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Worum es in Fight Club wirklich geht

Eine Fight Club Interpretation ist gar nicht so einfach. Der Film bietet unendlich vielschichtige Charaktere und vor allem mit seinem Twist am Ende auch viel Stoff Hinweise zu entdecken.

Fight Club Interpretation

Die Konsumkritik, die sich durch den gesamten Film zieht. Die Schizophrenie, die Selbsthilfegruppen in die Edward Norton stürmt. Wie er sich durch die Anwesenheit von Frauen gestört fühlt. Die Unterdrückte Gewalt und die Auflehnung gegen die Gesellschaft und ihre Regeln.

Anforderungen an die Männlichkeit

Folding Ideas hat alle diese Ansätze unter einen gemeinsamen Hut gebracht und das Überthema des Films „Fight Club“ herausgarbeitet: Männlickeit und die geforderten Verhaltensweisen. Nach seiner Fight Club Interpretation zeigt sich an vielen Stellen der Kampf um das „Mann sein“, wie es die Gesellschaft erwartet. Und das der Erzähler (Edward Norton) genau damit Probleme hat. Diese gefühlten Anforderungen an einen Mann in der Gesellschaft kann er nur in den Selbsthilfegruppen loslassen, deshalb fühlt er sich auch von Marlas Auftauchen dort gestört. Die Drohung der Kastration zieht sich durch den Film: Das man seiner Männlichkeit beraubt wird gilt als ultimative Strafe.

Tylor Durden als ultimativer Macho

Filmpodcast
Unser Filmpodcast: Gucken & Trinken – Über Filme und die passenden Drinks.

Alle diese wahrgenommen Anforderungen an einen Mann manifestiert der Erzähler in Tyler Durden, seinem idealen Männerbild. Er ist roh, gewaltätig und gegen über Frauen ein Macho. So interagiert der Erzähler mit Marla vor allem durch Tyler Durden. Interessanterweise rekonstruieren sie durch Tyler Durden im „Fight Club“ das selbe Modell des Rechts des Stärkeren. Der Fight Club basiert auf dem selben Männlichkeitsbild und baut auf abstrakter Ebene die Gesellschaft nach. Deshalb die abschließende „Fight Club“ Interpretation: Eine Veränderung der Gesellschaft ist nur möglich, wenn das Rollenverständnis von Mann (und Frau) aufgegeben wird.

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Gesellschaft Kultur Netz &

Wie die Digitalisierung mein Weihnachten persönlicher macht

Viele folgen dem Vorurteil, die Digitalisierung mache alles unpersönlicher. Alles starren nur noch auf ihr Handy und schauen sich nicht mehr an. Irgendwie ist alles eins und null, nichts mehr analog. Die Haptik fehlt, wenn wir nur noch nach der Cloud greifen.

Digitale Geschenkewelt

Und die Digitalisierung verändert auch was zu Weihnachten unter dem Baum liegt: eReader, Tablet und Smartphone machen viele der klassischen Weihnachtsgeschenke zu einem echten Fauxpas. Eine CD zu verschenken hat seit Spotify und iTunes nur noch wenig Wert. Wer verzweifelt ein Geschenk sucht, kann nicht länger die Abkürzung über das Spiegel-Bestsellerregal nehmen, wenn der Empfänger einen Kindle besitzt. Und auch DVDs und BluRays dienen für jeden mit Netflix oder Amazon Instant Video-Zugang in erster Linie als Staubfänger.

Und während die Verbreitung der digitalen Güter stetig voranschreitet hat bis heute noch niemand einen guten Weg gefunden, um sie so verschenkbar zu machen, dass sie Freude bereiten. Entweder kommen sie in Form einer Gutscheinplastikkarte oder landen zwischen den Spam-Nachrichten einfach im eMail-Postfach des Beschenkten. Keine DVD-Hülle, die als Gesprächsanstoß dient, kein CD-Cover, dass begeistert und kein Klappentext, der dazu auffordert noch unter dem Weihnachtsbaum loslesen zu wollen. Hier kann irgendein findiges Start-Up noch viel Geld verdienen.

DVDs, CDs und Bücher taugen nur noch als Staubfänger

Doch sind wir ehrlich – oft waren diese Geschenk auch nur der bequemste Weg. Das schnelle Last Minute-Geschenk. Und so stelle ich fest, dass gerade meine Weihnachtsgeschenke im Zuge der Digitalisierung eben persönlicher werden. Und das hat ausnahmsweise nicht mit einem Algorithmus zu tun, der das perfekt zugeschnittene Weihnachtsgeschenk anhand von Facebook-Likes und Amazon-Historie bestimmt, sondern viel mehr damit, dass ich nun gezwungen bin mir viel mehr Gedanken machen.

Und so finde ich tendenziell persönlichere Geschenke. Etwas, das sich derjenige tatsächlich gewünscht hat. Eine Kleinigkeit die genau zu ihm passt oder an etwas schönes erinnert. Und im Zweifelsfall verschenke ich einfach das Wertvollste und Persönlichste was ich habe: Meine Zeit. Nichts freut Großeltern und Angehörige wohl mehr. Ich muss nur aufpassen dabei nicht zu viel aufs Handy zu starren.

Bild: CC BY 2.0 William Warby

Mein Amazon Wunschzettel.

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Musik

„Sing meinen Song“ – Das Weihnachtskonzert

Verträumte musikalische Winterlandschaft oder lauwarmes Regenfest?

