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Jack Taylor – Zu viel Atmosphäre für zu wenig Charakter

Raubeinig, schlecht rasiert und mit einem markanten Desinteresse an anderen und sich selbst, das stellt man sich doch unter dem uninspirierten Namen Jack Taylor, der zu allem Überfluss natürlich auch noch Ire ist, vor. In diese Richtung wollte das ZDF auch zweifelos hin, hatte sich aber wohl doch mehr Charaktertiefe für ihren Protagonisten erwünscht. „Der Ex-Bulle“, wie die ZDF-Serie „Jack Taylor“ untertitelt ist, versucht sich zu Beginn der ersten Episode beim Zuschauer beliebt zu machen, wenn er seinem Ärger über ein unnötiges und rasantes Überholmanöver durch ein hohes Tier aus der Politik, mag es nun der Bürgermeister oder ein Diplomat gewesen sein, Platz macht, in dem er kurzerhand aussteigt und dem Politiker mit geballter Faust die Brille von der Nase schlägt. Eine Möglichkeit seiner Unzufriedenheit über die Welt, die Politik und das schlechte Wetter in Irland Luft zu machen.

 Zu viel Atmosphäre für zu wenig Charakter

Dass Jack seinen Job als Bulle verloren hat, überrascht wenig. Und auch seine Thermoskanne voll Brandy mit einem Schuss Kaffee ist bei diesen Krimi-Charakteren nichts Neues. Nun, was soll ein abgebrannter, dauer-betrunkener Ex-Cop groß machen? Er wird Privatdetektiv. Auch nichts Neues. Und was ein Zufall, dass genau in dem Pub, wo Jack jede Nacht gegen sich selber zu trinken scheint und drei Kunden schon viel sind, eine ungewöhnliche hübsche Frau, verzweifelt, aber mit genügend Bargeld ausgestattet, einen Detektiven anheuern möchte. Jack macht sich an die Arbeit und der Zuschauer auf die Suche, nach etwas Sympathie und Spannung.

Man kann nicht sagen, dass die Geschichten vorhersehbar sind. Überraschungen gibt es genügend. Die kriminalistischen Ideen sind auf jeden Fall einen zweiten Blick wert. Es ist die versuchte Atmosphäre und der schon so oft dagewesene Jack Taylor, der den Zuschauer aufstöhnen lässt. Man könnte meinen, die öffentlichen rechtlichen Sender denken, dass nur in verregneten, britischen und skandinavischen Städten käme es zu Verbrechen. Was bringt es dem Zuschauer, wenn eine Serie im regenverhangenen und düster dreinblickenden Galloway spielt, wenn sie doch genauso aussieht wie ein regnerischer Tag in jeder anderen Stadt. Galloway, die Partystadt Irlands. Bunt, belebt, lustig und wie jede Stadt, in der der Alkohol redlich fließt, auch gefährlich. Aber außer einer Szene mit – natürlich – spärlich bekleideten Jugendlichen, die aus einer Disko fallen, gibt es in Jack Taylors Welt nichts außer eine Brücke, ein Fluß und ein Pub. Zu viel Atmosphäre für zu wenig Charakter.

Es fehlt etwas Leben. Das mit dem Tod klappt schon ganz gut.

Jack Taylor kann man nicht bemitleiden und auch sein kleiner Side-Kick, der so tollpatschig und übermotiviert ist wie all die anderen Side-Kicks auch, macht die Leere beim Zuschauer nicht wett. Es fehlt etwas. Mehr Leben vielleicht. Die Geschichten über den Tod bekommt die Serie schon ganz gut hin.

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Großes Kino

„The Congress“ – Ein Traum zwischen Comicwelt & Realfilm

Ari Folman ist zurück. 2008 überzeugte der israelische Animator die Filmkritiker in Cannes mit “Waltz with Bashir”. Dieses Jahr versucht er dasselbe mit “The Congress”, einem halb real-halb animierten Sci-Fi-Drama über und mit Robin Wright.

„The Congress“ ist Folmans lose Adaption des Romas „Der futurologische Kongreß” des polnischen Autors Stanisław Lem. Wobei hier die Betonung auf lose liegt. Es lassen sich nur wenige Parallelen zur literarischen Vorlage finden und auch die zahlreichen Handlungsstränge im Film selbst sind höchstens lose an einen roten Faden gebunden, wenn sich dieser überhaupt festmachen lässt. „The Congress“ sind 122 Minuten vollgepackt mit Tricks und Ideen sowie Farben und Gedanken. Und dem Zuschauer bleibt nichts anders übrig als die unzusammenhängenden und herumwirbelnden Elemente selbst zu einem Ganzen zusammenzufügen.

