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Die Netzgemeinde und die verlorene Youtubegeneration

Sascha Lobo hat in seinem vielbeachteten Beitrag „Unsere Mütter, unsere Fehler“ der Netzgemeinde unter anderem vorgeworfen die jüngere Generation nicht zu erreichen, die sich vor allem auf Youtube tummelt, während man selbst sich im eigenen Twittersaft suhlt. Das sei mit ein Grund, dass die netzpolitische Schlagkraft verloren geht oder sagen wir mal variiert. Nun ist es aber natürlich nicht so, dass die Youtuber Twitter nicht nutzen. Denn gerade die Erfolgreichen auf Youtube sind Meister in Sachen Social Media und Publikumsbindung auf allen Kanälen. So kommt das erfolgreiche Comedy Trio Y-Titty auf Twitter auf über 71.000 Follower. Doch wie viele davon interessieren sich auch für Netzpolitik?

Um einen Anhaltspunkt dafür zu finden habe ich mit Hilfe von Followerwonk die Followerschaft und deren Überschneidung einiger Twitteraccounts verglichen.

Der Followervergleich

lobonpytitty

Und hier zeigt sich, dass Sascha Lobo mit seiner Vermutung recht hat. Die Überschneidung zwischen Followern von Lobo, Netzpolitik.org und Y-Titty ist. 0,2 % folgen allen drei Accounts und während Sascha Lobo und Netzpolitik.org eine Überschneidung von 15,4% aufweisen, bzw. 41.763 (Ist das die Größe der Netzgemeinde?), sind die mit Y-Titty jeweils nur 0,4% bzw. 0,1%.

Als weiteren Vertreter der Generation Youtube habe ich noch LordAbbadon ausgewählt. Er war es damals, der den Protest gegen ACTA auf Youtube initiiert und maßgeblich beeinflusst hat. Seine 12.000 Follower dürften deshalb zumindest schon mal von Netzpolitik gehört haben. Netzpolitik.org folgen deshalb aber nur 124 Stück, oder wieder 0,1%. Umgekehrt ist die Youtubegeneration sehr gut vernetzt: Über die Hälfte der Abbadon-Anhänger folgen auch Y-Titty.

 

abadonnpytitty

Schauen wir uns noch Mario Sixtus an, der sich gerade beim Leistungsschutzrecht, dem Waterloo der Netzgemeinde, als Widerstandskämpfer hervorgetan hat und immerhin ist er als elektrischer Reporter in Zweitverwertung auch auf Youtube zu sehen.

 

sixtusyttitabdadon

Auch hier ist der Überhang eher gering: Sixtus erreicht knapp 700 der Y-Titty Follower (0,5%) und ganze 86 von Imperator Abbadon.

Die fehlenden Youtubebemühungen der Netzgemeinde

Nun muss man natürlich umgekehrt fragen was macht denn die Netzgemeinde auf dem Medium Youtube? Sixtus wie schon erwähnt hievt seine Sendung, den elektrischen Reporter auch auf Youtube. Sascha Lobo macht da nix, aber natürlich findet man zahlreiche Auftritte von ihm auf der Plattform. Netzpolitik.org sah sich zu ACTA wohl ermutigt, auch auf Youtube direkt zu Protesten aufzurufen, darüber hinaus begreift man Youtube aber wohl eher als Hosting-Plattform für Videos im Blog. Damit kommt man auf 2196 Abonnenten auf Youtube 1624 regelmäßige Zuschauer. Der elektrische Reporter erreicht mit seinem Kanal 1624 regelmäßige Zuschauer auf Youtube. Zum Vergleich: Y-Titty sind mit über 1,5 Millionen Abonnenten aktuell die Nummer eins auf Youtube und LordAbbadon, um den es nach einem Skandälchen etwas ruhiger geworden ist, knapp 100.000 Kanal-Abos.