Ja, es ist wieder soweit – mit „Sing meinen Song – Das Weihnachtskonzert“ läuten Naidoo & Co. aus gegebenem Anlass die zweite Runde ihres Songroulette ein.
Ich muss zugeben, als ich im April diesen Jahres einige der „Sing meinen Song“ Tauschkonzerte gesehen habe, war ich von der interpretativen und individuellen musikalischen Leistung von Sarah Connor, Sandra Nasic, Xavier Naidoo, Roger Cicero, Sascha, Gregor Meyle und Andreas Gabalier überraschenderweise begeistert.

Daher blickte ich auch gespannt auf den mit „Sing meinen Song – Das Weihnachtskonzert“ versprochenen zweiten Teil. „Wie wollen die da noch einen draufsetzten?“, dachte ich mir. Nachdem ich nun in die CD reinhören durfte muss ich leider antworten: Gar nicht.

Pustekuchen statt fluffigen Schneeflocken

Schon der Blick auf die Songauswahl löste in mir etwas Langeweile aus. „Driving Home For Christmas“ – kann man das etwa noch langweiliger singen als Chris Rea? (Kaum, aber Gregor Meyle kommt dem schon ziemlich nah). Was zur Hölle ist „Es Wird Scho Glei Dumpa„? (Ok, Andreas Gabalier ist wohl Österreicher durch und durch). Will man „Last Christmas“ freiwillig hören und wenn ja wirklich von Sandra Nasic?

Oldie-Klassiker wie White Christmas und „Santa Claus Is Comin´ To Town“ kann man sich durchaus von Roger Cicero und Sasha anhören. Muss man aber nicht, denn man ist mit anderen Coverversionen besser bedient. Wieso? Die Tauschkonzert-Cover kommen sowohl instrumental als auch gesanglich ziemlich träge und gewollt und klingen gar nicht so schön jazzy-fluffig. Und genau so sollten sich Weihnachtssongs meiner Meinung nach anfühlen: Wie ein gemütliches, wohlig warmes Kaminzimmer mit Blick auf die winterliche Landschaft, auf die sich kleine, leichte Schneeflocken niederlassen.

Keine interpretatorischen Meisterleistungen und Überraschungsmomente

Natürlich hat die CD einige (kleine) Highlights, dies hat sie vor allem Sasha zu verdanken. White Christmassingt er mit der nötigen Gelassenheit, Tiefe und einem Augenzwinkern. Aus Mariah Carey´s gepresst-schmachtendem „All I Want For Christmas Is You“ macht er Klein-Jamaika, Offbeat und Bongos inklusive. (trotz eines etwas schwammigen ersten Tons). Der Überraschungseffekt überwiegt und macht gute Laune.

Leider haben nur die Songs von Sasha und Xavier einen deutlichen Wiedererkennungswert, bei allen anderen war ich mir bei den ersten Takten unsicher, wer überhaupt gerade am Mikrofon ist. Und genau das machte eigentlich den ersten Teil von „Sing meinen Song“ aus: Zum einen das Heranwagen an komplett stilfremde Songs, zum anderen diesen Songs die eigene Note zu verleihen und sie unverwechselbar zu machen. Leider bleiben solche Überraschungsmomente und interpretatorische Meisterleistungen beim Weihnachtskonzert aus.

So kommt es, dass „Sing meinen Song“ – Das Weihnachtskonzert wie aufgewärmte Suppe von Vorgestern schmeckt – genießbar, aber durchaus verzichtbar, wenn man bessere Alternativen kennt hat.

Bessere Cover als die aus „Sing meinen Song“ – Das Weihnachtskonzert

Hier ein paar Coverversionen, die mir persönlich besser schmecken, als die des „Sing meinen Song“ Weihnachtstauschkonzertes.

 

 

Die Audiospur einer Aufnahme gibt natürlich nur einen eindimensionalen Eindruck. Wer sich selbst von den Interpretationen und der Bühnenpräsenz überzeugen möchte, kann heute um 20:15 Uhr bei Vox einschalten. Falsch machen kann man damit auf jeden Fall nichts. In diesem Sinne wünsche ich Allen eine gemütliche Weihnachtszeit mit viel Musik im Herzen.

Das Album bei iTunes:

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Bewegen & Beschäftigen Musik

Wie ein Algorithmus mir half meine Freundin zu gewinnen

Ein Algorithmus hat mir geholfen meine Freundin für mich zu gewinnen. Nein, nicht auf einer der zahlreichen Onlinesinglebörsen, die versprechen aus den halbgelogenen Selbstbeschreibungen psychologische Merkmale abzugleichen und ein Match zu finden. Nein, es war der Musikalgorithmus meines Streamingdienstes.

Mixtape – Zwischen Kunstform und Liebesbeweis

Mixtape - Menschlicher Musik AlgorithmusFrüher™ hat man sich hingesetzt und mühsam Kassetten überspielt, von Hand Cover bemalt.

Während ich in der Oberstufe war, wurde das schon wesentlich einfacher: Man zog sich die Musik aus dem CD-Regal auf den Rechner und konnte dann einfach aus der digitalen Bibliothek die Songs wieder auf eine CD brennen. Natürlich hat man auch dabei eine enorme Sorgfalt beweisen müssen, welche Titel in welcher Reihenfolge gespielt werden.

Dann kam das Zeitalter der MP3-Player. Damit verschwanden die CD-Regale. Die eigene Musikkollektion wurde nicht mehr im Zimmer ausgestellt, sondern verschwand als Dateiensammlung auf dem Handy.

Musik – Aus dem Regal in die Hosentasche

Dabei gibt es kaum etwas interessanteres als in eine fremde Wohnung zu kommen und durch die Regale zu streifen um zu sehen welchen Buch- und Musikgeschmack der Bewohner hat und daraus Rückschlüsse auf seine Persönlichkeit zu ziehen.

