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Protest11.org – Give voice to the protesters

Gestern und heute waren Pell und ich und einige andere Unterstützer damit beschäftigt protest11.org ins Leben zu rufen. Eine Seite, die es sich zur Aufgabe macht, den demonstrierenden Menschen in der Arabischen Welt und darüber hinaus Gehör zu verschaffen. Auf der Seite könnten Protestierende aus Lybien, Bahrain, dem Jemen, Iran, Jordanien und China Bilder, Videos und Audios hochzuladen und so der Welt zugänglich zu machen. Wichtig wird die Seite vor allem vor dem Hintergrund, dass Youtube, Twitter & Co. oft als erstes den Internetsperren der jeweiligen Dispoten zum Opfer fallen. Deshalb ist protest11.org eine Alternative und soll zugleich Quellmaterial von den verschiedenen Protestherden bilden und so auf einer Seite einen Überblick aus erster Hand bieten.

Damit die Welt weiter sieht und hinschauen muss, wenn Demonstranten auf offener Straße erschossen werden, damit die Welt die Rufe nach Freiheit und Demokratie hört!

Realisiert wurde das ganze zusammen mit voltairehosting.com, die bereits mit dem jan25voices-Projekt Ägypten in den Protesten unterstützten. Mit Erfolg, wie die Geschichte gezeigt hat.

Dennoch befindet sich die Seite noch im Aufbau ((Eine Marathonnacht liegt hinter uns)) und wir brauchen noch viel Unterstützung. Wenn ihr helfen wollt: Verbreitet die Adresse, liket auf Facebook, folgt auf Twitter und falls ihr noch ein paar Cent zu viel habt freuen wir uns über eine Spende, die uns hilft Serverkapazität auf- und auszubauen.

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Anruf aus Ägypten

Nachdem das Internet in Ägypten noch immer gekappt ist und auch AlJazeera in seiner Berichterstattung eingeschränkt wurde, wird es schwieriger. So wohl an aktuelle Informationen zu kommen, als auch für die Ägypter sich untereinander zu vernetzen und sich Gehör zu verschaffen. Was noch funktioniert ist das Telefonnetz, wohl auch Datenverbindungen darüber, wie Richard Gutjahr berichtet. Und genau auf das Telefonnetz bauen jetzt einige auf.

Einmal gibt es das Projekt Jan25Voices. Hier werden Telefonate mit Ägyptern vor Ort aufgezeichnet und anschließend veröffentlicht, selbstverständlich auch über Twitter.

Ähnliches versuchen auch Google und Twitter. Unter Speak2Tweet hat Google schon den ersten Einsatz für den neu aufgekauften Dienst „SayNow“ gefunden. Ägypter können eine Mailbox anrufen, dort ihre Nachricht hinterlassen und  diese wird dann mit dem Hashtag #jan25 getwittert.

Andere Aktivisten, rund um das Peng und die Piratenpartei versuchen ausserdem, den Ägypten wieder richtigen Netzzugang zu verschaffen. Auch hier über Telefonleitung, die allerdings an einem Modem hängen und so den abgeklemmten Ägyptern wieder Zugang zum Netz verschaffen wollen. Das Projekt befindet sich noch im Aufbau und die Telefonummern sollen dann den Ägptern zugänglich gemacht werden, damit diese wenigstens wieder mit Modemgeschwindigkeit das gesamte Netz nutzen können.

Update: Um das aufrecht zu erhalten und weiter auszubauen wird noch um Spenden gebeten. Das Spendenkonto für die Modemaktion:

PENG – Gesellschaft zur Förderung von Design, Kunst und Kommunikation e.V.
Kontonummer: 678430018
Mainzer Volksbank
BLZ 551 900 00

Hoffen wir das das Telefonnetz stabil bleibt und die ägyptische Regierung nicht auch hier nach und nach Nummern sperrt. Google beispielsweise kämpft schon mit Nummern, die nicht mehr erreichbar sind. ((Ob das an Ägypten liegt oder an technischen Problemen, weiß ich nicht.))