Was den Netzgemeindepriestern fehlt ist eine direkte Interaktion mit dem Youtube-Publikum. Denn Youtube, dass musste auch ich erst lernen, ist mehr als ein Videohoster. Gerade in Deutschland gibt es eine florierende Community die auf und über Youtube miteinander kommuniziert, sich vernetzt und unterstützt. Diese Community hat, wie jede Gemeinschaft, auch eigene Regeln was Kommunikation, Zuschauerbindung und -aufbau angeht. Man kooperiert und kollaboriert, geht nicht zur re:publica, sondern hat eigene Megaevents. Die bekannten Gesichter der Netzgemeinde spielen hier bislang keine Rolle. Es fehlen Formate und Anstrengungen hier eine neue Generation zu erreichen. Als eines der wenigen Versuche könnte man hier Tilo Jungs „Jung & Naiv“ anführen, dass sich auf Youtube der „Politik für Desinteressierte“ widmet.

Wer hat mehr Zukunft? Die Jungen oder Mainstream-Medien?

Aber ein Youtube-Kanal zu betreuen und aufzubauen grenzt an einen Fulltimejob, ich kann das aus der Erfahrung mit Youjustdon’tDo sagen. Das noch neben dem Blog? Denn schließlich kann sich die „Netzgemeinde“ über die Kanäle wie Blog und den Twittersumpf aus Journalisten und Anhängern sicher sein, gewisse Mechanismen zu bedienen und den ein oder anderen #Aufschrei auch mal in die Mainstream-Medien zu spülen. Nur ist klar, dass man gerade dort die junge Generation nicht erreicht. Die Lesen ja nicht mehr Zeitung oder gucken tagesschau, die hat ja Youtube. Aber diese sind es doch immer noch, die vor allem das Internet nutzen und die an seiner Zukunft interessiert sein sollten.

Langfristig muss man sich also fragen, was den größeren Einfluss hat: Erreicht man die alten, großen Medien oder versucht man Anschluss an die junge Generation zu suchen? Wo ist denn vorn?

Mehr…

Mir kann man auch auf Twitter folgen, egal ob Mitglied der Netzgemeinde oder von Youtube. Meine Youtube-Anstrengungen kann man auch verfolgen. Hier und hier.

Von Jannis Schakarian

Geboren als Jannis Kucharz studierte Jannis Schakarian, Publizisitk und Filmwissenschaft. Hat funk mit aufgebaut, Kolmnen bei der Allgemeinen Zeitung geschrieben und arbeitete als Formatentwickler, Leiter des Social Media Teams und der Distributionseinheit beim ZDF, dann bei SPIEGEL als CvD Audio.

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31 Antworten auf „Die Netzgemeinde und die verlorene Youtubegeneration“

Man kann es auch anders sehen: Nicht jeder möchte ständig vor einer Kamera stehen. Ich finde Bloggen entspannter. Abgesehen davon sind Y-Titty auch eher RTL oder Pro7, also Unterhaltung, als Politikteil. Insofern haben die Zahlen natürlich Recht, was Überschneidungen bei den Followern betrifft, aber bei der anderen These bin ich skeptisch.

NUn, der Punkt ist, dass Lobos Ansatz war, dass Y-titty versuchen könnte, ihre User für netzpolitische Themen zu gewinnen. Herr Tutorial hat es ja z.B. auch getan.

Ob sie das WOLLEN (also YTT) ist wieder was anderes, ggf sollten wir wirklich öfter auf Videocamps gehen ;)

Sehe die Unlust der Netzgemeindepriester auf YouTube in erster Linie darin begründet, daß man trotz aller Vorbehalte gegen die etablierten Medien doch stark an deren Rockzipfel hängt; mehr, als man sich selbst eingestehen möchte.

Man schielt quasi mit einem Auge immer darauf, doch von großen Verlagsangeboten (on- wie offline) zitiert zu werden. Weil eben nur das wirklich (Zuwachs an) Reichweite bringt. Und wenn dann noch ein FAZ-Blogger-Job oder der ein oder andere Artikelauftrag abfällt, dann greift man trotz LSR-Kritik gerne zu.

