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1 Jahr netzfeuilleton

Ein Jahr ist das netzfeuilleton nun schon alt und damit hat es die oft kritische Halbwertszeit von Blogs überlebt.
Und wir können einiges Aufweisen: Zahlreiche Verlinkungen von sogennanten A-Blogs, der Twitter-Account @netzfeuilleton hat inzwischen über 600 Follower, wir haben in den PONS Rechtsschreibcharts inzwischen 3 Fleissbildchen gesammelt und unseren RSS-Feed haben derzeit ca. 175 Leser abonniert.

Doch diese schnöden Zahlen drücken natürlich längst nicht aus, was dieses Blog ausmacht. Da wären die zahlreichen anregenden und spannenden Leserkommentare oder die vielen Autoren, die schon für uns geschrieben haben. Da wären die Treffen im echten Leben, die durch das Blog zustande gekommen sind und die PR-Mails, die täglich mein Postfach fluten.

Und wir wollen weitermachen und euch (was soll man auch anderes an dieser Stelle sagen) euch in Zukunft noch mehr bieten. Da wäre zum einen, der frisch eingerichtete Twitter-Account @morgenlinks, der euch Rund um die Uhr mit spannenden und lesenswerten Artikeln versorgen soll. Wir würden uns freuen, wenn ihr das Angebot zahlreich annehmt.

1 Jahr netzfeuilleton.de

Als weiteres kleines Geschenk hätten wir noch einige Google Wave Invites. Auch wenn diese nicht mehr ganz so rar sind wie zum Start des viel gehypten Dienstes möchten wir sie euch gerne zur Verfügung stellen. Etwas über 20 sind da, first come, first serve. Einfach bei der unten angegebenen E-mail Adresse oder via Twitter melden.

Ausserdem wollen wir natürlich unser reguläres Blogangebot weiter ausbauen und dazu suchen wir: Weitere Autoren!

Wenn du also stark interessiert bis im Bereich Kultur, sei es jetzt Bücher, Film, Theather oder Musik und du uns einige Arbeitsproben zu senden kannst, dann mail uns einfach unter kontakt[ät]netzfeuilleton.de. ((Genauso gerne sind Gastblogger gesehen, die vielleicht nur für ein bestimmtes Thema ihr heimeliges Blog verlassen wollen, oder jedem der hier mal einen spannenden Beitrag veröffentlichen möchte)) Wir freuen uns über Zuwachs und spannende Debatten bei uns auf der Seite und hoffen euch auch im nächsten Jahr begleiten zu dürfen.

Ein frohes Fest wünscht

Die netzfeuilleton-Redaktion

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Bachelor: Keine Zeit für Bildungsstreik

Auch unsere Uni brennt; seit 3 Wochen ist jetzt das Auditorium Maximum von Studenten besetzt. Inzwischen vom Uni-Präsidenten toleriert, harren dort Tag und Nacht einige tapfere Studenten aus. Nach meinem Eindruck sind das allerdings selten die geschundenen Bachelor die dort gegen ihre Studienbedingungen aufstehen. Die haben für so etwas nämlich gar keine Zeit.

Schließlich haben sie in den meisten Veranstaltungen Anwesenheitspflicht und wer dort mehr als 2 mal fehlt, egal ob entschuldigt oder nicht, hat die Veranstaltung nicht bestanden. Nachholen kann er sie meist nicht mal im nächsten Semester, da die Veranstaltungen nicht jedes Semester angeboten werden und wenn er noch mehr Pech hat kann er auch die anderen Veranstaltungen nicht besuchen, da diese auf dem Modul aufbauen, dass er oder sie dann nicht bestanden hat. So hat man ruckzuck ein Semester mehr auf dem Studienkonto und glaubt man den Studienberatern ist das Gift für den Lebenslauf.

Man könnte den Bachelor ja vorschlagen in ihren Freistunden für ihre Rechte einzutreten, aber auch da sieht es mau aus: Konnte ein Magister oft noch mit 10-12 Wochenstunden durch das Semester schlendern (vieles davon als Sitzschein deklariert) kommen die Bachelor locker auf das doppelte Pensum von 24-26 Semesterwochenstunden. Dazu werden alle Veranstaltungen auch noch in irgendeiner Weise abgeprüft, sei es Referat, Hausarbeit oder Klausur und sind wie oben erwähnt auch meist Anwesenheitpflichtig. Vor- und Nachbereitung sind da noch nicht eingerechnet.

