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Gesellschaft Netz & Politik

Leben in der Post-Snowden-Ära

Wie lebt es sich mit dem Wissen überwacht zu werden? Was man früher im Geschichtsunterricht mit Blick auf die Stasi-Zeit nur schwer nachvollziehen konnte, erleben wir heute alle am eigenem Leib. Und zunächst ändert sich gar nicht so viel. „Heute schon was für die NSA gepostet?“, witzelt man über die eigenen Facebook-Aktivitäten und versteckt hinter diesen Witzen doch nur die eigene Machtlosigkeit. Doch auf zweiter Ebene passiert noch etwas anderes: Langsam überlegt man sich: Was kann ich noch schreiben, was kann ich noch sagen, wenn ich weiß, dass alles im Zweifel gegen mich verwendet wird?

Manche mögen sagen, dass man sich das immer schon hätte überlegen sollen, denn im Prinzip ist alles, was man ins Netz stellt nur einen Klick von privat zu öffentlich entfernt. Aber was aktuell passiert, geht viel weiter. Führt der Urlaub im falschen Land dazu, dass ich auf einer Liste lande, von der nicht weiß, warum sie existiert? Verweigert man mir beim nächsten USA Besuch eventuell die Einreise aufgrund eines kritischen Kommentars? Das ist das wirklich Perfide. Wir alle entwickeln eine Schere im Kopf, die uns nicht mehr so frei kommunizieren lässt, wie vorher. Sollte sich nichts an der massiven Überwachungssituation ändern, haben uns Endwards Snowdens heldenhafte Enthüllungen im ersten Schritt unfreier gemacht als zu vor, weil wir anfangen uns selbst zu zensieren. Das ist einer Demokratie unwürdig.

Dies war meine erste Netzfeuilleton-Kolumne für die Allgemeine Zeitung

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Bewegen & Beschäftigen Gesellschaft Youtube News & TV 2.0

YouTuber Relations – Warum die PR-Branche YouTuber ernst nehmen sollte

In Deutschland entsteht mit dem Youtube-Netzwerk Mediakraft gerade ein neuer Meinungsführer. Die PR-Branche, die eben erst gelernt hat auch Blogger ernst zu nehmen, muss sich schleunigst neu ausrichten.

Youtube – Industrie & soziales Netzwerk

Youtube? Da gibt es doch nur Katzenvideos!” lautet eines der gängigsten Vorurteile über Googles Video-Plattform. Youtube, ein Sammelbecken kurioser Clips: das lachende Baby, der verkleidete Hund, ein tanzender Jedi. Ein lustiges Video, schnell an die besten Freunde gemailt, kurz gelacht und dann vergessen.

Das hinter den lustigen Filmchen eine sich zunehmend professionalisierende Industrie steht (und damit ein riesiges Geschäft), das Youtube ein soziales Netzwerk wie Facebook ist (und sich ähnlich verhält) und das vor allem junge Menschen mittlerweile mehr Youtube als Fernsehen schauen (und damit für die TV-Werbeindustrie zunehmend verloren gehen), all das sickert hierzulande erst langsam ins öffentliche Bewusstsein.

In den USA erreichen die großen der Szene, die Youtube-“Stars”, schon lange ein Millionenpublikum. Der größte Youtube-Channel weltweit (PewDiePie, Stand 30.09.2013) hat knapp 14 Millionen Abonnenten. In Deutschland bringen es die erfolgreichsten Filmemacher (Y-titty, Stand 30.09.2013) auf immerhin fast 2,4 Millionen Abonnenten. Wäre Youtube wie Fernsehen, dann wären die Abonnenten die Fans einer Serie. Und die Videoaufrufe (Views) wären die Quote. Die Views von Y-Titty schwanken irgendwo zwischen 50.000 und 17 Millionen (Gotye Parodie, Stand 30.09.2013). Längst schaut also nicht jeder Fan auch jedes Video. Doch manchmal schauen eben auch viel mehr Leute zu.

17 Millionen Menschen haben also ein Video gesehen, das drei Kölner Jungs in ihrem Wohnzimmer produziert haben. 17 Millionen Aufrufe. Das ist eine Quote, von der viele deutsche Vorabendprogramme nur träumen können (von den Mittagsprogrammen gar nicht zu sprechen).

17 Millionen, diese Quote hatte Gottschalk zur besten Sendezeit. 17 Millionen, das sind bald 21 Prozent der Bevölkerung. 21 Prozent, die nicht zappend vor dem Fernseher saßen, sondern die auf einen Link klicken mussten, um das Video zu sehen. Allein die aktive Handlung, der Wille der dadurch zum Ausdruck kommt, unterscheidet Youtube vom Fernsehen so massiv, dass die 17 Millionen bedeutender werden als jedes TV-Quotenorakel.

 

Meinungsführer Mediakraft

Doch hier wird es erst richtig interessant. Denn Y-Titty gehört einem Netzwerk an: Mediakraft. Mediakraft bündelt die größten deutschen Youtube-Kanäle. Allein die größten sechs Channels bringen es auf knapp 6 Millionen Abonnenten. Dazu kommen über 1 Milliarde Video-Aufrufe. Die Kanal-Betreiber werden mittlerweile als Stars gefeiert und füllen ganze Konzerthallen mit ihren Auftritten. Was RTL für die Fernsehwelt ist, ist Mediakraft für Youtube.

 

Kanal Abonnenten Video-Aufrufe
YTITTY 2.394.603 469.183.361
LeFloid 986.322 101.946.429
freshaltefolie 945.592 159.859.444
iBlali 797.554 85.495.520
ApeCrimeReloaded 768.358 93.356.422
AlexiBexi 488.430 119.139.508
Summe 5.941.272 1.028.980.684

Die sechs größten Kanäle von Mediakraft, Quelle: socialblade.com, Stand: 23.10.2013

Allein die Reichweite von Mediakraft ist bemerkenswert. Doch zwei weitere Aspekte machen das Netzwerk noch interessanter.

Erstens: Cross-Promotion. Sinn und Zweck eines Netzwerks ist es, dass sich deren Mitglieder gegenseitig unterstützen. Bei Youtube geht das über Empfehlungen. Man verweist aufeinander, verlinkt sich, animiert die eigenen Fans, doch auch mal beim Netzwerkpartner vorbei zu schauen. Das kann soweit gehen, das ein Netzwerk seinen Mitgliedern Regeln vorschreibt und bestimmt, wer wen an welcher Stelle wie erwähnen darf. Auch die digitale Währung für Aufmerksamkeit, die “Likes”, werden reglementiert. Man liked nur, wen das Netzwerk will. Dadurch bleiben die Fans im Netzwerk und die Mitglieder unter sich. Auch Mediakraft erlässt solche Regeln, schreibt also vor welche Kanäle bekannter gemacht werden sollen und welche nicht.