Bild unter CC von Richard Gutjahr.

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Das Pro-Argument „Dagegen Partei“ [Update]

Als ich auf die Seite www.die-dagegen-partei.de stieß, war zunächst unsicher. Ist das nun ein genialer Schachzug der Grünen das angebliche Image als Blockierer und Verhinderer für sich zu nutzen, oder steckt dahinter eine ausgebuffte Kampagne der politische Gegner? Und es wird einem ja auch nicht ganz einfach gemacht; bei Google erscheint die Seite so:

Die Dagegen-Partei bei Google

Auch die Kampagnenseite an sich erscheint in der namensgebenden Signalfarbe der Partei. Auf einer übersichtlichen Landkarte sieht man, gegen welche lokalen Projekte Bündnis 90/ Die Grünen sich aktuell engagieren. Erst am Fuße dann der Hinweis:

CDU Aktion

Die CDU versucht sich also im „negative campaigning“, und die Schwesterpartei CSU sprang ihr jetzt noch mit einem Video bei:

Für eben dieses hagelt es jetzt Kritik, das Video hat bei 80.000 Views fast 3.000 mag ich nicht kassiert und dabei ist davon auszugehen, das die Meisten dem Video eingebettet auf eine Webseite begegnet sind, wo es diese Abstimmungsmöglichkeit nicht gibt. Gut fanden das Video knapp über 300 Menschen. Doch auch darüber hinaus schlägt das Video Wellen: Die Kommentarfunktion auf den Unionswebseiten werden genutzt. Die meisten lesen sich so: „Peinlich, Niveaulos.“ Die Medien werten das Video ebenfalls zum großen Teil als Verzweiflungstat. Und auch innerhalb der Partei regt sich Kritik. Ortsvorstand Peter Strauch zitiert die sueddeutsche wie folgt:

„So eine Kampagne kann doch nicht Euer ernst sein.“ Als Ortsvorsitzender komme er vor der Presse in Erklärungsnot und müsse sich für so eine Kampagne bei den politischen Gegnern fast schon entschuldigen“. Dann sein Appell: „Bitte stoppt die Kampagne!“

„Negative Campainging“ ist aber auch eine wirklich eine, nun sagen wir „gewagte“ Idee. Nicht umsonst gibt es zahlreiche Studien, die den erhofften Effekt von „negative campaigning anzweifeln oder ganz widerlegen. Oft fällt der negative Effekt nämlich direkt auf den Empfänger zurück. Wählerumfragen belegen, dass gerade in Deutschland die Akzeptanz von Negativkampagnen besonders gering ist.

Dabei hätte man doch lernen können. Der letzte Versuch ist noch gar nicht so lange her, dass war die SPD im Europawahlkampf mit diesem Spot:

Die SPD versuchte die Gegner in den Dreck zu ziehen und scheiterte grandios. 20,8% lautete das Ergebnis der ehemals stolzen Volkspartei. Der Werbemann Bernd M. Michael analysierte hinterher die Kampagne im Interview mit dem Westen und findet klare Worte:

Hat eine Negativ-Kampagne wie diese überhaupt jemals funktioniert?

Michael: So etwas hat noch nie auf der Welt funktioniert. Das Schlechtmachen anderer Leute führt nicht dazu, dass man selbst besser dasteht. Viel besser ist es, wenn Sie ein Vermissen-Erlebnis provozieren, wenn Sie sagen: Aus dem und dem Grund bin ich für Dich viel besser; wenn ich permanent sage, ich kann Dir bieten, was Dir der andere nicht bieten kann. Das ist die zweite große Regel: Rede davon, was der andere Dir nutzt, gib ihm einen Grund, weshalb er mit Dir besser dasteht. Menschen sind alle Ich-bezogen.

Aber steigen wir nochmal hinter das theoretische, hinein in das inhaltliche. Aus welcher Position heraus agrumentiert die Union?

