­frei­en. Statt­des­sen ging es um ei­nen You­tu­ber. Si­mon Un­ge spielt vor der Ka­me­ra Vi­deo­spie­le oder fährt mit dem Long­bo­ard durch ganz Deutsch­land. Er hat­te ei­nen Ver­trag mit sei­nem Netz­werk Me­dia­kraft un­ter­schrie­ben, aus dem er jetzt vor­zei­tig ent­las­sen wer­den woll­te. Öf­fent­lich be­ging er den Ab­schied aus sei­ner selbst ver­schul­de­ten Un­mün­dig­keit. Er be­schim­pfte Me­dia­kraft als „Scheiss­hau­fen“ und pran­ger­te Me­dia­krafts Ge­schäfts­ge­ba­ren an.

Für Mediakraft geht es steil bergab

Und sei­ne Fans spran­gen ihm scha­ren­wei­se bei. Für das Netz­werk Me­dia­kraft, das vor al­lem die Wer­bevermark­tung für Un­ge und an­de­re You­tu­ber über­nimmt, geht es seit­her steil berg­ab.
Nach­dem noch wei­te­re You­tu­be-Grö­ßen ih­ren Weg­gang be­kannt ga­ben, ha­ben erst der Ver­mark­tungs­chef und kurz da­nach der Prä­si­dent des Un­ter­neh­mens, Christ­oph Krach­ten, ih­re Pos­ten nie­der­ge­legt.
Das ist in et­wa so, wie wenn ei­ni­ge gro­ße Mu­si­ker ihr Mu­sik­la­bel ver­las­sen und da­nach die Un­ter­neh­mens­füh­rung aus­ge­tauscht wer­den muss. Christ­oph Krach­ten hat­te mir ge­gen­über in ei­nem In­ter­view we­ni­ge Wo­chen zu­vor Me­dia­kraft noch als „Ma­jor­la­bel“ im You­tu­be-Be­reich be­zeich­net. Das zeigt die Kraft die­ser You­tu­ber: Si­mon Un­ges Ab­schieds­vi­deo wur­de in­zwi­schen drei Mil­lio­nen Mal auf­ge­ru­fen. Auf You­tu­be sind Stars her­an­ge­wach­sen ab­seits des Mains­tre­ams.

Stars ohne jemals im Fernsehen aufgetaucht zu sein

Hier wird die wah­re Re­vo­lu­ti­on deut­lich: Wäh­rend im aus­tra­li­schen Dschun­gel Pro­mis sit­zen, für die sich im­mer we­ni­ger Zu­schau­er in­te­res­sie­ren und de­ren Pro­mi­nenz le­dig­lich aus der Teil­nah­me in an­de­ren Fern­seh­sen­dun­gen be­steht, ist ei­ne jün­ge­re Ge­ne­ra­ti­on so­zu­sa­gen aus ih­ren Kin­der­zim­mern her­aus be­rühmt ge­wor­den. Oh­ne zu­vor je­mals im Fern­se­hen auf­ge­taucht zu sein.

You­tu­ber haben ihr ei­ge­nes Me­die­nim­pe­ri­um er­schaf­fen

An den Mas­sen­me­dien vor­bei ha­ben sie sich ih­re ei­ge­ne treue Fan­ba­sis auf­ge­baut. Mit ei­ner Bin­dung, die viel nä­her und in­ti­mer ist als die zu ei­nem Stern­chen, das sich im Dschun­gel die Blö­ße gibt.
Si­mon Un­ges neu­er You­tu­be-Ka­nal hat­te in­ner­halb von 24 Stun­den über 400 000 Abon­nen­ten ver­zeich­net. Als der Fern­seh­sen­der WDR vor Kur­zem ei­nen neu­en You­Tu­be-Ka­nal star­te­te, brach­te er es in 24 Stun­den auf ge­ra­de mal rund 400 Abon­nen­ten. Und Un­ge braucht für sei­nen You­tu­be-Ka­nal we­der ein von ei­nem In­ten­dan­ten un­ter­zeich­ne­tes For­mu­lar noch ei­nen kom­plet­ten Fern­seh­sen­der im Rü­cken, um für ein gro­ßes Pu­bli­kum zu pro­du­zie­ren. So ha­ben er und vie­le an­de­re You­tu­ber ihr ei­ge­nes Me­die­nim­pe­ri­um er­schaf­fen – und sie al­lein sind da­rin die trei­ben­den Kräf­te.