Besetztes Audimax an der Uni Mainz

Für Proteste oder studentisches Engagement ist auch gar keine Zeit eingeplant, denn die Bachelorstudiengänge sind allesamt als Vollzeitjob kalkuliert. Schuld daran sind die so genannten ECTS-Credits die für eine bessere internationale Vergleichbarkeit sorgen sollten. In einem Studienjahr muss ein Student im Regelfall 60 solcher „Credit-Points“ sammeln, in der Konzeption steht jeder davon für 25-30 Stunden Arbeit, dass macht einen Arbeitsaufwand 1.500-1.800 Stunden im Jahr, bzw. eine 40 Stundenwoche bei 6 Wochen Urlaub. Ein Fulltimejob. Wann Studenten da noch Zeit haben sollen ihren Lebenunterhalt mit einem Nebenjob zu verdienen,oder schlimmer noch in CDU-Länder das Geld für die Studiengebühren aufbringen sollen, bleibt vollkommen unbeantwortet. Angesichts solcher Sorgen noch gegen die Studienbedingungen und für mehr Mitbestimmung auf die Straße zu gehen…

Höre ich mich unter meinen Kommilitonen um, begegnet mir aber ab und zu auch ein anderer Grund den Protesten gegenüber skeptisch zu sein: Angst, dass sich tatsächlich was ändern könnte. „Was, wenn die Bachelorreform zurück genommen wird? Wenn sie alles umschmeissen?“

Die Bachelorstudenten leben mit der Angst, ihren Versuchskaninchenstatus ihr Leben lang nicht mehr loszuwerden. Sie fürchten, dass der Bachelorabschluss, dessen Akzeptanz schon jetzt absolut unsicher ist, noch weiter Schaden nehmen könnte und sie auf ewig gebrandmarkt bleiben als eine Studentengeneration, an der man ziellos herumgedoktort hat, die dann mangelhaft ausgebildet auf den Arbeitsmarkt losgelassen und dort nicht angenommen werden.

Mehr Informationen zu den Studentenstreiks findet man vor allem über Twitter unter den Hastahgs #unibrennt, #unsereuni und #bildungsstreik.

Foto unter CC von knicolai

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Die neue Pandemie

Neben den Impfstoffen hat die Schweinegrippe einen weiteren Gegner gefunden. Gibt man den medialen Ergüssen der letzten Tage recht, scheint eine neue Pandemie ausgebrochen zu sein, die sich sehr gefährlich ausbreitet. Hinter dem Schicksal Robert Enkes wird die Depression als neue Volkskrankheit entlarvt, über der die Berichterstattung trotz aller Sorgfältigkeit gnadenlos stolpert.

Die Zeit nennt es „die versteckte Krankheit“ und erläutert wissenschaftliche Hintergünde neben der Aufzählung allerlei bekannter Persönlichkeiten mit dieser Diagnose, die zum Teil im Suizid ihr Ende fanden. Beschmückt sind die Buchstaben mit großen Fotos von weiblichen Schönheiten, die lethargisch gen Kameraobjektiv blicken. Auch der Spiegel hat sich dem Thema angeschlossen und erklärt allerlei Parallelen zum Leben Robert Enkes. Der Konkurrent Focus klärt nun ebenfalls über das „Tabuthema“ auf und bildet den Nationaltorwart auf dem Cover ab. Der Stern will zusätzlich dabei helfen, „die stille Gefahr“ zu erkennen. Selbstmordstatistiken auf dunklem Hintergrund geben den Ton an.

Außerhalb der Medizin ist es nicht unumstritten die Depression als Krankheit zu verstehen. Zwar beruht sie auf der Basis der Biologie, besitzt aber nicht die Symptome einer typisch erkennbaren Krankheit. Viel mehr ist sie eine schwer definierbare Masse aus möglichen Merkmalen, die in verschiedenen Ausprägungen vorhanden ist. Von der phasenweisen tristen Laune bis zum tiefsten seelischen Schmerz lässt sie sich beschreiben, aber nicht pauschal erklären, wie es gerne verstanden wird. Es gibt Menschen, die an einer Depression leiden und sich davon befreien können, während andere ihr Leben lang mit diesem Begleiter zu recht kommen müssen.

Den Freitod daher schlicht mit der Depression zu begründen, ist zu einfach. Der Todeswunsch ist vielleicht nicht selten Teil der Folge der Ausmaße einer Depression, nicht aber der erklärte Kontrollverlust, der derzeit medial als fremder Wille oder Hirnerkrankung gezeichnet wird. Man stirbt an einer Depression nicht so wie man an Krebs endet. Die psychischen Schmerzen stehen auf einer anderen Ebene, auch wenn einige der möglichen Symptome durchaus auch körperliche Leiden hervorrufen können. Gerade die Nennung verschiedener Berühmtheiten zeigt im Durchschnitt, dass darunter vor allem solche fallen, die nicht für Gedankenlosigkeit bekannt sind und ihren Schritt sicherlich nicht unüberlegt beschlossen. Auch ist die Tatsache, dass mehr Frauen an Depressionen leiden, aber deutlich mehr Männer den Suizid wählen, ein Widerspruch des typischen Krankheitstodes der neu ernannten Pandemie.

Schließlich befällt eine Depression die Gedanken und auch wenn sie aus chemischen Prozessen besteht, ist eine Reduzierung darauf eine zu einseitige Erklärung. Ein depressiver Mensch versteht sich weitestgehend nicht als krank, sondern viel mehr als verloren, ausgebrannt, überfordert, vielleicht als sinnlos oder erschöpft vom Leben. Daher muss die Krankheit auch von der Gefühlswelt interpretiert werden, statt sie leichtfertig mit der Biologie zu erklären, weil sie so verkannt wird und dem Leidenden einen dürftigen Stempel aufdrückt. So wie die Verliebtheit eigentlich auch nur Chemie ist, besitzt sie einen ganz anderen Wert im Bewusstsein der Menschen. Mitnichten also ist die Depression nur eine Krankheit, sondern ein Teil eben des Bewusstseins des Betroffenen.