Im August letzten Jahres zeigten sich 81% der Wahlberechtigten nicht zufrieden mit der Arbeit der Koalition aus CDU, CSU & FDP. ((Das bezieht sich auf Bundesebene und aktuell befinden wir uns natürlich in einem Landtagswahlkampf)) Welches Signal ist es da, die andere Partei mit „Dagegen-Partei“ als die wirksame Alternative hinzustellen? In einer Zeit, in der sich viele mit dem momentanen Verlauf unbefriedigt zeigen, bewirbt die Union also den politischen Gegner als wirksame Alternative. Was machen die Grünen? Das einzig Richtige, sie greifen die Argumentation auf und zeigen, warum sie wo gegen sind. Da wird hinterher ein fetter Scheck an die CSU fällig als Dank für die Wahlkampfhilfe und den Verantwortlichen sollte man vielleicht gleich fürs eigene Lager verpflichten.

Netzpoltik.org hat übrigens zu einem Remix des Spots aufgerufen, die ersten Ergebnisse sind schon da Und auch über netzpolitik, habe ich gerade auch noch dieses Video entdeckt: „Inside CDU – Wie der Anti-Grünen Werbespot enntstand“ und ich musste sehr schmunzeln, gerade wegen des hervorragenden Featurings von „Das Leben des Brian“.

Update: Die „heute show“ hat ausserdem noch einen Spot über die CSU gemacht:

Disclosure: Wer sich die Mühe macht, meinen Namen zu googlen wird wahrscheinlich irgendwann auf Hinweise stoßen, dass ich irgendwann einmal Mitglied der GJ Ravensburg war. In der letzten Wahl gehörte meine Stimme dennoch einer anderen Partei.

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Wikileaks – Hinter den Kulissen der Netzaktivisten [Update]

Die Causa Wikileaks mit all ihren Facetten belagert nach wie vor alle Kanäle. Noch sind nicht alle Dokumente veröffentlicht, aber vor allem die Verhaftung – Freilassung – Hausarrest von Julian Assange halten das Thema oben.  Dabei wird immer mehr über die Arbeitsweise der Organisation bekannt, Wikileaks selbst rückt in den Fokus. Das muss man großteils begrüßen, denn eine Organisation, die so viel Macht hat muss auch selbst transparent. Schließlich ist das ihr eigenes Motto: Transparenz der mächtigen Machenschaften. Diese Kritik an Wikileaks vertritt nicht nur der ehemalige Spreche Daniel Domscheit-Berg, der im Januar ein Buch mit eben dem Titel „Inside Wikielaks“ veröffentlichen möchte.  Gleichzeitig sehen sie sich natürlich einer Vielzahl von Gegnern gegenüber, wie die Schmierenkomödie vor den Gerichten dieser Welt beweist und diese profitieren von jeder Information über diese Organisation, die gleichzeitig geheim Arbeiten muss. Allerdings sind CIA und Co wahrscheinlich an ganz anderen Details interesiert und bereiten ganz andere Aktionen vor, als die, die ich mit euch hier teilen möchte. Es gibt nun sogar eine extra Task Force speziell für Wikileaks. Die Abkürzung lautet schenkelklopfender Weise W.T.F. (Wikileaks Task Force).

Als erstes gibt es da eine  Dokumentation der schwedischen Journalisten Bosse Lindquist und Jesper Huor. Diese haben Julian Assange und sein Team für 6 Monate begleitet und zeigen so noch einmal die Geschichte und die wichtigsten Enthüllungen der Whistleblower-Plattform. Netzpolitik.org hat die deutsche Version dankenswerter Weise online gestellt:

WikiLeaks – Rebellen im Netz from netzpolitik on Vimeo.

Wer sich für die Medienkooperationen von Wikileaks interessiert (ein weiterer Kritikpunkt von Daniel Domscheit-Berg und nun auch ein Fall für den Presserat), dem sei diese hochspannende Folge des Medienradios empfohlen. Darin spricht Philip Banse mit Holger Stark vom Spiegel, der die Recherchen betreut hat. Auch er plant übrigens Ende Januar ein Buch zu Wikileaks.