[pull_quote_left]Wer weiß ob sie sich weiter mit mir getroffen hätte, wenn sie meine CD-Sammlung mit deutschem Gangsterrap gefunden hätte.[/pull_quote_left]

Heute lebt dieser Teil unserer Persönlichkeit versteckt auf unseren Telefonen und Tablets. Für mich sollte das ein Vorteil werden, denn wer weiß ob meine Freundin sich weiter mit mir getroffen hätte, wenn sie meine alte CD-Sammlung mit deutschem Gangsterrap gefunden hätte.

Von unserem ersten Date wusste ich, dass sie auf Jazz und Electro Swing stand. Sie hatte, wie sie mir später erzählte, mühsam eine Playliste zusammengestellt, in der kein einziger für sie peinlicher Titel vorkommen sollte.

Die Liebe in Zeiten von Spotify

Als es beim nächsten Treffen an mir war für musikalische Untermalung zu sorgen, holte ich mein Handy raus und gab bei meinem Musikstreamingdienst einen Titel ein von dem ich wusste er würde ihr gefallen – ich weiß nicht mehr ob es ein Stück von Frank Sinatra oder ein aktueller Electro Swing Hit war – und ich ließ den Musik Algorithmus mit einem Fingerdruck eine Playlist mit ähnlichen Titeln erstellen.

Die Playliste spielte den ganzen Abend. Sie war beeindruckt von all den Titeln, die ich angeblich kannte, Songs von denen noch nicht einmal sie als Jazzsängerin gehört hatte. Ich selbst kannte natürlich kaum etwas von der Musik, die da in meiner Playlist spielte, aber sie gefiel mir. So haben wir wohl beide etwas Neues lieben gelernt.

Titelbild: CC-BY-ND 2.0 Jekkone Bild: CC BY-NC 2.0 Steve
Zuerst habe ich das für meine Kolumne in der Allgemeinen Zeitung aufgeschrieben

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Musik

Wie das wichtigste HipHop Label in einer Stundentenbude enstand

Def Jam hat HipHop Geschichte geschrieben und war vielleicht das entscheidendste Label im Aufstieg der Musikrichtung. Dabei waren fast alle großen Namen, die im Verlauf der HipHop Geschichte mal einen Rolle Spielen sollten mal bei dem Label unter Vertrag. Public Enemy, Kanye West, Lil‘ Kim, die Diplomats, Redman und Method Man und sogar Lady Gaga. Sie alle hatten an einem Punkt ihrer HipHop geschichte das ikonische Def Jam-Logo auf ihrer Platte prangen. Ein Logo und Label das fast schon zu einer Qualitätsmerkmal und einer eigenen Kaufempfehlung wurde.

Def Jam – Ein Label verwoben mit der HipHop-Geschichte

HipHop Geschichte: Das Def Jam Logo Dabei fing alles ganz klein ein: In einem Studentenwohnheim der New York University, im Studentenzimmer von Rick Rubin, einer der Gründer von Def Jam. Im Interview oben geht er zurück zu den Ursprüngen, besucht wieder seine damailge Studentenbude mit der ikonischen Nummer 712 und er zählt die Geschichte der Entstehung des Labels. Die erste Platte, die sie rausbrachten war mit Jazzy Jay, einem der Urväter des HipHops, der damals sogar mit Afrika Bambaataa auflegte. Auf der Single „It’s Yours“ war vorne die Adresse des jungen Labels aufgedruckt, komplett mit Zimmernummer im Wohnheim.

An diese Adresse schrieb auch James Todd Smith, besser bekannt als „LL Cool J“ und veröffentlichte wenig später seine erste Single dort. Und dann kamen die Beastie Boys. Die 1986 mit Licensed to Ill das erste Rap-Album veröffentlichten, das auf Platz 1 in den Billboard-Charts kletterte. Mehrfach-Platin und damit wurde auch Dej Jam für große Labels interessanter: CBS Records, Polygram, Sony und Universal übernhamen alle nach und nach Anteile an dem Label beziehungsweise hatten es später ganz unter Kontrolle. Rick Rubin verschickte mit seinem Partner Russel Simmons die Platten aber weiter aus der Uni, bis sie ihr Studium abgeschlossen hatten.

Def Jam Germany – Ein kurzer Abstecher

2000 eröffnete Def Jam acuh einen Ableger in Deutschland: Def Jam Germany sollte auch die Deutsche HipHop Geschichte für einen kurzen Augenblick mitprägen. Angefixt von Das Bo mit „Türlich, Türlich“ in den Charts entstand in Deutschland ein Hype um Rap Musik und das neu gegründete Def Jam Germany signte relativ schnell neue Künstler, darunter alles was bei drei nicht auf den Bäumen war, aber auch viele vielversprechende Künstler. Zum Beispiel Pyranja. Die Rapperin schaffte es mit ihrer EP „Im Kreis“ auf anhieb auf Platz 83 der deutschen Single Charts. Doch bevor ihr heiß erwartetes Album „Wurzeln und Flügel“ erscheinen konnte ging der deutsche Ableger von Def Jam schon wieder den Bach runter. Zwar wurden viele der Künstler von Def Jam Germany zu Urban/Universal transferiert, aber die die Rapperin.

International wuchs Def Jam weiter, unteranderem durch DMX und nach dem man sich das Roc-A-Fella-Records einverleibt hatte wurde Jay-Z CEO von 2004 bis ins Jahr 2007 und schenkte uns in dieser Zeit zum Beispiel Rihanna.