Foto: „Oh Tomorrow I’m Alone …„, Hamed Saber, cc

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Wirklich „mehr netto vom brutto“?

Was bringen uns die schwarz-gelben Finanzpläne? Auch 2009 steht wieder eine neue Rekordverschuldung bevor. Ein geplanter Schattenhaushalt ist aus verfassungsrechtlichen Bedenken vorerst vom Tisch, doch planen CDU/CSU und FDP Beitragserhöhungen an Krankenkassen und Pflegeversicherung. Gleichzeitig stehen Steuererleichterungen im Raum. Doch wie sind die Neuerungen zu bewerten? Und sind die Pläne zum Abbau von Neuverschuldung umsetzbar, ohne dass am Ende doch eher weniger statt „mehr netto vom brutto“ bleibt?

Befasst man sich mit dem Koalitionsvertrag der neuen Regierung, wird schnell klar, dass vieles noch unklar und ausbaufähig ist. Zunächst: Der geplante Schattenhaushalt, der vor allem von der Opposition stark kritisiert wurde, wird erst einmal nicht in Kraft treten. Ein Schattenhaushalt meint ein Sondervermögen, das für besondere Aufgaben verwendet wird, beispielsweise zuletzt zur Bankenrettung. Der Clou dabei ist, dass Schattenhaushalte in der Neuverschuldung nicht auftauchen, für die ab 2011 in Kraft tretende Schuldenbremse der Bundesschulden also nicht relevant sind. Trotzdem dürfen ab 2011 keine neuen Sondervermögen mehr bedient werden. Ein Schattenhaushalt muss es nach Meinung der Koalition also nicht unbedingt sein, um die klaffenden Finanzlöcher zu stopfen. Also zahlen die Arbeitnehmer in Zukunft einen einkommensunabhängigen Betrag an die Krankenkassen – ähnlich einer „Kopfpauschale“ – der in Oppositionskreisen ebenfalls stark umstritten ist. Denn durch ständig steigende Kosten im Gesundheitssystem steigen so mit der Zeit auch die Beiträge.

Monopoly

Der neue Koalitionsvertrag: Was bringen die schwarz-gelben Finanzpläne wirklich?
(Foto von DavidDMuir unter Flickr, CC-Linzenz)

Zwar sind ebenfalls ab 2011 Steuererleichterungen geplant, doch ist fraglich, ob sich diese angesichts der steigenden Krankenkassen- und Pflegeversicherungskosten für den Bürger wirklich lohnen werden. „Mehr netto vom brutto“ lautet die schwarz-gelbe Devise. Für den Mittelstand und Besserverdienende bedeuten diese das vermutlich durchaus, doch bringt ihnen das angesichts ihres sowieso schon relativ hohen Gehalts nicht allzu viel. Menschen, die von der Unterstützung des Staates leben oder deren Einkommen unter der gesetzlichen Steuerabgabegrenze liegt, haben von diesen Steuererleichterungen überhaupt nichts. Höhere bzw. pauschal festgelegte Abgaben müssen sie trotzdem zahlen. Auch heißt es im Koalitionsvertrag lediglich „möglichst bis 2011“, feste Zusagen konnte und wollte der neue Bundesfinanzminister Schäuble im Interview mit Anne Will nicht machen. Für ein von Familienpolitik dominiertes Land eher schwach, denn in der Familienpolitik besteht besonders bei sozial benachteiligten Familien Verbesserungsbedarf.

Und so lautet hier das Motto: Keine soziale Kälte mit Schwarz-Gelb! Bislang blieben 250 € pro Lebensjahr Vermögen von Hartz IV-Empfängern verschont – das entspräche für einen 65-jährigen ein Schonvermögen in Höhe von 16250 € –, in Zukunft sind es 750 €. Auch die Zuverdienstgrenze von derzeit 100 € wird auf einen noch unbekannten Betrag erhöht, um den Anreiz zur Arbeit zu steigern. Im Interview mit der Tagesschau sagte der CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla zwar, „fundamentale Ungerechtigkeiten im Hartz IV-System [zu] beseitigen“, doch für große Sprünge ist kein Geld da, so oder so. So wird der kleine Fisch eher als Hai verkauft, was er aber nicht ist. Und so kommt es, dass sich die Themen Schonvermögen und Zuverdienst schon wichtiger als beispielsweise Steuergrenzen anhören, die aber ebenfalls wichtig sind. Zumal Ziele wie Bürgergeld statt Hartz IV und die Abschaffung des Gesundheitsfonds noch lange nicht geklärt sind.