Was als Realfilm beginnt verläuft sich in eine düstere, animierte Dystopie

Folman bewegt sich verworren zwischen Realfilm und Animationsfilm. Was als Realfilm beginnt verläuft sich in eine düstere, animierte Dystopie. Nur um dann mit einem kurzen Abstecher in eine traurige Realwelt wieder im Farbenrausch der Animation zu enden. Erzählt wird dabei die Geschichte der inzwischen erfolglosen Schauspielerin Robin Wright, gespielt von Robin Wright, die mit 40 Jahren auf ihren früheren Erfolg in die „Braut des Prinzen“ zurückblickt. Wrights Karriere ist nicht nur am Ende, sondern hat nie so stattgefunden wie wir es erlebt haben. Um diese Fehlentscheidungen auszugleichen, schlagen die „Miramount“ Studios vor, sie zu scannen. Ziel ist es, ein digitales Abbild von Wright zu schaffen und so ohne ihr eigenes Zutun ihre Mimik und Gestik auf die Kinoleinwände zu projizieren. Für Wright selbst bedeutet dies, finanzielle Absicherung und eine Filmfigur, die niemals altert.

Soweit so gut. Bis hier hin geht die Realwelt, bis hier hin geht ein klar zu erkennender roter Faden. 30 Jahre nach diesem Vertragsabschluss reist Wright – inzwischen mit grauem Haar und Falten – zu einem Kongress, veranstaltet von den „Miramount“ Studios. Dieser findet allerdings in einer rein animierten Welt statt. Wright und alle und alles um sie herum werden zu Comicfiguren. Farben stürzen auf den Zuschauer ein, Figuren bewegen und unterhalten sich. Ein Rausch von Eindrücken, die nur schwer zu fassen sind. Die Kamera bewegt sich von Wright weg und wieder zu ihr hin. Sie verliert den Zuschauer und schickt ihn gleich wieder ins Geschehen. „The Congress“ berührt viele Themen: Die Filmstudios und ihr Versuch, Träume zu verkaufen, die Auf- und Abgehenden Sterne von Filmstars und nebenbei noch die Suche einer Mutter nach ihrem kranken Sohn in einer animierten, bunten aber kalten und gefühlslosen Welt.

Eine bunte aber kalte und gefühlslose Welt

„The Congress“ erzählt eine Geschichte, die sich über 50 Jahre hinweg erstreckt. Die Jahre vergehen rasend schnell, die Entwicklung vollzieht sich aber scheinbar langsam. Wright wirkt leer und träge als hätte sie mit ihrem Scan auch ihr Inneres verloren. Aber vielleicht ist das auch nur eine mögliche Lesart des Films. Der Zuschauer scheint sich entscheiden zu müssen, welchem Handlungsstrang er folgen möchte. Sind die animierte Welt und ihre Strukturen wichtig oder Wrights Weg? Der Film als Ganzes lässt den Zuschauer oft allein und verwirrt zurück. Oder aber man folgt der Einladung des Films und flüchtet in seine eigene animierte Traumwelt. Farben, Figuren und Bilder bietet „The Congress“ dafür in Hülle und Fülle.

Fazit: „The Congress“ ist ein Film, der durch seine visuelle Note aus dem Rahmen fällt, wie weit der Zuschauer aber mit aus dem Rahmen der Erzählungen fällt, scheint ganz ihm überlassen. Ari Folmans neues Werk lädt zu einer wilden Fahrt in eine bunte Filmzukunft ein, mit einem offenen Blick kommt man am Ziel der Fahrt an – das Risiko in einer Comicwelt verloren zu gehen, ist allerdings nicht zu unterschätzen.

The Congress Trailer

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Bücher

Ansgar Oberholz: „Für hier oder zum Mitnehmen?“ – Hier gibt es nicht nur Kaffee

Es gibt Bücher, die man nur in Ruhe lesen kann, wenn man wach und aufmerksam ist. Und es gibt Bücher für den Strand, fürs Einschlafen. So ein Werk ist das Buch von Ansgar Oberholz: „Für hier oder zum Mitnehmen?“ Es ist ein Buch, dass ich kaufen würde, wenn die Bahn mal wieder Verspätung hat. Es ist ein gutes Buch. Keine Frage. Allerdings ist es kein Meisterwerk. Bunt, verliebt in Berlin und etwas chaotisch – so das Buch und so in etwa möchte wahrscheinlich auch der Autor beschrieben werden.

