Der natürliche Tod nur noch als Relikt vergangener Zeiten? Geht es nach Forschern wie Aubrey de Grey, seinerseits Bioinformatiker der Universität Camebridge, soll dies keine Utopie bleiben. Bereits heute prognostiziert er, dass Menschen, die in 20 Jahren geboren werden bis zu 5000 Jahre alt werden könnten. Und dies sei nur der Anfang auf dem Weg zur Unsterblichkeit. Die Forschung auf jeden Fall boomt. Unter anderem werden Gene besonders alter Menschen, wie auch die einer Quallen-Art, die es vermag ihre Zellen zu regenerieren, akribisch studiert, um diesen Traum zu ermöglichen. Ein Traum der nicht erst seit Highlander in den Köpfen der Menschen sein Unwesen treibt.
Klingt auf den ersten Blick verlockend. Unendlich viel Zeit für all die Dinge, die heute noch auf Grund überfüllter Terminkalender ihr Dasein als Wunschvorstellungen auf ewig fristen müssen.
5000 Jahre alt werden Menschen bislang nur, wenn man sie in Stein meißelt. Aber das könnte sich ändern. | Foto von Blue Man unter CC-Lizenz
Hygiene und medizinischer Fortschritt haben die Lebenserwartung des Durchschnittsdeutschen in den letzten 100 Jahren um 30 Jahre steigen lassen. Warum sollte die Genforschung diese Entwicklung also nicht exponentiell ansteigen lassen können. Ähnlich wie in der Computerchipindustrie. Aber was bedeutet das wirklich? Wer würde wohl von einer derartigen Entwicklung profitieren? Die gesamte Menschheit? Kaum anzunehmen, liegt doch die durchschnittliche Lebenserwartung in Simbabwe heute noch circa 40 Jahre unter der in Deutschland. Also würde das ewige Leben wohl ein Privileg einer kleinen Elite, im besten Falle, nachdem der Produktlebenszyklus die Degenerationsphase erreicht hat, einem Großteil der ersten Welt bleiben. Eine überbevölkerte Welt, mit steigender Tendenz, wird nun also zusätzlich besetzt. Der Platz für neues Leben begrenzt. Bitte hinten anstellen, schließlich war das ewige Leben teuer!
Ressourcen erschöpfen sich bereits heute, die Nahrungsmittelproduktion hat auch ihre Grenzen, wenn diese auch durch weitere Genmanipulation variabel werden. Wie nun weiter? Vielleicht weltweit die Ein-Kind-Politik implementieren á la China. Um die Dritte Welt braucht man sich keine Gedanken machen, schließlich geht es ja hier um den natürlichen Tod der überlistet werden soll. Krankheiten, mangelnde medizinische Versorgung und Kriege werden schon für ein neues, weltweites Gleichgewicht sorgen.
Aber selbst wenn alle Menschen, die heute die Erde bevölkern, von derartigem Fortschritt profitieren könnten, würde der natürliche Kreislauf dramatisch gestört. Leben kommt, Leben geht. Wer sind wir Menschen diesem Prinzip des irdischen Daseins einfach entkommen zu wollen. Mit welchem Recht würde ein Leben ewig existieren während ein neues nie eine Chance hätte sich zu entwickeln?
Forschung bedeutet Fortschritt. Fortschritt hat uns aus den Höhlen in die Hochhäuser gebracht die wir heute bewohnen. Mit all den Annehmlichkeiten auf die kaum einer, der sie je genossen hat wieder verzichten möchte. Dogmatische Stagnation ist der falsche Weg, dennoch sollten Motive ständig hinterfragt, Folgen abgeschätzt und moralische Komponenten bestimmter Entscheidungen nicht außer Acht gelassen werden. Vielleicht sollten Ressourcen zunächst in den Versuch gesteckt werden mehr Menschen an unseren aktuellen Lebensstandard heranzuführen als uns mit Meilenstiefeln von diesen zu entfernen. Und somit möchte ich mit einem Zitat von Johannes Gross, seinerseits ehemaliger Chefredakteur der Zeitschrift Capital, abschließen:
„Ich kenne unzählige Menschen, die nach dem ewigen Leben dürsten, aber mit einem verregneten Sonntagnachmittag nichts anzufangen wissen.“