Trotzdem sind einige Punkte des neuen Koalitionsvertrages viel versprechend: Ein Verbot sittenwidriger Löhne, eine Erhöhung des Kindergelds von 164 auf 184 €, der Ausbau von Betreuungsangeboten für Kleinkinder und des Bildungssystems, die Abschaffung von Internetsperren und die Erleichterung des Wechsels zu Privaten Krankenkassen lassen auf einige sichtbare, positive Änderungen in der neuen Legislaturperiode hoffen. In jedem Fall – und nicht zuletzt wegen der Besetzung des Posten des Finanzministers durch Wolfgang Schäuble – bleibt es spannend. Es herrscht Aufbruchsstimmung in Deutschland. In Zeiten der Krisen ist das nicht schlecht.

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Featured Netz & Politik

Warum die Netzsperren jetzt so einfach verschwinden

Die Netzgemeinde darf sich gratulieren, ihrem gemeinsamen Engagement und ihrer Unnachgiebigkeit ist es zu verdanken, dass die Internetsperren nun gekippt bzw. verschoben wurden.

Gleichzeitig wird klar, was das „Zugangserschwerungsgesetz“ von Anfang war: eine Wahlkampffarce. Frau von der Leyen roch die Gelegenheit, sich als Amazone im Kampf gegen die Kinderpornografie zu profilieren. Mit dem Widerstand bei einer so ehrenvollen Aufgabe hatte sie nicht gerechnet und konnte ihn mit Hilfe der Bild-Zeitung zum Glück noch übertönen. So naiv zu glauben, das Gesetz könne tatsächlich etwas gegen die Verbreitung ausrichten, waren wohl auch nur deren Leser. Wahrscheinlich hat man nicht einmal in der CDU daran geglaubt. ((Das BVG hätte es mit Sicherheit nicht.))
Deswegen fällt das Gesetz jetzt auch bereitwillig (bzw. wird für ein Jahr ausgesetzt), denn nun kann es einem neuen Zweck dienen: die FDP vor dem Ruf als Umfaller bewahren. Den Liberalen hilft es, ihr Profil als Bürgerrechtspartei zu schärfen, ohne wirklich etwas bewegen zu müssen. Der Beschluss wurde natürlich auf Twitter und Co. mit einigem Beifall aufgenommen und schaffte es vielerorts über die restlichen Verhandlungsergebnisse hinwegzutäuschen. So wird der Zugriff auf die  Daten der Vorratsdatenspeicherung nun zwar auf „schwere Gefahrensituationen“ beschränkt, gespeichert wird aber weiter unvermindert. Kai Biermann spricht bei Zeit Online von einem Phyrrus-Sieg. „Noch so ein Sieg, und wir sind verloren!“. Dass für so ein Schmierentheater demokratische Grundsätze auf Spiel gesetzt werden, ist und bleibt mehr als verwerflich. ((Shame on you, Zensursula!))

Gespannt darf man sein, wie es mit der politischen Bewegung im Netz weiter geht, nun, wo das einigende Thema Nummer 1 erst einmal vom Tisch ist. Wird sich die politische Aufmerksamkeit der Blogosphäre erhalten? Werden die zahlreichen Blogs bereitstehen, wenn es in einem Jahr darum geht, ob man nun vielleicht doch lieber sperrt statt löscht? Bleiben die Netzsperren das politische Erweckungserlebnis der Blogs in Deutschland, oder fallen sie bald wieder in ihren Siebenschläferschlaf?

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„nur ASSIs!!“


Der tazWerbespot, der Dank dem Urteil des Bundesgerichthofs wieder veröffentlicht werden darf, macht nun die Runde. Die intelligentesten Köpfe des Landes haben hierzu Stellung bezogen. Im Folgenden lesen Sie nun ausgewählte Zitate aus dem Kennerkreis der Weltphilosophie.

Das ist sie also die hemmungslose Intellektuellenelite, die Tag und Nacht mit Selbstanalysen verbringt und nur für die Lesung brillianter Magazine wie Neon oder etwa Zeit Campus kurze Pausen einzulegen scheint. Gütig wie sie ist, gestattet sie auch dem niederen Volk ab und an die Gunst, an ihrem großen Reichtum an Gehirnverknüpfungen teilhaben zu dürfen.

Mit unwiderlegbaren Thesen gibt die Gruppe der hochbegabten Mitbürger hier ihre brisanten Errungenschaften des Wissens bekannt.

Nur die hochmodernsten Formen der altgermanischen Rechtschreibung sind den Intelligenzbaronen halbwegs gut genug, um kleine Happen ihrer perfektionistischen Auffassungsgabe an die dumme Menge abzugeben.

Mit erhobenem Daumen stimmen die gebildeten Leistungssportler der oberen Klasse zu. Die erfahrungsgemäße Sachlichkeit macht jede der Aussagen zu appetitlichen Leckerbissen im lehrreichen Zitatebuffet.