„Für hier oder zum Mitnehmen“ ist die Geschichte von Ansgar und seinem Café am Rosenthaler Platz in Berlin. Nachdem er eher unehrenhaft seinen Job in der Werbebranche verlor, entdeckt er wenig später das freistehende Etablissement. Einst war hier die Aschinger 9te Bierquelle, ein Ort, wo Alfred Döblin und Georg Grosz Stammgäste waren. Nun wird daraus das Café Oberholz. Der Protagonist möchte die Café-Welt revolutionieren. Flache Hierarchien für die Angestellten, Wiener Schnitzel neben Halloumni-Sandwiches. Konzept? Fehlanzeige, aber das genau ist das Konzept. Freiheit, Kreativität. Natürlich klappt es nicht ganz so einfach, wie sich der Protagonist, sich das vorgestellt hat. Schulden, aufsässige Angestellte, die sich auch noch nach der Arbeit miteinander vergnügen und irgendwann auch während der Arbeit. Berliner Urgestalten treten auf den Plan. Zwei Nagelstudienbesitzerinnen aus dem Osten mit einem kleinen Puppi. Ein gutmütiger Handwerker  mit Berliner Dialekt. Und natürlich eine Kellnerin, die Schauspielerin werden will, ein Schwede der sich selbst Künstler nennt. Hier wird Belin beschrieben. Berlin wie es sich in einem kleinen Café auf dem Rosenthaler Platz präsentiert.

Aber ist das wirklich Berlin? Und wenn, kann man die Stadt, dann wirklich so lieben wie es der Protagonist tut? Das im ullstein Verlag erschienene Buch hat auf gerade mal 238 Seiten so viel Wahnsinn wie kein normales Leben fassen kann. Aber Berlin will gar nicht normal sein, oder? Berlin soll doch die Stadt der unbegrenzten Möglichkeiten sein, oder? Hier kann jeder seine Träume verwirklichen. Berühmt werden mit Fotografie, von der Kellnerin zur Schauspielerin. Selbst der verlassene und überarbeitete Münchner findet hier seine Freiheit und seine große Liebe. Schöne Idee und der Wunsch von jedem: frei sein und tun und lassen wie einem beliebt. Aber ist das auch die Realität? Zeichnet uns Ansgar Oberholz hier nicht eine Welt, die so nirgends existiert. Liebe macht blind. Und auch in Berlin gibt es Konkurrenz und Rechnungen müssen bezahlt werden. Wer bei „Für hier oder zum Mitnehmen?“ das Ende ein bisschen weiterspinnt und zwischen den Zeilen liest, wird sehen, dass der Protagonist gescheitert ist. Die flachen Hierarchien haben nicht zum gewünschten Erfolg geführt. Erst als die Künstler und Freigeister das Café verlassen, der Berliner Handwerker den Cafébesitzer dazu bewegt, auch als Besitzer aufzutreten, kommen auch Kunden. Das Café Oberholz gibt es heute noch. Das ist eine wahre Geschichte. Aber ob der Protagonist auch im wahren Leben wirklich einen Drogenabhängigen getroffen hat, der dachte er sei ein Soldat im Krieg und ob der Bettler vor der Tür wirklich mit Autos redet, bleibt für mich unbeantwortet. Es ist viel Wahnsinn auf einen sehr kurzen Zeitraum gezwängt. Mit vielen bunten Farben und Eindrücken wird der Leser konfrontiert.

Es ist ein lustiges Buch und wird besonders bei Berlinliebhabern auf Verständnis treffen. Wenn es aber wahrhaftig eine Geschichte aus dem wahren Leben ist, rate ich jedem, der in Berlin ein Café eröffnen möchte, nochmal in sich zu gehen, ob es wirklich Berlin sein muss. Auch die Schauspielerin kennt man heute nicht in Hollywood.

Diese Rezension wurde für Blog dein Buch geschrieben. Vielen Dank für das Rezensionsexemplar.

Sophie rezensiert für uns Bücher und schreibt sonst bei marktwelten.de über die faszinierende Welt der Flohmärkte.