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Endstation Afghanistan, bitte alles aussteigen!

Ein Aussteigerprogramm für reuige Talibanunterstützer? Ein Ausstieg aus dem Engagement am Hindukush wäre wohl allen Beteiligten lieber, denn der bei der deutschen Bevölkerung äusserst unbeliebte Einsatz zieht sich nun schon seit bald einem Jahrzehnt, hat bisher 33  Bundeswehrsoldaten das Leben gekostet und scheint bis auf eine zeitliche Befriedung einzelner Regionen kaum langfristige Wirkung zu entfalten.

Mit welchen Strategien die NATO-Staaten den Stabilisierungseinsatz auf der anstehenden Konferenz in London zumindest theoretisch noch zu einem Happy End bringen wollen, wird sich zeigen. Der afghanische Vorschlag, einen Re-Integrationsfond für kriegsmüde Taliban und Symphatisanten einzurichten, mit dem unser Aussenminister derzeit durch die Presse geistert, zeigt aber meiner Meinung nach das man mit dem Latein ziemlich am Ende sein muss. Denn so gutgemeint und vernünftig sich eine Resozialisierung Einzelner zunächst auch anhören mag, die Umsetzung dieser Idee dürfte sich schwierig bis unmöglich gestalten.

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Mag man einmal von den immer noch mehr als fraglichen rechtsstaalichen Rahmenbedingungen absehen, wie sollte man den Taliban überhaupt sicher erkennen, wo doch eben dieses Problem schon den militärischen Erfolg bisher merklich erschwert. Warum sollten, in einem Land in dem es wohl nur den wenigsten wirtschaftlich allzu gut geht, ausgerechnet jene „belohnt“ werden die durch Raub, Erpressung oder Mord ihrem Elend zu entfliehen versuchten? Und vor allem, dürfte es in den gewachsenen Stammesgemeinschaften nicht sehr viel schwerer fallen eine neue Identität anzunehmen als in der Anonymität einer westlichen Grossstadt? Bräuchte man nicht auch erst einmal eine halbwegs stabile Gesellschaft in die man sie re-integrieren könnte? Vorallem aber, hat die strenge Auslegung des Islams, wie ihn die Taliban propagieren nicht ein sehr viel breiteres Fundament in der Bevölkerung als bspw. die Ideologie deutscher Rechtsextremisten? Und selbst wenn man wirklich nur harmlose Mitläufer und Sympathisanten damit aussieben wollte, wie sollte man sie verlässlich von den Hardlinern und Mördern unterscheiden? Wie will man sie schützen, wo doch die Schutztruppe schon mit der Sicherheit der eigenen Leute oftmals mehr als ausgelastet ist?

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(Gedenkstein zur ersten Afghanistankonferenz in Königswinter)

Aber bisher ist dieser Vorschlag ohnehin nicht viel mehr als eine Idee unter vielen, von denen wohl nur die Aufstockung der Truppenstärke als gesichert angesehen werden kann. Bleibt zu hoffen das die beteiligten Mächte sich in London noch auf ein paar bessere Strategien einigen können, die dem vom Krieg tief zerfurchten Land eine realistische Perspektive für eine stabile Zukunft bieten. Sicher wird es auch mit den besten Plänen noch einige Jahrzehnte dauern, bis sich in Afghanistan die Freiheit etablieren wird, mit deren Ideal der Einsatz einst gerechtfertigt wurde. Ob aber das sich abzeichnende Auffahren eines Grossaufgebotes an Menschen und Material einen verantwortungsvollen Abzug in den nächsten jahren wirklich beschleunigt, oder nur ein verzweifeltes Aufbäumen vorm verschämten Hinausstehlen ist, bleibt abzuwarten.