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Die verlorene Ehre der Caster Semenya

Goldmännchen oder Goldweibchen? Der Fall der Leichtathletin aus Süd-Afrika, die bei der diesjährigen Weltmeisterschaft in Berlin die Goldmedaille über 800 Meter holte, erlangt weltweit Aufsehen. Mit dem Leichtathletik-Weltverband IAAF steht ein Verlierer der Diskussion schon fest. Den größten Schaden dürfte jedoch Caster Semenya selbst davon tragen.

Mit einer grandiosen Zeit von 1:55,45 min lief Caster Semenya am 18. August diesen Jahres zur Goldmedaille und damit zu einem der brisantesten und interessantesten Skandale, den der Leichtathletik-Verband IAAF während seines knapp 100-jährigen Bestehens zu bearbeiten hatte. Ist die 18-jährige Leichtathletin eine Frau oder ein Mann? Tatsächlich gibt es berechtigte Zweifel: Der muskulöse Körper, die flache Brust und die tiefe Stimme sind Äußerlichkeiten, die sie zumindest schon nicht eindeutig zur Frau machen. Aber ist sie deswegen ein Mann? Noch vor ihrem WM-Sieg ordnete die IAAF einen Geschlechtstest an, wird die Ergebnisse jedoch erst am 20. November bekannt geben und damit, ob ihre Goldmedaille aberkannt wird oder nicht. Ein Team aus mehreren Ärzten verschiedener Fachrichtungen soll der Frage auf den Grund gehen, ob sie ein Y-Chromosom, welches eigentlich nur Männer haben, trägt. Doch auch dies liefere noch kein eindeutiges Ergebnis, erläutert die Berliner Genetikerin Heidemarie Neitzel im Interview mit der Zeit, da die Übergänge fließend seien. Noch nicht einmal die Geschlechtsorgane lieferten ein eindeutiges Ergebnis, da es auch Mischgewebe zwischen Eierstöcken und Hoden gebe.

Caster Semenya

Caster Semenya Bild von José Goulão unter CC by-nc-nd2.0 Lizenz

Nun berichten mehrere Medien darüber, dass Semenya ein Zwitter sei. Zwar sind die Quellen nicht vorhanden ungesichert, jedoch ist ein solches Ergebnis der Untersuchung sogar wahrscheinlich. Muss die IAAF ihr den Weltmeistertitel wieder nehmen, würde das aber eine Debatte über die Diskriminierung von so genannten Intersexuellen nach sich ziehen. Auch müsste man darüber nachdenken, ob es dann fair ist, diese Menschen bei den Männern mitlaufen zu lassen. Denn die Kriterien hierfür erfüllen sie ja auch nicht, was einen Wettbewerbsnachteil bedeuten könnte. Doch auch das Vorgehen der IAAF im Fall Semenya ist zumindest fragwürdig: Die Veröffentlichung eines zweiten Tests während der WM fasste der südafrikanische Leichtathletik-Verband als Diskriminierung auf.

Caster selbst verzichtet auf Stellungnahmen zur derzeitigen Diskussion um ihr Geschlecht und macht damit wahrscheinlich das einzig Richtige. Lediglich einer südafrikanischen Zeitschrift gegenüber äußerte sie sich kürzlich: „Ich bin ein Mädchen.“ Dass die Debatte, die sie mehr zu zu einem Spiel-Objekt der Medien und der Gesellschaft als zu einem Mensch macht, aber extreme negative psychische Konsequenzen für sie bedeuten kann, darüber denkt – auch wenn sie eine „Person des öffentlichen Interesses“ ist – keiner nach. Immerhin ist die Leichathletin gerade mal 18 Jahre alt, ein Alter, das für die meisten Jugendlichen sowieso oft noch schwierig im Hinblick auf die Entwicklung ihres Körpers ist. Zwar zeigt sie sich unbeeindruckt: „Für mich ist das alles ein Witz, aber es bringt mich nicht aus der Fassung.“ Doch schon vor 3 Jahren versuchte eine 800-m-Läuferin sich das Leben zu nehmen, nachdem man ihr das Y-Chromosom nachwies und die Medaille aberkannte. Und das kann kein Sport der Welt wert sein.

Bleibt zu hoffen, dass sie auch in dieser belastenden Situation ihre Stärken gut für sich nutzen kann, um sich trotzdem weiterhin selbst definieren zu können: „Gott hat mich nun mal gemacht, wie ich bin und hat mir das Lauftalent gegeben. Ich akzeptiere mich, wie ich bin, und bin stolz auf mich.“

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Late-Night mit Bart

Gestern war es endlich so weit: Unsere seit Ewigkeiten einzige deutsche Late-Night Hoffnung Harald Schmidt ist auf den Bildschirm zurückgekehrt. Angekündigt als weißer Afghane zog er ins Studio und löste alle Versprechen ein, die er im Vorfeld gegeben hatte.

Im Zweifelsfall wollte er gegen den Mob sein, und so wiedersprach er auch auch gleich der Lehrmeinung, dass der aktuelle Wahlkampf langweilig sei. Schließlich habe es doch einmal gefunkt, „bei der Landung von Müntefering“. Auch das Kanzlerduell fand er nicht zum Einschlafen: „Mich hat es gefreut, endlich mal den Ehemann von Frau Merkel kennenzulernen.“

So legte Harald Schmidt in seinem Stand-Up los und damit ein ordentliches Tempo vor, dass nur noch von „the good, the bad & the ugly“, also Trittin, Lafontaine und Westerwelle getoppt wurde, wie sie sich in einem Zusammenschnitt des TV-Dreikampf Zahlen an den Kopf schmissen.