Bei Bewegtbild funktioniert das natürlich nicht so einfach. Jeder weiß, wie linkscheu etwa die Onlineangebote von Zeitungen sind. Wie der Vorkommentator – und auch Du – bemerkte, gibt es halt keine qualitativen originären Web-TV-Formate. Mehr noch als den Aufwand eines Videochannels schreckt die Netzgemeinde wohl die Tatsache ab, daß die YouTube-Community sich offenbar selbst genug ist.

Solange man nicht selbst betroffen ist, kann man herrlich weiter über „Quelle: Intenet“ lästern.

Für mich stellt sich aber die Frage ob man wirklich bei YT aktiv werden muss um die Junge-Generation zu erreichen. Meiner Meinung nach ist Facebook doch die perfekte Schnittstelle zwischen Online/Offline, Jung/Alt, Netzgemeinde/Rest. Meine Gedanken dazu habe ich hier niedergeschrieben: http://domlen.wordpress.com/2013/03/26/sascha-lobo-mein-vater-und-das-leistungsschutzrecht/
Das Problem an der Sache: Funktionieren tut diese Schnittstelle bisher auch kaum…

Sicherlich ist Kamerapräsenz eine persönliche Sache und der Artikel war auch nicht als persönlicher Angriff oder Kritik gemeint, sondern als Bestandsaufnahme und Diskussiongrundlage.

YTitty als Vergleichsgröße habe ich aus dem Lobo Artikel übernommen, dann aber noch LordAbbadon hinzugefügt, der zwar auch v.a. Unterhaltung macht, aber sich eben schon engagiert gezeigt hat.
Aber welche netzpolitische Youtube-Kanäle gibt es denn? SempterVideo? Das Videoamt manchmal?

[…] Die Netzgemeinde und die verlorene Youtubegeneration | netzfeuilleton.de “Die Überschneidung zwischen Followern von Lobo, Netzpolitik.org und Y-Titty ist. 0,2 % folgen allen drei Accounts und während Sascha Lobo und Netzpolitik.org eine Überschneidung von 15,4% aufweisen, bzw. 41.763 (Ist das die Größe der Netzgemeinde?), sind die mit Y-Titty jeweils nur 0,4% bzw. 0,1%.” […]

Wenn ich höre, dass jemand von einer „Netzgemeinde“ fabuliert, kriege ich das große Ko..en. Es gibt keine Netzgemeinde. Davon reden Menschen, die sich zu Sprechern einer solchen selbst erhoben haben und sich damit bei Politik und Medien wichtig machen wollen.

Ich setze in diesem Artikel die Definition von Sascha Lobo voraus auf dessen Artikel für diese Analyse hier auch der Anstoß war.

„Entgegen häufiger Behauptungen der Netzgemeinde gibt es die Netzgemeinde natürlich doch, es handelt sich um eine amorphe, im Kern jedoch überraschend meinungskonsistente Interessengruppe. Diejenigen, die sich aus persönlichem Interesse um Netzpolitik und Netzgesellschaft kümmern und deren Priorität die Erhaltung und Weiterentwicklung des freien, offenen Internet ist.“

Wenn man das erste Mal im Internet auf diese eingeschworene „Netzgemeinde“ stösst, merkt man sehr schnell, was das ist. Überall hippe Netzaktivisten die sich schon lange und gut kennen und gern unter sich sind.

Als Neuer wird man erst einmal gar nicht beachtet oder nur aus dem Augenwinkel kritisch beäugt. Inhalte die man produziert werden manchmal ohne Quellennennung übernommen. Mir ist es schon passiert, das ich aus einer Story komplett rausgeschnitten wurde.

Konkurrenzdenken ist teilweise spürbarer als Kolaboration zum beiderseitigen Nutzen. In den Blogs und Sendungen sind immer die gleichen Verdächtigen. Man sonnt sich in den Huldigungen der zahlreichen Fans und Pilotfische die um einen herum schwimmen.

Einige sind offen und aufgeschlossen aber das sind meist auch nicht die Bekanntesten. Aus meiner Sicht resultiert daraus eine gewisse Betriebsblindheit der großen Masse an nicht in der „Netzgemeinde“ lebenden Menschen gegenüber.