30 Jahre gibt es das Label jetzt ziemlich genau und beeinflusst bis heute maßgeblich die Geschicke des HipHop.

 

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Flimmern & Sehen Großes Kino Kleines Fernsehen Kultur

Warum wir Mystery lieben

Twin Peaks* hat es geschafft in kurzer Zeit die Fernsehlandschaft zu verändern. Wer auf Mysteryserien steht hat sehr wahrscheinlich schon von David Lynchs und Mark Frosts Beitrag zum Genre gehört. Die Serie Twin Peaks kam im Jahr 1990 raus und lief leider nur für zwei Staffeln (eine kurze erste Staffel mit acht Folgen und eine zweite Staffel mit 22 Folgen).

Twin Peaks hat das Genre revolutioniert

Trotzdem hat es für viele kommende Serien, wie Lost oder Supernatural*, erst den Weg geebnet. Vorallem durch seine bahnbrechenden Erzählweise und Lynchs Surrealismus, der stilvoll in die Narrative der Serie eingewebt war.

Das erste Mal sah ich diese Serie kurz nach meinem Digital Film & Animation Studium. Gerade in der Zeit als ich über mein nächstes Projekt nachdachte, was zuerst als Kurzfilm konzipiert war. Eine ca. 20 Minuten lange Geschichte über eine Tochter und ihren mysteriösen Vater in einem großen Haus. Die Story sollte geheimnisvoll, dunkel und doch interessant sein.

Kurz nachdem ich die Gold Box von Twin Peaks erstanden hatte, wusste ich, dass ich diesen Stil fortan als „Lynch“-ig bezeichnen würde.

Der Zuschauer soll sich Fragen stellen

Aber warum lieben wir Mystery-Serien? Was macht ihren Stil und eine wirklich gute Mystery Serie aus? Diese Frage stellte ich mir, als ich anfing meine eigene Pilotfolge für eine solche Serie zu schreiben.

Sind es die Figuren, das Setting, die Dialoge? Was bringt uns dazu jede Woche wieder einzuschalten oder bei einer DVD-Sitzung gleich direkt die nächste Folge abzuspielen?

Und wer die letzten 4 Sätze aufmerksam betrachtet bemerkt, dass die Antwort schon darin steckt: Fragen.

Die Mystery-Box

Es sind die Fragen, die wir uns stellen über die Handlung, die Figuren und die Ereignisse. J.J. Abrams, (der Erfinder der Serie „Lost“) beschreibt dieses Konzept als die „Mystery Box“. In einem TED Talk erzählt Abrams von einer Schachtel voller Zauberartikel aus einem Geschäft, die „Tannen’s Magic Mystery Box“, die er bis zum heutigen Tage nicht geöffnet hat. In der Faszination mit dem mysteriösen Inhalt dieser Box fand er die Möglichkeit für unendliche Möglichkeiten. Es könnte alles in dieser Box sein. Oder vielleicht doch nicht? Sie macht bestimmte Geräusche, wenn man sie schüttelt. Sie hat nur eine bestimmte Größe, also kann sich nichts darin befinden was Größer ist als die eigentliche Box.

Dieses Konzept kann man sehr gut wiedererkennen in seiner Serie „Lost“. Die eines der größten Mysteryelemente der letzten Jahre vorstellte: Die Luke.

Myster Luke in Lost

In Staffel 1 der Serie findet eine der Hauptfiguren John Locke inmitten des Dschungels auf einer verlassenen Insel eine seltsame Luke, die zu etwas führt. Ein guter Teil der zweiten Hälfte dieser Staffel verbringt John Locke damit herauszufinden, was sich in der Luke befindet und wie er sie öffnen kann. Und die Zuschauer liebten jede Sekunde davon, weil sie sich die ganze Zeit Fragen konnten, was wohl dahintersteckt und so selbst die wildesten Fantasien ankurbelten.

Platz für Interpretationsspielraum

In Twin Peaks endet eine der ersten Episoden mit einem merkwürdig, kryptischen Traum des FBI- Agenten Dale Cooper, der den Fall der getöteten Laura Palmer untersucht. Der Traum ist surreal, in einem roten Zimmer. Ein kleiner Mann fängt an zu tanzen und eine Figur, die der toten Laura Palmer ähnelt flüstert Dale Cooper etwas ins Ohr. Die Episode endet damit, dass Agent Cooper erwacht, das Telefon greift und dem örtlichen Sheriff die Worte sagt: „I know who killed Laura Palmer“.

Ende der Folge.
Man will natürlich wissen wie es weitergeht!

Eine gute Mystery Serie lässt genug Platz für Interpretationsspielraum, nimmt uns jedoch mit auf eine Reise, die wundervoll und merkwürdig zugleich ist. Wir lieben also Mysteryserien, weil sie uns selsbt Fragen stellen lässt und wir somit die Geschichte in unserem Kopf fortspinnen können.
Anstatt eine fertige Story präsentiert zu bekommen, werden wir selbst Teil von ihr.

Darin lag auch der Erfolg von Lost*. Die Zuschauer konnten sich ständig an mehreren Baustellen fragen, wie es weitergeht und was geschehen könnte. Ein schmaler Grade: Beim Serienfinale waren dann viele Fans enttäuscht, weil viele Fragen nicht beantwortet wurden.

Inspiriert von Serien wie Twin Peaks und Lost habe ich selbst 2011 angefangen eine Mystery Serie zu schreiben. Und mit einem großen Team von motivierten Gleichgesinnten haben wir im Oktober 2012 unsere Pilotfolge umgesetzt.

Mystery Making-Of klamm

Unsere Serie “klamm”

Unsere Serie bekam den Namen „klamm“ – eine Anspielung auf die so genannte „Elendsklamm“, die im Wald nahe unseres Drehortes (mein Heimatdorf) liegt. Um dieses Naturdenkmal wurde die Mythologie unserer Serie gestrickt. Des Weiteren haben wir Elemente der Freischützen-Legende in unsere Geschichte eingebaut und das ganze in die Handlung eines Krimis gepackt.