Sowohl in der Dokumentation, als auch im Medienradio-Interview wird deutlich, wie wichtig die eingegangenen Medienkooperationen sind. Wikileaks ersetzt eben nicht den Journalismus, sondern ergänzt ihn und umgekehrt. Wikileaks hat die Dokumente, der Journalismus das Know-How und die Recherchekapazitäten. Wikileaks war die wohl wichtigste Organisation dieses Jahr und wird uns sicher und hoffentlich noch weit bis ins nächste hinein begleiten. Umso unverständlicher, dass das TIME-Magazin Mark Zuckerberg anstatt Julian Assange zur „Person of the Year“ ernannt hat. Doch auch dazu hat sich Assange geäußert, wenn auch vertreten durch das Saturday Night Live Team:

Update: Ergänzend noch das Interview von AlJazeera mit Julian Assange bei „Frost over the World„:

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Operation Sparen – Aber wo?

„Wir müssen darauf achten, dass wir zu einem Leben kommen, bei dem wir nicht dauernd über unsere Verhältnisse leben. Deutschland hat das nicht erst seit ein paar Jahren, sondern seit vielen Jahrzehnten getan.“ Es war keine frohe Botschaft, die Angela Merkel auf dem Ökumenischen Kirchentag ihren Schäflein zu verkünden hatte. Die Kanzlerin wählte klare Worte, die zentrale Frage lautete: „Wo können wir sparen?“ Manch Hartz IV-Empfänger mag sich da verwundert die Augen reiben. Manch Arbeitnehmer ebenso, der dachte, durch bescheidene Lohnerhöhungen dazu beigetragen zu haben, dass Deutschland wettbewerbsfähig bleibt. Pustekuchen! Mindestens 15 Milliarden Euro müssen im kommenden Jahr eingespart werden. Gut, sparen wir. Nur wo?

Wenn es einer wissen muss, wie man spart, dann unser schwäbischer Finanzminister Wolfgang Schäuble. Seriös und ohne Tricks will er zweistellige Milliardenbeträge zusammensparen, so gebe es in den sozialen Sicherungssystemen erheblichen Spielraum. Eine Kampfansage an die Riege der Minister. Doch auch von denen gibt es filmreife Beiträge und Verweigerungen.

Bundesbildungsministerin Annette Schavan: „Mein Beitrag zur schwierigen finanz- und wirtschaftspolitischen Lage ist dafür zu sorgen, dass wir eine künftige Generation haben, die gut ausgebildet ist. […] Wer jetzt für die Kürzung des Bildungssystems plädiert, versündigt sich an der Zukunft. Die Bildungspolitik ist die moderne Sozialpolitik, Sozialpolitik ist Bildungspolitik.“ Damit hat sie nicht unrecht, denn Bildung bildet die Grundlage für Zukunftsfähigkeit. Wenn wir im Bereich Kinder und Bildung sparen, schaden wir uns selbst. Punkt. Die versprochene Erhöhung des Bafög ist zwar erst mal wieder vom Tisch, aber immerhin: Die Sparvorschläge von Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) in den Bereichen Bildung, Forschung und Kinderbetreuung wies sogar Merkel zurück.

Was macht das Verkehrsministerium? „Wenn man in meinem Ressort bisher schon hätte sparen können, dann hätte ich es ganz bestimmt getan“, so der Verkehrsminister Peter Ramsauer. Da geht es ihm wie allen, Zweifel daran bleiben trotzdem. Allein Verträge wie der des ehemaligen Bahn-Chefs Hartmut Mehdorn kosten den Staat unnötig Millionen, dieser erhielt vor gut einem Jahr knapp 5 Millionen Euro Abfindung. Und auch das Bahn-Chaos, das der vergangene Winter in Deutschland auslöste, kostete den Staat viele Millionen Euro, die durch klügeres Verwenden des vorhandenen Etats vermeidbar gewesen wären. Die Deutsche Bahn wurde kaputt gespart. So sind Forderungen des Ministers, eine Milliarde Euro mehr als geplant für Verkehrsinfrastrukturinvestionen zu erhalten, eher lächerlich und hoffentlich bald wieder vergessen. Hier wäre eher eine Pkw-Maut eine Alternative, um zu Geld zu kommen.