Dieser Artikel erschien zunächst in der Allgemeinen Zeitung
Bild: Revolution von 
Alessandro Pautasso (CC BY-NC-ND 2.0)

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Politik

Die Satire der Vorratsdatenspeicherung

[dropcap type=“2″]G[/dropcap]lauben Sie, dass es einen Terroranschlag verhindern könnte, wenn die Polizei genau wüsste wann Sie mit wem vor sechs Monaten telefoniert haben?

Falls ja, sollten Sie sich schleunigst bei der Polizei melden. Falls nein, sollten Sie sich schleunigst bei der Politik melden. Denn diese plant gerade in einem weiteren Anlauf die Vorratsdatenspeicherung einzuführen.

Wohlgemerkt geht es bei der Vorratsdatenspeicherung nicht darum nur die Kommunikation irgendwelcher Islamisten zu überwachen, sondern auch zu speichern wann genau Sie mit wem telefoniert, gemailt oder gesimst haben. Für ein halbes Jahr.

[quote_center]Glauben Sie, dass Ihre Telefonate einen Terroranschlag aufdecken?[/quote_center]

Es ist schon eine ganz eigene Form der Satire, wie die CDU/CSU nach den Anschlägen auf Charlie Hebdo der AfD vorwerfen, den Terrorvorfall für die eigene Politik zu missbrauchen und im selben Atemzug für sich die Vorratsdatenspeicherung zu fordern.

Erschreckender Weise stimmt nun auch die SPD mit ein, die vor der Wahl noch Vorbehalte anmeldete. Zwar sträubt sich Justizminister Heiko Maas weiterhin tapfer, aber die Parteispitze mit Sigmar Gabriel zeigt sich durchaus offen unsere Freiheit zu opfern. Der Vorschlag dazu sollte nur möglichst verfassungskonform sein und einen Richtervorbehalt beinhaltet.

Wir erinnern uns: Das letzte Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung wurde trotz Richtervorbehalt vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig einkassiert. Wie so ein grundrechtskonformer Gesetzesentwurf also aussehen soll steht in den Sternen oder geheimen EU-Verhandlungen.

Vorbehalte gegen Vorratsdatenspeicherung

Letztendlich ändert auch der Richtervorbehalt nichts daran, dass die Daten aller Bundesbürger gespeichert werden. Was mit solchen anfallenden Daten geschieht, wissen wir seit Snowden sehr genau. Hier träumen sich die Sicherheitsextremisten der deutschen Politik endlich eine anlasslose Massenüberwachung nach Vorbild der NSA herbei. Denn was anfangs mit der Terrorprävention gerechtfertigt wird, wird schnell auf andere Felder ausgeweitet, wenn die Daten schon mal da sind. Es ließe sich sicher auch der ein oder andere Steuer- und Verkehrssünder ermitteln.

Wobei ein grundsätzlicher Beweis für die Wirksamkeit der Vorratsdatenspeicherung noch aussteht. Gerade die Anschläge in Paris sind ein schlechtes Beispiel: Frankreich verfügt über die Vorratsdatenspeichung und vermochte dennoch keine der Gräultaten zu verhindern. Massenüberwachung taugt also eher zur Kontrolle der Bevölkerung, nicht zur Terrorbekämpfung.

„Je Suis Charlie“ als reines Lippenbekenntnis

Der Ruf „Je Suis Charlie“ ist für die Politiker nur ein Lippenbekenntnis: Statt dem Versprechen nachzukommen, unsere Freiheit auch im Angesicht des Terrors zu verteidigen, nutzen sie es, um unsere Freiheit einzuschränken. Wahre Realsatire.

Titelbild: CC BY-SA 2.0 Jonathan McIntosh

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Medien Politik

Journalisten, ihr seid unsere Augen!