„Klamm“ erzählt die Geschichte von Julia (gespielt von Nadine Petry), die in ihr Heimatdorf zurückkehrt, nachdem Sie die Nachricht bekommt, dass ihre beste Freundin aus Schulzeiten gestorben ist. Ihr Bruder Tom (Emanuel Raggi) und sein Partner Yuri (Christopher Flach) untersuchen den Mord, scheinen jedoch zuerst auf der falschen Fährte zu sein.

In unserer Pilotfolge kann man die Einflüsse von Twin Peaks und Lost sehr gut erkennen. Wir wollten dem Stil sehr nahe kommen, jedoch eine eigene Note setzen, die das Ganze in das deutsche Setting rüberbringt. Im Laufe der Serie wollen wir noch auf viele weitere, berühmte deutsche Sagen und Legenden eingehen, die sich so sehr für eine gute Mystery Serie anbieten.

Zurzeit befinden wir uns in der Pre-Production für Episode 2 und haben zu diesem Zweck eine Indiegogo Kampagne gestartet, um uns mit der Produktion zu helfen. Wenn ihr Fans von Mystery Serien seid und uns unterstützen möchtet, könnt ihr dies aktuell auf Indiegogo tun!

*Partnerlinks
Bild: Paramount



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Kultur Netz &

Die Kulturflatrate ist eigentlich schon da

Bis ich zwölf war habe ich keinen Pfennig meines Taschengeldes ausgegeben. Dann bekam ich einen Dreifach-CD-Wechsler zum Geburtstag. Innerhalb weniger Monate war mein Sparbuch geplündert. Immerhin kostete eine Bravo Hits Doppel-CD 40 Mark und so üppig war mein Taschengeld auch nicht. Rechnet man noch die Kinobesuche rein für all die Filme, die ich mit der neu erreichten Altersstufe plötzlich anschauen durfte, habe ich wohl seither lange nicht mehr soviel Geld für Kultur ausgegeben.

Denn kurz danach folgte eine Zeit, in der man sich zum Geburtstag gebrannte CDs schenkte mit liebevoll selbstgestalteten Covern. In den großen Pausen wurden die Namen von Tauschbörsen herumgereicht. Kulturkonsum war in die Illegalität abgetaucht, gleichzeitig wurde vermutlich so viel konsumiert, wie nie zuvor. 2011 besuchten 200.000 Menschen täglich die Seite kino.to, um dort etliche Filme und Serien zu streamen. Ohne dafür zu bezahlen, außer mit ihrer ungeheuren Aufmerksamkeit, die sie brauchten, um nicht Ausversehen einen Computervirus herunterzuladen.

Kulturflatrate: Einmal zahlen, unendlich herunterladen

Die Kulturindustrie hat seither versucht dem Einhalt zu gebieten. Mit Werbespots, die Konsumenten in die Nähe von Schwerverbrechern rückten und Abmahnungen, die wohl mehr Anwälte als Künstler bereichert haben. Die Verlockung beinahe jedes jemals erstellte kulturelle Gut sein Eigen nennen zu können, ohne es jemandem anderen wegzunehmen,  die die digitale Kopie mit sich brachte, war aber zu groß, als dass es irgendjemand abhielt. Doch die Konsumenten boten auch an zu bezahlen und gebaren die Idee einer Kulturflatrate. Einmal bezahlen und herunterladen, so viel man möchte.

Der CCC (Chaos Computer Club) beispielsweise schlug 2011 die Kulturwertmark vor, ein System das durch Beiträge aller Bürger die Finanzierung des gesamten Kulturbetriebs sichern soll. Wer allerdings weiß, wie schwer sich allein die GEMA mit der Verwaltung von Musikrechte tut, möchte kaum einem Gremium die Verwaltung aller Einnahmen und deren Verteilung auferlegen.

Ich gebe so viel für Kultur aus, wie nie zuvor

Allein, inzwischen haben wir fast so etwas, wie eine Kulturflatrate. Immer mehr Dienste bieten für eine monatliche Gebühr unbeschränkten Zugang zu verschiedenen Medien an. Spotify lässt einen für rund 10€ im Monat unendlich viel Musik streamen. Netflix bietet für 8$ im Monat den Zugang zu Filmen und Serien in den USA und will im Herbst auch in Deutschland starten. Dann muss ich nicht zusätzlich noch 4€ für einen VPN-Zugang bezahlen, der so tut als sei ich in den USA. Zusätzlich zu diesen beiden Diensten bezahle ich auch noch zehn Euro im Monat für ein Hörbuchabonnement* und mein Amazon Prime-Account gibt noch zusätzlichen Zugang zu Filmen und Serien (30-Tage kostenlos testen*). Ich glaube, ich gebe inzwischen sogar noch mehr für Kultur aus, als mit zwölf Jahren und kann mehr davon genießen als jemals zuvor. Es geht dabei nicht mehr um das Besitzen der Werk und DRM schränkt ein, was man mit den Stücken tun darf, aber wenn ich ständigen Zugriff auf alles habe verschwimmen die Grenzen zwischen Streamen und Besitzen.

Vor einigen Tagen hat Amazon auch noch eine Flatrate für Bücher angekündigt. Die gibt es analog eigentlich schon lange, nennt sich Stadtbücherei.