Und so hastete man weiter von Einspieler zu Einspieler, nur unterbrochen von den kurzen Zwischenmoderationen Schmidts. Doch nicht nur die Anmoderationen der Filmchen muss Schmidt nach Pochers Weggang selber machen, auch die Parodien fallen jetzt in sein Metier. Als erstes musste Peter Scholl-Latour herhalten, um im Interview mit Katrin Bauerfeind einzuordnen, ob man jetzt in Afghanistan im Krieg sei oder nur „Hausaufgabenbetreuung mit Maschinenpistole“ leiste. Auch vor der ARD machte Schmidt in Scholl-Latour Gestalt nicht Halt: Anne Will und Plasberg können bald gegen Jauch abtreten, verkündete er.

Sollte sich aus dem neuen Team tatsächlich ein neuer Sidekick entwickeln, wie ebenfalls angedeutet, dann ist wohl Katrin Bauerfeind die im Moment aussichtsreichste Kandidatin. Gleich dreimal durfte sie an Schmidts Seite auftreten und ihm zum Beispiel bei den aktuellen Filmkritiken die Stichworte darreichen oder die Stille Ecke für Haushaltgeräte präsentieren.

Schmidt & Bauerfeind
Schmidt & Bauerfeind // Screenshot (C) ARD

Ansonten blieb das Team blass. Caroline Kornelis Auftritt im Film über die FDP war zwar gut aber zu kurz und endete mit dem mäßigen Witz eines vom Rollstuhl aufspringenden Pierre M. Krause, geheilt durch die Hand Westerwelles. Peter Richter war es sogar, der die Fachdiskussion über die Theaterregisseurin Andrea Berth und den  Boris Groys, in der das Tempo einen neuerlichen Höhepunkt erreichte, fast zum Erliegen brachte. Mit dieser dennoch großartigen Einlage über die feuilletonistischen Fachdiskussionen voller Namen und Fachsimpeleien, löste Schmidts wohl sein Versprechen ein, dass kulturell weniger versierte Menschen weniger zu Lachen haben sollen.
Einzig Jan Böhmermann schaffte es noch mit seiner angeblichen Schweinegrippeerkrakung die Nachrichten von Pro7, Sat.1 und N24 zu foppen und so hervor zu stechen.

Ruhiger, aber nicht minder unterhaltsam wurde es erst wieder, als der Gast, Trigema Chef Wolfgang Grupp, die Bühne betrat. Dieser befürwortete auch als schwäbischer CDU-Wähler den Mindestlohn und gesatnd außerdem „Egal, wie alt ich bin, mein Frau muss immer Anfang 20 sein“. Den angebotenen Platz in der Familiengruft lehnte Schmidt dann dennoch dankend ab, schließlich hat er ja noch ein paar Sendungen vor sich.

Harald Schmidt ist also zurück, er ist wieder der alleinige Herr im Ring und das tut ihm sichtlich gut. Er spuckt wieder Sprüche und präsentiert die Miene, die Satire ein Gesicht gibt. Dennoch bleibt bei dem großen Team kaum Zeit, dass er sich frei entfaltet. Die Sendung ist durchgeskriptet, für spontane Improvisationsaktionen ist kein Platz.

Ist Schmidt der deutsche Stewart?

Nun noch zu der netzfeuilleton-spezifischen Frage ist Schmidt der neue Stewart? Ein klares Nein. Zwar hat man sich sichtlich einige Elemente bei der amerikanischen Daily Show mit in die Sendung geholt, dass zum Beispiel Teile des Teams an den Tisch geholt werden oder kurz einzelne Personen neben Schmidt eingeblendet werden, aber auch hier macht die Zeit Harald Schmidt einen Strich durch die Rechnung. Während Jon Stewart Themenkomplexe mit bissgen Kommentaren gekonnt seziert, kann Schmidt lediglich an der Oberfläche kratzen. Zum Glück bleibt er dabei nicht so auf Comedyniveau stehen und hakt einzelne Pointen ab, wie es zu Pocher Zeiten oft der Fall war. Dennoch muss man festhalten, dass in der aktuellen Ausführung die heute-show allein von der Anmutung deutlich näher am amerikanischen Vorbild ist.

„This is a show about the guy behind the desk“.
Johnny Carson über Late-Night

Die nächste Frage muss aber sein: Muss Schmidt ein deutscher Stewart sein? Auch hier kann man klar mit Nein antworten. Schmidt hat seinen eigenen Stil, hat Late-Night mit geprägt und hat es deshalb nicht nötig den Trends hinterherzuhinken. Freuen wir uns, dass er diesen Stil nur minimal erneuert wieder gefunden hat und das präsentiert, was er am besten kann: Gute alte Late-Night. Mit Bart.

