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Deutschlands sexuelle Tragödie

Im Zuge der Veröffentlichung des vor kurzem erschienenen „Deutschlands Vergessene Kinder“-Samplers brachten die Mitarbeiter der Arche zwei Bücher heraus, das gleichnamige „Deutschlands Vergessene Kinder“ als auch „Deutschlands Sexuelle Tragödie“. Letzteres lag Freitag letzter Woche in meinem Briefkasten.
Das Buch gliedert sich in viele 3-bis-5-seitige Geschichten über die Einzelschicksale von vielen der Kinder, die die Mitarbeiter der Arche im Laufe ihrer Arbeit dort kennen gelernt haben, dazu gesellen sich zusammenfassende Erkenntnisse und Anmerkungen der Autoren zu jeweils einem Bündel von Geschichten. Schon im Vorwort wird deutlich, was das Hauptanliegen der Autoren bei der Veröffentlichung war:
Die Problematik nicht länger totzuschweigen.

„Das einstige Tabu, mit dem das Thema Sexualität behaftet war, ist längst dem Tabu gewichen, über die Folgen der sexuellen Freizügigkeit zu sprechen. Dass es Sexsucht, Pornografiesucht und extreme sexuelle Verwahrlosung gibt, wird nur selten thematisiert.“

– Thomas Schirrmacher im Vorwort

Als Schwerpunkt für die Lösung kristallisieren sich recht schnell die Knackpunkte heraus. Die Eltern (,wenn man denn davon sprechen kann, da in den meisten Fällen nur eine Mutter im Umfeld des Kindes anwesend ist,) und deren Umgang mit Sexualität, quasi die durch das Vorbild der Eltern erlebte Wertevermittlung. So ist es in den beschriebenen Familien keine Seltenheit, dass Kinder gemeinsam mit den Eltern Pornos schauen oder ihnen direkt beim Sex zuschauen, oder andersrum: die Eltern gerne mal ins Zimmer kommen, wenn der Sohn gerade aktiv ist. In ganz prekären Fällen schläft auch die Mutter mit den Freunden der Tochter und zwingt die Tochter zu einem Dreier mit dem Stiefvater.
„Ist doch was ganz natürliches, ist doch nur Sex“ ist dann meistens die Begründung. Dass die frühe Konfrontation mit diesem Thema oft die Kinder für das ganze Leben schädigt, ist keinem Elternteil bewusst. Der vorgelebte Lebensstil vermittelt keinerlei Zusammenhang zwischen Liebe und Sex, Kinder sehen ständig ihre Mutter den Partner wechseln und leben es nach, investieren gar keine Kraft in den Versuch, eine Beziehung lange aufrecht zu erhalten.

Viele Kinder erfahren zu Hause eine emotionale Distanz, da die Mutter genug mit ihren eigenen Probleme zu tun hat, und sehen Sex als eine Art Hochleistungssport, wo man sich mit geringem Einsatz schnell Anerkennung holen kann. Nicht selten wissen schon 15-Jährige nicht mehr, mit wie vielen Leuten sie schon im Bett waren, aber prahlen dafür gerne damit, was sie im Bett so „drauf haben“. Und wenn eine 14-Jährige auf einer Klassenfahrt 4 Jungs nacheinander in einem Zimmer oral befriedigt, ein Junge dann mehr will und sie daraufhin vergewaltigt, während die anderen 3 ihn anfeuern – und der Lehrer dann noch sowas wie „Wie kannst du denn sagen, dass du das nicht wolltest, wo du vorher gleich mit vier Jungs im Bett warst“ erwidert – dann weiß man irgendwie schon gar nicht, was jetzt das krasseste an dieser Geschichte ist.

„Da ergiebt sich, daß Moral-Predigen leicht, Moral-Begründen schwer ist.“
-Arthur Schopenhauer

Nun könnte man natürlich meinen, dass diese Entwicklung nur eine kleine Gruppe der Gesellschaft betrifft, die zudem dem so genannten Prekariat zuzuordnen ist. Doch es finden sich auch Kinder im Buch, deren Eltern Lehrer oder Polizisten, also im weitesten Sinne Beamte sind. Eine Journalistin trug an einen der Autoren die Frage heran, ob denn diese Schicht nicht für immer unter sich bleiben würde und diese Dynastien nicht geschlossene Kreise wären – also im Prinzip ja für die Gesellschaft keine Gefahr bestünde – woraufhin dieser ganz entsetzt reagierte.
Natürlich ist es ein Fakt, dass der Großteil dieser sexuellen Verwahrlosung Menschen aus oder in sozialen Brennpunkten betrifft und die gesellschaftliche Oberschicht seltener davon betroffen ist. Ein ebenso wichtiger Fakt ist allerdings, dass gerade diese Oberschicht viel seltener und weniger Kinder bekommt als die von der Journalistin angesprochene Unterschicht. Denn Verhütung spielt bei guten 95% der Kinder in der Arche gar keine Rolle, weder wegen Schwangerschaft, noch wegen Geschlechtskrankheiten. Überträgt man die Aussagen der Kinder mal auf das ganze Land, müssten 80% der Deutschen eine Latexallergie haben und könnten deshalb ja leider keine Kondome benutzen.

Doch das Buch ist kein einzig großer Klagebericht. Neben den bereits angesprochenen Kommentarseiten der Autoren, die die Probleme nochmal auflisten und aufzeigen, wie man diese umgeht, finden sich in diesem Buch auch zwei-drei Kinder, denen der Weg aus dieser verwahrlosten Lage gelungen ist. Wichtig dafür war in erster Linie, dass die Kinder es selber wollen; dass ihnen bewusst wird, dass in ihrem Leben was schief läuft und dass die Realität, die sie erleben, keineswegs Normalität bedeutet. Dafür stehen vor allem Bildung und Aufklärung im Fokus, ferner das Erlernen des richtigen und reflektierten Umgangs mit Medien und das hautnahe Erleben von Vorbildern anhand der Eltern.

Meine Kaufempehlung hat das Buch jedenfalls.

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