Zweitens: Eigene Marken. Mediakraft hat vor einigen Monaten begonnen, eigene Kanäle aufzubauen. Mit Hilfe der Stars im Netzwerk werden dabei neue, eigenständige Marken aufgebaut. Zum Beispiel der News-Kanal “Was geht ab?”, der am 03.07.2013 startete und in gut drei Monaten rund 150.000 Abonnenten und 7 Millionen Videoaufrufe auf sich vereinen konnte. Die Strategie dahinter ist klar: Man will weg von den personenzentrierten Youtube-Kanälen, hin zu einer eigenständigen Marke. Diese lässt sich auch dann weiterführen, wenn der Star das Netzwerk oder gar Youtube verlässt. YT-Kanal: Was geht ab? Statistiken

Statistik des News-Kanals „Was geht ab?“, Quelle: socialblade.com, Stand: 23.10.2013

 

Youtuber als Kommunikationspartner verstehen

In der Generation unter 25 ersetzt Youtube zunehmend das Fernsehen. Das Marketing hat Youtube bereits vor einiger Zeit entdeckt und platziert dort gezielt Produkte, vorallem in Kosmetik-Tests oder Schmink-Tutorials. Youtube-Kanäle sollten aber ebenso wie Journalisten oder Blogger als Kommunikationspartner verstanden werden. Denn wer sich seine Nachrichten nur über Youtube besorgt, ist für die klassischen Kommunikationskanäle verloren. Für die PR-Branche heißt das umdenken. Youtube-Kanäle und vorallem – Youtube-Netzwerke – müssen als Multiplikatoren verstanden werden.

Dabei sind weniger klassische Instrumente wie Pressegespräche oder -mitteilungen als vielmehr kreative Maßnahmen gefragt. In den USA unterstützen beispielsweise Computerspielfirmen große Youtube-Kanäle bei der Produktion ihrer Videos oder geben auch mal einen ganzen Werbespot in Auftrag.

Aufgrund der enormen Reichweiten und Bindungskräfte von Youtube kann das für Unternehmen mit jungen Zielgruppen entscheidend sein. Und Netzwerke wie Mediakraft sind gerade dabei, Meinungsführer in diesem noch sehr jungen Medium zu werden. Je früher die Unternehmenskommunikation hier Kontakte knüpft, desto eher wird sie Youtuber für sich und ihre Botschaften gewinnen können.

Bild: Montage/CC-BY 2.0 von Kheel Center, Cornell University

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Dieser Artikel erschien zunächst bei kommoguntia.de

 

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Gesellschaft Netz & Video

Wenn Firmen sich im echten Leben verhielten wie auf Facebook

Firmen im Social Web Wir kennen das: Seit Social Media versuchen immer mehr Marken und Unternehmen mit uns in Dialog zu treten. Allerdings scheint es diametral gegen die Beschaffenheit dieser Gesellschaften zu sein einer natürlichen Kommunikation nach zu gehen. Stellt man eine Frage antwortet meist ein PR-Textbaustein, der einmal in langen Abstimmungen mit „Legal“ abgesegnet wurde.
Und die Firmen selbst haben sich nun diesen Facebook Kanal zu gelegt und müssen ihn irgendwie bespielen , also nerven uns Fanpages und Social Media Manager mit iPad-Gewinnspielen, belanglosen Fragen zum WeltsonstwasTag und Dialogsimulation.

Was wäre, wenn sich Firmen im echten Leben genauso so verhielten: In unseren normalen Kommunikationsalltag eindringen, sich in die Gespräche einmischten und dort aufführten, wie auf ihren Social Media Präsenzen. Wir haben uns das in der neusten „YouJustDontDo“-Folge mal vorgestellt:

Wie geht es euch, was sind eure schlimmsten Zusammenstöße mit Firmen im Bereich Social Media? Oder habt ihr vielleicht sogar positive Beispiele?

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Gesellschaft

„Look at this Fucking Hipster!“ – Warum finden alle Hipster scheiße?

Mate, Instagram-Filter und Nerd-Chick sind überall und doch schlägt der Hipsterkultur eine Welle der Ablehnung entgegen. Woher kommt der Hipster-Hass, der sogar soweit geht, dass Hipster selbst sich nicht als solche bezeichnen und das Attribut als Schimpfwort begreifen? Teil 2 (->Teil 1) unserer Serie über die Hipster-Subkultur.

Wie der gesamten Generation Y, so wirft man auch der Hipster-Kultur fehlende Werte, politische Einstellung und mangelndes gesellschaftliches Engagement vor. Der zelebrierte, lockere Lebensstil wird als Gleichgültigkeit gegenüber der bourgeoisen Gesellschaft und dem Mainstream verstanden. Diesem Gleichmut verleiht die Hipster Kultur ignorant bis extravagant Ausdruck. So wird sie oft als narzisstische, visionslose Gruppierung von Modeopfern betrachtet, der es ausschließlich um den Look geht und die auf Oberflächlichkeiten wie Kleidung und Haarschnitt reduziert werden kann. Durch das wahllose Bedienen an anderen Subkulturen und der krampfhaften Suche nach eigener Authentizität verliert die Subkultur diese komplett und zieht außerdem den Unmut der „bestohlenen“ Subkulturen auf sich.

Hipster-Kultur als eine Pseudo-Subkultur

Die Rebellion der Hipster-Kultur beschränkt sich in den Augen der Öffentlichkeit meist nur auf die visuelle Andersartigkeit. Konsumgüter dienen dabei dazu das Ego und das eigene Leben weiter auszuschmücken. So beansprucht jedes Mitglied des Hipster-Kults scheinbar die absolute Individualität und den perfekten Geschmack für sich. Dabei entsteht Stück für Stück das Bild einer Gruppierung von Egoisten, die sich dem Mainstream zu widersetzten versucht, jedoch zentrale Elemente dessen, wie Kommerz und Konsum, instrumentalisiert. Die Hipster-Kultur als eine Pseudo-Subkultur, die sich bestens im Kapitalismus eingerichtet hat und sich hinter der ursprünglichen Ablehnung von Markenkleidung versteckt. So wirkt das Tragen von Vintagekleider oft als Tarnung, hinter der sich ein krankhafter Technik- und Shoppingwahn verbirgt. Der Versuch absoluter Distinktion der in einer Luxusgesellschaft wie sie heute vorliegt, auf den Konsum beschränkt bleibt.

Viel Geld und Mühe für den Anschein von wenig Geld und Mühe

Auffallend dabei ist, dass von der Hipster-Gruppierung extrem viel Geld und Mühe dafür aufgewendet wird, so zu wirken als hätte man es nicht nötig Geld und Mühe für Outfit und Lifestyle aufzubringen. Ein fast schon nachlässiger, inszenierter, latent gelangweilter Lebensstil bei dem die Authentizität verloren geht. Dieses unechte, aufgesetzte Lebensgefühl wirkt sogar in der Gruppierung selbst oftmals zu gespielt um authentisch zu wirken. Das ist auch der Grund warum jeder Hipster die Bezeichnung als solchen als Beleidigung oder Demütigung empfindet. Denn damit kommt zum Ausdruck, dass er selbst lediglich als Teil einer Gruppe von Modeopfern gesehen wird, zu der er nicht gehören will. Er selbst sieht sich im Zentrum, mit einer persönlichen Tiefe und einem individuellen Geschmack, den er der restlichen Welt nicht zutraut. So wird die Bezeichnung „Hipster“ oft auch in der Subkultur selbst verwendet – um auszudrücken, dass der Angesprochene nicht authentisch wirkt. Sondern seine Rolle und seinen Stil aufgesetzt und plagiiert wirkt. An dieser Oberflächlichkeit und aufgesetzten Lockerheit stören sich viele Außenstehende. So reagieren erste Bars und Cafés, beispielsweise in Berlin, mit einem ausgesprochenen „Hipster-Verbot“. Auch im Internet wird eine regelrechte Hetzjagd auf Anhänger des Hipster-Kults veranstaltet. So bietet der Internetblog www.lookatthisfuckinhipster.com die Möglichkeit Fotos von Hipstern einzustellen und anschließend zu bewerten.