Vergangene Woche gerieten einige oder schlicht die Medien in die Kritik für die Darstellung des Trauermarsches in Paris. Das meistverbreitete Bild erweckte den Eindruck die Staatschefs aus aller Herren Länder hätten den Gedenkzug durch die französische Hauptstadt angeführt.

Die etwas andere Perspektive

Eine etwas andere Perspektive zeigte, dass sich Merkel & Co. in Wirklichkeit getrennt vom Volk aufgestellt hatten und der übrige Pöbel erst sehr viel später die Straße entlang lief.

Natürlich machte das Aufklärungsbild mit zahlreichen Lügenpresse-Rufen die Runde.

Endlich bekannt – sogar für Wikipedia

So weit, dass Kai Gniffke, Chefredakteur von ARD-aktuell, sich genötigt sah in harschem Ton einen Blogbeitrag auf tagesschau.de zu veröffentlichen. Dieser Blogbeitrag führte dazu, dass in seinem Wikipedia Eintrag nun steht:

[quote_box_center]Bekannt wurde Gniffke in den Medien Anfang 2015 durch einen ausfallenden Kommentar, als öffentlich wurde, dass die ARD bei ihrer Berichterstattung zu dem Terroranschlag auf das Redaktionsbüro von Charlie Hebdo am 7. Januar 2015 verschwiegen hatte, dass das Foto, welches die Staats- und Regierungschefs beim Trauermarsch zeigte, eigentlich in einer Seitenstraße in Paris aufgenommen wurde, und nicht während des eigentlichen Trauermarsches.[/quote_box_center]

Es vor allem der Ton, der vielen an Gniffkes erstem Blogbeitrag aufstieß und so entschuldigte er sich dafür auch in einem zweiten. Mir macht aber eher etwas ganz anderes Gedanken: Das Selbstverständnis, das die tagesschau mit diesem Satz durchblicken ließ:

[quote_box_center]Aber es ist doch so:  Wenn sich Politiker vor eine Kamera stellen, ist das immer eine Inszenierung, jede Pressekonferenz ist eine Inszenierung. [/quote_box_center]

Wie Niggemeier es nannte: Die „Tagesschau“. Wo man schöne Inszenierungen nicht blöd hinterfragt.

Privatvorstellung im Medienzirkus

Natürlich setzen Politiker alles daran, sich in einem möglichst guten Licht zu inszenieren. Und natürlich wird ein Großteil des Zirkus überhaupt nur für die Medien veranstaltet. Aber es ist doch nicht die Aufgabe der Medien bei der Aufführung auch noch zu helfen. Vielmehr sollten Medien eine solche Inszenierung doch möglichst häufig hinterfragen und aufdecken.

Denn ja, jede Pressekonferenz ist eine Inszenierung, aber die meisten Zuschauer waren noch nie auf einer Pressekonferenz und werden es vermutlich auch niemals sein. Die absolute Mehrheit des Publikums weiß also nicht, wie eine Pressekonferenz überhaupt aussieht und was man daran inszenieren kann.

Der Journalist sollte sich doch nicht als Teil der Inszenierung verstehen. Ansonsten muss er sich auch nicht wundern, wenn die eigene Publikation als „Systemmedium“ beschimpft wird. Den in dem Fall wird er tatsächlich, unüberlegt oder nicht, zum Teil der Inszenierung und damit dem System der Politik.

Wie nah sind die Politiker

Natürlich zeigt kein Bild(ausschnitt) die ganze Wahrheit, aber jedes Bild transportiert eine andere Botschaft. Und dabei sollte man sich öfter Fragen: „Cui bono?“ – Wem nutzt diese Darstellung?

Und gerade die beiden Bilder oben, deshalb auch ihre rasante Verbreitung, könnten unterschiedlich nicht sein. Das „inszenierte“ Bild zeigt die Staatschefs, wie sie angeblich den Marsch der Millionen von Paris anführen, wie sie sich (fast schützend) vor die Bevölkerung stellen.

Aus einem leicht veränderten Winkel zeigt sich ein ganz anderes Bild: Eine Gruppe von Politikern unter sich, im wahrsten Sinne des Wortes distanziert vom Volk .