Wer die Show verpasst hat kann sie sich in der ARD-Mediathek für 7 Tage ansehen.

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Featured Flimmern & Sehen Netz & TV Tipp

Mediatheken-Tipps vom 16.09.09

Die TV-Tipps hier im netzfeuilleton.de haben wir ja schon vor einer Weile eingefroren. Entscheidender Grund dafür war, dass mir die verpflichtende Regelmäßigkeit, die damit einhergeht, auf den Sack ging und ich deshalb nicht sicherstellen konnte diese auch konsequent zu leisten. Zweiter Grund: Gibt es irgendwas oldschooligeres als Fernsehen? Eben. Fernsehen findet für mich fast ausschließlich Youtube & Co statt und wenn es Livecharakter haben soll, dann über Zattoo ((Sorry, Private)). Muss es dann doch mal etwas aus den Privaten sein, hilft mir der OnlineTVRecorder.

Das war also ein Geständnis von jemandem, der immerhin von Peer Schader eine gewisse TV-Blogkompetenz zugeschrieben bekommt. Anscheinden reichen die oben genannten Werkzeuge aus, um das zu leisten. Diese und ganz entscheidend die Mediatheken der Sender.
Denn so langsam entdecken die Sender selbst, dass das Internet nützlich sein könnte ihre Inhalte nocheinmal zu verbreiten. Anstatt Youtube-User für selbiges abzumahnen bieten die Sender nun immer mehr ihrer Inhalte im Netz an. Die Usability der daraus entstehenden Mediatheken reicht dabei von grauenhaft (ARD, Dritte, Pro7/Sat1) bis annehmbar (ZDF, RTLnow, arte).

Eben weil dies alles so ist, habe ich mich für diese neue, unregelmäßige Rubrik entschieden: Mediatheken-Tipps.
Darin sollen besonders sehenswerte Inhalte aus den Mediatheken herausgefiltert und euch empfohlen werden. Der Vorteil: Man kann sich auch nach der eigentlichen Ausstrahlung noch über die Sendungen unterhalten.

Mediatheken Wirr-Warr

Fangen wir an:

Wer gestern abend nicht Arte geguckt hat, hat mal wieder etwas großartiges verpasst: „Die Yes-Men regeln die Welt“. Die Yes-Men sind eine Gruppe von Politaktivisten, die mit komischen schockierenden genialen Aktionen darauf aufmerksam machen, was schief läuft und wie einfach es doch wäre das zum Guten zu wenden. Unbedingt anschauen!

Die Aktion der gefakten, utopischen New York Times wurde übrigens auch für Deutschland versucht. Attac hatte „Die Zeit“ umgestaltet ((Unter dem Artikel gibt es auch die NYT der Yes Men)).

Nachdem die Mannschaft von switch Preise ohne Ende abgeräumt hat, vertreiben sich die einzelnen Darsteller mit Soloprojekten die Zeit: Martina Hill spielt die Statistik Expertin Tina Hausten in der Heute-Show, Michael Kessler taxiert nachts durch Berlin und hat eigene Benimmregel erstellt und nun ist auch Max Giermann dran. Der Mann, der Stefan Raab besser spielt als Raab sich selber, ging gestern mit Granaten wie wir auf Pro7 auf Sendung. Darin führt er jedes Mal als eine andere Person durch die Sendung, begrüßt Gäste und zeigt Einspieler. Den Auftakt mach Johann Lafer, zu Gast sind D! und die Backstreet Boys.

Dann gilt es sich noch zu freuen, dass die Sommerpause vorbei ist und zwar sowohl bei „The Daily Show“, als auch bei „Neues aus der Anstalt“, die in ihrer aktuellen Folgen vor allem das Thema Wählen-Nichtwählen behandeln.

Genug Comedy/Kabarett/Lustighalt, wobei ich mir auch bei diesem Beitrag das ein oder andere Schmunzeln nicht verkneifen konnte: Bei N24 dikutierte Sascha Lobo, aufgewärmt von seinen Sixtus VS. Lobo Duellen, mit gegen Hans-Hermman Tiedje über „Gewalt, Sicherheit und Wahlkampf im Netz“. Das sich der konservative Tiedjen und der „Internet-Guru“ Lobo dabei selten einig sind, darf man annehmen. Beste Aussage, auf den Hinweis Tiedjen hätte keine Ahnung vom Internet: „Natürlich, ich lass mir das doch immer ausdrucken.“

So, dass solls erstmal gewesen sein, ich hoffe es war für jeden etwas dabei. Noch der Hinweis: Die meisten dieser Inhalte sind nur die nächsten 7 Tage abrufbar und verschwinden dannach oder werden kostenpflichtig. Das verdanken wir unter anderem dem Rundfunkänderungsstaatsvertrag ((zumin. bei den ÖR)).

Das Unterhaltung sogar ganz ohne TV-Sender funktioniert habe ich ja bereits in der Rubrik Websehen versucht nachzuweisen. Sollte jemand wider Erwarten dennoch an echten TV-Tipps interessiert sein, verweise ich ihn hiermit höflich an Chris, der unter Kino, TV & Co allwöchentlich die cineastischen Highlights aus dem TV-Programm pickt.