Dieser Kritik begegnet die Subkultur mit viel Humor und Ironie. Es gilt meist: „Hipster – das sind immer nur die Anderen.“

Hipster – das Produkt der Erlebnisgesellschaft.

Das Hipstertum ist ein klares Produkt der Distinktionsgesellschaft. Durch die fehlenden Werte und politischen Überzeugungen, bleiben dieser Gruppierung nur Oberflächlichkeiten und der persönliche Besitz um sich von den anderen Mitgliedern der gleichen sozialen Schicht abzuheben. Dieses Bedürfnis findet in unserer heutigen Gesellschaftsform vielleicht den bisherigen Höhepunkt. Der heutigen Generation der Hipster fehlt es, im Gegensatz zu früheren Jugendbewegungen, an nichts – außer Überzeugungen. Es gibt keinen popularisierenden Vietnamkrieg wie während der 68er-Bewegung oder keinen Hass auf das politische System wie den der Punks in den siebziger Jahren. In einer scheinbar werteund problemfreien Gesellschaft ist es die Generation Y und die daraus resultierende Hipster-Kultur, die den Nonkonfirmismus zur Tugend macht. Der im Ansatz rebellische Versuch sich von der stumpfen Bourgeoisie abzuheben, verwäscht sich mit der lockeren, leichten und weitestgehend inhaltslosen Lebensweise. Das Lebensgefühl der Spaßgesellschaft wird durch den Modestil und den Lifestyle nach außen getragen. Als Teil der oberen, gut ausgebildeten Mittelschicht fehlt es den Hipstern nicht an finanziellen Mitteln um die Andersartigkeit in den Mittelpunkt ihrer Existenz zu stellen. Der Wunsch der Individualität kann so zum zentralen Element werden, den man mit Hilfe von Konsum möglichst ungewöhnlicher und individueller Produkte zur Schau stellt.

Dem Hipster fehlt es an nichts – außer Überzeugungen

Gerhard Schulze beschreibt diese Art der Gesellschaftsform als Erlebnisgesellschaft. Nach seiner Meinung beschreibt der Begriff eine Gesellschaft, in der jeder Einzelne sehr egoistisch auf das Erreichen von möglichst viel Genuss konzentriert ist. Als Angehörige des Selbstverwirklichungsmilieus trifft die Charakterisierung von Gerhard Schulze genau auf die Gruppe der Hipster zu. Als Mitglieder der gut ausgebildeten Mittelschicht ist die Distinktion, der lockere Lebensstil und der Spaß das oberste Lebensziel dieser sozialen Schicht. Dabei leben die Hipster in einer auf Genuss und Spaß ausgerichteten, gegenwartsorientierten Konsumgesellschaft die auf Solidarität, Anstrengung, Geduld und Askese weitestgehend verzichtet. Die individualistische Ausgestaltung des eigenen Lebens wird zur Abgrenzung gegenüber anderen Mitgliedern der eigenen sozialen Schicht instrumentalisiert.

In anderen Gesellschaftsmodellen, wie beispielsweise dem von Abraham Maslow, wird dieses Bedürfnis nach Selbstverwirklichung an höchster Stelle gesehen. Demnach sei der Mensch danach bestrebt erst alle „unteren Bedürfnisse“ zu befriedigen, bevor er sich der Befriedigung der höchsten Bedürfnisform, der Selbstverwirklichung, annimmt. Man könnte daraus schließen, dass wir in einer Gesellschaft leben, in der die untersten vier Bedürfnisse der Bedürfnishierarchie (psychologische Bedürfnisse, Sicherheitsbe- dürfnisse, soziale Bedürfnisse und Individualbedürfnisse) per se befriedigt sind. Und dass die Hipster, als eine avantgardistische Bewegung der oberen Mittelschicht, sich das höchste aller Bedürfnisse, die Distinktion, zu ihrer existenziellen Tugend gemacht haben. In dieser Schicht scheint die Basis für ein sicheres und gesichertes Leben gege- ben. Unsere Gesellschaft muss sich nur wenig Sorgen um die Stabilität unseres politischen Systems machen – und besonders die Mitglieder der Generation Y sorgen sich nur wenig darum. Auch besteht im Großen und Ganzen eine Chancengleichheit in der Gruppierung der Hipster, da die meisten als Studenten oder akademische Absolventen, über eine ähnlich gute Ausbildung verfügen. So erklärt sich der Wunsch nach Andersartigkeit gegenüber den anderen Mitgliedern der selben sozialen Schicht, der sich in den beschriebenen Oberflächlichkeiten äußert.

Keiner nimmt dem anderen seine Ich-Posen ab

Die Hipster-Bewegung kann letztendlich als modische Erscheinung einer gesellschaftlichen Entwicklung interpretiert werden. In einer Luxusgesellschaft in der es an nichts mangelt, formiert sich ein Trend der eine visuelle Andersartigkeit in Mode und Lebensstil ins Zentrum rückt, um sich von der spießigen, konservativen Bourgeoisie zu distanzieren. Solche Jugendbewegungen gab es schon oft, jedoch meist verbunden mit politischen oder moralischen Idealen, beispielsweise in der 68er-Bewegung der Hippies oder den Aufständen der Punks in den siebziger Jahren. Diese politische und gesellschaftliche Verantwortung ist in der heutigen Generation scheinbar zu großen Teilen abhanden gekommen. So versucht sich die Bewegung der Hipster durch oberflächliche Gestal- tungsmuster verschiedener anderer Szenen, Kulturen und Modeerscheinungen eine politische und persönliche Tiefe zu basteln, die oftmals nicht der Wirklichkeit entspricht. Lockerheit, Lifestyle, Spaß und Coolness stehen im Zentrum dieser Erlebnisgesellschaft. Das Ergebnis ist eine egoistische Subkultur ohne Inhalt, für die das eigene Wohl und der Spaß im Leben an erster Stelle steht. So beschreibt Mateo Kries, der Kurator des Vitra Design Museums, in seinem Buch die Problematik dieser Generation: Die Individualität kommt aus der Mode. Unser Verhältnis zu den Dingen sei einzig vom Aspekt der Identi- fikation bestimmt. Jeder kleinen Design-Entscheidung gehe die große Repräsentationsfrage voraus: Bin ich das wirklich? Ein permanentes Abgleichen mit dem Bild, welches man der Öffentlichkeit vermitteln möchte. Resultat ist eine Gesellschaft, in der keiner mehr dem anderen seine Ich-Posen abnimmt und glaubhaft erscheint. So entsteht das Phänomen der Hipster-Kultur. Es sind meist nur oberflächliche Repräsentationen von Dingen die dargestellt werden. Das echte, authentische Ich bleibt in der Hipster-Kultur oftmals großflächig von der gewünschten Authentizitätsdarstellung verstellt. Robert Pfaller formuliert dazu: „Die Idee des Selbstausdrucks, die nie Mode sein wollte, weil hier jeder Einzelne nur sich selbst verpflichtet war – sie ist aus der Mode gekommen.“ Hipstertum kann wie jeder andere Stil nur dann echt sein wenn er glaubhaft ist und die persönliche Tiefe und kritische Haltung echt ist.