Die junge Bundesfamilienministerin Kristina Schröder verweigert sich komplett, aber lächelnd: „Sie müssen verstehen, dass ich das jetzt erst mal mit dem Bundesfinanzminister und dann mit Ihnen diskutiere.“ Na gut.

Kopfschütteln verursacht auch die Forderung der gelb-schwarzen Regierung, an Hartz IV zu kürzen. 900 Millionen Euro wurden aus dem Etat gesperrt, den Schäuble in seinem Haushaltsentwurf für die aktive Arbeitsmarktpolitik vorgesehen hatte. Insbesondere die Hilfen für die Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt soll es treffen, was aber lediglich Folgekosten für mehr Langzeitarbeitslose mit sich bringt, die höher sind als jede Eingliederungsmaßnahme: „Man kann nicht einerseits wie Guido Westerwelle über Langzeitarbeitslose herziehen und so tun, als hätten sie keinen Bock zu arbeiten, und auf der anderen Seite die Mittel für Projekte sperren, die helfen, vor allem Langzeitarbeitslose wieder in Arbeit zu bringen“, sagte Manuela Schwesig der Frankfurter Rundschau. So geht das Fördern endgültig verloren – und wird zur Zerreißprobe für die Gesellschaft. Allerdings – da hat auch Herr Schäuble recht – müssen die sozialen Sicherungssysteme auch so umgestaltet werden, dass sie zur Aufnahme regulärer Beschäftigung motivieren und nicht gegenteilige Anreize setzen. Dafür sind Mindestlöhne wichtig. Es kann nicht sein, dass jemand, der jeden Tag 8 Stunden und mehr arbeitet, am Ende weniger oder so viel Geld erhält wie ein Hartz IV-Empfänger. Insbesondere für diese Menschen ist jede lediglich der persönlichen Bereicherung dienende Diätenerhöhung von Politikern ein Schlag ins Gesicht.

Steuererhöhungen, beispielsweise die Erhöhung der Mehrwertsteuer auf 25 % bzw. auch für Lebensmittel auf 19 %, wurden stark kritisiert und abgelehnt. Hier wäre eine Steuererhöhung zwar auf die Schultern aller verteilt. Eine höhere Mehrwertsteuer wird aber den Konsum in Deutschland zusammenbrechen lassen, wo doch alles dafür getan werden muss, um die Nachfrage zu erhöhen. Denn genau das wird international von Deutschland erwartet. Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer dazu im Interview bei „Berlin direkt“ (ZDF): „Also ich möchte sie für meine Person, für meine Partei kategorisch ausschließen. Wir haben sehr, sehr lange überlegt vor sieben Monaten bei den Koalitionsverhandlungen, wie wir die Finanzpolitik der Zukunft gestalten und wir haben auf der ersten Seite des Koalitionsvertrages mit der Unterschrift aller drei Parteivorsitzenden der Bevölkerung die Botschaft gegeben, dass wir zur Überwindung der Wirtschafts- und Finanzkrise keine Steuererhöhungen wollen und es bleibt dabei. Das kann ich für meine Partei ganz verbindlich sagen.“

