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Das Netz: Von Selbstdarstellern zu Produzenten

Am Anfang waren es die Blogs, heute ist es angeblich Youtube: Ein Hort für Selbstdarsteller. Immer wieder bezeichnen die Medienberichte engagierte Nutzer im Netz als schamlose Selbstdarsteller. Die „Selbstdarsteller beflügeln Web 2.0„, Amy & Pink schrieb mal über die „Generation Selbstdarstellung“ und die Süddeutsche sucht per Abstimmung „Die größten Selbstdarsteller im Netz„. Und Der Standard bezeichnete nun den Deutschen Webvideopreis als „Videopreis für die Selbstdarsteller im Internet„, doch diese Bezeichnung greift zu kurz. Menschen die im Netz veröffentlichen sind längst mehr als Selbstdarsteller, sie unterhalten, informieren und bringen zum Nachdenken und das mit wachsender Professionalität.

Sicherlich muss man hier Unterscheiden: Als Blogs noch Persönliche Tagebücher im Netz waren, ging es sicherlich mehr darum sein eigenes Leben in gewisser Weise zu präsentieren. Vlogger auf Youtube wollen sicher vor die Kamera und möglichst lustig etwas erzählen und Facebook ist bis heute ein Tool, dass in erster Linie dazu dient sich selbst in einem gewissen Licht zu präsentieren und bestimmte, erfolgreiche Bereiche des Lebens herauszustellen, genauso wie andere soziale Netzwerke.

Aber Blogs sind eben nicht mehr Tagebücher im Netz, sondern viele davon längst themenspezifische, respektable Onlinemagazine. Youtube ist nicht mehr nur die Plattform auf der Leute eine Kamera anmachen und davor rumhampeln, sondern wo Serien, Filme und neue Formate entstehen. Ebenso  sind inzwischen viele der Nutzer sehr viel professioneller geworden und es geht nicht mehr darum, nur sein Gesicht in eine Kamera zu halten oder Eyeballs auf die eigene Person zu richten. Mit wachsendem Publikum hat man auch selbst eine Pflicht diesem gegenüber. Wenn Sascha Pallenberg von Messe zu Messe hetzt um das neuste in Sachen Mobile Computing zu präsentieren, geht es ihm sicher nicht um darum sich selbst zu präsentieren, sondern die Leser als erster mit aktuellen Informationen zu versorgen. Y-Titty sind auf einem Level angelangt, wo sie Woche für Woche überlegen, wie sie ihr Publikum unterhalten können. Würde man ihnen reine Selbstdarstellung vorwerfen, würde man implizieren, ihr Protagonist TC sähe sich selbst gerne als Frau. Wenn wir neue Folgen für YouJustDon’tDo drehen, dann überlege ich nicht, wie genau ich vor der Kamera aussehe oder ob die Rolle eventuell peinlich ist, sondern was können wir besser machen als das letzte Mal? Was hat nicht gepasst? Wie können wir die Geschichte besser erzählen und das Publikum unterhalten?

Und dahin dreht es sich immer mehr. Natürlich braucht es immer jemand, der bereit ist sich vor die Kamera zu stellen, der bereit ist seine Meinung mit anderen zu teilen und die Kritik daran einzustecken und dahinter steckt bestimmt auch ein Hang zur Selbstdarstellung. Und machen wir uns nichts vor: Eine gelungene Selbstdarstellung und -inszenierung hilft sehr die Inhalte zu verbreiten und an den Mann zu bringen. Ein Beispiel wäre Sascha Lobo, dessen Frisur ihm geholfen hat sich erfolgreich zu vermarkten und ihn bei der oben genannten Umfrage gleich auf Platz 1 katapultiert. Aber er kann eben auch jede Woche auf SpiegelOnline wichtige Themen ansprechen. LeFloid macht ähnliches: Seine Sendung „LeNews“ ist zwar weit weg von journalistischen Standards, aber dennoch nutzt er seine Bekanntheit immer wieder um Themen anzusprechen, die ihm wichtig sind und das Publikum interessieren.

Menschen die Produzieren sind mit wachsender Professionalisierung nicht mehr ihrem Selbstdarstellungstrieb verhaftet, sondern wollen ein Publikum bedienen/informieren/unterhalten. Ansonsten könnte ich mit der gleichen Logik Claus Kleber, wenn er Abends das „heute journal“ präsentiert Selbstdarstellung vorwerfen, genauso allen anderen Journalisten, ich glaube und hoffe nicht, dass die Meisten das antreibt.

Bild: Some rights reserved by Unfurled

Von Jannis Schakarian

Geboren als Jannis Kucharz studierte Jannis Schakarian, Publizisitk und Filmwissenschaft. Hat funk mit aufgebaut, Kolmnen bei der Allgemeinen Zeitung geschrieben und arbeitete als Formatentwickler, Leiter des Social Media Teams und der Distributionseinheit beim ZDF, dann bei SPIEGEL als CvD Audio.

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8 Antworten auf „Das Netz: Von Selbstdarstellern zu Produzenten“

Danke. Genau das beschreibt zum einen die Entwicklung sehr passend und zum anderen erklärt es aber auch, dass man zu einem Medienberuf – egal in welchem Medium – immer eine gehörige Portion Selbstdarstellungs-Potential benötigt. Eine graue Maus wird einen Blog nur unter Synonym führen. Wer sich selbst nicht zu schade ist, auch einmal auf den Deckel zu bekommen und mit Kritik umgehen kann – der kann auch einen Blog, einen VLoh oder whatever führen. Ganz egal was für eine Frisur er hat ..

Betrachten wir mal das Wort „Selbstdarstellung“. Wen will ich den sonst darstellen? Wenn ich jemand anderes darstelle, bin ich doch Schauspieler, oder nicht? Blogs waren schon immer subjektiv, weil Sie von normalen Menschen gemacht werden. Bin ich jetzt zu doof etwas Negatives in dem Begriff zu finden oder haben die das Wort nicht verstanden?

[…] Anglizismus des Jahres 2012: And the winner is … Crowdfunding! Eine unabhängige Jury um den Berliner Sprachwissenschaftler Anatol Stefanowitsch wählte das Wort aus rund sechzig Vorschlägen. "Das Wort füllt eine Lücke im deutschen Wortschatz, die durch das Aufkommen einer neuen Art der netzgestützten Kapitalbeschaffung entstanden ist. Es hat sich im Laufe des letzten Jahres im allgemeinen Sprachgebrauch etabliert und gut in die Struktur des Deutschen eingefügt", so die Begründung der Jury. Seit 2010/11 gibt es den Wettbewerb "Anglizismus des Jahres". Damit soll der positive Beitrag des Englischen zur Entwicklung des deutschen Wortschatzes gewürdigt werden. http://www.anglizismusdesjahres.de/anglizismen-des-jahres/adj-2012/ Web 2.0 – Alles Selbstdarsteller? […]

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