Die Anthropologin Dayna Tortorici fasst zusammen: «Hipster sind Kuratoren und Kritiker, Remixer und Designer oder eben [nur] jene Werbetexter und Prosumenten, die im Kielwasser der Künstler segeln».

Bild: hipstergirl68.tumblr.com

>> Teil 1. Was  sind Hipster und wie leben sie?

Was haltet ihr vom Hipster-Kult? Scheiße und Pseudo oder zählt ihr euch vielleicht selbst dazu?

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Gesellschaft

Was sind Hipster und wie leben sie?

Was sind Hipster? Nerdbrille, Jutebeutel und Flanellhemd, man sieht sie an jeder Ecke: So genannte Hipster. Einerseits seltsam retro, in der anderen Hand aber immer das neuste iPhone. Was steckt hinter dieser Bewegung und Subkultur der Hipster, die anders sein will aber längst im Mainstream angekommen ist? In einer kleinen Miniserie wollen wir zunächst die Geschichte und Merkmale der Hipsterkultur vorstellen und uns im zweiten Teil der Kritik am Kult widmen.

Als „Hipster“ bezeichnet man Mitglieder einer subkulturartigen gesellschaftlichen Gruppierung älterer Jugendlicher bis junger Erwachsener. Als Teil der urbanen, gehobenen Mittelschicht sind sie meist in den Szenevierteln von Großstädten angesiedelt. Charakteristisch ist ein ausgelebter Nonkonfirmismus und ausgelassener, erlebnisorientierter Lebensstil der sich durch alle Bereiche des Lebens zieht.

Die Hipster des 20. Jahrhunderts

Ursprünglich kommt der Begriff von der avantgardistischen, US-amerikanischen Subkultur des mittleren 20. Jahrhunderts. Er beschreibt in diesem Zusammenhang Mitglieder einer intellektuellen Randkultur von vorwiegend schwarzen Künstlern, Dichtern und Musikern um die Freejazz und Bepop-Bewegung. Die damals als sozialkritisch angesehene Subkultur weckte während der fünfziger Jahre vermehrt das Interesse von Weißen, welche die Kultur zu imitieren begannen. Die intime, kleine Szene bestand bis zu ihrer langsamen Auflösung während der sechziger Jahre aus wenigen, klassenverschiedenen Außenseitern die durch ihre Kleidung und ihr avantgardistisches Benehmen leicht erkennbar waren. Der Versuch sich von der ermüdenden Popkultur der damaligen Zeit loszulösen, indem man ihr einen Schritt voraus war oder in ihren längst vergessenen Aspekten verweilte, ist der heutigen Hipster-Kultur sehr ähnlich. Mit dem aufkommenden Vintage-Look ab dem Ende der neunziger Jahre verbreitet sich der Hipster-Trend erst in den großen US-amerikanischen Städten und anschließend international. Anhänger der Subkultur werden größtenteils der „Generation Y“ zugeschrieben. Diese beschreibt gut ausgebildetete Mitglieder der oberen Mittelschicht. Meist Studenten die größtenteils in einem Umfeld von Internet und mobiler Kommunikation aufgewachsen und von der gesellschaftlichen Teilhabe weitestgehend ausgeschlos- sen sind. Was bedeutet, dass sie keine politischen Ideale verfolgen wie die früheren Jugendbewegungen der Hippies oder Punker. Die Generation ist technisch sehr versiert, weit vernetzt und kommuniziert über viele Kanäle der neuen Medien. Facebook, Twitter sowie zahlreiche Blogs dienen als Kommunikationsplattformen.

Die Hipster-Bewegung Im Zentrum der Bewegung steht die klare Ablehnung der stumpfen Bourgeoisie und dem Versuch sich optisch und intellektuell von dieser abzuheben. Durch die Zelebrierung eines gewissen Retro-Chics, durch Flohmarkt- und Second-Hand-Käufe, und die klare Ablehnung von Mainstream-Marken, wird versucht die eigene Individualität in den Mittelpunkt zu stellen. Bei diesem Nonkonfirmismus und dem Streben nach absoluter Individualität bedient sich die Hipster-Kultur wahllos an Symbolen und Merkmalen verschiedener andere Subkulturen und Stile und vermischt diese meist oberflächlich ohne die dahinter stehenden politischen Aussagen oder Werte zu übernehmen oder zu hinterfragen. Während man den Second-Hand-Trend noch als Ansatz einer gesellschaftskritischen Haltung und Kritik gegenüber dem Markenwahn und Massenkonsum verstehen könnte, wird der Kapitalismus im Hipstertum nicht wie beispielsweise bei linksorientierten Alternativbewegung abgelehnt, sondern geradezu instrumentalisiert. Der Flohmarkt-Chic wurde spätestens durch die Reproduktion von Vintage-Artikeln durch die Modelabels selbst zur Marke und zum Mainstream. Allgemein ist eine große optische Schnittmenge mit der linken Alternativbewegung festzustellen – wobei sich bei dieser klare Werte feststellen lassen und eine klare Ablehnung der Hipster-Bewegung vorhanden ist. Hipster lassen sich nicht über einen sozialen Status, die Herkunft, die politische Gesinnung oder den Musikgeschmack klassifizieren – sondern lediglich über oberflächliche Merkmale wie Kleidung, Accessoires und Lifestyle. Diese fehlende Basis an Werten und Überzeugungen macht eine Charakterisierung sehr schwierig und wird dem Hipstertum als Subkultur sowie der gesamten Generation Y als Vorwurf gemacht.

Merkmale eines Hipsters

Mit dem Nonkonfirmismus als zentralem Element gilt allgemein: je spezieller und ausgefallener desto besser. Der Versuch sich in der sozialen Schicht von den Anderen abzuheben zieht sich als Individualisierungs- und Distinktionswahn durch fast alle Lebensbe- reiche und wird im Folgenden beispielhaft beschrieben.