Der Journalist ist das Auge des Publikums

Warum dieser Ausschnitt in der 20 Uhr Tagesschau nicht gezeigt wurde erklärt Gniffke so:

[quote_box_center]In dem Bericht in der Tagesschau um 20Uhr war der Sicherheitsabstand nicht zu sehen, weil er normal ist, weil es diesen Sicherheitsabstand bei jedem Auftritt von so vielen Staatschefs gibt.[/quote_box_center]

Sorry, ich weiß nicht was bei einem Auftritt von so vielen Staatschefs normal ist. Ich war nämlich noch nie bei einem Auftritt von so vielen Staatschef dabei. Deshalb verlasse ich in dem Fall auf Journalisten und Korrespondenten. Sie sollten das Auge des Publikums vor Ort sein. Und ich hoffe, dass dieses Auge möglichst wachsam ist und sich gründlich umschaut.

Titelbild: CC BY-NC-SA 2.0 Jeremy Kunz

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Satire

Was darf Satire?

Eine Antwort auf die Frage „Darf Satire das?„. Von Kurt Tucholsky aus dem Jahre 1919 und damit mittlerweile gemeinfrei.

Frau Vockerat: «Aber man muß doch seine Freude haben können an der Kunst.»
Johannes: «Man kann viel mehr haben an der Kunst als seine Freude.»
Gerhart Hauptmann

Wenn einer bei uns einen guten politischen Witz macht, dann sitzt halb Deutschland auf dem Sofa und nimmt übel.

Satire scheint eine durchaus negative Sache. Sie sagt: „Nein!“ Eine Satire, die zur Zeichnung einer Kriegsanleihe auffordert, ist keine. Die Satire beißt, lacht, pfeift und trommelt die große, bunte Landsknechtstrommel gegen alles, was stockt und träge ist.

Satire ist eine durchaus positive Sache. Nirgends verrät sich der Charakterlose schneller als hier, nirgends zeigt sich fixer, was ein gewissenloser Hanswurst ist, einer, der heute den angreift und morgen den.

Der Satiriker ist ein gekränkter Idealist: er will die Welt gut haben, sie ist schlecht, und nun rennt er gegen das Schlechte an.

Die Satire eines charaktervollen Künstlers, der um des Guten willen kämpft, verdient also nicht diese bürgerliche Nichtachtung und das empörte Fauchen, mit dem hierzulande diese Kunst abgetan wird.

Vor allem macht der Deutsche einen Fehler: er verwechselt das Dargestellte mit dem Darstellenden. Wenn ich die Folgen der Trunksucht aufzeigen will, also dieses Laster bekämpfe, so kann ich das nicht mit frommen Bibelsprüchen, sondern ich werde es am wirksamsten durch die packende Darstellung eines Mannes tun, der hoffnungslos betrunken ist. Ich hebe den Vorhang auf, der schonend über die Fäulnis gebreitet war, und sage: „Seht!“ – In Deutschland nennt man dergleichen ‚Kraßheit‘. Aber Trunksucht ist ein böses Ding, sie schädigt das Volk, und nur schonungslose Wahrheit kann da helfen. Und so ist das damals mit dem Weberelend gewesen, und mit der Prostitution ist es noch heute so.

Der Einfluß Krähwinkels hat die deutsche Satire in ihren so dürftigen Grenzen gehalten. Große Themen scheiden nahezu völlig aus. Der einzige ‚Simplicissimus‘ hat damals, als er noch die große, rote Bulldogge rechtens im Wappen führte, an all die deutschen Heiligtümer zu rühren gewagt: an den prügelnden Unteroffizier, an den stockfleckigen Bürokraten, an den Rohrstockpauker und an das Straßenmädchen, an den fettherzigen Unternehmer und an den näselnden Offizier. Nun kann man gewiß über all diese Themen denken wie man mag, und es ist jedem unbenommen, einen Angriff für ungerechtfertigt und einen anderen für übertrieben zu halten, aber die Berechtigung eines ehrlichen Mannes, die Zeit zu peitschen, darf nicht mit dicken Worten zunichte gemacht werden.

Übertreibt die Satire? Die Satire muß übertreiben und ist ihrem tiefsten Wesen nach ungerecht. Sie bläst die Wahrheit auf, damit sie deutlicher wird, und sie kann gar nicht anders arbeiten als nach dem Bibelwort: Es leiden die Gerechten mit den Ungerechten.