Bleibt noch ein riesiger Posten: die Bundeswehr. Möglichkeiten zu sparen gibt es natürlich auch hier nicht, hält man sich an Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg: „Dort, wo das Leben und die Gesundheit unserer Soldaten im Einsatz betroffen ist, da darf es auch keine Kompromisse geben. Und in dem Sinne: Dort bin ich auch unerbittlich.“ Sehr ehrenwert, denn jeder tote Soldat in Afghanistan ist einer zu viel. Die Frage nach dem Sinn immer gefährlicherer Einsätze in einem Land, das auch nach der Meinung ranghoher Militärs nicht zivilisier- und beherrschbar ist, bleibt aber. Da macht der neue britische Verteidigungsminister Fox das einzig richtige und fordert mit der Begründung, Großbritannien sei keine Weltpolizei, den raschen Abzug aus Afghanistan. Davon ist man in Deutschland jedoch weit weg und verschwendet gibt jährlich 3 Milliarden Euro – immerhin dreimal so viel wie bislang bekannt gegeben – hierfür aus. Auch die Wehrpflicht gibt Bedenken auf. Durch die Reduzierung der Wehrpflicht von 9 auf 6 Monaten schwindet der Nutzen für die Bundeswehr zusehends und kostet so mehr. Die Wehrpflicht ist eine unnötig kostspielige Art und Weise, Soldaten für das Militär zu rekrutieren. Zu diesem Ergebnis kam eine Studie unter 21 OECD-Ländern, die die Kosten für Länder mit militärischem Pflichtdienst denen für Länder mit Freiwilligen-Armeen gegenüberstellte. Jährlich kostet die Wehrpflicht eine entwickelte Volkswirtschaft 0,25 Prozentpunkte Wirtschaftswachstum – für Deutschland bedeutet dieses System bezogen aufs Bruttoinlandsprodukt sechs Milliarden Euro Verlust. Zynisch gesagt ist die derzeit bestehende Bundeswehr die Lehre von der Verschwendung staatlichen Kapitals.

Es bleibt eine einsame Bundeskanzlerin. Nach der Banken-, Griechenland- und Euro-Rettung ihre nächste große Hauptrolle in der Operation Sparen. Sie muss entscheiden, wem sie weh tun will. Den Rentnern, den Arbeitslosen oder doch den Soldaten? Nichts bringen wird jedoch, sich nun täglich einen anderen Teilbereich vorzuknöpfen und dann zu entscheiden, an was jeweils gespart werden kann. Dann wird die Sparpolitik scheitern. Vielmehr muss – und da sind die Bundesregierung und der Finanzminister gefragt – in den nächsten Wochen ein Gesamtkonzept her, das dann der Bevölkerung begründet wird. So könnte es funktionieren. Oder man hält sich an das, was schon immer funktioniert hat: „Betteln und lungern, / Dursten und hungern / Immerdar, allezeit / Müssen wir Bettelleut‘! / Habt ihr was, schenkt mir was! / Ach, nur ein Häppchen! / Brot in den Bettelsack, / Suppe ins Näpfchen!“ (von Volkmann-Leander: Der verrostete Ritter)

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Prüfungen, Joints & Tränen

Inzwischen sind ist der Großteil der Prüfungen vorbei und damit können die Bachelor-Studenten wieder etwas durchatmen. Denn während der Klausurenphase stehen die Studenten unter einem extremen Druck, innerhalb weniger Wochen müssen viele Klausuren geschrieben werden. Diese erfordern selten eigenes Denken, sondern vor allem gutes Auswendiglernen. Ein Bericht.

Die Tränen laufen ihre Wangen herunter. Wie soll sie das nur schaffen? Sie hat nur noch vier Tage, um sich den gesamten Stoff von vier Veranstaltungen der letzten zwei Semester einzutrichtern. Lena* ist Bachelorstudentin. Genau wie ihr Freund, der hat heute Mittag schon seinen ersten Wodka getrunken. „Ich halte das sonst nicht durch“, sagt er und meint die Klausurenphase. Sein Mitbewohner raucht jetzt jeden Abend drei Joints, um einschlafen zu können. Er hat Angst, seinen Nebenjob bei einem renommierten Marktforschungsinstitut zu verlieren, weil er vor lauter Lernen diesen Monat die erforderlichen Stunden nicht erbringen kann.

