[dropcap type=“2″]B[/dropcap]esprechen sie private Dinge auf dem Sofa? Dann hört ihr Fernseher vielleicht schon zu. Die aktuellen Nutzungsbedingungen der Samsung SmartTVs warnen davor sensible Gespräche im Wohnzimmer zu führen, denn die Sprachsteuerung der neuen Geräte lädt all das in die Cloud, um es zu analysieren. Es könnte ja ein Umschaltbefehl dabei sein.
Das Wohnzimmer ist nicht mehr privat
Vor ein paar Jahren machte Martin Sonneborn in der heute-show den Gag, den Menschen zu Hause „Google Homeview“ installieren zu wollen. Kleine Kameras und Mikrofone wollte er den Leuten dabei ins Wohnzimmer stellen. Und während es gegen Google Streetview übertriebene Protest gab, weil ein Konzern den öffentlichen Raum für bessere Straßenkarten fotografierte, holen wir uns inzwischen die Wanzen freiwillig ins Haus.
Siri lauscht neben dem Bett auf Befehle
Mit dem Smartphone haben wir sogar permanent ein Mikrophon in der Tasche. Und so liegt nachts nicht nur meine Freundin neben mir, sondern auch Siri und wartet bereitwillig auf Befehle. Zum Beispiel auf wie viel Uhr sie den Wecker stellen soll.
Left: Samsung SmartTV privacy policy, warning users not to discuss personal info in front of their TV Right: 1984 pic.twitter.com/osywjYKV3W
— Parker Higgins (@xor) 8. Februar 2015
Ein Vergleich zwischen Samsungs SmartTV Nutzungsbedingungen und George Orwells „1984“
Doch warum protestieren wir gegen einen Kartendienst, holen uns aber andere Spitzel gerne ins Haus? Ich würde auf den individuellen Nutzen tippen. Wenn ich Google verrate wohin ich verreise, kann es mich sofort mit dem aktuellen Wetter, Flugdaten und dem elektronischen Ticket versorgen und mir schon im Voraus ein Bild vor Ort vermitteln – wenn nicht alle ihre Häuser verpixelt haben. Wenn Facebook weiß, wann ich zur Schule gegangen bin und wo ich gearbeitet habe, desto besser kann es mir Freunde aus diesen Zeiten vorschlagen. Und mit den Händen voller Pizzateig ist es leichter Siri zu bitten einen in sieben Minuten daran zu erinnern in den Ofen zu schauen, als mit klebrigen Fingern eine Eieruhr zu stellen.
Es war noch nie so vorteilhaft Privatsphäre aufzugeben
Tatsächlich hatte man noch nie zuvor so viele direkte, individuelle Vorteile davon persönliche Daten preiszugeben. Wo früher Daten noch über Gewinnspiele mit geringen Chancen oder über Zeitungsabonnements abgegriffen wurden, sind sie heute Teil des Produktes. Das Produkt verbessert sich für mich sogar immer weiter, je mehr Daten ich zur Verfügung stelle. Auch heute bekomme ich dafür unerwünschte Werbung zu sehen. Diese orientiert sich online aber zumindest an meinen Interessen, im Gegensatz zu den Telefonanrufen von Gastarifvergleichsportalen. Auch die Totalüberwachung durch die Geheimdienste bringt mir keinen individuellen Nutzen. Das mit dem Terroranschläge verhindert klappt ja nicht so gut.
Ein ständig lauschender Fernseher erspart mir zumindest das Suchen nach der Fernbedienung.
Bild: CC BY 2.0 Jason Rogers
Dieser Text erschien zunächst als Kolumne in der Allgemeinen Zeitung
Eine Antwort auf „Warum wir uns gerne Spitzel ins Haus holen“
[…] Warum wir uns gerne Spitzel ins Haus holen – netzfeuilleton.de […]