Aber nun sitzt zutiefst im Deutschen die leidige Angewohnheit, nicht in Individuen, sondern in Ständen, in Korporationen zu denken und aufzutreten, und wehe, wenn du einer dieser zu nahe trittst. Warum sind unsere Witzblätter, unsere Lustspiele, unsere Komödien und unsere Filme so mager? Weil keiner wagt, dem dicken Kraken an den Leib zu gehen, der das ganze Land bedrückt und dahockt: fett, faul und lebenstötend.

Nicht einmal dem Landesfeind gegenüber hat sich die deutsche Satire herausgetraut. Wir sollten gewiß nicht den scheußlichen unter den französischen Kriegskarikaturen nacheifern, aber welche Kraft lag in denen, welch elementare Wut, welcher Wurf und welche Wirkung! Freilich: sie scheuten vor gar nichts zurück. Daneben hingen unsere bescheidenen Rechentafeln über U-Boot-Zahlen, taten niemandem etwas zuleide und wurden von keinem Menschen gelesen.

Wir sollten nicht so kleinlich sein. Wir alle – Volksschullehrer und Kaufleute und Professoren und Redakteure und Musiker und Ärzte und Beamte und Frauen und Volksbeauftragte – wir alle haben Fehler und komische Seiten und kleine und große Schwächen. Und wir müssen nun nicht immer gleich aufbegehren (‚Schlächtermeister, wahret eure heiligsten Güter!‘), wenn einer wirklich einmal einen guten Witz über uns reißt. Boshaft kann er sein, aber ehrlich soll er sein. Das ist kein rechter Mann und kein rechter Stand, der nicht einen ordentlichen Puff vertragen kann. Er mag sich mit denselben Mitteln dagegen wehren, er mag widerschlagen – aber er wende nicht verletzt, empört, gekränkt das Haupt. Es wehte bei uns im öffentlichen Leben ein reinerer Wind, wenn nicht alle übel nähmen.

So aber schwillt ständischer Dünkel zum Größenwahn an. Der deutsche Satiriker tanzt zwischen Berufsständen, Klassen, Konfessionen und Lokaleinrichtungen einen ständigen Eiertanz. Das ist gewiß recht graziös, aber auf die Dauer etwas ermüdend. Die echte Satire ist blutreinigend: und wer gesundes Blut hat, der hat auch einen reinen Teint.

Was darf die Satire?

Alles.

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Bewegen & Beschäftigen Medien Netz &

Wir müssen unsere Informationsblase durchstechen

Eigentlich bietet das Netz einen Segen an unendlicher Information. Man kann jederzeit Zeitungen und TV-Sender aus aller Welt verfolgen. Auch zu jeder noch so kleinen Nische findet man noch ein passendes Blog, das bis ins kleinste Detail Entwicklungen und Neuigkeiten bespricht.

In der eignen Meinung ist es bequem

Und natürlich findet man auch jedes Meinungscoleur. Während die großen Medien immer meinungsschwächer geworden sind, um möglichst keine Lesergruppe zu verschrecken, findet sich im Netz mit Sicherheit ein Nachrichtenangebot, das genau der eigenen politischen Linie folgt. Hier lauert aber auch die Falle es sich in der eigenen Meinung bequem zu machen, nur noch Dinge zu konsumieren, die die eigene Weltsicht bestätigen.

Vor allem da die Informationsblase technisch noch verstärkt wird. Eli Pariser hat das vor drei Jahren in seinem Konzept der „Filter Bubble“ erläutert: Basierend auf unserer Suchgeschichte liefert uns Google Ergebnisse, die zu uns passen und Faceboook analyisert mit welchen Statusupdates wir interagieren. So kommt es, dass wir im Internet immer mehr von dem sehen, was uns interessiert und vor allem unserer Sichtweise entspricht. Langfristig führt das allerdings dazu, dass man kaum noch Nachrichten und Meinungen aus anderen politischen Lagern wahrnimmt.