Ich freue mich über Feedback zur Weiterführung dieser Rubrik und vorallem auf Hinweise mit weitere Perlen in den Untiefen der Mediatheken. Denn das Auffinden eben dieser gestaltet sich, aus den oben genannten Usability-Defiziten, nicht einfach. Tipps also gerne per Kommentar oder an kontakt [et] netzfeuilleton [punkt] de. Um keinen der zukünftiger Tipps zu verpassen abonniert unseren RSS-Feed oder folgt uns unbedingt bei Twitter.

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Bewegen & Beschäftigen Featured Politik

Duellanten Hand in Hand

Da war es also das versprochene Highlight des Wahlkampfs. Frank-Walter Steinmeier und Angela Merkel würden sich gemeinsam um den Pokal reissen, sich den Fragen der Moderatoren stellen und um die Gunst der Wähler kämpfen. Nichts von all dem, war aber zu sehen.
Schön war die Vorstellung, doch das Duell selbst ging an einem Streitgespräch vorbei und wirkte wie ein entspanntes Frage-Antwort-Spiel in einer langwierigen Polit-Talkshow, in der man wie so häufig doch nichts konkretes mitzunehmen weiß.

Debatten sollen gerade unentschlossene Wähler überzeugen, doch wieviele Zuschauer haben heute tatsächlich klare Aussagen zu ihrem Anliegen erhalten? Einige Sätze zur Steuerpolitik, Managergehältern und Arbeitslosenzahlen fielen und verwirrten den Zuschauer wohl vehement. Kalküle Ziffern und Fachjargon werden dem Ottonormalverbraucher nicht unbedingt verständliche Zusammenhänge und Zukunftsprognosen erläutern. Auch gab es nur sporadische Antworten zu vielen Themen, die wie üblich eher durch ihre unpräzise Länge als durch ihre Klarheit auffielen.

90 Minuten lang pflichtete man sich eher gegenseitig bei, als konkrete Schwachstellen des Gegners zu nennen. Angela Merkel sprach sogar vom „wir“, auch wenn sie die CDU meinte, war klar, dass die Koalition das gemeinsame Ich formierte. Natürlich war nicht zu erwarten, dass sich die beiden Regierungspartner nach vier gemeinsamen Jahren nun zwei Wochen vor der Wahl blutig attackieren würden, aber so eine verschwiegene Kritik führt auch nicht zu großen Deutlichkeiten, beantwortet aber vor allem nicht die Frage, wieso die CDU nun viel lieber mit der FDP regieren möchte. Keine Antworten gab es auch zur Bildungs- und Familienpolitik, die dem Wähler vermutlich wichtiger sind als die erneute Besprechung Ulla Schmidts.

Dann gab es sie aber doch mal ab und an, die Meinungsverschiedenheiten. Doch bis auf einen glanzvollen Moment Steinmeiers, in dem er ein Bündnis mit der FDP kritisierte, würgte die Moderation solche Momente ab. Generell wirkte die Kombination aus vier und zwei sehr fragewürdig und wagte nicht ansatzweise zu überzeugen. Die Fragen hätte jeder Einzelne auch alleine stellen können und vielleicht wären dabei auch nicht ulkige Kreativergebnisse wie „Tigerentenkoalition“ entstanden. Anfänglich stießen sich die beiden Spitzenpolitiker auch an den Journalisten, die keinen wirklichen Rhythmus zu finden schienen.

Vielleicht ist aber auch kein richtiges Duell zu führen, wenn vier Schiedsrichter ihre Fragen durchgehen, ohne wirkliche Kämpfe zu fördern, ja zu fordern. Zwar konnte Steinmeier in der Gesamtbilanz durch seine offensiven Angriffe punkten, aber die defensive Haltung der Kanzlerin ist in den Statistiken auch nicht negativ zu lesen. In vielen Punkten gab es keine wesentlichen Unterschiede: 51% fanden Merkel kompetenter, 64% fanden Steinmeier sei besser als erwartet. Von einem Unentschieden ging man auch grundsätzlich vor der Sendung aus.

Ein Duell verspricht einen großen Kampf, einen Sieger, einen Verlierer und vor allem große Unterhaltung. Nichts aber konnte dieser Fernsehabend liefern. Statt einer wirklichen Debatte, gab man sich gegenseitig recht, beantwortete Fragen undeutlich und ließ tatsächliche Meinungsverschiedenheiten sofort ersticken. Dem Wähler half all dies nichts. Aber was soll es auch werden, wie eine politische Bedeutung haben, wenn die anderen etabilierten Parteien außen vor gelassen werden? Vielleicht fühlt sich der Wähler heute Abend bei der ARD ab 21 Uhr mit Lafontaine, Westerwelle und Trittin besser aufgehoben oder sieht sich die verpasste Simpsonswiederholung gegen 10 Uhr vormittags auf ProSieben an.