Dieser Text erschien zunächst in der Allgemeinen Zeitung
*Affliiate-Link: Wenn ihr darüber bucht, zahlt ihr keinen Cent mehr, aber ich bekomme ein paar.
Bild:  CC-BY-SA jwltr

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Flimmern & Sehen Großes Kino

Stille im Film – Eine Kunst von Martin Scorsese

Martin Scorsese ist besonders für seinen Einsatz von Musik bekannt. Insgesamt fallen die meisten Filem wenn fü ihre Musik auf und Musik ist auch der einfachste Weg, um eine bestimmte Emotion hervorzurufen. Aber nicht unbedingt immer der Beste, manchmal tut es auch Stille.
Die hat Scorsese sehr elegant eingesetzt. Wie wirksam er das tut zeigt Tony Zhou in einem weiteren seiner Videoessays der Reihe „Every Frame a Painting“. Zuletzt hatte ich Ihn hier mit seiner Erklärung, warum Edgar Wrights Filme so lustig sind.

Stille im Film

Weshalb Stille an manchen Stellen so viel wirksamer ist als Musik erklärt vor allem das Konzept des Dynamic Range. Dynamic Range beschreibt den Wechsel von lauten und leisen Sequenzen im Film. Eine Technik, die bei Blockbustern immer mehr in den Hintergrund gerät, weil versucht wird statt einer aufregenden Reise einfach 2-Stunden-Non-Stop-Action zu liefern. Bekanntestes Beispiel dafür ist vielleicht Michael Bay, auch mit dem hat sich Tony Zhou schon auseinandergesetzt und das Konzept und das Problem von „Bayhem“ erklärt.

Zu Dynamic Range haben wir bei YouJustDontDo auch schon ein kleines Tutorial gemacht:

Das Video enthält ein paar Spoiler zu Scorseses Filmen, solltet ihr davon einen noch nicht geshen haben, schnell nachholen. Ich achte seit dem Video von Tony auf jeden Fall noch mehr auf stille Sequenzen in Filmen.

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Musik

„She Moves“ Acoustic Version von Graham Candy

Da sitzt Graham Candy einfach mit seiner Holzgitarre und raubt dem Hit „She Moves“, den er eigentlich mit dem Berliner Elektrokünstler Alle Farben derzeit feiert, sämtliche elektronischen Klänge.

Die „She Moves“ Acoustic Version klingt dabei so surreal, wie das offizielle Video sein soll. Das liegt vor allem an der Stimme von Graham Candy, die so charakteristisch anders klingt und nur von der Unplugged Gitarre begleitet noch mal eine ganz neue Kraft entfaltet.

„She Moves“ in den Charts auf Platz 14

Die Origianlversion von „She Moves“ von Alle Farben feat. Graham Candy steht aktuell auf Platz 14 der deutschen Single Charts und ist die erste Singleauskopplung aus dem Album „Synesthesia“ des Elektro-DJs.

Die Weltpremiere des She Moves Acoustic / Unplugged Hits fand wohl im Studio des Radiosenders Fritz statt und steht auch auf YouTube.

Dieser Artikel enthält amazon-Partnerlinks. Solltet ihr darüber etwas bei amazon bestellen erhalte ich ein paar Prozent Provision, für euch wird es natürlich nicht teurer.

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Bücher Netz &

PaperC – Vom digitalen Copyshop zum Wissens-Netflix

Als PaperC 2009 an den Start ging, wurde es von allen Seiten bejubelt.  Man wurde zum Start-Up des Jahres gewählt, das Handelsblatt nannte das Konzept eine Revolution. Fachbücher online kostenlos lesen und nur für einzelne Seiten zu bezahlen, wie in einem Copyshop. Doch das Geschäftsmodell ging nicht auf. 

Man hatte mit PDF auf das falsche Format gesetzt, war nicht mobiltauglich und die Nutzer wollten nur zögerlich bezahlen. Seit Anfang des Jahres hat man von paperc.de auf paperc.com gewechselt, setzt dort auf HTML und ePub statt PDF. Außerdem will man Bücher nun zum mieten anbieten und in naher Zukunft endlich auch die versprochene Flatrate. Wir haben mit Martin Fröhlich, dem Gründer und Geschäftsführer von PaperC, gesprochen. Über die neue Vision für PaperC und wo es mit der Ebook-Branche hingeht..


Was treibt dich an PaperC weiter zu machen? Was daran liebst du?

[pull_quote_right]Wir mussten von unserem Modell weggehen und erstmal zu einer neuen Vision kommen [/pull_quote_right] Martin Fröhlich: Ich bin ein Freidenker und ein guter Verkäufer, aber ich versuche mir immer klar zu machen, ist das wirklich das was ich möchte. Komme ich authentisch rüber und spiele nicht auf einer Klaviatur auf der ich mich nicht wohlfühle. Wo ich für etwas kämpfe, da möchte ich auch dafür brennen. Genau an diesem Punkt standen wir mit PaperC schon öfter. Zu sagen: Wir sind als ein virtueller Copyshop gestartet und mussten von dem 10 Cent pro Seite-Modell weggehen und ich habe mich dann irgendwann gefragt: Lohnt es sich noch für die Idee zu kämpfen, wenn der Markt noch nicht so reif ist? Und dann kamen wir erst wieder zu einer neuen Vision, nachdem wir uns ein paar Wochen eingeschlossen haben, nicht mit der rosaroten Brille draufgeschaut haben. Dann haben wir gesehen jedes Individuum braucht einen anderen Einstieg in Wissen und Wissensadaption. Warum muss es immer nur reiner, rudimentärer Text sein? Wir wollen wir mit PaperC da hinkommen, dass es eben nicht nur um reinen Text geht, sondern es mehrere Layer gibt mit Videos, Bildern, User-Generated-Content und letztendlich auch den Nutzern, die sich darüber austauschen. Und seither brenne ich wieder für PaperC, weil danach habe ich gesucht. Geschäftsmodelle wandeln sich und da muss man hartnäckig am Ball bleiben.