Hipster-Mode

Angelehnt an die Mode der achtziger und neunziger Jahre war der Vintage-Look anfänglich reiner Second-Hand-Look der vorwiegend auf Flohmärkten erworben wurde. Durch die Ablehnung von Markenkleidung und dem wiederaufleben lassen von vergan- genen Trends soll ein individueller Kleidungsstil nach außen getragen werden. Doch verschiedenen Modelabels wie beispielsweise „Urban Outfitters“ griffen den Trend schnell auf und überschwemmen inzwischen den Markt mit Second-Hand-Mode bzw Reproduktionen. Für die Hipster-Bewegung beispielhafte Kleidungsstücke sind Holz- fäller- Flanellhemden, enge Röhrenjeans – auch gerne hochgekrempelt – sowie Vans- oder Converse-Schuhe kombiniert mit verschiedenen Accessoires. Vor allem Jutebeutel, Trucker-Mützen, Nerd- und die Ray-Ban Wayfarer-Sonnenbrillen sind inzwischen als absolute Hipster-Accessories in Verruf.

Hipster-Lebensmittel

Der Devise „je ausgefallener desto besser“ folgend, werden vor allem Produkte kleiner, alternativer Hersteller von der Hipster-Kultur präferiert. Bei Lebensmitteln werden Tei- le des Öko- und Bio-Trends als hip und erstrebenswert erachtet und in den eigenen Lifestyle übernommen. Mainstream-Ketten wie beispielsweise Mc Donalds werden klar abgelehnt und eher unbekannte, Alternativmarken und -produkte präferiert.
Astra, eine Biersorte der Hamburger Holsten-Brauerei, und Club-Mate, ein koffeinhaltiges Erfrischungsgetränk der kleinen Brauerei Loscher aus Münchsteinbach, wurden so in den letzten Jahren zu absoluten Hipster-Getränken in deutschen Großstädten. Auch der Filterkaffee erlebte durch die aufkommende Vintage-Kultur und den Retrotrend eine einzigartige Renaissance.

Hipster-Wohnen

Präferiert werden hier ganz klar die Szeneviertel der Großstädte. Während anfangs New York, London und Berlin als die Hauptstädte der Hipster-Kultur galten, wurden vom Zeit Magazin inzwischen acht Hipster-Städte in Deutschland gelistet. So gibt es neben Berlin auch in Hamburg, München, Stuttgart, Frankfurt, Leipzig, Düsseldorf, und Köln Viertel mit hohem Hipster-Potential. Auffallend hierbei ist, dass die die Szeneviertel vor dem großen Hype meist als „dreckig und billig“ galten.7 So kommt es regelmäßig zur Gentrifizierung (ugs. Yuppiesierung) ganzer Stadtteile durch die Hipster-Kultur und somit zu einer Suburbanisierung der Armut. Die zugezogenen Hipster verdrängen die alteinge- sessenen Anwohner und treiben durch die hohe Nachfrage in den neuen Szenevierteln die Mietpreise in die Höhe. So kippt Jahr für Jahr irgendwo ein ehemaliges Arbeiterquar- tier durch den Einzug von Hipstern – und bringt Bioläden und überteuerte Boutiquen hervor, was oftmals den Unmut der bisherigen Bewohner auf sich zieht.

Hipster-Kunst und Kultur

Der Retrolook zeigt sich auch in der Kunst und Kultur. Auch hier ist eine gewisse Nos- talgie in der Rückbesinnung auf analoge Techniken festzustellen. Diese zeigt sich bei- spielsweise in der Verwendung von analogen Foto- und Filmkameras wie der Super 8 Kamera, die von Kodak bereits 1965 eingeführt worden war. Die Ergebnisse werden auf zahlreichen, einschlägigen Foto- und Video-Blogs präsentiert und verbrei- tet. Auch die wiederaufkommende Nachfrage nach Schallplatten kann als Resultat des Retro- und Vintagetrends gewertet werden. Insgesamt ist hier jedoch zwischen realem, tiefgründigem Interesse für die analoge Technik und oberflächlicher Übernahme von Charakteristiken zu unterscheiden. Ist die analoge Fotografie sicher als ernstzuneh- mendes Hobby zu werten, ist die hohe Nachfrage, beispielsweise nach der iPhone-App „Instagram“, sicher dem Hipster-Trend geschuldet. Mit dieser Software ist es möglich ähnliche Effekte wie mit einer Polaroid- oder Großbildkamera zu erzielen. Somit geht
es den Benutzern dieser App nicht um ein reales Interesse an der analogen Fotografie sondern um eine pseudo-nostalgische, oberflächliche Übertragung gewisser Effekte auf moderne Technologie.

Hipster-Technik

Eine klare Trennung zieht sich bei der Hipster-Kultur zwischen Retro-Chic und modernen technischen Geräten. Die bereits angesprochenen Accessoires wie analoge Kameras ausgenommen, ist in der Hipster-Kultur eine klare Ausrichtung zu modernen technischen Produkten zu erkennen. Besonders die Produkte der Firma Apple stehen bei den Anhängern des Hipster-Kults hoch im Kurs. Die noch relativ geringe Verbreitung der Apple-Geräte visualisiert eine Andersartigkeit und einen Hang zum Kreativen und Künstlerischen. Auch am hohen Preis der Geräte ist zu erkennen, dass sich die finan- zielle Stellung der Mitglieder der Hipster-Kultur nicht mit dem optisch oft nachlässigen Erscheinungsbild deckt. Die technischen Geräte wie iPhone und MacBook werden
als Objekte zur Repräsentation betrachtet und in der Öffentlichkeit teilweise regelrecht inszeniert.

Bild: kawaiizombies.tumblr.com

>> Teil 2: „Look at this Fucking Hipster! Warum finden alle Hipster scheiße?“

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Gesellschaft Netz &

Das Netz: Von Selbstdarstellern zu Produzenten

Am Anfang waren es die Blogs, heute ist es angeblich Youtube: Ein Hort für Selbstdarsteller. Immer wieder bezeichnen die Medienberichte engagierte Nutzer im Netz als schamlose Selbstdarsteller. Die „Selbstdarsteller beflügeln Web 2.0„, Amy & Pink schrieb mal über die „Generation Selbstdarstellung“ und die Süddeutsche sucht per Abstimmung „Die größten Selbstdarsteller im Netz„. Und Der Standard bezeichnete nun den Deutschen Webvideopreis als „Videopreis für die Selbstdarsteller im Internet„, doch diese Bezeichnung greift zu kurz. Menschen die im Netz veröffentlichen sind längst mehr als Selbstdarsteller, sie unterhalten, informieren und bringen zum Nachdenken und das mit wachsender Professionalität.

Sicherlich muss man hier Unterscheiden: Als Blogs noch Persönliche Tagebücher im Netz waren, ging es sicherlich mehr darum sein eigenes Leben in gewisser Weise zu präsentieren. Vlogger auf Youtube wollen sicher vor die Kamera und möglichst lustig etwas erzählen und Facebook ist bis heute ein Tool, dass in erster Linie dazu dient sich selbst in einem gewissen Licht zu präsentieren und bestimmte, erfolgreiche Bereiche des Lebens herauszustellen, genauso wie andere soziale Netzwerke.