Abschottung ist eine menschliches, kein maschinelles Problem

Inzwischen zeigt sich, dass diese Abschottung in erster Linie kein maschinelles sondern ein menschliches Phänomen ist. Wer die Social Media-Präsenzen und Kommentarspalten von so genannten Mainstreammedien verfolgt, sieht, dass diese durchaus wahrgenommen werden. Hier kommentiert ein wildes Gemenge aus Verschwörungstheoretikern, Pegida-Demonstranten und Afd-Anhängern, die die Medien gerne als System- oder Lügenpresse beschimpfen. Diese Menschen nehmen die Mainstreammedien also noch war, aber nicht mehr ernst. Alles was nicht in das geschlossene eigene Weltbild passt, wird als vermeintliche Propaganda der Nato, CIA oder von Gutmenschen abgelehnt.

Und wenn doch mal etwas zu ihrer engstirnigen Sicht passt, dann wird es nicht etwa als Beweis für die Unabhängigkeit der Medien realisiert, sondern als „Wir haben es ja schon immer gesagt“-Bestätigung. Ironischerweise verfolgen dabei genau diejenigen eine Agenda, die den Medien eine unterstellen: Sie wollen immer wieder ihre eigene Weltsicht bestätigen.

Wir müssen aktiv unsere Informationsblase zerstechen

Deshalb muss man als Nachrichtenkonsument aktiv seine Informationsblase zerstechen. Andere Meinungen wahrnehmen und mehrere Blickwinkel verfolgen. Nur so lässt sich eine fundierte Meinung bilden.
Nur so lässt sich überprüfen ob das eigene Weltbild zumindest noch lose auf der Realität basiert.

Titelbild: CC BY-ND 2.0 Olli Henze

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Musik

Wie macht man eigentlich Reggae?

Wie macht man eigentlich Reggae? Klar, irgendwie hat das was mit einem Offbeat zu tun und dann haut noch jemand in die Tasten der Hammond-Orgel. Aber was verlasst einen dazu, dass man bei den ersten Takten der Wählers kaum die Füße still halten kann?

Ein Glück erklärt TheClavinover, a.k.a. Marti Fischer, in seiner Serie „Wie geht eigentlich Musik“ die Essenz verschiedener Musikstile.

TheClavinover gehört wohl zu den talentiertesten YouTubern, er startete vor allem mit der Imitation zahlreicher Promi-Stimmen auf YouTube und gewann damit direkt den YouTube Secret Talents Wettbewerb. Inzwischen konzentriert er sich mehr auf Musik und haut mal eben jede Wochen einen neuen Loop raus und erklärt dann auch noch die verschiedenen Musikstile. Das Video über Reggae gehört zu den Besten.

Was macht Reggae aus

Entstanden aus Ska und Rocksteady und Jamaika wird der Sound vor allem durch den charakteristischen Offbeat: Die Schläge sind als nicht auf 1 und 2 sondern auf dem und dazwischen. Gesungen wird oft über den eigenen Drogenkonsum oder die eigene Beziehung zu Gott (Jah) und zwar im unverständlichen Patois-Dialekt der Karibik-Insel. Aber Marti erklärt das alles im Video viel besser.

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Featured Großes Kino

Worum es in Fight Club wirklich geht

Eine Fight Club Interpretation ist gar nicht so einfach. Der Film bietet unendlich vielschichtige Charaktere und vor allem mit seinem Twist am Ende auch viel Stoff Hinweise zu entdecken.

Fight Club Interpretation

Die Konsumkritik, die sich durch den gesamten Film zieht. Die Schizophrenie, die Selbsthilfegruppen in die Edward Norton stürmt. Wie er sich durch die Anwesenheit von Frauen gestört fühlt. Die Unterdrückte Gewalt und die Auflehnung gegen die Gesellschaft und ihre Regeln.

Anforderungen an die Männlichkeit

Folding Ideas hat alle diese Ansätze unter einen gemeinsamen Hut gebracht und das Überthema des Films „Fight Club“ herausgarbeitet: Männlickeit und die geforderten Verhaltensweisen. Nach seiner Fight Club Interpretation zeigt sich an vielen Stellen der Kampf um das „Mann sein“, wie es die Gesellschaft erwartet. Und das der Erzähler (Edward Norton) genau damit Probleme hat. Diese gefühlten Anforderungen an einen Mann in der Gesellschaft kann er nur in den Selbsthilfegruppen loslassen, deshalb fühlt er sich auch von Marlas Auftauchen dort gestört. Die Drohung der Kastration zieht sich durch den Film: Das man seiner Männlichkeit beraubt wird gilt als ultimative Strafe.