Aber PaperC ist ja mit dem Versprechen gestartet: Fachbücher kostenlos lesen und erst bezahlen, wenn man irgendwas mit der einzelnen Seite machen will, sie bearbeiten oder ausdrucken. Das heißt, davon seid ihr jetzt weg. Man kann bei euch nicht mehr kostenlos lesen und ihr wollt diese kostenlose lesen durch Videos ersetzen?

Martin Fröhlich: Da wollen wir irgendwann hin. Aber erstmal ja, wir sind davon weggekommen, weil es der Zeit voraus war. Nutzer haben gerade erst verstanden, ich miete oder kaufe ein Buch. Mit einzelnen Kapiteln setzt sich das immer mehr durch, aber das Seitenkaufmodell war für den Nutzer letztendlich sehr micropaylastig. Der Nutzer steht bei jeder Seite vor der Kaufentscheidung jetzt 10 Cent zu bezahlen. Das ist sehr mühselig. Deshalb sind wir von dem Seitenmodell weggekommen. 10% kostenfreies einlesen ist immer noch unser Versprechen. Wir haben aktuell die Rechte bei den meisten unserer 130.000 Titel, das man diese 10% kostenfrei einlesen kann, egal an welcher Stelle. Aktuell ist es technisch aber noch so umgesetzt, dass es die ersten 10% sind. Wir arbeiten aber daran, dass irgendwann auch umzustellen.

Wenn ich dann die ersten 10% gelesen habe, stehe ich vor der Entscheidung, ob ich das komplette Buch kaufen möchte, weil es ein Standardwerk ist, oder ob ich es für 1, 3 oder 6 Monate ausleihen will. Das heißt in Zukunft werden bei PaperC zwei Kaufbuttons stehen: Kaufen oder Mieten. Das wird in naher Zukunft kommen. Wir haben jetzt von den 120.000 Büchern 20% in dem Mietmodell drin und auch in dem Flatratemodell. Das ist eine Frage der Zeit, bis wir dann auch die Flatrate publizieren. Im Hintergrund sammeln wir fleißig Content ein, wir akquirieren jede Woche zwischen 3000–4000 Titel. Da passiert extrem viel aktuell.

Das heißt von einem Flatratemodell seid ihr noch nicht weg? Weil das ist so ein bisschen der Hype in der Buchbranche, den ich von außen sehe: Wo bleibt das Netflix für Bücher. Ist es das, wo ihr hinwollt?

[pull_quote_left]Ich träume immer noch von einem Netflix für Bücher. Und es wird kommen.[/pull_quote_left]

Martin Fröhlich: Ja, ich träume immer noch davon und es wird kommen. Aber ich habe gelernt nicht so viel Wind in der Presse zu machen, sondern just do it. Wir sammeln im Hintergrund jetzt den Content ein und erst wenn wir 40.000–50.000 Titel in der Flatrate haben, dann werden wir es publizierten und auch fokussiert im Marketing vorgehen. Wir werden dann sehen in welchem Fachgebiet wir viele Titel für das Flatratemodell haben. Wenn wir dann in der IT Literatur gut aufgestellt sind, kommen wir damit zum Beispiel gezielt zu den Top 5 IT-Universitäten. Readify macht das Flatratemodell ja schon im Belletristik Bereich, die werden sich aber auch öffnen gegenüber Non-Fiction. In Amerika habe ich Oyster, die immer stärker wachsen.
Wir verstehen uns aber mehr als Arbeits- und Wissensplattform. Wir wollen dem Nutzer erstmal diese Kauf- und Mietentscheidung geben und in naher Zukunft, ich will mich nicht auf einen Zeitpunkt festlegen, kommt dann der Flatratebutton. Erstmal möchte ich das Mietmodell an den Start bringen, wie weit das dann die eBook-Verkäufe kannibalisiert, wird sich zeigen. Aber Nutzer haben gelernt eBooks zu kaufen und zu besitzen, deshalb sollte man sich davon nicht komplett verabschieden. Erstmal.

Bei Fachbüchern hat man ja das Problem, dass sie im Vergleich zu Belletristik wirklich teuer sind. Wo ich für das Paperback 10 Euro ausgebe, kostet das obskure Fachbuch über die neusten Marketingtechniken plötzlich 60€. Sogar als eBook, von daher ist die Idee für ein Mietmodell gar nicht schlecht.
Aber ihr habt da auch Konkurrenz. Wenn ich an Springerlink denke, die direkt an die Bibliotheken Flatratemodelle für ihre Titel verkaufen.

Martin Fröhlich: Richtig, und natürlich ist das auch nicht schlecht. Aber es ist nicht zeitgemäß. Springer verkauft sein teures Paket an die Universität mit beispielsweise 30.000 eBooks in einer Flatrate pro Jahr für 5.000 Studenten. Ich habe aber mit immer mehr Bibliothekaren gesprochen, die sich sagen sich, warum soll ich im Voraus für 5.000 Studenten zahlen, wenn vielleicht am Ende des Jahres nur 1.000 Studenten den Service genutzt haben? Die kommen immer mehr zu einem Pay-per-Use-Modell.

Du hast noch angeschnitten, das ihr in Richtung Videos, Bilder und User Generated Content gehen wollt. Wie stellst du dir das Modell vor und wie passt das zusammen?

Martin Fröhlich: Das ist meine Vision, für die ich persönlich brenne. Ich habe mich immer gefragt, warum ist die Diplomarbeit der Zukunft kein enhanced eBook? Das Projekt wollte ich an der Freien Universität Berlin durchführen, aber letztendlich gibt es da viele Hürden. Wir wollten das mit Studenten damals durchbekommen, aber die Restriktionen der Universität haben das nicht zugelassen und es ist gescheitert. Das ist schade. Man muss vielleicht einen Professor finden, der sich dafür einsetzt. Dabei würde ein enhanced eBook die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass das Wissen auch ins Langzeitgedächtnis übergeht, weil es Spaß macht. Es wäre eben nicht nur hingeranzter Text, sondern mannigfaltig und die digitalen Medien geben uns dazu eigentlich die Möglichkeit.