Bachelor Studenten im Hörsaal
Bachelor Studenten im Hörsaal. // Unter CC BY-ND 2.0 bei Karola Rieger

Die Nerven in der WG liegen blank

Auch Lena geht zweimal die Woche vor der Uni arbeiten, ihre Eltern können ihr nicht genügend Geld geben, damit es zum Leben reicht. Wenigstens hat sie das Glück, in einem Bundesland ohne Studiengebühren zu wohnen, sonst müsste sie noch mehr arbeiten. Dafür ist eigentlich keine Zeit, schließlich ist der Bachelorstudiengang als 40-Stunden-Woche konzipiert, mit sechs Wochen Urlaub im Jahr. Die Semesterferien sind schon lange keine mehr, sie nennen sich nicht umsonst „vorlesungsfreie Zeit“. Da werden dann Klausuren reingeschoben, es sind Hausarbeiten zu schreiben und Praktika zu absolvieren.

Während der Klausurenphase ist der Stress besonders hoch. Die Nerven in der WG liegen blank, schließlich zählen alle Arbeiten bereits für die Abschlussnote. Auch sonst haben die Noten einen hohen Stellenwert: Wer zum Beispiel mit dem ERASMUS-Programm ein Auslandssemester belegen will, muss Bestnoten vorlegen, denn nur diese zählen im Auswahlverfahren. In das Motivationsschreiben wird nur im Ausnahmefall mal hineingeschaut.

Echtes Wissen und Verstehen ist dabei kaum gefragt, sondern vor allem Auswendiggelerntes. Das macht auch eine Professorin recht deutlich, wenn sie andeutet, dass man mit logisch hergeleiteten Antworten in der Klausur nicht punktet, sie will das Lesen was auf ihren Folien stand.

Burnout schon nach sechs Semestern

Unter den Studierenden hat sich der Begriff „Bulimielernen“ eingebürgert: Man stopft sich bis zur Klausur möglichst alles Wissen rein, um es danach wieder auszukotzen, damit Platz ist für die nächste. Dabei sind es dieses Semester sogar weniger Klausuren, im letzten mussten innerhalb weniger Wochen 11 Prüfungsleistungen abgelegt werden. Auch dem sonst immer so motivierten Kommilitonen fehlt da der Antrieb: „Mit macht einfach nichts mehr Spaß“, sagt er. Egal ob es darum geht sich für das Studium zu motivieren oder seine Freizeit zu gestalten: Antriebslosigkeit, ein Symptom von Burnout. Er hatte sich vorgestellt, mehr in die Dinge einzutauchen, die ihn interessieren, aber das durchstrukturierte Studium lässt es kaum zu, eigene Präferenzen zu setzen.

Im letzen Jahr hatten die Studenten mit zahlreichen Streikaktionen auf ihre Lage auf ihre Studiensituation aufmerksamgemacht. Tausende gingen während der Bildungssreikwoche im Juni auf die Straße, und im Winter waren über 80 Hörsäle in ganz Europa waren besetzt. Inzwischen wurden Nachbesserungen an dem kritisierten Bachelorstudiengang versprochen. Aber von diesen Reformen werden Lena & Co. wahrscheinlich nichts mehr haben. Denn bis die  Verbesserungen der Reformen umgesetzt werden, sind sie mit ihrem Bachelorstudium durch.

(*Name geändert)

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Heike Makatsch und die süße kleine Bankensteuer

Dieses Video ist natürlich nicht nur wegen Heike Makatsch sehenswert, sondern weil es doch weiterhin bemerkenswert ist, das während der „Finanzkrise“ alle schrien man müsse etwas ändern und sich nichts geändert hat. Man hat weder nachgedacht, noch umgeschwenkt; man hat laut geschrien und dann leise so weiter gemacht wie zu vor. Dabei wäre es ja gar nicht so schwer, wie Heike Makatsch und Jan Josef Liefers vorrechnen.
Achso, sollte jemand dannach gewillt sein: Zur Petitionsunterzeichnung gehts hier lang.

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Bei Westerwelle vergeht sogar einem Kabarettisten das Lachen

Nachdem ich dieses Video hier schon einmal verbreitete, es mir mittlerweile fünf mal angeschaut habe und ich es immer noch beeindruckend finde, finde ich es sollte auch hier einen Platz bekommen. [via rivva]

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Endstation Afghanistan, bitte alles aussteigen!