Tylor Durden als ultimativer Macho

Filmpodcast
Unser Filmpodcast: Gucken & Trinken – Über Filme und die passenden Drinks.

Alle diese wahrgenommen Anforderungen an einen Mann manifestiert der Erzähler in Tyler Durden, seinem idealen Männerbild. Er ist roh, gewaltätig und gegen über Frauen ein Macho. So interagiert der Erzähler mit Marla vor allem durch Tyler Durden. Interessanterweise rekonstruieren sie durch Tyler Durden im „Fight Club“ das selbe Modell des Rechts des Stärkeren. Der Fight Club basiert auf dem selben Männlichkeitsbild und baut auf abstrakter Ebene die Gesellschaft nach. Deshalb die abschließende „Fight Club“ Interpretation: Eine Veränderung der Gesellschaft ist nur möglich, wenn das Rollenverständnis von Mann (und Frau) aufgegeben wird.

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Gesellschaft Kultur Netz &

Wie die Digitalisierung mein Weihnachten persönlicher macht

Viele folgen dem Vorurteil, die Digitalisierung mache alles unpersönlicher. Alles starren nur noch auf ihr Handy und schauen sich nicht mehr an. Irgendwie ist alles eins und null, nichts mehr analog. Die Haptik fehlt, wenn wir nur noch nach der Cloud greifen.

Digitale Geschenkewelt

Und die Digitalisierung verändert auch was zu Weihnachten unter dem Baum liegt: eReader, Tablet und Smartphone machen viele der klassischen Weihnachtsgeschenke zu einem echten Fauxpas. Eine CD zu verschenken hat seit Spotify und iTunes nur noch wenig Wert. Wer verzweifelt ein Geschenk sucht, kann nicht länger die Abkürzung über das Spiegel-Bestsellerregal nehmen, wenn der Empfänger einen Kindle besitzt. Und auch DVDs und BluRays dienen für jeden mit Netflix oder Amazon Instant Video-Zugang in erster Linie als Staubfänger.

Und während die Verbreitung der digitalen Güter stetig voranschreitet hat bis heute noch niemand einen guten Weg gefunden, um sie so verschenkbar zu machen, dass sie Freude bereiten. Entweder kommen sie in Form einer Gutscheinplastikkarte oder landen zwischen den Spam-Nachrichten einfach im eMail-Postfach des Beschenkten. Keine DVD-Hülle, die als Gesprächsanstoß dient, kein CD-Cover, dass begeistert und kein Klappentext, der dazu auffordert noch unter dem Weihnachtsbaum loslesen zu wollen. Hier kann irgendein findiges Start-Up noch viel Geld verdienen.

DVDs, CDs und Bücher taugen nur noch als Staubfänger

Doch sind wir ehrlich – oft waren diese Geschenk auch nur der bequemste Weg. Das schnelle Last Minute-Geschenk. Und so stelle ich fest, dass gerade meine Weihnachtsgeschenke im Zuge der Digitalisierung eben persönlicher werden. Und das hat ausnahmsweise nicht mit einem Algorithmus zu tun, der das perfekt zugeschnittene Weihnachtsgeschenk anhand von Facebook-Likes und Amazon-Historie bestimmt, sondern viel mehr damit, dass ich nun gezwungen bin mir viel mehr Gedanken machen.

Und so finde ich tendenziell persönlichere Geschenke. Etwas, das sich derjenige tatsächlich gewünscht hat. Eine Kleinigkeit die genau zu ihm passt oder an etwas schönes erinnert. Und im Zweifelsfall verschenke ich einfach das Wertvollste und Persönlichste was ich habe: Meine Zeit. Nichts freut Großeltern und Angehörige wohl mehr. Ich muss nur aufpassen dabei nicht zu viel aufs Handy zu starren.

Bild: CC BY 2.0 William Warby

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