[pull_quote_left]Warum ist die Diplomarbeit der Zukunft kein enhanced eBook? [/pull_quote_left]

Wo wir mit PaperC hinwollen ist ganz klar: Ich hab eine Frage und dann gebe ich die Frage bei PaperC ein. Zum Beispiel “Kolibris in Südostasien” und dann bekomme ich die Top 3-Fachbücher, die Top 3-Hausarbeiten, Top 3-Videos, Bilder und die Top 3-Leute, die sich darüber austauschen. Je nachdem, was ich anklicke, springe ich dorthinein und kann mir das erst einmal anschauen. Die Bilder und Videos werden kostenfrei sein. Aber im nächsten Schritt brauche ich Quellenangaben, ich brauche etwas um meine Abschlussarbeit vorzubereiten und Literaturhinweise. Und dann kann ich auf PaperC das Buch kaufen oder mieten. Da wollen wir hin und Mehrwerte schaffen. Das heißt, wo Google und Amazon dir das Buch mit einem schönen Lesereader gibt, wollen wir dir die Werkzeuge der Wissensadaption an die Hand geben. Bei uns gibt es Messer, Gabel und Löffel in Form von Notizen, Zitate und der automatische Quellenangabe. Statt einem reinen Lesereader geben wir dir den Arbeitsreader an die Hand, mit vertaggten Büchern, Videos, Bildern und Nutzern, die sich dazu austauschen.

Da würdet ihr ja fast schon mit YouTube konkurrieren. Wie wollt ihr da Leute dazu bringen, gezielt Videos für die einzelnen Themen zu erstellen und dann bei PaperC einzustellen? Oder sucht ihr, was es schon auf YouTube gibt und bindet das bei euch ein? Oder soll das Material aus solchen enhanced ebook Abschlussarbeiten kommen, wie du sie angesprochen hast?

Martin Fröhlich: Wir wollen in ein Vertaggungssystem rein. Wenn ein Nutzer bei uns sehr aktiv ist, wird er zum Bookmaker und geben diesem dann gezielt die Möglichkeit Artikel oder Videos zu vertaggen. Das kann dann Spiegel Online sein oder YouTube, das wird dann einfach über ein Widget verlinkt. Da wollen wir gezielt ran gehen. Leander Wattig ist Social Media Experte, Leander könntest du das nicht für uns in diesem Bereich übernehmen, in diesem Bereich den User Generated Content zu füttern und zu pflegen. Die Zauberformel haben wir auch noch nicht gefunden. Es wird eine Kombination aus Arbeitswerkzeugen und Social Reading. Wir gucken in die ganze Welt der Hausarbeiten und Diplomarbeiten hinein. Natürlich sind wir jetzt auch in Verhandlung mit einzelnen Content Providern, die Videos oder andere Inhalte haben. Zum Beispiel mit dem Handelsblatt. Die schreiben Artikel zu aktuellen Themen und wir werden dann die passenden Bücher über ein Vertaggungssystem dazu liefern und wir werden umgekehrt in den Büchern die aktuellen Artikel taggen. Das ist unser nächstes Ziel.

Wo siehst du denn den eBook-Markt in 5–10 Jahren. Wo geht das hin?

Martin Fröhlich: Ich sehe die Zukunft ganz klar im C2C-Markt, also Consumer zu Consumer. Wo Autor gleich Leser ist und Leser gleich irgendwann Autor. Klar haben die Verlage eine Existenzberechtigung, um qualitativ hochwertigen Content zu liefern und das sollen sie auch machen. Aber um diese Existenzberechtigung zu beladen müssen sie sich immer weiter umformieren, zu Techcompanies mit einer IT-DNA. Sie outsourcen gerade die ganze Appentwicklung und sind damit extrem abhängig.

[pull_quote_right] Die Nutzer werden Mitherausgeber.[/pull_quote_right]

Die Königsdisziplin bei erfolgreichen Geschäftsmodellen hat Soundcloud vorgemacht: Wenn ich irgendwo in einem Lied etwas kommentiere, werde ich Teil des Songs. Und das adaptiert in die Verlagswelt, wenn man sagt jeder will sich äußern oder sich mitteilen. Dann ist es doch extremgeil, als Plattformbetreiber, sei es ein Verlag oder wir, den Autoren eine Möglichkeit zu geben sich mit anderen Nutzern auszutauschen. Davon hat der Autor was und die Nutzer werden Mitherausgeber bei einer neuen Auflage auf aktueller Basis. Da werden wir immer weiter hinkommen.

Was sagst du dann zu dem Modell von Sascha Lobos eBook-Plattform sobooks? Die sind zwar immer noch beta, aber versuchen so ein Modell, dass Nutzer kommentieren und dann neue Fassungen veröffentlichen können. Ist das etwas, von dem du sagst: Richtige Richtung?

Martin Fröhlich: Es geht in die richtige Richtung. Ob es das gelbe vom Ei ist oder nicht, kann man noch nicht sagen. Die haben viel Wind gemacht in der Anfangsphase, das haben wir mit PaperC am Anfang auch, aber inzwischen ist da meine Ansage: Halb lang Jung, deviiert erstmal. Aber ich habe auch gemerkt, dass die technologische Umsetzung oft dreimal so lang dauert. Es ist bislang aber noch nicht ganz, was ich mir erhofft habe.