Ein Aussteigerprogramm für reuige Talibanunterstützer? Ein Ausstieg aus dem Engagement am Hindukush wäre wohl allen Beteiligten lieber, denn der bei der deutschen Bevölkerung äusserst unbeliebte Einsatz zieht sich nun schon seit bald einem Jahrzehnt, hat bisher 33  Bundeswehrsoldaten das Leben gekostet und scheint bis auf eine zeitliche Befriedung einzelner Regionen kaum langfristige Wirkung zu entfalten.

Mit welchen Strategien die NATO-Staaten den Stabilisierungseinsatz auf der anstehenden Konferenz in London zumindest theoretisch noch zu einem Happy End bringen wollen, wird sich zeigen. Der afghanische Vorschlag, einen Re-Integrationsfond für kriegsmüde Taliban und Symphatisanten einzurichten, mit dem unser Aussenminister derzeit durch die Presse geistert, zeigt aber meiner Meinung nach das man mit dem Latein ziemlich am Ende sein muss. Denn so gutgemeint und vernünftig sich eine Resozialisierung Einzelner zunächst auch anhören mag, die Umsetzung dieser Idee dürfte sich schwierig bis unmöglich gestalten.

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Mag man einmal von den immer noch mehr als fraglichen rechtsstaalichen Rahmenbedingungen absehen, wie sollte man den Taliban überhaupt sicher erkennen, wo doch eben dieses Problem schon den militärischen Erfolg bisher merklich erschwert. Warum sollten, in einem Land in dem es wohl nur den wenigsten wirtschaftlich allzu gut geht, ausgerechnet jene „belohnt“ werden die durch Raub, Erpressung oder Mord ihrem Elend zu entfliehen versuchten? Und vor allem, dürfte es in den gewachsenen Stammesgemeinschaften nicht sehr viel schwerer fallen eine neue Identität anzunehmen als in der Anonymität einer westlichen Grossstadt? Bräuchte man nicht auch erst einmal eine halbwegs stabile Gesellschaft in die man sie re-integrieren könnte? Vorallem aber, hat die strenge Auslegung des Islams, wie ihn die Taliban propagieren nicht ein sehr viel breiteres Fundament in der Bevölkerung als bspw. die Ideologie deutscher Rechtsextremisten? Und selbst wenn man wirklich nur harmlose Mitläufer und Sympathisanten damit aussieben wollte, wie sollte man sie verlässlich von den Hardlinern und Mördern unterscheiden? Wie will man sie schützen, wo doch die Schutztruppe schon mit der Sicherheit der eigenen Leute oftmals mehr als ausgelastet ist?

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(Gedenkstein zur ersten Afghanistankonferenz in Königswinter)

Aber bisher ist dieser Vorschlag ohnehin nicht viel mehr als eine Idee unter vielen, von denen wohl nur die Aufstockung der Truppenstärke als gesichert angesehen werden kann. Bleibt zu hoffen das die beteiligten Mächte sich in London noch auf ein paar bessere Strategien einigen können, die dem vom Krieg tief zerfurchten Land eine realistische Perspektive für eine stabile Zukunft bieten. Sicher wird es auch mit den besten Plänen noch einige Jahrzehnte dauern, bis sich in Afghanistan die Freiheit etablieren wird, mit deren Ideal der Einsatz einst gerechtfertigt wurde. Ob aber das sich abzeichnende Auffahren eines Grossaufgebotes an Menschen und Material einen verantwortungsvollen Abzug in den nächsten jahren wirklich beschleunigt, oder nur ein verzweifeltes Aufbäumen vorm verschämten Hinausstehlen ist, bleibt abzuwarten.

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Ach du Scheiße: Oettinger schwätzt englisch.

Sorry, mir fällt dazu auch nichts mehr ein. Kein bissiger Kommentar, von wegen „Wir können alles, außer englisch.“, nein. Ich bin einfach sprachlos…