Deshalb ist diese Welt für Aussenstehende auch so schwer verständlich. Ich beziehe mich in diese Kritik ausdrücklich mit ein und muss mich selbst auch oft an die eitle Nase fassen.

Wenn mir mal wieder ein Newbie über den Weg läuft und eine für mich dumm erscheinende Frage stellt, versuche ich mich an meine Anfänge zu erinnern.

Wenn wir mehr Einfluss haben wollen müssen wir lernen, neugierigen und unbeholfenen Neulingen im Netz hilfreich und offen gegenüber zu treten. Nur so überzeugt man Menschen, auch wenn es manchmal Zeit und Nerven kostet.

Ich hätte keinesfalls gedacht, dass ich mit meinem Folgen (http://twitter.com/steinhoefel1) aller 3 Accounts die Ausnahme bin. Die Ursache des Phänomens meiner Ansicht nach: alle 3 haben Twitter nicht begriffen oder wenden es nicht richtig an. Sie benutzen es vorwiegend als einseitigen Mitteilungskanal für eigene News. Das ist schade und die Folgen sind eigentlich logisch.

Wenn man vor dem Dschungel-Camp die Tagesschau ausstrahlen würde – würde man damit wirklich die Breite Masse für Politik interessieren? Ich wage das zu bezweifeln. Oder anders herum gefragt – sind die Nachrichten auf den Privaten von der selben Qualität wie in den ÖR?

PS: Das Stück Ernsthaftigkeit, dass man auf Kanälen wie Youtube, genauer für das Pulikum von Ytitty und Co aufgeben muss, kann auch ziemlich schnell zum Bumerang werden. Aus einer kleinen informierten Masse würde vielleicht eine große, wenig informierte. So lange in weiten Kreisen der Politik netzpolitischer Aktivismus als das Werk von Spinnern und Chaoten aus dem Computerclub abgeurteilt wird, ist das möglicherweise kontraproduktiv.

Also zum Beispiel die Nachrichten in der Halbzeit von WM-Spielen haben dir höchste Einschaltquote überhaupt. Das Bild ist schief.
Natürlich ist die Frage nicht neu: Wie kann man „junge“ Leute für politik begeistern?! Politikverdorssenheitalarm! Und die Ansätze dabei auf mehr Unterhaltung zu setzen sind es auch nicht.

Hi Jannis,
sehr coole Analyse von dir. In diesem Jahr wird es YouTuber bei der RePublica geben, das kann ich schon mal sagen. Es gibt durchaus YouTuber, die was bewegen. Zum Beispiel LeFloid, der maßgeblich daran beteiligt war, kreuz.net aufzudecken und mit seinen Videos für sehr viel Diskussionen sorgt. Auch Y-Titty beschäftigen sich immer mal wieder mit kritischen Themen, z.B. letztens GEZ oder Gema. Spätestens auf de Republica werden wir uns sehen, da können wir uns gerne mehr dazu austauschen, ansonsten besuch uns doch mal in Köln bei Mediakraft (wo ich Pressesprecher bin).

Hey Moritz, ja das Engagement von LeFloid und YTitty kenne ich und darauf wollte ich auch nochmal eingehen, ich meine schon ACTA hat ja gezeigt, dass sich da einiges tut. Die Vernetzung zwischen Netzgemeinde und Youtube-Community ist ja eher das was ich als zu niedrig kritisiere. Auf die Einladung komme ich bei Gelegenheit gern zurück.

Viele hier haben YT einfach nicht verstanden. Das große Motto von YT lautet: Have Fun! Und wenn man dann verbissen negative Nachrichten – wie die großen Medien auch – verbreitet, weil man meint sonst nicht wahrgenommen zu werden, dann ist man eine Nullnummer auf YT und man gewinnt keine Abonnenten.

Gesellschaftskritik kann man auch lustig transportieren. Einfach mal LeFloid auf YT ansehen. Der macht mit jedem Video pro Woche 0,5 bis 1 Mio. Aufrufe und hat 0,5 Mio. Abonnenten.

Verbitterte Ü30 tun sich vergleichsweise hart auf YT.

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