Facebook ist das wohl wichtigste Medienunternehmen unserer Zeit. Es beschäftigt aber keinen einzigen Redakteur. Die Inhalte kommen eigentlich von uns. Wir erstellen Sie freiwillig. Videos, Fotos oder kurze Texte – das alles stellen wir auf Facebook bereit und teilen es mit einem möglicherweise öffentlichen Publikum. Sogar professionelle Medienunternehmen stellen ihre Inhalte kostenlos auf Facebook zur Verfügung, angelockt von einem potenziellen Milliarden-Publikum, das sie dort erreichen können. Auch andere Unternehmen versuchen über Facebook ihre Kunden anzusprechen. Die eigene Webseite surft schließlich kaum jemand an, auf Facebook hingegen tummelt sich die Mehrheit der Deutschen den ganzen Tag über.
Facebook: Milliarden-Publikum ohne eigene Inhalte
Facebook weiß um diese Marktmacht und schlägt längst Kapital daraus: Wenn ein Unternehmen all seine Facebook-Fans erreichen will, muss es dafür inzwischen Geld bezahlen. Schließlich kann nicht jedem jede Nachricht angezeigt werden. Facebook priorisiert dabei nach Interesse und Qualität.
Manch einem könnte auch ein Vergleich zur Schutzgelderpressung einfallen, nach dem Motto „Schöne Reichweite haben sie da, wäre doch schade, wenn der etwas passiert.“
Medienunternehmen bekommen inzwischen angeboten ihre Inhalte doch direkt bei Facebook hochzuladen. Videos, die man direkt bei Facebook einstellt, erreichen momentan ein viel größeres Publikum, als wenn man sie nur verlinkt. Ein Problem für viele Medien, die auf Facebook bislang vor allem Links geteilt haben, um die Besucher auf die eigene Seite zu locken und ihnen dort Werbung anzuzeigen oder ein Abo zu verkaufen.
[quote_center]„Schöne Reichweite haben sie da, wäre doch schade, wenn der etwas passiert.“ [/quote_center]
Facebook arbeitet also daran, immer mehr dessen, was wir im Netz tun, in die eigenen Produkte zu integrieren. Erst vor kurzem hat Mark Zuckerberg auf der Facebook-Entwicklerkonferenz angekündigt, dass nun auch der Kontakt nach Onlineeinkäufen direkt über ihren Chat laufen soll. Darüber kann man dann auch direkt das Geld senden.
Fast alles im Netz läuft mittlerweile über Facebook
Fast alles im Netz läuft mittlerweile über Facebook oder einen dazugehörigen Dienst. Die Konsequenz: Es gibt schon erste Nutzer, die gar nicht wissen, dass sie das Netz nutzen, wenn sie auf Facebook sind. Das ergab eine Umfrage der Nachrichtenseite Quartz. Die Situation erinnert an die Anfangstage des Internets, als sich mit CompuServe und AOL zwei große Player in Stellung brachten, die das Internet vor allem als eigenes, großes Portal präsentieren wollten. Gewonnen hat den Kampf am Ende das offene World Wide Web, wie wir es heute kennen. Zumindest noch.
Dieser Artikel erschien zunächst als Kolumne in der Allgemeinen Zeitung.
Am Mittwoch erscheint dort die nächste.
2 Antworten auf „Facebook und die Schutzgelderpressung für Reichweite“
[…] die Apple News App sind von solchen AddOns natürlich ausgenommen. Wirkt fast ein bisschen wie Erpressung, um die Publisher in die Apple News App zu drängen, aber die ist in der AdBlocker-Branche ja […]
[…] Die New York Times ist beispielsweise Teil dieses Angebots. Facebook muss sie dafür noch nicht einmal bezahlen, sondern erhält auch noch 30% der Werbeeinnahmen, wenn die Anzeigen durch Facebook geschaltet […]