Aber Blogs sind eben nicht mehr Tagebücher im Netz, sondern viele davon längst themenspezifische, respektable Onlinemagazine. Youtube ist nicht mehr nur die Plattform auf der Leute eine Kamera anmachen und davor rumhampeln, sondern wo Serien, Filme und neue Formate entstehen. Ebenso  sind inzwischen viele der Nutzer sehr viel professioneller geworden und es geht nicht mehr darum, nur sein Gesicht in eine Kamera zu halten oder Eyeballs auf die eigene Person zu richten. Mit wachsendem Publikum hat man auch selbst eine Pflicht diesem gegenüber. Wenn Sascha Pallenberg von Messe zu Messe hetzt um das neuste in Sachen Mobile Computing zu präsentieren, geht es ihm sicher nicht um darum sich selbst zu präsentieren, sondern die Leser als erster mit aktuellen Informationen zu versorgen. Y-Titty sind auf einem Level angelangt, wo sie Woche für Woche überlegen, wie sie ihr Publikum unterhalten können. Würde man ihnen reine Selbstdarstellung vorwerfen, würde man implizieren, ihr Protagonist TC sähe sich selbst gerne als Frau. Wenn wir neue Folgen für YouJustDon’tDo drehen, dann überlege ich nicht, wie genau ich vor der Kamera aussehe oder ob die Rolle eventuell peinlich ist, sondern was können wir besser machen als das letzte Mal? Was hat nicht gepasst? Wie können wir die Geschichte besser erzählen und das Publikum unterhalten?

Und dahin dreht es sich immer mehr. Natürlich braucht es immer jemand, der bereit ist sich vor die Kamera zu stellen, der bereit ist seine Meinung mit anderen zu teilen und die Kritik daran einzustecken und dahinter steckt bestimmt auch ein Hang zur Selbstdarstellung. Und machen wir uns nichts vor: Eine gelungene Selbstdarstellung und -inszenierung hilft sehr die Inhalte zu verbreiten und an den Mann zu bringen. Ein Beispiel wäre Sascha Lobo, dessen Frisur ihm geholfen hat sich erfolgreich zu vermarkten und ihn bei der oben genannten Umfrage gleich auf Platz 1 katapultiert. Aber er kann eben auch jede Woche auf SpiegelOnline wichtige Themen ansprechen. LeFloid macht ähnliches: Seine Sendung „LeNews“ ist zwar weit weg von journalistischen Standards, aber dennoch nutzt er seine Bekanntheit immer wieder um Themen anzusprechen, die ihm wichtig sind und das Publikum interessieren.

Menschen die Produzieren sind mit wachsender Professionalisierung nicht mehr ihrem Selbstdarstellungstrieb verhaftet, sondern wollen ein Publikum bedienen/informieren/unterhalten. Ansonsten könnte ich mit der gleichen Logik Claus Kleber, wenn er Abends das „heute journal“ präsentiert Selbstdarstellung vorwerfen, genauso allen anderen Journalisten, ich glaube und hoffe nicht, dass die Meisten das antreibt.

Bild: Some rights reserved by Unfurled

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Bewegen & Beschäftigen Gesellschaft

Zukunft im Personalmarketing

Keine Angst, das hier wird nicht zur Karrierebibel für Unternehmen. Aber während meiner Tätigkeit für monster.de habe ich mich sehr mit dem Arbeitsmarkt beschäftigt. Und da passieren spannende Dinge: Vom War for Talent ist die Rede, dem Fachkräftemangel und das sich sich der Arbeitsmarkt langsam umkehrt zu einem Arbeitnehmermarkt. Es ist immer mehr an den Unternehmen sich möglichst attraktiv am Markt zu präsentieren denn an den Bewerbern das perfekte Lächeln auf dem Bewerbungsfoto zu zeigen.

Über all dem fiel mir also wieder ein, dass hier immernoch ein paar Videos von der TEDxRheinhessen auf der Festplatte herumliegen. Unter anderem mit Vanessa Boysen, damals Head of Human Ressources bei Sinner Schrader, inzwischen ist sie Geschäftsführerin der Markenpersonal GMBH.

Hier also das Interview mit ihr. Wer möchte kann sich darunter auch ihren ganzen Vortrag auf der TEDx anschauen.
Wer sich noch mehr für das Thema Arbeitsmark interessiert, dem sei die „Wo ist die Zukunft Hin?„-Folge zum Thema Arbeit und Unternehmen empfohlen oder er findet in meine Berichterstattung für Monster.de von der CeBIT etwas.

Entschuldigen möchte ich mich noch für die Tonhakler und Bildaussetzer an ein paar Stellen, keine Ahnung was da los ist. Vielleicht hat das Material zu lange gelgen. Wenn jemand weiter weiß, gerne in den Kommentaren. 

Vanessa Boysens Vortrag auf der TEDx:

Ich werde mich bemühen in den nächsten Wochen auch die restlichen TEDx-Videos fertig zu schneiden, da sind noch einige Perlen dabei. Wer diese nicht verpassen möchte schaut hier regelmäßig vorbei, nutzt den RSS-Feed oder abonniert unseren Youtube-Kanal.

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Bewegen & Beschäftigen Gesellschaft Politik

Der Fall Wulff – Rechtsweg ausgeschlossen

Mit den Worten „Inhaltsfreier, würdeloser Bundespräsidentendarstellerazubi“ wird zur aktuellen Stunde vor dem Schloss Bellevue gegen unser Staatsoberhaupt gewettert. Unter dem Motto „Wulff den Schuh zeigen“ hat hier nach arabischem Vorbild jeder die Möglichkeit, Herrn Wulff seine persönliche Missachtung zum Ausdruck zu bringen. Zwar mag das verfassungskonform sein, doch der Sinn erschließt sich nicht so recht. Weshalb wird hier demonstriert? Wie berechtigt sind diese Demonstrationen? Ein Kommentar

Im Jahr 2009 lief ein ganzes Dorf Sturm: Ein Vergewaltiger, der sich nach verbüßter Haftstrafe in Heinsberg bei Aaachen niedergelassen hatte, um ein neues Leben zu beginnen, wurde „Opfer“ einer Kampagne der Bürger gegen ihn. Bemalte Plakate und Bettlaken wurden hoch gehalten und sein Gesicht konnte er in den umliegenden Geschäften und an Bushaltestellen begutachten. Während hier noch „zugute“ gehalten werden könnte, dass der Herr ja tatsächlich verurteilter Straftäter war, ist dies bei Herrn Wulff nicht der Fall. Zwar ist dies vielfach von Vertretern aus Politik, Presse und Wirtschaft zu hören, doch Christian Wulff hat sich (noch) nicht strafbar gemacht. Bis zur endgültigen Verurteilung gilt die Unschuldsvermutung. Wer also meint, Herr Wulff habe sich in irgendeiner Weise strafbar gemacht, hat selbstverständlich die Möglichkeit, gegen diesen Strafanzeige zu erstatten. Darüber hinaus können der Bundesrat und Bundestag eine Präsidentenanklage vor dem Bundesverfassungsgericht anstrengen. Doch weil das alles sehr mühsam ist, lange dauert und vermutlich kaum von Erfolg gekrönt sein wird, kann man sich natürlich auch auf seine Pressefreiheit bzw. sein Versammlungsrecht berufen und selbst ein Urteil fällen: Wenigstens moralisch hat Wulff sich „strafbar“ gemacht, auf jeden Fall muss er daher zurücktreten. Und wenn nicht das, ist er Bundespräsident auf Bewährung. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen, das Urteil ist gesprochen.

In was für einem Land leben wir eigentlich, mag so mancher Bürger denken und sich dabei die Haare raufen. Hat ein Bundespräsident, der so vehement auf sein Persönlichkeitsrecht pocht wie Herr Wulff, überhaupt eine Chance, zu bestehen? Sollte dies zutreffen, dass die BILD beabsichtigte, höchst persönliche und intime Details über Wulffs Privatleben zu veröffentlichen – was nun wirklich nicht das erste Mal in der Geschichte dieses Verlages wäre – wäre es absolut in Ordnung, wenn dieser versucht, das zu unterbinden. Auch die Presse hat persönliche Grenzen zu achten. Tut sie das nicht, kann ein Strafantrag folgen, und die Ankündigung eines Strafantrages ist keine Drohung. Das ist das gute Recht eines jeden Staatsbürgers. Dass er darüber hinaus im Vorhinein versucht, eine solche Berichterstattung, die seine Privatsphäre tief verletzt, zu verhindern, ist ebenfalls in Ordnung. Genau dies wird Wulff aber wiederum zum Verhängnis: Von einer Missachtung der Meinungs- und Pressefreiheit ist die Rede. Und wie könne der oberste Mann unseres Staates, der nicht einmal das Grundgesetz achtet, denn noch länger im Amt bleiben? Egal wie Wulff sich verhält, es ist fast aussichtslos und er kann es nur falsch machen. Wer Böses im Sinn hat, kann dies ein bisschen als Kochrezept für die Entfernung ungeliebter Politiker begreifen: Eine Prise zu persönliche Berichterstattung, ein Esslöffel Verhinderung der Veröffentlichung, ein Schuss „Aber meine Grundrechte!!!“ und schon haben wir den Salat. So wichtig die Rolle der Medien in der Demokratie auch sein mag, so viel Macht dürfen sie nicht haben. Doch genau diese Macht nehmen sich manche einfach, und ob man die BILD hier guten Gewissens ausnehmen darf, bleibt zu bezweifeln.

 

Was in den Medien nicht existiert, gibt es nicht

Dazu kommt ein Effekt, der in unserem Land leider weit verbreitet ist und immer wieder und zu Recht zu Unmut bei betroffenen Beteiligten führt: Ein Problem, das in den Medien nicht existiert, gibt es nicht. Dementsprechend gibt es nur, was in den Medien bzw. weiter gefasst im öffentlichen Bewusstsein existiert. Dies kann man sich zwar zunutze machen, doch kann auch zum Verhängnis werden. Und dort liegt auch die starke Parallele zwischen der Anti-Vergewaltiger- und der Anti-Wulff-Demo. Wenn einer anfängt, einen Stein zu werfen, machen alle mit. Nicht selten führt das fast zu Pogromstimmung, begründet durch die Versammlungs- und Meinungsfreiheit, wie in diesen beiden Fällen. Wulff befindet sich in einem Kreuzverhör, das teilweise an Absurdität kaum zu überbieten ist. Kostenlose Übernachtungen bei Freunden werden ihm negativ vorgehalten. Er hat plötzlich Fragen zu beantworten, wer seine erste Hochzeit bezahlt hat und wer seine zweite, ob er Unterhalt für seine Mutter bezahlt hat und welche Kleider seiner Frau geliehen waren. Beantwortet er sie nicht, hat er selbstverständlich etwas zu verheimlichen. Nun würde sogar der ein oder andere Wulff-Kritiker einsehen, dass letztere Fragen lächerlich und zu privat sind. Doch wer entscheidet, was Wulff der Öffentlichkeit preisgeben muss und was nicht? Schon scheiden sich wieder die Geister und der Willkür sind einmal mehr Tür und Tor geöffnet.

Dabei könnte dies jedem Politiker „passieren“, ob berechtigt oder nicht. Auf die gleiche Art und Weise wurden Horst Köhler und Karl-Theodor zu Guttenberg aus dem Amt befördert, und genauso könnte man beispielsweise mit Angela Merkel, Frank-Walter Steinmeier und Guido Westerwelle verfahren. Es ist nicht so wichtig, ob sich nun jemand etwas zu Schulden hat kommen lassen oder nicht, der Anschein genügt. Und der Anschein kann auch einfach medial hergestellt sein. Da kann sich fast glücklich schätzen, wer gerade nicht negativ im Mittelpunkt der Medien steht. Denn was in den Medien nicht existiert, gibt es nicht.

 

Peinlich für das ganze Land

Es mag sein, dass es auch Herr Wulff nicht immer 100 % genau mit der Legalität oder – weil es darum ja eigentlich geht – Legitimität genommen hat. Es mag sein, dass der Anruf bei Herrn Diekmann irgendwie dumm und ungeschickt war. Und es mag sein, dass nicht jeder mit allem einverstanden ist, was er tut und getan hat. Doch wer ernst zu nehmende Einwände gegen Herrn Wulff als Bundespräsident, Politiker oder einfach nur Mensch hat, kann das Gericht anrufen. Dies steht jedem frei. Dies ist die angemessene Art und Weise, in einem Rechtsstaat, der die Würde des Menschen als höchstes Rechtsgut im Grundgesetz verankert hat, mit möglichen Rechtsverstößen umzugehen. Das derzeitige Vorgehen jedenfalls ist peinlich, nicht nur für Christian Wulff und Kai Diekmann, sondern für das ganze Land.

Vielleicht sollten wir uns endlich mal wieder Themen widmen, die wirklich wichtig für unser Land sind. Weihnachten ist zwar schon ewig, aber erst zwei Wochen her. Damals sagte Wulff selbst, was wichtig ist: „Europa ist unsere gemeinsame Heimat und unser kostbares Erbe. Es steht für die großen Werte der Freiheit, der Menschenrechte und der sozialen Sicherheit. … In unserem Land gibt es aber keinen Platz für Fremdenhass, Gewalt und politischen Extremismus. … Wir schulden uns allen Wachsamkeit und die Bereitschaft, für unsere Demokratie und das Leben und die Freiheit der Menschen in unserem Land einzustehen.“ Dies gilt nicht nur für den Umgang mit den Taten der Zwickauer Terrorzelle, sondern auch mit den Persönlichkeitsrechten unserer Mitmenschen. Egal, ob dies nun den Partner, den Nachbarn oder eben den Bundespräsidenten betrifft. Das fängt im Alltag und Kleinen an und hängt von jedem einzelnen ab.

 

Titelbild: (c) Gerd Altmann / pixelio.de

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Euro- & Wirtschaftskrise – Wo ist die Zukunft hin?

Unser Wirtschaftssystem ist am abschmieren, die Währung wackelt. Zeit sich wieder zu Fragen „Wo ist die Zukunft hin?“

Diesmal beschäftigen wir uns damit: Wird der Kapitalismus sterben? Wie funktioniert Geld und wie lange noch? Ist Schwundgeld mit Negativzins eine Alternative?

Wer sich noch mehr für das Thema Geld und seine Zukunft interessiert, darf einerseits gerne hier diskutieren und seine Meinung oder Fragen loswerden, schließlich war „Wo ist die Zukunft hin?“ vor allem dazu gedacht eine Diskussion anzuregen, andererseits sei derjenige auf futuremoney.org, das Blog/die Diskussionsplattform, die Alex Boerger zu diesem Thema ins Leben gerufen hat.
Nächste Woche kommt dann, wenn ich den Überblick noch habe, die zunächst letzte Folge von „Wo ist die zukunft hin?“, zumindest für diese Staffel, darin geh es wohl um die Zukunft der Medien. Einfachster Weg sie nicht zu verpassen: Youtube-Kanal abonnieren. 

(Sollte sich jemand über meine verschiedenen Gesichts- und Muskelzuckungen wundern: Es war scheißkalt!, Audio folgt gleich)

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Die Mechanismen der Onlinebeleidigung

„Das Kommentarfeld unter Artikeln: ein Trollhaus.“, schreibt Leo Lagercrantz in seinem Gastbeitrag „Vom Elend der Nutzerkommentare“ auf sueddeutsche.de. „Viele überfluten die Kommentarfelder mit Propaganda, Hassreden und Verleumdungen – oder genauer: mit Texten, die von den meisten Menschen in unserer Gesellschaft für Hassreden gehalten werden.“ Und tatsächlich bei dem Blick in die Kommentarspalten auch noch so honoriger Publikationen wird einem schlecht von all der Tastaturkotze, die dort verströmt wird. Doch wie ist es wirklich mit den Beleidigungen in Onlinemedien? Was funktionieren die Mechanismen und überlagern eventuell nur wenige Beleidigungen eine im Prinzip sachliche Diskussion?

Im Rahmen des Seminars „Spezielle Wirkungsforschung“ an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz bei Pascal Jürgens haben wir in einem kleinen Projekt eine Inhaltsanalyse von Kommentaren auf Spiegel Online durchgeführt. Gegenstand der Untersuchung waren 10.000 Nutzerkommentare, die 2 Wochen nach dem Unglück von Fukushima zu Artikeln dieses Themas abgegeben wurden. Ich habe mir die Beleidigungen etwas genauer angeschaut. Hier einige Ergebnisse:

Nahezu ein Viertel der Diskussionsteilnehmer verwendet Fakten

Obwohl gerade Atomkraft und Fukushima ein sehr emotionales Thema sind enthielten 23 % der Diskussionsbeiträge Fakten oder zumindest Tatsachenbehauptungen. Dieser Anteil erscheint mir recht hoch, allerdings liegt mir kein Vergleich zu anderen Themen vor. Es könnte sein, dass es gerade nach Fukushima viele Erklärversuche der Reaktorbauweise gab und und die ständig neue Strahlenwerte ausgetauscht wurden und das zu einer höheren Faktendichte geführt hat, als es bei einem anderen Thema der Fall wäre.
Nichtsdestotrotz überraschte mich diese hohe Zahl, hatte ich doch beim Codieren der Beiträge das Gefühl, man schlage sich fast ausschließlich verbal die Köpfe ein.

14% der Kommentare sind beleidigend

Während durch die Zahlen oben der Eindruck einer sehr sachlichen Debatte entsteht, wird ein andere Teil der Diskussion sehr emotional geführt: Rund ein fünftel der Diskussionsbeiträge weisen entweder emotionale Äußerungen oder konkrete Beleidigungen auf. Eindeutige Ironie kommt in 12% der Beiträge zum tragen.

Mechanismen der Beleidigung 2.0

Wir kennen nun also die Tonalität der Debatte, doch wie sieht es genau aus? Wie wird auf bestimmte Äußerungen reagiert? Was provoziert Beleidigungen? Dazu habe ich mir angeschaut, wie auf bestimmte Textmerkmale regiert wird. Ein paar Zahlen:

  • Auf Emotionale Beiträge wird in 19% der Fälle beleidigend reagiert
  • Auf ironische Beiträge wir ebenfalls in 19% der Fälle mit einer Beleidigung geantwortet. 
  • Auf Beleidigungen folgt in einem Drittel der Fälle eine erneute Beleidigung.

All diese Punkte zeigen, dass eine emotionale Debatte schnell in Beleidigungen abdriftet.  Wurde erst einmal beleidigt folgt auch in  33% der Fälle eine weitere Beleidigung als Antwort. In allen drei Fällen konnte ein statistischer Zusammenhang nachgewiesen werden.

Auf Fakten reagieren nur 11% beleidigend

Kann eine Debatte versachlicht werden? Wie wird auf Fakten reagiert? Hier weißt die Statistik aus, dass nur in 11% der Fälle auf eine Tatsachenbehauptung mit einer Beleidigung geantwortet wird. Das liegt unter den „normalen“ 14% an beleidigenden Inhalten.

Thematisierung des Diskussionsklimas hilft nichts

Wenn eine Debatte in das Tal der Fäkalorgie abdriftet findet sich früher oder später immer einer, der entweder Hitler einwirft oder das Diskussionsklima in Frage stellt. Verbessert der Beginn einer Metadiskussion über die Diskussion die Diskussion? Eher Nein.

Zunächst einmal enthält über ein Fünftel der Beiträge, die das Diskussionklima zum Inhalt haben, selbst Beleidigungen. Das heisst, viele sprechen das mangelnde Niveau nicht gerade auf hohem Niveau an.
In der Folge antwortet wiederum ein Fünftel derer, die sich auf solche Metadiskussionsbeiträge einlassen, mit einer Beleidigung. Was dann passiert haben wir ja oben bereits gesehen.

Was folgt daraus?

Daraus folgt sicherlich, dass sich eine intensive Moderation der Nutzerkommentare lohnt. Filtert man beleidigende Beiträge frühzeitig raus, mindert man die Wahrscheinlichkeit, dass sich ein Beleidigungskarussell in Gang setzt. Faktenbeiträge hingegen tragen zu einer Versachlichung der Debatte bei.

Wer sich nun noch näher mit dem Thema beschäftigen will, der kann hier gerne das komplette Paper herunterladen. Darin gibt es noch mehr tolle Zahlen: Ich untersuche berispielsweise auch noch die Reaktionen auf häufige Reaktionsmuster (Frames) und wer so am liebsten beleidigt wird.

Ich bin bei all dem kein Statistikgott, also wer Rechen- oder Logikfehler findet, darf mich gerne darauf hinweisen. Wer das ganze hilfreich fand oder sich gefreut hat über die Zahlen, würde mich mit einem Klick auf den Flattr-Button erfreuen.